Grünes Ende ohne Schrecken
Der schleichende Tod der Jahre 68 und 89/90
Das waren sie mal: Die fundamentale Opposition, die Freunde des Friedens und der Umwelt, die mit den Turnschuhen. DIE GRÜNEN. Sie schlugen heftige Wellen im bundesrepublikanischen Teich. Jetzt kräuselt sich der Medienspiegel nur noch ein wenig: Eine grüne Diplom-Finanzwirtin wechselt von der grünen Landtagsfraktion in Niedersachsen zur CDU. Huch. Ein sozialdemokratischer Ministerpräsident verliert seine Mehrheit im Landtag. Das ist der, der seine Regierungserklärung zum Umschreiben an den VW-Konzern geschickt hat. Unklar ist, ob sie ihm eine neue Software eingebaut haben. Oder ob die gebeugte Haltung der SPD-GRÜNE-Koalitionäre gegenüber VW eine natürliche Erscheinung ist, die man nicht durch elektronische Manipulation erst herstellen musste.
In einem anderen Auto-Bundesland wäre der Wechsel eines GRÜNEN zur CDU nur konsequent: „Ein grün-schwarzes Bündnis ist für die CDU in Baden-Württemberg eine große Modernisierungschance“, sorgte sich der Grüne Winfried Kretschmann, nachdem die CDU ihm zum Job als Ministerpräsident verholfen hat. Kretschmann fährt Mercedes. Und in allergrößter Not fällt ihm auch schon mal solch ein Satz zu Angela Merkel ein: „Ich bete dafür, dass die Bundeskanzlerin gesund bleibt.“ Seine Gesundbeterei hat Pol Pot, dem Premierminister von Kambodscha wenig genützt: Der Massenmörder starb auf der Fluch vor dem eigenen Militär. Als er noch von Kretschmann angebetet wurde, war der Mitglied im "Kommunistischen Bund Westdeutschland" (KBW), einer studentischen Sektenpartei.
Die Grüne Partei auf den sehr katholischen Anpasser Kretschmann zu reduzieren, wäre historisch zu kurz gegriffen. Die GRÜNEN waren ein Kind der 1968er Bewegung. Und bevor sie sich um die Modernisierung der CDU kümmerten, waren sie heftig an der Entrümpelung der alten Bundesrepublik beteiligt: Mit den GÜNEN stiegen die Frauen zu einem politikfähigen Geschlecht auf, der Parlamentarismus wurde zeitweilig zu einer spannenden Veranstaltung und die später angebetete Angela Merkel verordnete der AKW-Industrie im Ergebnis grüner Umfragewerte immerhin einen Zwischenstopp.
„Mit Verlaub, Herr Präsident, Sie sind ein Arschloch“, rief Joschka Fischer einst [1984] dem Bundestagsvizepräsidenten Richard Stücklen zu. Und nicht nur weil Fischer wirklich Recht hatte, verdient der Satz an die Tore des Reichstages genagelt zu werden. Dass Fischer später einen mörderisch guten Job erledigte, als er die Deutschen in einen NATO-Einsatz gegen Jugoslawien verwickelte, zeigt dann die wirkliche Spannbreite grüner Politik: Vom erheiternden Wortradikalismus bis zur vulgären Kriegsmacherei.
„Wir wollten nur einen besseren Sozialismus“, sagte Bärbel Bohley, eine der Vorzeigefrauen der DDR-Opposition 1990 in die Kamera von Spiel-TV. DDR-Oppositionelle wie Bohley fanden sich in der Bürgerbewegungen des Bündnis 90 ein, die wenig später den ostdeutsch geprägten Flügel der GRÜNEN bilden sollte. Von Sozialismus war dann nicht mehr die Rede. Statt dessen stimmte eine Mehrheit der Bündnis-Grünen dem Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan zu und beerdigte so das einstige Pazifismus-Element der GÜNEN, sodass die GRÜNEN als Teil der Friedensbewegung faktisch ausfielen. Es waren ehemaligen Oppositionelle, die in der DDR gegen Wehrerziehung mobil gemacht hatten und Teile der einst machtvollen, oppositionellen westdeutschen Friedensbewegung, die den Weg der grünen Partei in die neue Bürgerlichkeit begleiteten.
"Ich sehe meine politische Zukunft in der CDU“, erklärt die Grünen-Abgeordnete Elke Twesten zu ihrem Parteiwechsel und hat Recht. Denn die Zukunft der Bundesrepublik liegt fraglos schon seit Jahren in den Händen einer übergroßen Koalition von CDU, SPD und GRÜNEN.
Es ist an der Zeit eine Einheitspartei zu gründen, die dann auch formal mit der scheinbaren Opposition Schluss macht. Denn in diesen Tagen werden die oppositionellen Experimente von 1968 und 1990, die schon lange kränkelten, zu Grabe getragen. Der kurze Schrecken der Bürger ist dem langen Marsch mit den Institutionen in die Lähmung der öffentlichen Debatte gewichen. Man wird Elke Twesten eines Tages als historische Figur begreifen. Noch hatte Bundesrepublik keinen weiblichen Bundespräsidenten.
Trau Dich, Elke!
Ulrich Gellermann, Berlin
► Quelle: erstveröffentlicht bei RATIONALGALERIE > Artikel vom 07.08.2017
► Bild- und Grafikquellen:
1. Die Grünen-Abgeordnete Elke Twesten wechselt von der grünen Landtagsfraktion in Niedersachsen zur CDU. Karikatur von Kostas Koufogiorgos. Koufogiorgos wurde 1972 in Arta, Griechenland geboren, studierte nach dem Abitur 1989 Wirtschaftswissenschaften an der Universität von Athen und begann zeitgleich als Karikaturist für verschiedene griechische Zeitungen und Magazine zu arbeiten.
Seit dem Umzug 2008 nach Deutschland veröffentlicht er seine Karikaturen in verschiedenen Tages-, Wochen- und Online-Zeitungen. Des Weiteren findet man seine Arbeiten in Magazinen (z. B. „Nebelspalter“, „Der Spiegel“), Fach- und Gewerkschaftszeitungen (z. B. „Allgemeine Hotel und Gastronomiezeitung“, „vida“), Onlineportalen (z.B. „web.de“, „gmx.de“), und Bildungsmedien. 2008 wurde sein Buch „Minima Politika“ (mit Wolfgang Bittner) veröffentlicht,
2011 folgte „Frau Schächtele will oben bleiben“ (mit Monika Spang). 2012 erhielt er eine Auszeichnung beim Deutschen Preis für die politische Karikatur „Mit spitzer Feder“. In Griechenland ist er der Karikaturist der Athener Tageszeitung „Eleftherotypia“. Kostas Koufogiorgos lebt mit Ehefrau und Kater in Stuttgart-Bad Cannstatt. Seine Webseite >> www.koufogiorgos.de >> Facebook: www.facebook.com/koufogiorgos
2. Foto: JouWatch / Journalistenwatch - Journal für Medienkritik und Gegenöffentlichkeit. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.0 Generic (CC BY-SA 2.0). Bild nicht mehr verfügbar! H.S.
3. Wahlplakat: "GRÜN - aus Verachtung für Deutschland". Diagnostiziert von Kritisches-Netzwerk. Grafikbearbeitung: Wilfried Kahrs / QPress.
4. Buchcover: "Die Macht um Acht. Der Faktor Tagesschau" von Uli Gellermann, Friedhelm Klinkhammer und Volker Bräutigam; PapyRossa Verlag, Köln; ISBN 978-3-89438-633-7. >> zur ausführlichen Buchvorstellung.