Illegaler Waffenverkauf nach Kolumbien ohne Folgen.

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Illegaler Waffenverkauf nach Kolumbien ohne Folgen.
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Illegaler Waffenverkauf nach Kolumbien ohne Folgen


Bundesregierung lehnt Exportstopp für Waffen in die USA ab.


Armee lieferte deutsche Pistolen nach Kolumbien. Staatsanwaltschaft ermittelt



Von Harald Neuber


Berlin. Trotz der Verwicklung der USA in einen Skandal um illegale Waffenlieferungen des norddeutschen Rüstungsunternehmens SIG Sauer nach Kolumbien lehnt die Bundesregierung bislang Konsequenzen aus dem rechtswidrigen Waffendeal ab. Das geht aus den Antworten auf eine sogenannte Kleine Anfrage aus dem Bundestag hervor, die amerika21 vorliegt. Die Reaktion ist heikel, weil die Bundesregierung mit dieser Haltung ihre eigenen "Politischen Grundsätze für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern" [siehe auch PdF im Anhang] bricht. Darin heißt es, dass ein Empfängerland, das einen ungenehmigten Weiterverkauf deutscher Rüstungsgüter nicht stoppt, grundsätzlich von weiteren Waffenlieferungen aus Deutschland ausgeschlossen wird.

Ende Mai war bekannt geworden, dass Pistolen des deutschen Herstellers SIG Sauer zwischen 2009 und 2012 aus den USA illegal nach Kolumbien geliefert worden sind. Benutzt würden die Waffen des Typs SP 2022 dort von der Nationalpolizei. "Sie untersteht direkt dem kolumbianischen Verteidigungsministerium und wird für Menschenrechtsverletzungen mitverantwortlich gemacht", heißt es in dem Bericht. Offenbar exportierte die US-Armee über 100.000 Pistolen des besagten Typs in das südamerikanische Land – ohne eine dafür notwendige Genehmigung der deutschen Behörden eingeholt zu haben.

Ein Rechercheteam der Süddeutschen Zeitung, des NDR und des WDR hatte auf Basis interner Dokumente und Aussagen von Insidern belegt, wie SIG Sauer von vornherein die geltenden Vorschriften umging. Die Staatsanwaltschaft Kiel führte daraufhin Anfang Juli eine Razzia in dem Unternehmen in Eckernförde durch und beschlagnahmte zahlreiche Unterlagen als Beweismaterial. Gegenüber Medienvertretern sagte die zuständige Oberstaatsanwältin Birgit Heß, ihre Behörde habe "strafprozessuale Maßnahmen" veranlasst.

Während die Staatsanwaltschaft ermittelt, will die Bundesregierung offenbar keine weiteren Konsequenzen ziehen. Waffenexporte in NATO-Staaten seien "grundsätzlich nicht zu beschränken", heißt es in der Antwort aus dem Wirtschaftministerium. Dies steht so tatsächlich in den Grundsätzen der Bundesregierung, allerdings mit einem einschränkenden Nebensatz: "Es sei denn, dass aus besonderen politischen Gründen in Einzelfällen eine Beschränkung geboten ist."

Solche Gründe sieht die Bundesregierung trotz der illegalen Weiterverschickung aus den USA nach Kolumbien nicht. Dabei hatte die Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium, Brigitte Zypries, bei einer hitzigen Parlamentsdebatte Anfang Juni noch Sanktionen in Aussicht gestellt: "Wir müssen darauf vertrauen, dass die Zusicherung der USA eingehalten wird", sagte die SPD-Politikerin damals: "Wenn sie nicht eingehalten wird, dann werden keine neuen Ausfuhrgenehmigungen mehr erteilt." [Plenarprotoll 18/38, Dt. Bundestag]

Die Bundestagsabgeordnete Heike Hänsel aus der Partei Die Linke, von der die Kleine Anfrage stammt, sieht die Bundesregierung immer tiefer in Widersprüche verstrickt. "Die Antworten bestätigen nochmals unsere Befürchtungen, dass es für die Endverbleibskontrolle von genehmigten Waffenlieferungen kein ernst zu nehmendes Kontrollsystem gibt, sondern mehr auf gut Treu und Glauben Genehmigungen erteilt werden." Da mehr als die Hälfte der Fragen der Kleinen Anfrage nicht oder nur unzureichend beantwortet wurden, "werden wir ausstehende Informationen nachfordern und Antworten zu Rüstungsexporten im Zweifelsfall gerichtlich erzwingen", kündigte sie an. [Drucksache 18/2060, Kleine Anfrage im Dt. Bundestag]

Harald Neuber

 


 

Quelle: Portal amerika21 > zur Erstveröffentlichung

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Interne Verweise bei amerika21:


4. Jul 2014 | Nachricht:
Razzia bei SIG Sauer: Illegale Waffenlieferungen nach Kolumbien?weiter

28. Mai 2014 | Nachricht:
Deutsche Waffen illegal in Kolumbienweiter

29. Nov 2013 | Nachricht:
Waffenhandel: Deutsch-mexikanische Zahlenspieleweiter

 

Informationen über Harald Neuber, Journalist und Redakteur bei amerika21.de:

Harald Neuber ist von Haus aus Lateinamerikanist und Altamerikanist. Dank der realistischen Studienberatung am Lateinamerika-Institut der Freien Universität Berlin ("Mit diesem Studium können Sie später Kellner oder Taxifahrer werden!") hat er sich rasch auf Journalismus konzentriert.

Bis zum Herbst 2008 arbeitete er als Redakteur bei der Tageszeitung Junge Welt, für die er die Lateinamerika-Berichterstattung im außenpolitischen Ressort maßgeblich ausbaute. Seither arbeitet Neuber als Deutschland-Korrespondent der kubanischen Nachrichtenagentur Prensa Latina, für die er 20 Jahren nach dem Fall der Mauer wieder ein Büro in Berlin leitet. Er ist zudem für verschiedene europäische Medien als Korrepondent tätig.

Lateinamerika hat bei ihm Spuren hinterlassen. Aus Mexiko hat er sich zur Belustigung der deutschen Zöllner ein handbemaltes Waschbecken mitgebracht, aus Kuba die Liebe zu Zigarren. Andere Reisen führten ihn nach Mexiko, Guatemala, Kolumbien und Bolivien.

Seit Ende der neunziger Jahre pendelt der gebürtige Aachener zwischen seiner Wahlheimat Berlin und Lateinamerika.

 

Bild- u. Grafikquellen:


1. SIG SP 2022 ist eine halbautomatische Pistole von SIG Sauer. Im Jahr 2014 wurde bekannt, dass die kolumbianische Bundespolizei 100.000 SIG SP 2022 von den Streitkräften der Vereinigten Staaten erhalten habe. Dabei wurden auch Waffen geliefert, die aus deutscher Produktion stammen. Recherchen ergaben jedoch, dass für diesen Export von Seiten der Bundesregierung keine Genehmigung vorlag. Dies ist insbesondere pikant, da der Bundespolizei Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden. SIG Sauer wurde darauf hin mit einem Ausfuhrstopp belegt. So sollen seit dem 1. Juli 2014 alle Anträge auf Ausfuhrgenehmigung gestoppt worden sein um zu überprüfen, ob die Firma als zuverlässiger Exporteur infrage kommt.

Foto: Augustas Didžgalvis  Quelle: Wikimedia Commons. Diese Datei ist unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 nicht portiert“ lizenziert.

2. "In der neuen großen Koalition achten die Linken darauf, daß beim Regieren nicht alles mit rechten Dingen zugeht." - Grafik: Wilfried Kahrs / QPress