Johanna Quandt - die Heilige Johanna von BMW

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Ulrich Gellermann
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Verbunden: 22.03.2013 - 15:43
Johanna Quandt - die Heilige Johanna von BMW
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Die Heilige Johanna von BMW

Ein Leichenschmaus für servile Medien

Über Tote, behauptet eine Phrase, solle man nichts Abträgliches sagen. Oder auch "De mortuis nil nisi bene", wenn sich der Mensch mit Latein stadtfein macht. Aber über die Lebenden, die sich in den Medien an der toten Johanna Quandt, verwitwete BMW, gütlich tun, um den ordinären Kapitalismus mit einer Heiligen aufzuhübschen, über die wird man wohl die Wahrheit sagen müssen. Über jene Nekrophilen in den Redaktionen, deren Augen ständig den Boden absuchen, um reiche Füße zum Küssen zu finden, denen muss man ihren Nachruf beizeiten schreiben, denn wenn die gestorben sind, gilt vielleicht erneut jene Pietät, die der Wahrheit abträglich ist.

Eine "Pflichtbewusste Patriarchin" wird eine der reichsten Frauen Deutschlands genannt. Als "Mäzenin" taucht die BMW-Dame in fast allen Nachrufen auf, als ob ihre Stiftung Gutes getan habe, als sie einen Medienpreis ausgerechnet an die BILD-Zeitung vergab. "Johanna Quandt machte BMW zum Weltkonzern", gluckert es im Sumpf der Medien: Diese vielen Stunden am Fließband, nur um den Massen Autos zu schenken, arme Johanna! "Frau Quandt war einfach nett, man musste sie mögen", schreibt da einer, der sie wahrscheinlich kaum gesehen, geschweige denn ihre Treppe geputzt hat.

Doch die wahre Orgie der Liebedienerei wurde ganzseitig in der "Süddeutschen Zeitung" gefeiert. Na schön, BMW hat seinen Sitz in München, wie die SZ auch. Zu Recht wittert die Redaktion Anzeigen, Einladungen zu BMW-Empfängen und erstklassige Testwagen.

  • Aber muss man deshalb mit der Schmonzette von der Frau Quandt im Supermarkt beginnen, die angeblich ihre Verwandtschaft mit den Quandts gegenüber der Kassiererin scheu abstritt?
  • Muss man wirklich Johanna Quandt in die Phalanx der Witwen Springer und Bertelsmann einordnen, ohne zu erwähnen, dass sie alle drei nur Drittfrauen waren?
  • Und muss man ihr ernsthaft Bescheidenheit attestieren, die doch nichts anderes als professionelle Vorsicht vor dem Licht der Öffentlichkeit war?

"Esse non videri" (Sein, nicht scheinen), zitiert einer der Lohnschreiber das Quandt´sche Familienmotto ohne die Fadenscheinigkeit des Spruchs auch nur einmal an der Wirklichkeit zu messen.

Die Wirklichkeit der "bescheidenen" Quandt-Sippe ist in Berlin am Brandenburger Tor, Pariser Platz 7 zu besichtigen. Dort stand einst die Villa Max Liebermanns, des deutsch-jüdischen Malers, den die Nazis in Acht und Bann getan hatten, dessen Witwe kurz vor Auschwitz den Freitod wählte und dessen Verwandte von den Nazis ermordet wurden. Genau dieses Grundstück erwarben die Quandts 1995 als Berliner Familien-Absteige und bewiesen so ihre 'besondere' Zurückhaltung mit einer späten Arisierung jüdischen Eigentums durch Profiteure des Nazi-Systems. Dass eine der mächtigsten Familien Deutschlands diesen Platz am deutschen Symbol-Tor besetzt, ist als Herrschafts-Chiffre kaum zu überbieten. Nur den Regierungsmedien will es einfach nicht auffallen.

Schon im Ersten Weltkrieg gehörte der Konzerngründer Günther Quandt als Leiter der „Reichswoll-AG“ zu den Kriegsprofiteuren. Später setzte er, bereits Mitte 1931, auf die Nazis und traf sich mit Hitler im Berliner Hotel Kaiserhof, um der NSDAP für den Fall eines Linksputsches 25 Millionen Reichsmark zur Verfügung zu stellen. Nach `33 bedankten sich die Nazis mit Rüstungsaufträgen und stellten dem Wehrwirtschaftsführer großzügig jede Menge Zwangsarbeiter zur Verfügung, die sich in den Quandt-Betrieben gern zu Tode schuften durften. "Ihre hervorstechendste Eigenschaft aber ist Ihr Glaube an Deutschland und an den Führer“, bescheinigte Hermann Josef Abs von der Deutschen Bank dem Günther Quandt im Jahre 1941 in einer Laudatio. Da war auf dem Gelände eines der Quandt-Werke in Hannover bereis ein KZ-Außenlager errichtet, komplett mit Galgen und allem was zum Massenmord so dazu gehörte.

Wenn das Nazi-Kapitel der Quandts mal nicht ausgeblendet wurde, wie im Nachruf der SÜDDEUTSCHEN, dann wird es unerträglich verniedlicht: "Kein tröstender Schimmer fiel in diese Dunkelheit (der Nazi-Vergangenheit)", sorgt sich die SZ, um dann einen Biographen der Quandts zu zitieren, der, zu Johanna gewandt, zu bedauern wußte: "Das war gewiss nicht leicht für sie." Arme Frau inmitten ihrer Aber-Milliarden, auf Sklavenarbeit fussend, wurde sie angeblich erst spät mit den Quellen ihres Reichtums konfrontiert. Doch wenn das Nürnberger-Kriegsverbrechertribunal konsequent gewesen wäre, hätten die Quandts enteignet werden müssen. Für den Firmenchef und Mann von Johanna hätte ja schon ein solider Galgen für Kriegsverbrecher auf dem Firmengelände bereitgestanden. Das alles wußte Frau Quandt, zumindest hätte sie es wissen können.

Selbst wenn in den untertänigen Medien mal zaghaft an die Nazi-Quandts erinnert wurde, blieb die moderne, schicke, neoliberale Sklavenarbeit in den Medien außen vor. Leiharbeiter und Werksvertragsarbeiter – Menschen im Niedriglohnsektor – sichern BMW heute prima Gewinne. Nein, man hängt heute niemanden mehr auf, um das Arbeitstempo zu steigern. Man stellt Leute ein, die der Belegschaft eine lebende Mahnung sind: Mucke ja nicht auf, sonst gehörst Du auch zu denen, die umgehend gefeuert werden können und schlechtere Löhne bekommen. Über diese mehr als 15.000 Kollegen in der Konzern-Sonderbehandlung schweigt jeder Nachruf: Damit soll nicht einmal die tote Johanna belästigt werden.

Und dann muss die Verstorbene, Pietät hin und her, doch mal zitiert werden: "Ich denke, wir wollen bei den Bezügen keine amerikanischen Verhältnisse" sagte sie einst zu den exorbitanten Manager-Gehältern, "aber ich bezweifle stark, dass gesetzliche Regelungen in dieser Frage hilfreich sind. Es ist und bleibt ein ordnungspolitisches Armutszeugnis, Fehlentwicklungen mit dem Gesetzbuch bekämpfen zu wollen." So war sie, die nette Johanna: "Fehlentwicklungen" wie Armut und Ausbeutung, extremer Reichtum auf der einen, gewolltes Elend auf der anderen Seite, das wollen wir doch lieber nicht mit Gesetzen bekämpfen.

Selbst die beste Heilige bewirkt nicht das Wunder, die verordnete Blindheit in den Redaktionen zu heilen.

Ulrich Gellermann, Berlin


"Das Schweigen der Quandts" - ein sehenswerter Dokumentarfilm von Eric Friedler (VOLLVERSION: 1:29:45)

Der Dokumentarfilm zeigt, inwieweit die Industriellenfamilie Quandt in der NS-Zeit in das Nazi-System verstrickt war. Besonders betroffen ist das damalige Oberhaupt der Familie Günther Quandt, der im Dritten Reich als sogenannter Wehrwirtschaftsführer mit den Nazis zusammenarbeitete. Zeitzeugen belegen, dass die Familie einen erheblichen Teil des Familienreichtums auf der Basis von Zwangsarbeit im Zweiten Weltkrieg erwirtschaftete. Filmaufnahmen und schriftliches Archivmaterial untermauern die zentrale These und belegen die Verstrickungen des Industriellen Günther Quandt während des NS-Regimes. Die Familie Quandt nutzte seinerzeit offenbar wirtschaftliche Vorteile, die die maßgeblichen Leute während der Zeit des Nationalsozialismus ihnen angeboten hatten.

KZ-Häftlinge und Zwangsarbeiter ermöglichten große Profite und den Konzernausbau. Die Vermögenszuwächse, die die Familie Quandt zwischen 1933 und 1945 erzielte, begründeten zum Teil auch den Aufstieg in der deutschen Nachkriegswirtschaft.

Für Das Schweigen der Quandts recherchierten die Filmemacher Eric Friedler und Barbara Siebert über fünf Jahre lang in Archiven im In- und Ausland. Mit Hilfe der zusammengetragenen Dokumente ist es ihnen gelungen, Stück für Stück die Herkunft von Teilen des Familienvermögens offenzulegen.



Frontal 21: BMW sponsert Betriebsrat - schwarze Kassen


► Quelle:  RATIONALGALERIE > Artikel



Bild- und Grafikquellen:

1. Johanna Maria Quandt (geborene Bruhn; * 21. Juni 1926 in Berlin; † 3. August 2015 in Bad Homburg vor der Höhe) war eine deutsche Großaktionärin, Stifterin und Witwe des deutschen Industriellen Herbert Quandt. 1960 heiratete sie den zweimal Geschiedenen. Aus dieser Ehe gingen die Kinder Susanne (* 1962) und Stefan (* 1966) hervor.

In den Jahren 2002 und 2003 spendete sie der CDU und der FDP insgesamt 325.000 Euro, im Jahr 2008 gemeinsam mit ihren beiden Kindern 300.000 Euro. Sie gehörte damit zu den größten Parteispendern in Deutschland. Im Oktober 2013 spendete sie gemeinsam mit ihren beiden Kindern insgesamt 690.000 Euro an die CDU.

Das Vermögen von Johanna Quandt wurde auf 13,9 Milliarden US-Dollar geschätzt. Damit belegte sie Platz 77 auf der Forbes-Liste des Jahres 2015 der reichsten Menschen der Welt und Platz 8 auf der Liste der 500 reichsten Deutschen. Sie war nach ihrer Tochter Susanne Klatten laut Forbes 2015 die zweitreichste Frau Deutschlands.

Foto: Flickr-User Aneo. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung 2.0 Generic (CC BY 2.0)

2. Günther Quandt (* 28. Juli 1881 in Pritzwalk; † 30. Dezember 1954 in Kairo) war ein deutscher Industrieller aus der Familie Quandt. Foto/ Quelle: Bundesarchiv, Bild 183-B03534 / Dorneth / CC-BY-SA. Diese Datei ist unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland (CC BY-SA 3.0 DE)“ lizenziert.