Kanzlerin Merkel im Kampfmodus. Was bleibt von Angies Humanitäts-Geste?

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Wolfgang Blaschka
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Verbunden: 09.11.2010 - 02:16
Kanzlerin Merkel im Kampfmodus. Was bleibt von Angies Humanitäts-Geste?
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Kanzlerin Merkel im Kampfmodus

PR-Offensive von Altmaiers Amts wegen

Tapfer verteidigt die Bundeskanzlerin mit "freundlichem Gesicht" ihr einmal gegebenes Wort "Wir schaffen das" gegen insistierende Fragen von Anne Will. Sie zeigt Herz für Flüchtende wie auch Verständnis für die Sorgen "besorgter Bürger". Offensiv argumentiert sie gegen kleinliche Bedenken, um defensiv die großen Ängste in den Griff zu bekommen. In diesem Spagat zwischen Offenheit und Abschottung, Menschlichkeit und Staatsraison kämpft sie sich durch die Talkshow in der ARD ebenso wie durch ihren Auftritt vor dem EU-Parlament in Straßburg. Dort sucht sie Verbündete zur Fluchtbegrenzung, und zuhause die Öffentlichkeit zur Förderung der Flüchtlings-Aufnahmebereitschaft.

Das Fernsehstudio wird ihre Weltbühne. Sie muss punkten für die Beliebtheitsskala, seitdem aus der Koalition von links und rechts wie auch in ihrer Partei immer unverhohlenerer Widerstand gegen ihre Linie zu vernehmen ist.
 
Vor Kamera und Publikum gibt sie sich zunächst human gesinnt, durchaus entschlossen, dann aber auch zupackend, schließlich einschränkend, zunehmend abweisend: Asyl gibt es nur für Schutzbedürftige. Mit "schutzbedürftig" meint sie freilich nicht die Roma, die aus den Balkan-Staaten vor Diskriminierung und Perspektivlosigkeit fliehen; die sollen möglichst rasch in die desolaten Nachkriegsverhältnisse im ehemaligen, längst zerstückelten Jugoslawien zurückgeschickt werden. Die traurigen Überreste vom NATO-Krieg nennt sie "sichere Herkunftsländer". Kriegsflüchtlinge kommen da keine mehr aus ihrer Sicht. Das war 1999 mal, im vorigen Jahrtausend. Aktuelle Kriegsflüchtlinge können nur aus aktuell grassierenden Kriegen stammen. Auch Kolonialzeiten sind lange her.
 
Frühere Kriege sind Geschichte. Die Folgen interessieren nicht mehr. Als ob das Elend aufhörte, sobald die Waffen schwiegen. Als ob die nationalistischen Verwerfungen mit dem gewaltsam besiegelten Ende der Bundesrepublik Jugoslawien aus der Welt wären. Für viele fingen sie da erst richtig an. Die Kosovo-Truppen, kurz KFOR (englisch: Kosovo Force) stehen immer noch im Kosovo. Wozu eigentlich, wenn doch in der Region alles demokratisch nach Recht und Gesetz läuft, und folglich für alle Menschen eine allgemein anzunehmende Sicherheit herrscht?
 
Sogar die Kurden massakrierende Türkei soll demnächst auf die Liste der "sicheren Herkunftsländer" geschmuggelt werden, sofern Staatspräsident Erdoğan dafür sorgt, dass die 2,3 Millionen Kriegsflüchtlinge im Lande bleiben und nicht nach Europa weiterziehen. Dafür soll der EU nichts zu teuer sein, nicht einmal die Preisgabe ihrer humanitären "Werte". Der osmanische Hilfskalif als vorgeschobener Torwächter Europas? Er, der bisher jahrelang der extremistischen dschihadistisch-salafistischen Terrormiliz Islamischer Staat Rückzugsraum, Öl-Einnahmequelle und Rekrutierungsfeld nicht verwehrte?
 
Das will Anne Will so genau nicht wissen. Frau Merkel verhaspelt sich unterdessen mehrmals zwischen "Flüchtlings-Ursachen" und "Fluchtursachen". Die "Flüchtlings-Ursachen" dürften wohl ursprünglich im Zeugungsakt der Eltern der später Geflohenen liegen, die Fluchtursachen hingegen sieht Merkel kaum weniger nebulös, nämlich vor allem in den miserablen Lagern und Zeltstädten rings um Syrien, aus denen die Eingepferchten aufgrund halbierter Verpflegungsrationen abhauen, bevor sie ganz verhungern. Den Krieg, die Kriegsfolgen und vor allem seine Verursacher, nämlich die "Allianz der Kriegswilligen" und ihrer Helfershelfer, mithin also die Rolle der BRD selbst, sieht sie nicht. Die darf sie nicht sehen, sonst stünde die moralische Verpflichtung Deutschlands zu deutlich vor Augen.
 
Der NATO-Krieg gegen Jugoslawien nahm mit Genschers einseitiger Anerkennung Sloweniens und Kroatiens bereits ab 1991 seinen Lauf. Der Irakkrieg 2003 wäre ohne deutsche Kriegsbeihilfe nicht zu führen gewesen. Ihm entsprang der IS und griff auf Syrien über. Davon ist in der Debatte nie die Rede. Vielmehr kapriziert sich Merkels merkantilistische Weltsicht aufs Geld, das dem UN-Flüchtlingskommissariat UNHCR fehlt, und auf die Unterscheidung zwischen "Wirtschaftsflüchtlingen" und "Schutzsuchenden", zwischen "echten" Asylsuchenden nach der Genfer Konvention und eben denen, die schaun sollen, wie sie weiterkommen - jedenfalls nicht hierher. Damit rückt sie gefährlich nahe an jene rechtspopulistischen "Flüchtlings-Kritiker" heran, die zynisch meinen, in den nahöstlichen Flüchtlingslagern rings um das Kriegsgebiet werde doch nicht mehr geschossen. Dort seien die Menschen also längst in Sicherheit, also auch gar nicht mehr schutzbedürftig. Auch Angela Merkel denkt tatsächlich, die sollten dort möglichst bleiben, nur halt besser versorgt und verpflegt.
 
Sie vollzieht diese trennende Unterscheidung gewiss auch, um dem massiven Druck aus rechten Unionskreisen, aber auch aus der Führungsriege der SPD auszuweichen. Ein Plädoyer für offene Grenzen erscheint ihr angesichts des jüngsten Brandbriefes von 34 ihrer Parteifreunde keinesfalls opportun. Doch möchte sie die auch gar nicht, das wäre ihr wohl zuviel der Willkommenskultur. Eines ihrer häufigst gebrauchten Worte ist "Ordnung", gefolgt von "ordentlich" und "geordneten Verhältnissen". Damit meint sie vor allem die Ordnungskräfte des Staates an den Grenzen, also bayerische und Bundespolizei zur Selektion der Flüchtlingsströme: Die Menschen vom "Westbalkan" gleich ab in die "Aufnahmezentren" sprich Abschiebelager in Passau und Manching bei Ingolstadt, in ein beschleunigtes Asylverfahren ohne große Chancen auf Erfolg, die andern weiter in die Erstaufnahmelager. Schon bezeichnend, diese Ordnungswut für einen Staat, der soviel Unordnung in die Welt bringt. Viel bleibt nicht übrig von Angies Humanitäts-Geste.
 
Den bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) mit seiner "wirksamen Notwehr"-Drohung will sie gar nicht erst kritisieren, ihren scharfen Innenminister de Maizière (CDU) braucht sie "mehr denn je" fürs Grobe. Der schüttelt mal eben "30 Prozent" frei erfundene Syrer aus dem Ärmel, die angeblich gar keine Syrer seien. Allerdings gibt es weder beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) noch beim Zoll, noch bei der Polizei irgendwelche Statistiken über "falsche Syrer". Daraufhin vom Politmagazin "Panorama" angesprochen, stockt de Maizière trotzig auf: "Eher noch mehr". Das erinnert fatal an die aus rechtsradikalen Kreisen lancierten Gerüchte von "Vergewaltigung deutscher Frauen", sogar mit Ohrabschneiden, damit es noch gruseliger klingt. Dabei gab es in keinem der infrage kommenden Krankenhäusern derartige Verletzungen. Es sind schlichte Lügen erklärter Asyl-Gegner, die durchs Internet geistern.

Ihren Märchen kolportierenden Innenminister braucht Merkel für das Spiel mit verteilten Rollen: Sie mimt die Gute, und die andern machen die Drecksarbeit. Die schaffen das. Nur Zäune mag Merkel nicht.
 
Unterm Strich wird die Kampagne der Bundesregierung keine Mutter Theresa basteln können, wo nur eine "Mutti Merkel" ferkelt werkelt. Zum unverdienten Friedensnobelpreis hätte es kaum gereicht, auch wenn Obama und gar die Europäische Union einen abgestaubt haben. In dieser Gesellschaft werden weder alle Schutzbedürftigen, also die Opfer der verheerenden Kriegs- wie auch Handelspolitik des Westens, noch die Mühsamen und Beladenen, die sich vor Hunger, Armut und Klimakatastrophen in Sicherheit bringen wollen, eine gesicherte Zuflucht in Frieden finden. Allenfalls die weitere Befeuerung der Ursachen ihrer Flucht: Rücksichtslose Freihandels-Politik gegen den Süden und immer neue Waffengänge zur Kompensation der fatalen Ergebnisse vorangegangener "Interventionen".
 
Die "Mutti aller Flüchtlinge" wollte die deutsche Antwort auf Saddam Husseins "Mutter aller Schlachten" sein, diese Antwort aber nicht offen und ehrlich geben. Tatsächliche "deutsche Verantwortung" für Bundeskanzler Schröders Irak-Kriegsbeihilfe möchte sie nicht auf sich nehmen. Ansonsten stünde sie nämlich nicht mehr ganz so selbstlos hilfreich da, sondern allenfalls in der mühseligen Rolle einer Kriegslazarett-Schwester, die das Blut ihrer Not-Amputationen aufwischen muss, wenn sie nicht länger darin waten will.

Wolfgang Blaschka, München


Ergänzung d. ADMIN H.S.: "Oh Kanzlerin von Deutschland (du große Führerin)" - Christoph Holzhöfer. Infos + Liedtext siehe unten.


 


Bild- und Grafikquellen:

1. Angela Merkel: “christliche" Zionistin, US-Befehlsempfängerin und Pastorentochter Merkel wird unsere Republik immer mehr zu einem unselbständigen Vasallen einer Amerikahörigkeit machen - alternativlos dumm. In einem Spagat zwischen Offenheit und Abschottung, Menschlichkeit und Staatsraison kämpft sie sich durch die Talkshow in der ARD ebenso wie durch ihren Auftritt vor dem EU-Parlament in Straßburg. Dort sucht sie Verbündete zur Fluchtbegrenzung, und zuhause die Öffentlichkeit zur Förderung der Flüchtlings-Aufnahmebereitschaft. Das Fernsehstudio wird ihre Weltbühne. Sie muss punkten für die Beliebtheitsskala, seitdem aus der Koalition von links und rechts wie auch in ihrer Partei immer unverhohlenerer Widerstand gegen ihre Linie zu vernehmen ist.

Urheber: DonkeyHotey. The source image for this caricature of Angela Merkel is a Creative Commons licensed photo by Dirk Vorderstraße available via Wikimedia. The body is from a photo in the public domain from the United States European Command. Quelle: Flickr. Verbreitung unter CC-Lizenz, Attribution 2.0 Generic (CC BY 2.0).

2. NO to NATO. We say NO to the North Atlantic Terrorist Organization. Grafik: CaptainVoda, Greece. Quelle: DEVIANT ART > NO to NATO. DEVIANT ART the largest online social network for artists and art enthusiasts, and a platform for emerging and established artists to exhibit, promote, and share their works with an enthusiastic, art-centric community.

3. EUROPA: "Spiel nicht das Opfer bei Umständen die Du selber mit verschuldet hast!" Grafik: Wilfried Kahrs / QPress.

4. Syrian child refugee playing his pain melody on his toes like piano keys, and counting another day with every note, maybe someone will note. Foto: Bengin Ahmad. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung-Keine Bearbeitung 2.0 Generic (CC BY-ND 2.0)

5. Dr. Angela Merkel - Bankenrettung, (Wirtschafts-)Wachstumswahn, Solizuschlag, Freihandelsabkommen TTIP, NATO-Osterweiterung, Spardiktatur gegenüber immer mehr verelenden Menschen in den EU-Mitgliedsländern (aktuell bes. die Griechen) etc. - alles alternativlos. Aus der Betroffenheit über den Verlust der Opfer von Charlie Hebdo wird Geschäft gemacht. Ängste und Islamophobie werden geschürt, Überwachungsmechanismen werden ausgebaut, kapitalisitische und imperialistische Interessen werden konsequent weiterverfolgt. Der Tod tausender und die Verarmung von Millionen Menschen werden auch weiter hingenommen - auch im eigenen Land.

Frau Merkel sollte ‚Je suis Charlie‘ sein wegen all der Toten in der Ost-Ukraine, die mit ihrer russophoben Billigung durch ihre Helfershelfer mit den blutigen Händen, Jazenjuk und Poroschenko, abgeschlachtet werden. Der Landraub und das Morden in Gaza gehen weiter, die (Angriffs-)Kriegseinsätze im Irak, in Afghanistan, Libyen, Syrien etc. bringen den Menschen dort weder Demokratie noch eine Verbesserung der Lebensumstände.  

Urheber: Javier CruX. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Attribution-NonCommercial-ShareAlike 2.0 Generic (CC BY-NC-SA 2.0).
 

Oh Kanzlerin von Deutschland (du große Führerin) - Christoph Holzhöfer

frei nach, oh könig von preußen

oh kanzlerin von deutschland, du große führerin
wo soll'n wir uns hin wenden, wo führst du uns wohl hin
die zeiten werden härter, das merkt man tag für tag
komm' gerad' so über die runden & habe nichts gespart

& kommt der winter an, dann ist die große kält'
da müssen wir doch heizen, doch das kostet so viel geld
strom & anderes wird immer teurer, der geldbeutel so schmal
wir sitzen in der wohnung & ham 'nen kalten arsch

& wird's dann endlich frühling & endlich wieder warm
dann sagen meine kinder, was ziehen wir jetzt an
dann geht's klamotten kaufen, bei kik & c & a
ich trag die alten weiter, wo's geht, da wird gespart

& kinder soll'n doch lachen & nichts von sorgen wissen
den soll's später mal besser gehen, die soll'n doch nichts vermissen
doch woll'n die in den zoo gehen, wie soll ich's denn bezahlen
dann schauen die mich so traurig an & ich werd' rot vor scham

ja ich, ich darf mich schämen, weil ich arbeiter bin
immer weniger verdiene, oh gott, ist das nicht schlimm
du kanzlerin, du redest, ich bete, helfen tut das nichts
du lenkst, wir sitzen hinten, bis das der wagen bricht

der chef ist auch am jammern, nächsten ersten geht's in kurzarbeit
dann ist es so viel weniger, was uns zum leben bleibt
des nachts kann ich nicht schlafen, vor der zukunft ist mir so bang'
du kanzlerin, ach kanzlerin, wie lange noch?, wie lang?

& kommt's dann knüppeldicke, verlier' ich noch den job
dabei wächst mir doch jetzt schon alles über den kopf
ich stecke in der scheiße, bis zum halse fest
nicht dass du deutsche kanzlerin da noch einen drauf setzt

& wenn du einst mal gehst, ein andrer folgt dir nach
der macht genau so weiter, ach, es ist ein jammertal
in dem wir leben müssen, ohne rast & ohne ruh'
den reichen tut ihr streicheln, der arme kriegt die rut'

& werden wir dann alt, wo wenden wir uns hin
die gesundheit ist verloren, die kräfte sind dahin
& endlich wird es heißen, geh vogel ohne nest
geh alter, mach dich auf zum amt, bist auch arbeiter gewest

 

► Christoph Holzhöfer | Musiker und Dichter

Christoph Holzhöfer wurde 1960 in einem kleinen Dorf im Sauerland geboren. Er lebt und arbeitete einige Zeit in Berlin und jetzt wieder im Sauerland. Er macht Musik, schreibt Gedichte (von denen einige bereits in Druck gegangen sind) und tritt damit gelegentlich auch bei diversen politischen und sonstigen Veranstaltungen auf. Neben vielen selbstverfassten und selbstkomponierten Liedern hat Christoph Holzhöfer auch eine Reihe von Vertonungen bekannter Dichter der deutschen Arbeiterbewegung, wie beispielsweise Erich Mühsam oder Kurt Tucholsky geschaffen, welche er mit eigenen Kompositionen umrahmte. Von einigen davon waren bislang gar keine musikalischen Vertonungen vorhanden.

Seine Gedichte und vor allem Liedertexte haben meist einen sozial- und gesellschaftskritischen Aspekt und umfassen viele historische aber auch brandaktuelle Themen. Sein Repertoire ist dementsprechend groß und kann sich auf jeden Fall sehen lassen. Da seine Lieder bisher auf keinem Tonträger erschienen sind, lassen sie sich auch nur via YouTube anhören. Er gibt auch Bücher heraus ... verdient aber nichts daran ... ist nur aus Idealismus & um die Bücher zu unschlagbaren Preisen anzubieten ... so dass jeder diese kaufen kann ... [Kontakt über KN-ADMIN H.S. - siehe Impressum]