Merkels Entmachtung statt Großer Kopulation

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Jörg Gastmann
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Verbunden: 08.04.2012 - 01:49
Merkels Entmachtung statt Großer Kopulation
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Merkels Entmachtung statt Großer Kopulation


Es gibt neben einer Rot-Rot-Grünen Koalition zwei noch bessere Möglichkeiten, die Große Kopulation zu vermeiden und Angela Merkel zu entmachten: Eine CDU-Minderheitsregierung mit einer vollkommen entmachteten „Zombie-Kanzlerin“ sowie eine SPD-Minderheitsregierung, ganz ohne Koalitionen - und damit auch ohne Fraktionszwang. Schade nur, daß der SPD-Vorstand die Interessen der SPD, seiner Mitglieder und seiner Wähler verrät. Deshalb liegt die Hoffnung in der Mobilisierung von 94.000 SPD-Mitgliedern, von denen mehr als die Hälfte die Große Kopulation ablehnen müßten.

Fakten: 7 von 10 Wahlberechtigten haben Angela Merkel und die Union bei der letzten Bundestagswahl nicht gewählt. Rechnet man die Nichtwähler hinzu, von denen die meisten finanzschwach sind, von einer linken Politik profitieren und am wahrscheinlichsten links wählen würden, gibt es in Deutschland eine klare linke Mehrheit. Von der FDP sind weniger Wähler zur Union zurück gewandert als die Union gewonnen hat. Die Merkel-Regierung hat also Wähler verloren.

In Luxemburg sieht man, was möglich ist: Die 3 Wahlverlierer servieren den Wahlsieger Juncker einfach ab. In Deutschland ist die Situation die Gleiche, aber der SPD-Vorstand ist unfähig und unwillig, etwas daraus zu machen.

Dabei könnte die letzte Bundestagwahl genau der Pyrrhussieg sein, mit dem sich Angela Merkel zu Tode siegte. Ihre Eigenschaft, Koalitionspartner zu verschließen, hätte sie das Amt gekostet, mit dem sie ohnehin nichts anzufangen weiß. Und weil das noch nicht reicht, hätte sich Machiavelli-Taktikerin Merkel zusätzlich bei den Koalitionsgesprächen verzockt, weil sie es zuließ, daß ihre Unions-Beta-Männchen und Arbeitgeber-Lobbyisten die einzige Kopulationspartnerin unter Druck setzen, die überhaupt zur Verfügung steht – die SPD. Aber Merkel braucht sich keine Sorgen zu machen. Auf der SPD sitzen ebenso karriereorientierte wie ambitionslose und kurzsichtige Reiter, die ihr eigenes Pferd ins Schlachthaus reiten. Aber es ginge auch anders:


 

Möglichkeit 1: Große Kopulation mal anders herum

Das mediale und politische Establishment drängt die SPD zur Großen Kopulation, teils mit manipulierten Umfragen (in denen die Alternative „gar keine Koalition und stattdessen freie Abgeordnete ohne verfassungswidrigen Fraktionszwang“ überhaupt nicht angeboten wird), teils mit irrigen Argumentationen. So meint das Establishment, die SPD „müsse ihre Pflicht zur Regierungsbildung“ wahrnehmen und die Union unterstützen. Richtig ist das Gegenteil. Die SPD muß gar nichts. Die Union will eine Regierung bilden. Dazu benötigt sie, sofern sie die übliche verfassungswidrige Variante mit Koalition und Fraktionszwang umsetzen will, eine Kopulationspartnerin. Da die Union sowohl Linke als auch Grüne ausgeschlossen bzw. vergrault hat, hat sie der SPD ein Angebotsmonopol verschafft. Mit nichts läßt sich besser verhandeln als mit einem Monopol auf etwas, daß der Nachfrager unbedingt benötigt. Der Traum jedes Verhandlers.

Die SPD könnte der Union also aus einer exzellenten Verhandlungsposition heraus Bedingungen diktieren. Mindestlohn 15 Euro? Friss oder stirb, Union! Kampf gegen die NSA-Spionage, Asyl für Edward Snowden, Umlage aller Atommüllkosten auf Energiekonzerne, Ende der Austeritätspolitik, etc.? Die Union will nicht? Dann gibt es eben keine Große Kopulation!

Da die Union an nichts so interessiert ist wie an Macht und nur die SPD sie ihr verschaffen kann, hat der SPD-Bundesvorstand die Möglichkeit, in einer Großen Kopulation das Kommando zu übernehmen, denn die Alternativen sind für die Union noch viel gruseliger:



Möglichkeit 2: Minderheitsregierung einer Zombie-Kanzlerin
 

Ohne (auf grundgesetzwidriger Abgeordnetenentmündigung basierende) Koalition und parlamentarische Mehrheit sieht Art. 63 Grundgesetz vor, daß die stärkste Partei vom Bundespräsidenten mit der Regierungsbildung beauftragt wird. „99%“-Gegner Gauck würde also die Union beauftragen. Die Union würde dem Bundestag Angela Merkel (Semper-Video: „Merkel ist blöd wie 50 Meter nasser Feldweg“) als Kanzlerin zu Wahl stellen. Bei Möglichkeit 2 würde der Bundestag Angela Merkel zur Kanzlerin wählen. Sie wäre dann Kanzlerin einer Minderheitsregierung, wie es sie 2010-2012 in NRW gab und auch in vielen anderen Ländern gibt. Belgien wurde sogar 540 Tage ohne Regierung verwaltet, und niemand hat einen Unterschied bemerkt. Mit anderen Worten: Eine Minderheitsregierung ist ohne weiteres möglich. Es gibt dabei nur ein Problem: Regierungen müßten durch überzeugende Argumente unter allen Parlamentariern Mehrheiten gewinnen – und nicht nur den eigenen Hofstaat befehligen. Dieses Konzept nennt man „parlamentarische Demokratie“ (Video mit Volker Pispers). Für das politische und mediale Establishment ist das unvorstellbar.

Stellen Sie sich hingegen Folgendes vor: Eine Minderheitsregierung der Union läßt im Bundestag über Gesetze abstimmen – und verliert. Immer wieder, weil ihre Politik nicht überzeugt. Die SPD, die Grünen und die Linke bringen abwechselnd Gesetzentwürfe ein – und die meisten würden beschlossen, weil sie mehrheitsfähig wären. Von Union und FDP beschlossene Gesetze verändern die 3 „Wahlverlierer“ wesentlich oder schaffen sie gleich ganz ab - und die Union kann nur die Faust in der Tasche ballen. Angela Merkel verkündet bei ihren Fototerminen alias „Spitzentreffen“ mit ausländischen Staatsoberhäuptern Abkommen wie z.B. das verheerende Freihandelsabkommen (mit den USA, mit dem u.a. Monsanto & Co. Deutschland mit genmanipulierten Nahrungsmitteln überschwemmen und US-Konzerne alles in Grund und Boden klagen dürfen, was in Deutschland ihren Profit schmälert). Und anschließend macht ihr der Bundestag einen Strich durch die Rechnung. Niemand nähme Frau Merkel noch ernst. Und da Mißerfolg bei tumben Wählern wie auch bei Mainstream-Medien ebenso unbeliebt macht wie Erfolg beliebt, würden Frau Merkel und die Union in der Gunst der Wähler abstürzen.

Frau Merkel wäre noch machtloser als der überflüssige Bundesgrüßaugust und Kapitalismus-Anhänger Gauck. Entnervt würde sie einen Misstrauensantrag stellen, um Neuwahlen zu erzwingen. Der Unions-Hofstaat stimmt komplett gegen sie, um sie dabei zu unterstützen. Aber die freien Abgeordneten von SPD, Linken und Grünen stimmen für sie – und zwingen sie, weiterhin als Zombie-Kanzlerin zu dienen.



Möglichkeit 3: Minderheitsregierung mit SPD-Kanzler(in)
 

Sofern der SPD-Vorstand nicht den Sadismus der Möglichkeit 2 ausleben will, ist Möglichkeit 3 die beste Lösung. Bundesgrüßaugust Gauck schlägt Kanzleramts-Hausbesetzerin Merkel zur Kanzlerwahl vor. Alle Abgeordneten von SPD, Linken und Grünen stimmen gegen sie. Gemäß Grundgesetz Art 63 (3) schlagen SPD, Linken und Grünen danach eine(n) eigene(n) Kanzlerkanditaten/-kandidatin vor. Diese Person wird dann mehrheitlich gewählt. Grüne und auch Linke werden mit Ministerien einbezogen. Damit hätten die 3 kleineren Parteien der Union komplett die Butter vom Brot genommen (siehe Luxemburg). Die Union hätte sich bei den Kopulationsverhandlungen verzockt und blamiert. So schreibt man Geschichte.

Das setzt jedoch voraus, daß es dem Bundesvorstand der SPD zur Abwechslung diesmal um die Sache geht. Eine Kooperation mit den Grünen versteht sich von selbst. Das Problem mit der Linken ist, daß sie das eigentliche sozialdemokratische Programm vertritt und der SPD-Vorstand so töricht war, sich von Union und den Unions-nahen Massenmedien manipulieren zu lassen. Jede Regierungsbildung bzw. parlamentarische Mehrheit unter Beteiligung der Linken wird hysterisch bekämpft, wobei irrelevante oder geringe Unterschiede aufgeblasen werden und vollkommen ignoriert wird, daß die Linke bei Regierungsbeteiligungen (in Berlin unter Wowereit und in Mecklenburg-Vorpommern unter Ringstorff) genau die SPD-Politik mitgetragen hat, die sie in der Opposition bekämpft. Anders ausgedrückt: In Koalitionen besteht kein nennenswerter Unterschied zwischen der SPD und der Linken. Wir grotesk die Linken-Phobie ist, analysiert Volker Pispers in diesem Video.

Wer käme als SPD Kanzler(in) infrage? Da sich die SPD im Würgegriff ihrer Vorstandsclique befindet, kämen nur Kandidaten aus diesem Kreis zum Zug. Steinbrück, Gabriel, Steinmeier wären wahrscheinlich. NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft hätte dank ihres letzten Wahlergebnisses ebenfalls Chancen. Allerdings ist auch bei Frau Krafts Wählern Ernüchterung eingetreten, denn sie mehrt NRWs Schulden, hält als Kohlelobbyistin an schmutzigen Energiequellen fest und sendet ihre Polizisten nach Frankfurt, um Bankster zu schützen und Demonstranten niederzuknüppeln. Auch sie gehörte zu denjenigen, die im Wahlkampf versprachen, keinesfalls „als Mehrheitsbeschafferin die CDU an der Regierung zu halten“ (siehe dazu auch dieses Video mit Kraft und Nahles (ab 2:49min) oder dieses Video mit Gernot Hassknecht).

Manuela Schwesig wäre denkbar, aber auch sie ist ratlos. Am meisten Sinn macht SPD-Rebell Marco Bülow, Autor des Buches „Wir Abnicker“ (Leseprobe hier, PdF), der sich als einer von sehr wenigen Bundestagsabgeordneten dem Fraktionszwang des SPD-Vorstands nicht unterwirft und sich daher bei Gabriel, Steinmeier, Nahles & Co. aller Karrierechancen beraubt hat.



Das wahrscheinlichste Szenario

Jetzt hängt alles am SPD-Mitgliederentscheid, Nur wenn mindestens 20% der 470.000 SPD-Mitglieder über die Große Kopulation abstimmen und davon mindestens 50% (also ca. 50.000 Personen) dagegen sind, sind Merkel und die Union entmachtet. Die entscheidende Frage ist, ob die Basis aktiv genug ist und der Manipulation und dem Druck des SPD-Vorstands widersteht. Vielleicht treten aber auch zahlreiche Wähler mal eben in die SPD ein, stimmen gegen die Koalition, und treten dann wieder aus – wie es die heute show vorschlägt (Video).

Dann gäbe es die obigen Möglichkeiten 2 und 3 - oder Neuwahlen. Neuwahlen ändern bloß nichts, denn lt. aktuellen Umfragen schafft es die FDP immer noch nicht in den Bundestag. Dafür wäre die AfD, die „Partei der ratlosen Professoren“ drin. Die AfD wäre zwar mit ihrer Arbeitnehmer- und Rentner-feindlichen Ausrichtung die noch radikalere FDP und insofern ein Traumpartner für die Union. Allerdings würde die AfD Merkels Lieblingsprojekt „EU-Austeritätspolitik plus Banken-Bailout“ beerdigen, was eine Koalition verhindert. Mit der AfD kann aufgrund programmatischer Inkompatibilität auch sonst niemand koalieren. Und selbst, wenn die FDP 5% erreichen sollte, würde es wegen der AfD für Schwarzgelb nicht reichen. Nach der Neuwahl wäre also vor der Neuwahl. Womit die Möglichkeiten 2 und 3 wieder auf dem Tisch liegen.

Was passiert, wenn Steinbrück, Steinmeier oder Gabriel Kanzler würden? Das wäre ebenso sinnlos wie die Merkel-Kanzlerschaft. Was nutzt Macht, wenn man nichts Sinnvolles mit ihr anzufangen weiß, weil man kein sinnvolles Konzept hat?

Das wahrscheinlichste Szenario ist jedoch, daß der Mitgliederentscheid ebenso an einer mangelnden Mobilisierung der Stimmberechtigten scheitert wie der Berliner Volksentscheid zur kommunalen Stromversorgung., bei dem zwar 83% von immerhin 600.000 aktiven Bürgern gegen Stromkonzern Vattenfall stimmten, jedoch die Hürden seitens der Politik undemokratisch hoch gesetzt wurden. Auch der SPD-Vorstand hat die Hürden so hoch angesetzt, daß die Chancen für eine ausreichende Mobilisierung und die Ablehnung der Großen Kopulation durch die SPD-Basis unwahrscheinlich ist.

Dann gäbe es eine Neuauflage der Großen Kopulation von 2005-2009, deren verheerende Bilanz Prof. Christoph Butterwegge und Volker Pispers (Video) treffend zusammenfassten. Und weil nichts darauf hoffen läßt, daß die nächste Große Kopulation besser für Wähler und SPD handelt als die vorangegangene, ist die wahrscheinlichste Konsequenz, daß 2017 die komplette Führungsclique der SPD nach einer vernichtenden Wahlniederlage von der wütenden Basis aus allen Ämtern gejagt wird.

Dann wäre der Weg endlich frei für einen Neuanfang.


Jörg Gastmann, Köln
 



Bildquellen:


1. Dino: Merkel – Bild: Ben Oida https://www.facebook.com/ben.oida

2. Bilder: Facebook-Gruppe „Sag NEIN zu Angela“

3. "Die Sozialdemokraten"  Bild: Wilfried Kahrs / QPress

4. Bild: Jörg Gastmann


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