Nichts als die Wahrheit. Bayern-Präsident wechselt die Kabine

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Wolfgang Blaschka
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Verbunden: 09.11.2010 - 02:16
Nichts als die Wahrheit. Bayern-Präsident wechselt die Kabine
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Nichts als die Wahrheit


Bayern-Präsident wechselt die Kabine


Uli Hoeneß wollte vor Gericht endlich reinen Tisch machen und zumindest nachträglich steuerehrlich werden. Unumwunden gab er zu, dass die Anklage zurecht bestünde, die davon ausging, dass er rund 3,5 Millionen Euro an Steuern hinterzogen habe. Das war schon mal mutig. "Ich habe einen Fehler gemacht", hatte er schon lange vor dem Prozess verlauten lassen. Nun schien es ihm ratsam, geläutert in die Hauptverhandlung zu gehen, um der Anklage gleich von Anfang den Wind aus den Segeln zu nehmen. Voll in die Offensive gegangen im XXXL-Büßerhemd, damit der Staatsanwalt mit seinen fiesen Anschuldigungen gar nicht erst Boden unter die Füße bekommt. 3,5 Millionen Steuerschuld, und er hatte doch bereits 5 Millionen an Kaution hinterlegt! Oder waren es sogar sieben? Also quasi "minusschuldig". Eigentlich ein glatter Freispruch mit anschließender Auszahlung der zuviel berappten Sicherheit an der Gerichtskasse! Irgendwie war der Uli doch ein Spieler. Man muss halt kämpfen können.

Ein herzensguter, ehrlicher Steuersünder. Ein seriöser, loyaler Präsident des FC Bayern! Ein Vorbild seinen Fans und denen, die immer noch hadern, ob sie sich selbst anzeigen: Seht her, hier stehe ich. Ich kann gar nicht anders, aber ich will es auch. So sehen moralische Sieger aus. Den inneren Schweinehund niedergerungen, den Tatsachen in die Augen geblickt! Na gut, wegen der blöden Tatsachener musste er die Summe auf 18,5 Millionen nach oben korrigieren. Die volle Bekenntnis-Bombe! Nachzubessern wird ja wohl noch erlaubt sein, oder? Also 18,5 Millionen Steuerschuld. Sei's drum. Aber ehrlich.

Jetzt total ehrlich! Als Angeklagter hätte er auch gar nichts sagen müssen. Einfach nur mit hochroter Birne dasitzen. Doch das war nicht seine Strategie. Sich einfach so wie eine Supermarkt-Kassiererin verknacken lassen, die sich angeblich Pfandbons im Wert von 1,65 Euro unter den Nagel gerissen haben soll, wo er doch Manns genug gewesen war, sich selbst anzuzeigen, sich öffentlich das Hemd vom Leib zu reißen und sich zu seiner Spielsucht zu bekennen? Nein, Uli wollte so ein leuchtendes Beispiel geben für alle, die eisern zu ihm hielten, die ihn als professionelle Lichtgestalt schätzten neben einer gegen ihn beinahe schon verblassenden ehrenamtlichen Lichtgestalt, als real-amtierender Bayern-Präsident, als Bürger, als Steuerzahler, als Mensch. Unser Uli! Er durfte auch als Angeklagter lügen, bis sich die Balken bogen. Das taten die auch. Und er nahm sich sein Recht heraus, das ihm rechtsstaatlich zustand. Da war strafrechtlich nichts zu beanstanden. Aber immer noch nicht das Ende der Fahnenstange.

Es ging um hinterzogene Beträge, auf die ein Hartz-IV-Empfänger mit Regelsatzbezug in 6000 Jahren nicht kommen könnte. Zeitweise lag der Kontostand des Depots deutlich über 100 Millionen. Das war um 2006. Heute soll es sich nur noch um klägliche Überreste handeln. Hoeneß nannte wohlweislich nie konkrete Zahlen, sondern meinte nur lapidar: "Ich habe mir die Kontoauszüge nie angeschaut". Er gibt sich als besessen Ahnungsloser, der wie im Rausch gehandelt habe, vielleicht auch im Unterzucker wie weiland "Old Schwurhand", jedenfalls ohne Bewusstsein und mithin mehr oder minder schuldunfähig. Gerade dass er nicht vorgibt, pleite zu sein. In gehobeneren Kreisen ist man ja mit ein, zwei mickrigen Rest-Millionen schon so gut wie fertig für den Schufa-Eintrag.
 

Die Vernehmung der Steuerfahnderin brachte deutlich höhere Summen zutage und die schlichte Erkenntnis, dass Uli Hoeneß und seine Anwälte die Justiz über ein Jahr zum Narren hielten, indem sie behaupteten, die Informationen von der Bank seien nicht so schnell zu bekommen. Dabei waren die Grunddaten bereits einen Tag nach der Selbstanzeige abgespeichert worden, am 18. Januar 2013. Bei der Staatsanwaltschaft trudelten sie nach mehrmaligen Fristüberschreitungen erst am 27. Februar 2014 ein, allerdings nicht komplett. Fünf Tage vor Beginn der Hauptverhandlung wurde nochmal nachgelegt, wieder unvollständig. Das roch verdammt nach Prozess-Verschleppung, was nicht gerade strafmildernd wirken konnte.

Einer der drei USB-Sticks war überhaupt nicht zu entziffern, musste nachgeliefert werden. Das Dokumenten-Konvolut belief sich auf 52.000 Seiten DIN A4. Man hätte es in der kurzen Zeit über Fasching auch komplett ausdrucken können. Was sich aber schwierig gestaltete, da die Daten nur schwer einlesbar waren. Die Gesamtauswertung der Dateien mit Abrechnungsbelegen für Devisentermingeschäfte und weiteren zwei Ordnern mit 17 PdF-Dateien musste manuell erfolgen. Noch im Gerichtssaal brütete die Finanzamts-Mitarbeiterin vor dem Richtertisch über den Unterlagen. Sie hatte viel zu rechnen!

So oft hatte der Bayern-Boss gewettet und sich verzockt, dass es kaum nachzuvollziehen war. Mit geringsten Einsätzen von 5 Prozent der Spekulationssumme hatte er Abermillionen bewegt, gewonnen und vergeigt. Sein Promi-Anwalt war da genau der Richtige, was das Jonglieren mit exorbitanten Summen anbelangt: "Bei einer wirksamen Selbstanzeige ist es egal, ob ich zwei Millionen oder 500 Millionen hinterziehe". Es komme auf das "wirksam" an. So redet einer, der schon mehrfach anderen Groß-Steuersündern aus der Patsche geholfen hat. Der Mann glaubt wohl, er sei sein Geld wert. So versuchte er diesmal darzulegen, dass sein Mandant, der sich am 17. Januar 2013 als Steuerhinterzieher outete, nicht schon von Johannes Röhrigs "Stern"-Artikel wissen konnte, der an eben jenem 17. Januar erschien, allerdings bereits am 16. Januar online stand und sogar schon am 15. als Vorwegabdruck an Regierungsstellen und speziell ausgewählte Personenkreise gegangen war. Nur dumm, dass sich Hoeneß exakt an diesem 15. Januar mit dem Chefredakteur Hans-Ulrich Jörges im Berliner Café Einstein getroffen hatte, selbstredend ohne jegliches Stern-Exemplar mit der Erwähnung des verräterischen Nummernkontos, ja nicht einmal mit einem Wort über den brisanten Artikel, der zwei Tage später am Kiosk landete. Aha. Brillante Verteidigung!

Also echt jetzt, ohne Schmu: Es waren 27,2 Millionen, wenn's der Wahrheitsfindung dient. Wenn das Finanzamt das so sieht! Innerhalb kürzester Frist "Versiebenfachen" grenzt schon an ein kanaanitisches Eigentor-Wunder. Der junge Jesus hatte fünf Brote und zwei Fische für nur eine Hochzeitsgesellschaft vervielfältigen können, so wird es überliefert. Uli macht sowas locker für ein ganzes Stadion. Uli Hoeneß nimmt alle Schuld der Welt auf sich und liegt immer noch knapp darunter: 28,46 Millionen steht im Urteil. Soli vergessen, kann passieren. Hätte sich der Prozess länger hingezogen, wäre vielleicht noch mehr heraus gekommen. Aber wir wollen nicht Erbsen zählen. Die Steuerehrlichkeit des Verurteilten steht sowas von außer Frage!

Das meinte auch sein Verteidiger und ritt die schneidige Attacke, sein Mandant habe doch mit seiner unvollständigen und verspäteten Selbstanzeige den Rechtsanspruch auf eine milde Bewährungsstrafe, wenn nicht gar auf einen Freispruch oder zumindest auf die Einstellung des Verfahrens nur knapp verfehlt. Und überhaupt gäbe es keinen Präzedenzfall, wie mit fast fristgerechten und fast vollständigen Selbstbezichtigern umzugehen sei. In dubio pro reo, heißt es doch, also müsse auch seiner Mandantschaft, dieser Fast-Lichtgestalt, Gerechtigkeit widerfahren. Wozu haben wir denn Fastenzeit, also beinahe schon wieder Ostern? Das war freilich Fastfood in den Rachen der Anklage in Gestalt eines Staatsanwalts von Engel, der den Flammenschwert-Rächer gab für alle fiskalisch verpassten, dafür privat verprassten Steuermillionen. Er forderte knallhart fünfeinhalb Jahre Knast ohne Bewährung. Rumms, das saß. Alles Schwatzen hatte nichts genützt. Uli kam ins Schwitzen.

Dabei war er mit dem Urteil gut bedient: Dreieinhalb Jahre Freiheitsentzug, davon zwei Drittel abzusitzen, und danach wegen guter Führung in den verbliebenen Restwohlstand entlassen zu werden. Das ist recht günstig für die in Rechnung gestellten Summen - geradezu ein Schnäppchen. Die großmäulige Ankündigung in Revision zu gehen, wurde von Feigen, dem Anwalt des Steuerbetrügers, genauso schnell zurückgezogen wie die übrigen Aussagen desselben vor, während und nach der Verhandlung. Übrig bleibt von all dem Geschwätz die zerknirschte Annahme des Urteils. Denn es könnte ja noch höher ausfallen. Mehr ist von diesem glorreichen Bayern-Präsidenten nicht übrig geblieben. Erbärmlicher demontiert sein kann einer kaum noch.
 

Doch keine Bange: Der Steuerbetrüger wird allen Schließern ein Autogramm in die Hand drücken und der Star der Anstalt sein. Fan-Gesänge werden durch die Trakte hallen, und alle werden sich um einen warmen Händedruck von ihm reißen. Landsberg am Lech wird zum Wallfahrtsort für unbelehrbare Bayern-Fans aus der gesamten Republik aufgewertet werden und als "must have seen" Sehenswürdigkeit in die Reiseführer aufgenommen. Höhnische 60-er werden nachts laut hupend zu den Zellenfenstern hinauf trompeten und derbe Schlachtrufe ausbringen. Vielleicht kommt sogar der Bundesaußenminister und fordert die Freilassung - wie bei Julia Timoschenko -, damit Uli Hoeneß in sichere Behandlung kommt, um seine "Spielsucht" auszukurieren. Den bayerischen Ärzten traut er vielleicht nicht, wenn schon die Richter so grausam sind und in viertägigen Schauprozessen derart prominente, stinkreiche, um einen Haarkranz fast ehrliche Existenzen vernichten! Originalton Richter Rupert Heindl: "Er hat sich selbst ans Messer geliefert". Das klingt verdammt nicht nach Milde und Empathie, geradezu blutrünstig. Vielleicht muss da die NATO aufmarschieren.
 

Eventuell kann die UNO vermitteln. Gaz-Promi Schröder darf ja nichts mehr sagen, wenn es nach einigen EU-Abgeordneten ginge. Dabei hatte er doch vor kurzem erst eingestanden, dass das mit Jugoslawien 1999 nicht so ganz völkerrechtskonform gelaufen sei, um nicht zu sagen: völkerrechtswidrig. Das scheint schon zuviel der Ehrlichkeit gewesen zu sein. Leider erfährt das die Öffentlichkeit erst nach dem jeweiligen Desaster, da Zehntausende für ein so spät und nebenbei eingestandenes Verbrechen getötet worden sind. Schröder und Fischer sind nicht mehr greifbar. Die jeweilige Regierung ist indes immun. Und zündelt schon wieder an der Ukraine, wo die eine Oligarchenfraktion die andere von faschistischem Mob wegputschen ließ. Wir sollen weiterhin glauben, dass die arme kreuzgeplagte Julia Timoschenko völlig unschuldig im Gefängnis schmachtete.

Die nackte Wahrheit ist aber eine andere: Nicht nur der Uli Hoeneß gehört ins Gefängnis, sondern all die Zockerbuden- und Tresor-Betreiber, die diese Sorte Spieler, Glücksritter und Profiteure ködern, bedienen und unter ihre Fittiche nehmen. Das ganze System dieser kriegerischen Finanzwirtschaft, die nie genug kriegen kann, sollte eingebuchtet werden. Und mit ihr der Kapitalismus unter Arrest gestellt werden, der es fertig bringt, die Erde für ein paar Milliarden wahlweise in einen Schrottplatz, eine verseuchte Müllhalde oder in ein leichenübersätes Trümmerfeld zu verwandeln. Vielleicht kämen wir dann der Wahrheit ein bisschen näher: Der einzelne Mensch tut im Zweifelsfall, was er kann. Die Gesellschaft kann nicht so tun, als könne das, was sie täglich vorlebt und propagiert, im Zweifel nichts mit den Verfehlungen des Einzelnen zu tun haben. Neoliberal ist nun mal asozial. Da sind Uli Hoeneß und sein FC Bayern eben ganz vorne mit dabei: Vorbildlich, erfolgreich, systemkonform.

So wie auch die gierigen Sponsoren, so wie überhaupt die Elite nicht nur dieses Landes es täglich zelebriert: Fett schwimmt oben. Bis die Blase platzt, ungeahnte Abgründe sich auftun und es nicht mehr anders geht, als die individuelle Kriminalität auffliegen zu lassen, damit das große Verbrechen an der Menschheit und ihrer geschundenen Natur noch eine Weile weiter gehen kann. Nun aber für eine Zeitlang ohne den rechtskräftig verurteilten Uli Hoeneß. Mit einer erzwungenen Auszeit von der Marktwirtschaft wird er tatsächlich wieder etwas unschuldiger, wiewohl sein Vermögen derweil still und heimlich weiter wächst. Irgend jemand wird jedoch für dessen Zinszuwächse schon noch real arbeiten und notfalls auch bluten müssen.

Wolfgang Blaschka, München
 



Bild-, Karrikatur- und Grafikquellen:


1. Uli Honeß in ungewohntem Outfit: Selbstanzeige, Gerichtsprozess, öffentliche Schelte und Spott, Ämterniederlegung, Steuernachzahlung in Millionenhöhe mit angemessener Verzinsung, Haftstrafe .. das wird er wegstecken. Wie wäre es noch mit einem maßgeschneiderten Sträflingsanzug in BVB-Farben für die Dauer seines Knastaufenthaltes? Bildbearbeitung: Wilfried Kahrs / QPress.de

2. Karikatur "Wir möchten uns selbst anzeigen": gezeichnet vom Stuttgarter Karikaturisten Kostas Koufogiorgos  - zu seiner Webseite

3. Karikatur "Warten Sie, Herr Hoeness...": gezeichnet vom Stuttgarter Karikaturisten Kostas Koufogiorgos - zu seiner Webseite

4. Karikatur "Saupreiss, damischer!!": gezeichnet vom Stuttgarter Karikaturisten Kostas Koufogiorgos - zu seiner Webseite