Obama, der soziale Heiland

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Peter Weber
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Obama, der soziale Heiland
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Obama, der soziale Heiland


Am 24. Juli hielt US-Präsident Barack Obama eine wirtschaftspolitische Grundsatzrede in Knox College, Galesburg/Illinois. Dazu veröffentlichte die taz einen Artikel mit dem Titel „Obamas Lied gegen Ungleichheit“ und weiter “Offensive für mehr soziale Gerechtigkeit: So will US-Präsident Barack Obama die angeschlagene Wirtschaft seines Landes retten.“  

Nachfolgend ein paar wörtliche Zitate und indirekte Aussagen Obamas aus dieser Rede, die ich dann kommentiere:

  • Originalton Obama: „Die wachsende Ungleichheit ist nicht nur moralisch falsch, sie ist schlechtes Wirtschaften“ und weiter „Diese Ungleichheit zurückzudrehen, muss Washingtons oberste Priorität sein.“

Obama treibt vor allem die Sorge um die Mittelschicht als Konsummotor der Wirtschaft an, das Prekariat, die Arbeitslosen, die Armen, die Immigranten und Illegalen sind ihm nicht der Rede wert. Kein Wunder, wie auch in Deutschland hebt die neoliberal getrimmten Politiker stets auf die sogenannten Leistungsträger, d. h. den sog. Mittelstand, ab, mit dem man bei Wahlen Blumentöpfe zu hoffen gewinnen. Bei Obama ist die Wiederwahl zwar kein Thema mehr, aber um so mehr der Werterhalt sein Images.

 

 

Es fehlte nur noch, daß er dem neuen Papst Franziskus nacheifert, der in den letzen Tagen in Brasilien weilt und gegen die Verderbtheit der Welt zu Felde zog.  „Geld, Erfolg, Macht und Vergnügen als die Götzen vieler junger Leute“ wurden verteufelt und die stabilen christlichen Werte wie „Großherzigkeit, Ausdauer und Brüderlichkeit“ in den Himmel gehoben. Dann folgten fromme Sprüche und Parolen, die den vereinigten Hinterwäldlern, Sektierern, Kreationisten und Evangelikalen in den USA in den Ohren geklingelt hätten wie "Der Stärkste ist Gott, und Gott ist unsere Hoffnung" und das Prinzip zu beherzigen, "…. die Hoffnung zu bewahren, sich von Gott überraschen zu lassen und in der Freude zu leben." sowie der Aufruf an alle "Erbauer einer gerechteren, solidarischeren und brüderlicheren Welt zu werden". Nach diesem Ausflug nach Lateinamerika, den Underdogs als 52. Staat der USA, wieder zurück zum Nabel der Welt und Hort der Freiheit:

  • „Kein Vollzeitbeschäftigter darf in Armut leben“, fordert Obama ein. Es sei schließlich ungerecht, daß ein Topmanager in den USA durchschnittlich 40 % mehr an Einkommen erziele als 1949, während der Durchschnittsbürger weniger verdiene als 1999.

Siehe meine obigen Anmerkungen. Aha, man höre und staune: nur Vollzeitbeschäftigte sollen nicht in Armut leben. Aber was ist mit dem schäbigen Rest? Und im übrigen scheint Obama für den Rest der Tage seiner Amtszeit vor allem ein Hauptziel am Herzen zu liegen, die Arbeitsplätze. Das ist zwar grundsätzlich ein löbliches Anliegen, aber solange in einem kapitalistischen Wirtschaftssystem wie den USA oder anderswo die Ökonomie nicht menschlichen Interessen untergeordnet ist, wird das mit den Arbeitsplätzen nicht viel. Es sei denn, man meint Arbeitsplätze auf Gedeih und Verderb ohne Rücksicht auf Qualität und Bezahlung. Sklaven-Arbeitsplätze werden auf dem modernen Basar und Wochenmarkt zuhauf verhökert!

  • „Das ist Betrug an der amerikanischen Idee.“ Ein großes Wort! Damit meint Obama den zu niedrigen Ansatz der Mindestlöhne sowie die abnehmende soziale Durchlässigkeit. Der „American Dream“ vom Aufstieg durch harte Arbeit und Fleiß, dürfe nicht aufgegeben werden, beschwor Obama.

Amerikanische Idee? Der Traum vom Tellerwäscher und der Irrglaube von der alles regelnden Kraft der Wirtschaft sowie die Bereitwilligkeit des konformen Bürgers, der mit der Fähigkeit eines Stehaufmännchen funktionieren muß, geduldig Unterbezahlung und Hausen in Holzhütten sowie Campingbuden akzeptiert und freiwillig als Heimatloser ständig Ortswechsel durchführt, wenn er nicht verhungern will. Den als krasser Gegensatz im Hinblick auf die vorherrschenden Verhältnisse hoch gehaltene „American Dream“ vom Aufstieg durch harte Arbeit und Fleiß, verteidigte Obama in Predigermanier. Der amerikanische „Way of Life“ ist einfach nicht totzukriegen, selbst wenn er weltweit mit Leichen gepflastert ist.

Ja, wir haben verstanden: Die Hoffnung stirbt zuletzt – und sei die Situation noch so verfahren und aussichtslos! Das ist die Durchhalteparole für die Abgehängten, um sie ruhig zu stellen.

Angriff Obamas auf seine politischen Gegner: Die nationalen Probleme hätten diese nicht nur ignoriert sondern die Lage noch durch „eine endlose Parade von Ablenkungsmanövern und herbeigeredeten Skandalen“ verschlechtert. Im Hinblick auf die populären Ballspielarten meint er „Washington hat seine Augen nicht mehr auf den Ball gerichtet“, und wirft ein energisches „Das muss aufhören!“ ein. „Es reiche nicht, ständig gegen etwas zu sein, wenn man nicht für etwas sei.“ schmettert er den Republikanern entgegen, und mit „Wenn ihr bessere Ideen habt, lasst sie uns wissen!“ hat er ihnen den Gnadenschuß gegeben.

Der Appell an die Republikaner ist natürlich berechtigt. Aber aus dieser Ecke sind sowieso nur Torheiten und wirtschaftsnationalistisches Geplärre zu erwarten – konstruktive Vorschläge mit geistigem Niveau können in diesem Sumpf nicht gedeihen. Die von Obama immer wiederholten Postulate sind das Herbeiwünschen von „würdigen Arbeitsplätzen für die Mittelschicht (sic!), von „guter Erziehung von jungen Menschen“, von „sozialer Absicherung im Alter“ sowie die Anbiederung an die Häuslebauer „neue Finanzierungsmodell zum Häuserbau zu garantieren“. Der Ruf nach sozialer Sicherheit schallt voraus und verhallt an verschlossenen Türen, Mehrheiten in den politischen und wirtschaftlichen Gremien und den Vorurteilen der Bevölkerung.

„Seit 60 Jahren waren die Kosten für die Gesundheitsvorsorge bei uns nicht so niedrig wie jetzt“, klopfte der Präsident sich selbst indirekt auf die Schultern. Ich vermute einmal, daß die Kosten deshalb so niedrig waren, weil mit den Leistungen geknausert wurde. Zugegebenermaßen hat Obama eine Einwanderungsreform durchgebracht, die zumindest einen Teil der Millionen Immigranten der USA aus den lateinamerikanischen Ländern legalisiert hat.

Die Errungenschaften seiner Regierung lobte Obama über den Klee und sprach damit die folgenden Bereiche an, in denen umwerfende Erfolge erzielt worden seien: Rettung der Autoindustrie, Bankenkontrolle, steigende Unabhängigkeit in Sachen Energie, teils durch regenerative Technologien und durch Gas. In Detroit hat sich wohl die Rettung der Autoindustrie noch nicht herumgesprochen, denn die Stadt hat mittlerweile Konkurs angemeldet. Bei der Bankenkontrolle ist man in den USA jedenfalls weiter als in der EU, von einer wirklichen effektiven Regulierung und Ausmerzung der Steueroasen auf dem Gebiet der USA und seiner Einflußsphäre kann allerdings nicht die Rede sein. Und die wachsende Unabhängigkeit bei der Energieversorgung ist erkauft worden durch zunehmende Umweltzerstörung und Vergiftung. Als Beispiele sind zu nennen: Fracking, Ausbeutung von Schieferöl, Investitionen in immer gefährlichere und aufwendigere Offshore-Ölprojekte und Gefährdung der polarnahen Regionen in Alaska durch ungehemmte Erdöl-Exploration.

Zusammenfassend resümierte Obama: „Jeder Amerikaner hat es verdient, eine gute Ausbildung zu bekommen und sein eigenes Haus zu besitzen.“ und „Die Jobs sollten sicher sein, der Lohn angemessen und eine Krankenversicherung eingeschlossen sein.“ Aus diesem Grunde besäße jede Regierung den Auftrag, Armut und die enorme Ungleichheit zu verringern. Die Banker bekommen auch ihr Fett ab: „Schuld an der Schieflage sind auch die Wall-Street-Banker mit ihrem unverantwortlichen Handeln.“

Die rosigen Absichten Obamas in allen Ehren. Die Banker sind aber auch nur angestellte Handlanger des Kapitals, das heißt der im Hintergrund waltenden und schaltenden Kapitaleigner. Auch die politische und gesellschaftliche Spaltung in den USA ist derartig zementiert, daß in absehbarer Zukunft nicht mit sinnvollen und weiterführenden Kompromissen zu rechnen ist. Zudem hat Obama seine Abhängigkeit vom industriell-militärischen Komplex und insgesamt von der Macht und Einflußnahme von Konzernen und fundamentalistischen Verirrungen eines Großteils der Bevölkerung übersehen oder ignoriert. Deshalb sind die Aussichten, daß auch nur ein Bruchteil der meistens berechtigten Forderungen Obamas realisiert werden, äußerst bescheiden.

Peter A. Weber