Oben oder Unten? Die wahre existenzielle Perspektive

3 Beiträge / 0 neu
Letzter Beitrag
Bild des Benutzers Ludwig der Träumer
Ludwig der Träumer
Offline
Verbunden: 13.12.2012 - 16:25
Oben oder Unten? Die wahre existenzielle Perspektive
DruckversionPDF version

Oben oder Unten? Die wahre existenzielle Perspektive

In den Diskussionen um die politische Zugehörigkeit oder den weltanschaulichen Standpunkt bleiben die meisten Menschen in ihrem Schmalspurdenken auf der Schiene „Links-Mitte-Rechts“ kleben. Die Perspektive Oben-Unten wird übersehen. Wenn sich der gesamte Parteienblock der Systemparteien in seiner Ausrichtung tendenziell nach „links“ oder „rechts“ verschiebt, denn bleibt Mitte immer noch Mitte, obwohl sie unter Umständen schon bei Rechtsaußen angekommen sein kann.

Der Plan des herrschenden Systems ist es, daß sich die einzelnen Lager in ideologischen Grabenkämpfen aufreiben und ihr Pulver nicht gegen diejenigen verschießen, die es verdient hätten. Mit diesen Schablonen soll erstens verdeckt werden, wie die Interessenslagen tatsächlich angeordnet, d. h. wer der wirkliche Gegner ist und wer der wirkliche Bundesgenosse sein sollte. Zweitens soll mit allen Mitteln verhindert werden, daß der Mehrheit der Bevölkerung, die weitgehende Gemeinsamkeiten aufweist, sich dessen nicht bewußt wird und sie damit nicht auf die dumme Idee kommt, die Macht der Mehrheit für sich zu nutzen.

Im Artikel „Rechts oder links? Die politische Dreifaltigkeitslüge“ mit Folgekommentaren im Kritischen Netzwerk bringt es der Künstler und Blogger Wolfgang van de Rydt (Opposition24.de) trefflich auf den Punkt: "[…] dass alle, die nichts zu sagen haben, eigentlich gemeinsam an einer Stelle stehen: GANZ UNTEN!" Peter Weber schreibt dazu: "Wir sind die Mehrheit: Wer die Mehrheit besitzt, hat die Macht, aber nur wenn Einigkeit und Solidarität besteht!"

Die Mehrheit an Einigkeit und Solidarität haben heute jedoch nur die Oberen. Das kleine Arschloch (A) hat seine Souveränität, seine eigene Macht abgegeben. Machen hat was mit Macht zu tun. Macht mal für mich, ich will mein Leben versichern und mein täglich Brot, geistige Eingebung und Spaß, darum folge ich dir und prostituiere mich.

Der in München lebende Grafiker, Autor und Filmemacher Wolfgang Blaschka beschreibt das von mir so gefürchtete kleine (A) wohl als Zwischenschichtler. Es sind genau die, welche die Mauer bauen zwischen den Ober- und Unterstadt, zwischen der Elite und dem Pöbel. Sie werden in der Mitte als Prellböcke gehalten und fühlen sich als Leistungsträger, merken jedoch nicht, daß sie sich besonders gut verheizen lassen. Die finden wir im kleinen Beamten, Lehrer, Freiberufler, Handwerker, Pensionär, Etagenmanager oder Vorstadtmillionär. Hauptsache, er kann sich monetär von den Schmuddelkindern abheben. Das gilt es zu verteidigen. Es ist sicher eine Leistung, das Risiko einzugehen, die eigene Bude abbrennen zu lassen, um den Zorn gegen die Elite abzufedern, wenn die Unterschichtler aufmüpfen, weil sie nichts mehr zu beißen haben. Soweit  kann er jedoch nicht denken. Sie waren Jederzeit die Stütze der Elite. "Gib uns unser täglich Brot und wir folgen dir".


Von den Unterschichtlern geschaffene und durch die Zwischenschichtler A an die Elite abgelieferte Kornkammer bekommen diese gerade Mal so viel zurück, daß es reicht, sich über die Unterschichtler erhaben zu fühlen. Da lohnt es sich allemal, nach unten zu treten und nach oben zu buckeln. Das das kleine (A) frißt das frische Brot, der unter ihnen kann den Rest bei der Tafel oder im Container abholen. Wenn da kein Brot mehr drin ist, sollen sie doch nach Kuchen suchen.

Das heutige Drama liegt in der irren Annahme des As, wie die letzten Wahlen zeigten, daß er sich schon als Zwischenschichtler zur Elite zählt, wenn er auch nur einen Euro  mehr hat als die da unten. Den gilt es zu verteidigen. Manche brauchen etwas mehr um bei der Stange zu bleiben. Die nennen wir dann Manager.

Für meine Sicherheit sorgst du lieber unbekannter Weltenlenker, dem wir bedingungslos folgen, mit deinen Hilfstruppen aus Bankern, Politikern, Waffenfabrikanten, Geheimdiensten, Diplomaten, NSA und Bundespolizei. Für mein langes Leben ist Herr Kaiser zuständig – der mein Leben versichert. Meinen Spaß und die komfortable Schrottimmobilie, in der ich nun wohne, hat mir freundlicherweise der nette Herr von der  Sparkasse vermittelt.  Die neue Küche zu 0%-Finanzierung mit nur 299 €/Monat hat mich veranlaßt, das Aldi-Kochbuch zu kaufen. Darin fehlt nur das Rezept "Spaghetti Shebanese". Meine Katze würde sich darüber vielleicht freuen oder vermutlich kotzen. 0%-Bio gönne ich mir seither als Ausgleich für die 0%-Finanzierungen. Fast vergessen: Der neue 0%-SUV für schlappe 99 €/Monat ohne Anzahlung hat mir sogar 1.000 € Kickback-Cash eingebracht. Die werden natürlich sofort zu meinem Stromlieferanten umgeleitet. Diese Finanzspritze kam gerade recht, da er mir gerade gedroht hat, den Strom abzustellen. Dabei hat er soviel, daß er ihn nachts heimlich verschenkt oder eine Abnahmegebühr an Pumpspeicherkraftwerke zahlt. Ich würde den Strom auch gerne nachts zum Heizen abnehmen, sogar kostenlos. Tagsüber habe ich den Abfallstrom ja bereits über die Grünensteuer bezahlt.

Egal, solange ich noch irgendwie das Geld für solchen Luxus aufbringe, sei es über Kickbach oder Kredit ohne Schufa, bin ich über die Sozialschmarotzer erhaben. Angela und Gabriel schützen mich davor. Der gleichnamige Engel hoffentlich auch. Mein SUV ermöglicht mir die tägliche streßfreie Fahrt zu meiner 100 km entfernten Baustelle, auf der ich als Bauleiter für achtfuffzig arbeiten darf. Die Zeitarbeitsfirma hat es ermöglicht, da du lieber Arbeitgeber keine Fachkräfte auf dem freien Markt gefunden hast, obwohl ich für dich in der Vergangenheit als Freiberufler nach der Gebührenordnung mit Auszeichnung gearbeitet habe, die mir ein auskömmliches Leben ermöglichte. Es war sogar noch genügend Netto vom Brutto für die Krankenversicherung, die Einkommensteuer und den Bio-Laden übrig. Sogar ein neuer Volvo war ohne Kredit drin.

Nun, ich will nicht meckern. Die Wettbewerbsfähigkeit fordert seinen Tribut. Es ist ja auch eine gute Sache, für die ich für lausige achtfuffzig arbeite. Ich bin stolz, die Verantwortung  für einen Neubau neben dem Maintower zu haben, der noch höher wird als der der Deutschen Bank. Immerhin ist es das wichtigste Gebäude, das hier gebaut wird. Auf der Bautafel steht: "Hier entsteht das Gebäude der Europäischen Kommission mit 10.000 neuen Arbeitsplätzen zum Abbau der Bürokratie."

Inzwischen habe ich auch 9.100 Facebook-Freunde, die mich um den Job beneiden. 10.000 schaffe ich locker und freue mich auf den Bauleiter- Award von RTL. Die 500 € Gage werden selbstverständlich der Deutschen Umwelthilfe gestiftet. Die sorgt schließlich dafür, daß jede alte Schrottkarre, die in die Stadt reinfährt, angezeigt wird. Mein neuer SUV hat eine grüne Plakette. Ätsch!

Meinen Job verdanke ich dir lieber Arbeitgeber. Dabei gebe ich dir die Arbeit und nicht du mir. Macht nichts, Hauptsache, daß du dein Haus, dein Pferd und deine Pferdepflegerin, die auch den Schwanz pflegt, damit finanzieren kannst. Wenn es dem Chef gut geht, geht es auch mir gut. Wenn es dir nicht gut geht, muß ich mich anstrengen, damit es dir wieder besser geht. Dann geht es mir auch wieder besser. Also strenge ich mich an, damit es dir besser geht. Spätestens im nächsten Jahr geht es mir dann auch wieder besser, so deine Rede. Dir folge ich lieber als den Pfaffen, die mir das gute Leben erst im Jenseits versprechen. Wenn der Aufschwung dennoch nicht klappen sollte, habe ich ja noch das "Wort fünf vor Sieben". Fünf vor Sieben kann ich mir das im Radio reinziehen, im Wort zum Alltag. Durchhalten, die Botschaft seit Jahrtausenden. Da muß doch was dran sein. Im Jenseits wird alles besser. Nun, ich habe mir schon Mal mein Haus, mein Leben im Jenseits entworfen. Als Bauingenieur mit Phantasie fällt mir das nicht schwer. Es wird mir aber nur zuteil, wenn ich fleißig weiter Kirchensteuer zahle. (Bekenntnis eines selbsternannten kleinen (A))

Die früheren Dorffeste und Volkstänze waren nicht nur Balztänze. Freiwillige Feuerwehr, Vereine, die heute kaum noch Nachwuchs finden, stärkten die Gemeinschaft im Dorf. Die Feiertage waren früher unabhängig der Pfaffenbeeinflussung ein Mittel zur Stärkung der Seele, um die Widrigkeiten des nächsten Jahres zu ertragen. Warum wohl wurde uns diese alte Kultur weitgehend als uncool ausgetrieben? Feiertage haben sich zu Konsumterror mutiert. Lethargisch Wetten daß, Tatort, Geschwätz von Franzl, Angela oder Gauck reinziehend oder einen dreihundert km langen Autostau überwindend mit Familienkrach zum nächsten Freizeitpark im geleasten SUV donnernd, auf die Idioten vor  ihnen schimpfend, die ihnen die freie Fahrt versperren. Das empfindet das kleine (A) als Freiheit. Jeder für sich, sonst ist es keine Freiheit. Nichtahnend, daß er damit einen wesentlichen Beitrag zur Zerstörung dessen leistet, was Menschlichkeit ausmacht – für- und miteinander dasein. Das kleine (A) fühlt sich auch dann noch oben, wenn er einen sicheren Standpunkt hat. Sei es auf der Leiche seines Nachbarn, der gerade verhungert ist. Er steht ja noch ohne Ketten.

Die Zwänge der früheren Dorfkultur sind heute nur noch für Spießer wichtig. Die Einigkeit und Solidarität findet der informierte Mensch im Bordcomputer und im Tachometer. Mit nur 5,9 L Sprit kann er getrost sich eins fühlen mit der Umweltpartei. Man tut ja sonst nichts für die Umwelt, außer Sondermüll als Wärmedämmung auf die Fassade pappen und Solarmodule auf das Dach zu kleben, die 20 Jahre Gewinn bringen (sollen) und  H4ern die Existenz kosten. Mülltrennung nicht vergessen. Ich mach das auch. Wenn meine Mülltonne voll ist, werfe ich den Müll in die Tonne des Nachbarn. Der hat mich angezeigt, obwohl seine Tonne leer war. Soviel zur Einigkeit. Selbstbewußt die Kreditkarte beim Tanken ziehend, läßt er sich noch ein BILDungsangebot draufladen.  Das ist die Mehrheit, die Macht haben soll, lieber Peter Weber. Ab in die Achterbahn. Die Tochter lädt den doppelten Würgburger in 80 m Höhe wieder aus. Das läßt auf eine klügere Jugend hoffen

Wir sind die Mehrheit, wie Peter A. Weber dennoch richtig feststellt, aber nur wenn wir auf eine klügere Jugend hoffen. Diese Generation schafft es nicht mehr. Die Mehrheit bringt nichts, wenn das Bewußtsein angstbesessen korrupt und kollektiv unten ist.

Das kleine (A) ist auch unten. Eigentlich sind alle unten. Wir haben alle einen Tiefpunkt der Evolution, die Devolution erreicht. Es war sicher einmal besser und klüger um die Menschheit bestellt, wie alte Märchen beschreiben. Ich liebe Märchen. In der Ergänzung, in der Kraft des einen die Kraftlosigkeit des anderen zu kompensieren, durch Empathie auch Konflikte lösen, durch salomonische Urteile oder durch sexuellen Ausgleich, (beobachte mal die Affen im Zoo, wenn Streß entsteht) liegt die Menschlichkeit, im bedingungslosen Füreinander da sein.

Herrmann Hesse fällt mir ein um nicht zu verzweifeln "Die Hölle ist überwindbar". Leider auch sein Glasperlenspiel, dessen Ende auch Ulrich Horstmann beschreiben könnte.

Heute stärken sich nur noch die Oberen durch gegenseitige Selbstbeweihräucherung, scheinheilige Einigkeit, Solidarität und tanzen den Tango Korrupti.  Die oben tanzen den Dance for Money, die unten sehen zu und träumen davon, bevor der Wecker zum Apell klingelt. Das Kind noch schnell zur KiTa und ein Handyfoto von mir an die Kölner Denunziationsbehörde schickend, da ich an der Bushaltestelle davor geraucht habe und die gesunde Welt für das kleine (A) ist gendermainstreamgerecht mit einer Belehrung wieder in Ordnung. Ich verzweifle langsam am kleinen (A). Solange sich das kleine (A) sein selbstgebackenes Brot freiwillig an die Oberen abgibt und mit den Krümel, die es zurückerhält noch sattessen kann, wird es die Mehrheit bleiben, die Mehrheit der Machtlosen, die Sklaven. Die Bewußtlosigkeit, die Machtlosigkeit hat es sich selbst geschaffen.

Das menschliche Drama wird in allen Philosophien immer nur von oben nach unten oder umgekehrt betrachtet. Das Kreuz in der christlichen Tradition symbolisiert nicht nur einen Weg von oben nach unten, sondern auch einen horizontalen ohne das Spannungsverhältnis zwischen oben und unten. Warum gehen wir diesen nicht? Warum hat kein Pfaffe den Mut, diesen zu predigen? Bis es so weit ist, wird weiter mit lächerlichen Ausfallschritten im vertikalen Kreis getanzt.

Der Legislatur-Periodentanz hat den gesunden bodenständigen horizontalen Volkstanz abgelöst.



Merkels Tanzlehrer:

links Mitte rechts und zurück zur Mitte,

Ausfallschritt nach rechts und zurück zur Mitte.

In die Hände klatschen und singen:

"Es grünt so grün, wenn Bankers Blüten blühen",

Ausfallschritt nach links und zurück zur Mitte.

Die Frau das Knie hoch in Partners Mitte,

mit ihm in die Knie und gemeinsam wieder hoch,

in die Hände klatschen und singen:

"Es grünt so grün, wenn Bankers Blüten blühen",

die Mitte ein Schritt vor, die links von der Mitte einer zurück,

und nun umgekehrt:

"Es grünt so grün, wenn Windräder glühen".

Tschakka tschakka, Cha-Cha-Cha Obama, baba baba,

eine Links- und Rechtsdrehung, vor und zurück,

abwechselnd die Hand nach hinten oben offen,

den anderen Mittelfinger nach unten.

Gut fürs Erste, ihr dürft euch wieder in die Bank setzen und ausruhen,

nach den nächsten Wahlen üben wir weiter.
 



Dipl.-Ing. Siegfried Nagel

Bildquellen:

Bild 1 und 2:  Bildbearbeitung Wilfried Kahrs / QPress

Foto 3:  Die Zwillingstürme der Deutschen Bank in Frankfurt/M. Foto: Thomas Wolf, www.foto-tw.de – Quelle: Wikipedia – Verbreitung mit CC-Lizenz

Foto 4:  Achterbahn DreamWorld, Brisbane. Foto: Andi Ryan, Townsville, Australia – Quelle: Wikipedia – Verbreitung mit CC-Lizenz

Bild 5:  Erwischt: Merkels Tanzlehrer - Bildbearbeitung Wilfried Kahrs / QPress

Bild des Benutzers Peter Weber
Peter Weber
Offline
Verbunden: 23.09.2010 - 20:09
Berliner Politzirkus im Dienste der "da oben"!

 

Berliner Politzirkus im Dienste der „da oben“!

Oben oder Unten? Das ist wirklich die Frage – und diese erhebt sich spontan, wenn man Nachrichten hört oder sich in den Medien über den Tagesablauf informiert. Wenn ich mir die Frage nach der gesellschaftlichen Verortung stelle, dann kann ich mir über meinen Standort z. B. anhand des Themenkatalogs und der Resultate der laufenden Koalitionsverhandlungen in Beziehung auf die persönliche Relevanz ein Bild machen. Aktuelle politische Themen, insbesondere, wenn sie mit Koalitionsverhandlungen zu tun haben, erzeugen eigentlich in mir einen zunehmenden Widerwillen, so daß ich diesen Text nicht schreiben dürfte, wenn ich konsequent wäre. Trotzdem, mir fallen immer und immer wieder alte und eue Kritikpunkte ein, weshalb ich auf den überaus lesenswerten Artikel von Siegfried Nagel mit dem Titel „Oben oder Unten? Die wahre existenzielle Perspektive“ im Kritischen Netzwerk Bezug nehme.

Inhaltlich wird im Umfeld der Verhandlungen nicht ein einziges wirklich existenzielles Thema angepackt. Bei den Sujets, die als entscheidend für den Ausgang des Gefeilsches auf den Tisch gelegt wurden, handelt es sich fast nur um Marginalien. Die wirklich entscheidenden Themen, die den Verlauf unserer Zukunft bestimmen, werden ausgegrenzt. Die Leute an der politischen Spitze, die vom Volk gewählt wurden, erwecken den Anschein, als ob sie die Nöte und Probleme der Bevölkerung  einen feuchten Dreck interessieren und ihnen die Zukunft dieser Gesellschaft sowie der Welt gleichgültig ist. Das einzige, was sie wirklich engagiert wahrnehmen, das ist die Sicherung ihrer politischen Macht.

Wo tatsächlich einmal wichtigere Probleme auf der Tagesordnung stehen, kann man sich entweder nicht einigen oder die ausgehandelten Kompromisse sind derart löcherig, daß das Ergebnis kein Fortschritt ist, sondern das Ergebnis einen Rückschritt bedeutet, der den Betroffenen entweder nicht hilft oder ihnen sogar schadet. Ob doppelte Staatsbürgerschaft, Frauenquote in Vorstandsetagen, Betreuungsgeld, Mütterrente, Elterngeld, Geringverdienerrente, Rente mit 63, Kranken- und Pflegeversicherung, Mindestlohn, Vorratsdatenspeicherung, direkte Demokratie etc. – nirgendwo ist eine eindeutige Lösung ohne faule Kompromisse in Sicht. Wo bleibt eigentlich

  • die Eigentumsfrage und die Zinsproblematik auf dem Tisch des Hauses,
  • die Verteilungs-Gerechtigkeitsfrage bei der sich ständig weiter auseinander klaffenden Schere Arm-Reich,
  • die Strategie zur globalen Schieflage der Ökologie,
  • die Betonung der Dringlichkeit, den Konsum zu reduzieren, vom Wachstumswahn Abschied zu nehmen und die Konzepte dazu,
  • die Forderung  nach Regionalisierung der Produktion,
  • der Wille, die Macht der Multis zu beschränken
  • oder die zentrale Alternative, die dezentrale Energieversorgung incl. Zerschlagung der Energiekonzerne anzugehen???

Meine Zweifel über die Rolle der Politiker als Volksvertreter und den Bestand einer Demokratie in Deutschland existieren nicht erst seit heute. Mein vernichtendes Urteil über das Treiben der bezahlten Gesellschaftszerstörer in der Maske von „Volksvertretern“ steht schon lange fest.

Wenn ein Bürger mit gesunden Menschenverstand, mit ein wenig kritischem Sachverstand, vertraut mit den Regeln des Einmaleins und ausgestattet mit einer Spur von ökonomischem Verständnis, die politischen Entscheidungen der letzten Jahre unter die Lupe nimmt, welche Erkenntnis dämmert ihm dann? Totales Versagen ist die einzig mögliche Antwort. Nur Fehlentscheidungen, wohin man auch blickt! Selbst dort, wo man vielleicht die Hoffnung hegen konnte, daß der Ansatz korrekt war, wird der Prozeß durch denkbar faulste Kompromisse und Ausnahmeregelungen ohne Ende verwässert und bis zur Unkenntlichkeit verbogen. Auf der ganzen Linie kein einziger Fortschritt, nur Halbherzigkeiten und Rückschritt. Nichts wird bis zu Ende gedacht und durchgezogen. Was bleibt, ist ein einziges Desaster und ein Scherbenhaufen nach dem Motto „nach mir die Sintflut“.

Das Berliner Personal dieses Staates benimmt sich so, als ob sie einen tragikomischen Komödienstadl aufführen. Die auf seriös getrimmten Berichterstatter der Medien setzen ernste und gewichtige Mienen auf, wenn sie uns in einer tagtäglichen Schleife von den Lächerlichkeiten und Unsäglichkeiten des Berliner Politzirkus berichten. Keiner besitzt den Mut, die Tagesschau oder Heute gleich als Heute-Kabarett-Show zu deklarieren, bei der herzhaft gelacht werden darf. Den Kabarettisten wird von der Politik mittlerweile der Rang abgelaufen – nur die Medien und der Bürger haben es noch nicht gemerkt. Wenn eine Sendung offiziell als Satire oder Komik angekündigt ist, dann lachen dieselben beim billigsten und schalsten Witz. Werden sie selbst in die Pfanne gehauen, wie es ihnen rund um die Uhr demonstriert wird, dann starren sie wie das Kaninchen auf die Schlange, drehen sich um und gehen zur Tagesordnung über. Da fällt mir ein passender Spruch des Kabarettisten Martin Buchholz ein: "Selig sind, die da geistig arm sind, denn ihrer ist das Hammelreich."

Ist das Berliner Regierungsviertel ein einziges Irrenhaus? Wenn man mich fragt: ja! Ich empfehle dringend, das ganze Gelände mit einem vier Meter hohen Elektrozaun – mit Stacheldraht oben drauf – zu umgeben, damit jeder Fluchtversuch sinnlos ist. Innen sollte der Komplex gut mit psychiatrischer Versorgung ausgerüstet sein. Angesichts der besonders schweren Fälle bei Insassen wie Merkel, Friedrich, de Maizière, Pofalla, Altmaier, Gröhe, Ramsauer & Co. und den zur Einlieferung bestimmten wie Gabriel, Nahles, Schwesig, Asmussen oder Dobrindt sollten nur Koryphäen an Psychiatern zur Betreuung angeheuert werden. Da mit Uneinsichtigkeit und Wahnanfällen zu rechnen ist, sollte das Personal mit den weißen Kitteln mit kräftigen Pflegern aufgerüstet werden, die aufsässige Patienten sofort in die Mangel nehmen und für eine Sedierung sorgen können.  Dann wären wir in Deutschland erst einmal sicher vor den Porzellan zertrampelnden Elefanten. Regiert wurden wir bisher eh nicht, deshalb wird uns nichts fehlen. Wenn zukünftig Entscheidungen per Würfel getroffen werden, haben wir die Wahrscheinlichkeit einer sinnvollen Entscheidung auf 50 % optimiert. Was wollen wir mehr?

Da hätten wir noch was. Ich hätte fast unsere Seniorenresidenz im Schloß Bellevue vergessen. Ich schlage vor, daß wir Gnade vor Recht ergehen lassen und der dortige Insasse, unsere oberste moralische Instanz, unangetastet bleibt. Was würden wir ohne die Weihnachtsansprache des Bundespräsidenten nur machen? Wir wären völlig orientierungslos und ohne jeglichen moralischen Halt. Nein, unseren Vorzeigetünnes und salbungsvollen Vordenker wollen wir behalten! Der tut nichts und richtet keinen Schaden an. Wenn ich es mir recht überlege, sollten wir ihm noch ein Thrönchen spendieren und ihm ein Krönchen aufsetzen. Der Gauck wäre begeistert – eine First Lady hat er auch noch zu bieten – und wir hätten alle unseren Spaß in dieser ernsten Zeit und brauchten nicht mehr nach Holland oder England zu schielen.

Ich hoffe, daß mein Kommentar doch noch einen nützlichen Beitrag für die Gestaltung der Zukunft unserer Gesellschaft leisten kann.

MfG Peter A. Weber

Bild des Benutzers Wolfgang Blaschka
Wolfgang Blaschka
Offline
Verbunden: 09.11.2010 - 02:16
Kleinbürger-Debatte


Wer auf A zeigt, sollte auch B erkennen

Ein ansatzweiser Beitrag zur "Kleinbürger"-Debatte

Lieber Peter A. Weber

Dein Kommentar hat einen Nährwert für meine Lachmuskeln, für die Gestaltung der Zukunft unserer Gesellschaft jedoch einen kleinen Haken: Er suggeriert, die Politiker hätten versagt. Da tust Du ihnen Unrecht. Sie gaben in der Regel alles, was zur Erhaltung des Zustandes zu tun war, den Siegfried Nagel im Ausgangsartikel ausführlich beschreibt, nämlich dass es ein Oben und ein Unten geben solle, das weder im Grundgesetz steht noch in irgendeinem Standardwerk zu Verfassungsfragen auftaucht - kurz gesagt die Klassengesellschaft, die einer Herrschaftspyramide bedarf, deren mittlere Etagen von besagten Zwischenschichtlern getragen werden, die mit "A" nur ansatzweise beschrieben sind. Es sind ja nicht alle gewissenlose oder böswillige Idioten, die da lehren, verwalten, richten und zum Nutzen und Frommen der obersten Oberschicht regieren, die man landläufig Großbourgeoisie nennt, welche die reale Macht innehält, meist ohne persönlich groß in Erscheinung zu treten.
 
Die Fettschicht ganz oben lässt sich nach außen diskret vertreten durch Vorstandsvorsitzende, Industrieverbands-Präsidenten und eben jene grauen Herrn von den Kartellen, die wahlweise als Pensionsfond-Manager, Konzern-Banker, Wirtschaftsweise oder (seltener) als professionelle Verlautbarungsorgane in Talkshows auftreten. Selbst die Beherrscher der Verdummungs-Maschinerie, die Verleger und Programmdirektoren der Rundfunk- und Fernesehsender gehören bereits zum subalternen Dienstpersonal in den Augen der Multimillionäre und Milliardäre. All die speichelleckenden Kommentatoren, Kolumnisten, Redakteure und schon gar die Reporter sind ihnen Fußpersonal. Ebenso die Parlamentarier, samt ihrer Regierung. Nicht umsonst heißen Minister eben nur etwas feiner ausgedrückt: Diener. Dienstboten der eigentlichen Macht. Sie tun gewiss ihr Bestes, wenn auch genau nicht im Sinne ihrer Wähler, sondern im unausgesprochenen Auftrag der obersten Etage. Von der bekommen sie ihre Aufträge durch die Lobbyisten übermittelt. Von denen erhalten sie ihre Parteispenden, in deren Sinne beraten und beschließen sie im Interesse derer da oben (Großaktionäre, Shareholder und Großgrundbesitzer) die Gesetze
 
Da gehört die katholische Kirche (mit Traum-Immobilien in bester Citylage) ebenso dazu wie der noch nicht verstorbene Aldi-Bruder, Frau Quandt oder die Flick-Erben. Die treten nur mittelbar in Erscheinung, und geben selten Homestories für bunte Blätter. Fürs Volk und seine illusionären Träume haben sie A-, B- und C-Promis, bis runter in den Dschungel. Nur nebenbei: Dass die Partei DIE LINKE. keine Industrie-Spenden ausweisen muss, ist ein deutliches Indiz dafür, dass sie eben keine "System"-Partei ist, wie manche gern behaupten, bei allen Gefahren durch künftige Beeinflussungs- und Korruptionsversuche, und verstärkt durch den Richtungsschwenk bei der SPD im Umgang mit ihr.

Die wirklichen Systemparteien haben ihr Ziel, die Marktwirtschaft am Leben und sich im Dienste derselben zu halten, durchaus erreicht (bis auf die FDP), also gewiss nicht versagt in ihrem ureigensten Sinn und Lebenszweck, der darin besteht, das Wahlvolk bei Laune und in der Illusion zu halten, die Diktatur des Kapitals zähmen und in sozial- und umweltverträgliche Bahnen lenken zu können, ohne ihr hart ans Leder zu gehen. Das hat bisher ganz gut geklappt. Wie kommst Du dazu, ihnen das abzusprechen?!

Du träumst wohl von etwas, das ohne gewaltigen gesellschaftlichen Aufbruch und politischen Umbruch nicht zu haben sein wird, dass Politiker ihren Wählern verantwortlich zu sein hätten! Sind sie aber nicht. Steht auch eindeutig so im Grundgesetz. Einzig ihrem Gewissen sind sie verantwortlich, das macht sie immun gegen solcherlei Ansprüche, die Du an sie erhebst. Das Gewissen wird beherrscht vom "Großen und Ganzen" und vom Geldbeutel, versteht sich. Dabei müssen sie gar nicht direkt bestochen werden, die meisten jedenfalls nicht. Es reicht, dass sie denken, wie sie sich denken, dass die Herrschenden denken. Die herrschende Meinung ist die veröffentlichte Meinung, in den verschiedensten Facetten und Spielarten, für unterschiedliche Rezipienten-Gruppen.
 
Übrigens, selbst die Abgeordneten-Immunität und Diäten hatten einmal den Zweck, die gewählten Mandatsträger vor direkter Einflussnahme durch zahlungskräftigen Interessensgruppen zu schützen, nicht nur vor dem "Druck von der Straße". Und die Sozialdemokratie war auch nicht schon immer eine Agentur des Monopolkapitals in den Reihen der Arbeiterbewegung. Bei den Grünen haben wir es noch aus eigener Anschauung in Erinnerung, wie der Prozess der Integration ins System verlaufen ist. Es brauchte einzelner korrumpierbarer Führungspersönlichkeiten, um sie auf den für's Kapital komplett kompatiblen Weg zu führen. Und wenn Du einen Grünen welcher Fraktion auch immer fragst, hat er den festen Willen und die Überzeugung, sich nicht kaufen zu lassen, nicht die Vorstellung schon "gekauft" worden zu sein. Er mag es so ehrlich meinen wie er will: Ohne gegen den Kriegskurs seiner Partei zu rebellieren, ohne gegen Schwarz-Grün ernsthaft aufzumucken und sich dem zu verweigern, bleibt er verhaftet im Sumpf der "Vorteilsnahme", nämlich subjektiv zu meinen, an der Gestaltung der Zukunft der Gesellschaft tatsächlich mitwirken zu können, sollte diese tatsächlich eine für "die da Unten" werden. Genau diese Vorstellung ist es doch, die ihn so anfällig macht für die Verlockungen des parlamentarischen Betriebs. Sie trübt die Zukunftsperspektive.
 
An der für "die da Oben" wirkt er mit ohne es zu merken. Das ist auch bei vielen SPD-Mitgliedern so, selbst bei solchen, die ich noch als Genossen bezeichnen würde. Sie alle, und die Studienräte und Amtsrichter, Bauingenieure und Sozialarbeiter als Deppen zu diffamieren, hilft nicht weiter, so berechtigt Kritik am Kleinbürgertum sein mag. Sie zu verachten für ihre Blindheit und Naivität, mit der sie sich oft über die Widrigkeiten ihrer bescheidenen Posten hinweg retten, ist pauschal zu billig. Denn auf einen Teil von ihnen wird es ankommen, wenn "die da Unten" sich artikulieren, organisieren, bilden und wappnen wollen, um dereinst die Verhältnisse umzustülpen, das Oberste zu Unterst kehren, um eine humanere Gesellschaft zu erringen, wo sie nicht nur einfach spiegelbildlich zur alten Gesellschaft den dicken Maxe markieren dürfen, um ihr Ziel nicht zu verraten.
 
Ein schwieriges Unterfangen wäre es, das nur mit denen "ganz unten" erreichen zu wollen. Es waren bei allen Revolutionen die gut gebildeten, qualifizierten, organisierten und (ja, auch) disziplinierten Arbeiter, in Deutschland allen voran die Metaller und die Drucker, die 1918 im Verbund mit den aufständischen Matrosen die Zeichen der Zeit verstanden und genutzt haben, den Umschwung zumindest zu versuchen, nachdem das Kaiserreich so glorios gescheitert und durch den verlorenen Krieg ernsthaft angeschlagen war. Sie wurden blutig niedergeschlagen. Und 15 Jahre später noch einmal im Faschismus. Dass dem in Scharen die Kleinbürger nachgerannt sind (unter Finanzierung und Salonfähigmachung der Großbürger), sollte uns nicht dazu verleiten, sie von vornherein verloren zu geben, vielmehr um ihre Hirne und Herzen zu ringen, wie es die Oberen sehr erfolgreich betreiben. Mit Beschimpfungen und Lächerlichmachen wird uns das kaum gelingen, sie auf die Seite des gesellschaftlichen Fortschritts zu ziehen.

Wer "A" sagt, sollte vielleicht auch "B" sagen: "Beeinflussbare" Menschen sollte man nicht leichtfertig abschreiben, sondern versuchen sie zu gewinnen. Dann hätte das Bonmot vom "kleinen A" einen gewissen Sinn. Denn über ihre Marotten machen sich viele ja in lichten Momenten selbst lustig. Etwa, wo sie sich als Spießer erkennen, weil sie motzen,  wenn in der Spielstraße jemand schneller fährt als Schrittgeschwindigkeit, obwohl keine Kinder da sind. Da helfen Humor und Selbstironie, manchmal auch solidarische Diskussionen, um A's als B's zu erleben. Vor allem aber helfen Lerneffekte in gemeinsamen Aktionen, in denen sie sich Ihrer Stärke gemeinsam mit anderen bewusst werden. Da werden aus "Privatiers" plötzlich (wieder) Kämpfer, manchmal sogar Klassenkämpfer. Selbst wenn sie in ihrem gerade abbezahlten Reihenhäuschen wohnen bleiben, sind sie dann längst keine A's mehr. Lassen wir uns von der Oberfläche nicht blenden, nicht einnehmen oder abstoßen. Kommen wir zum Kern der Sache, zum Wesen der Menschen. Das macht sich selten nur an äußeren Dingen fest.
 
Die Idee mit dem Zaun um das Regierungsviertel finde ich gar nicht witzig, erinnert sie mich doch an die absurden Ordnungs-Träume jener Leute aus der Ecke rechts außen, die den Parlamentarismus aus anderen Gründen als wegen seines inhärenten Demokratie-Defizits am liebsten abschaffen würden, weil er ihnen für ihre autoritären Vorstellungen von Staatsführung als ein Zuviel an Demokratie im Weg zu stehen dünkt. Es wurden schon einmal die (kommunistischen) Abgeordneten in Lager gesperrt und die  (sozialdemokratischen) Parlamentarier verhaftet, nachdem sie sich dem Ermächtigungsgesetz verweigert haben, ganz im Gegensatz zu allen anderen (bürgerlich konservativen), die brav und teils überaus freudig zugestimmt haben.

Wir sollten in der Parteienschelte differenziert hinsehen, was die Volksvertreter so treiben, wie sie sich in Abstimmungen verhalten, anstatt sie pauschal der Psychiatrisierung überantworten zu wünschen, die, wie wir im Fall Gustl Mollath gesehen haben, schlimmer als Gefängnis wirkt, vor allem, wenn sie politisch missbraucht wird.

Also bitte mehr Vorsicht vor solchen (Alb-)träumen! Die Feinde der Demokratie sind sehr stark, man darf sie nicht unterschätzen. Es sind nicht nur die krakeelenden Straßennazis, sondern oft auch die Creme de la creme, die in elitären, volksfeindlichen, autoritären und patriarchalen Strukturen denken und handeln. Für sie ist die parlamentarische Demokratie nur eine notwendige Fassade, deren lästige Maske sie notfalls auch fallen lassen, wenn sie sich nicht mehr anders hinaussehen. Ihre Belächelung des Parlamentarismus ist weit von Deiner Kritik entfernt, und Du wärest eines ihrer Opfer vermutlich, so wie alle, die sich mit Kreuzchen machen alle paar Jahre nicht abspeisen lassen wollen.

Wolfgang Blaschka, München

Zum Verfassen von Kommentaren bitte Anmelden.