Pofalla, politische Moral und das Peter-Prinzip

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Peter Weber
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Verbunden: 23.09.2010 - 20:09
Pofalla, politische Moral und das Peter-Prinzip
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Pofalla, politische Moral und das Peter-Prinzip

 

Wenn man  die politische und gesellschaftliche Diskussion über den Wechsel des bisherigen Kanzleramtsministers und Noch-Bundestagsabgeordneten Roland Pofalla kritisch unter die Lupe nimmt, dann kann man sich nur wundern. Es scheinen sich Denkweisen eingebürgert zu haben, die total an der Oberfläche dahingleiten und die ethisch-moralische Grundsätze außer acht lassen sowie die Ursachen für Verhaltensweisen von Politikern bewußt ignorieren.


Der einzige kritische Ansatzpunkt, der in den Medien auftaucht, ist der des Fehlens einer Art von Konkurrenzklausel, wie ich sie selbst während meiner beruflichen Tätigkeit hinnehmen mußte. Insofern ist es ein Armutszeugnis dieser Gesellschaft und der darüber lamentierenden politischen Akteure, daß sie diese einfache Regulierung, die selbst in der Wirtschaft üblich ist, noch nicht vorgenommen haben, obwohl wir uns bereits seit Jahrzehnten über die selbstbereichernde Pöstchenschacherei ärgern. Als Schlußfolgerung kann ich nur annehmen, daß der Lobbyismus System angenommen hat und die Beteiligten nicht das geringste Interesse daran besitzen, das Übel aus der Welt zu schaffen.


Im Gegenteil muß ich sogar feststellen, daß die Tendenz besteht, den vorherrschenden Lobbyismus mit der damit verbundenen korrupten Einstellung und Selbstbedienungsmentalität noch zu verteidigen. In diesem Kontext sind mir in den letzten Tagen des öfteren reichlich naiv-ahnungslose Argumente in den Medien und bei Kommentatoren aufgefallen. Dazu und den entsprechenden Gegenüberlegungen möchte ich im folgenden Stellung nehmen:

 

  • Unterbezahlung von Politikern

Politiker seien derartig schlecht bezahlt, daß kompetente Bürger verantwortungsvolle politische Positionen meiden würden – ja, daß es sogar einem derart fachlichen Virtuosen wie dem Pofalla nicht zu verdenken sei, wenn er sich ein „kleines“ Zusatzeinkommen besorgt. Dabei wird unterschlagen, daß Politiker nicht nur eine ansehnliche Vergütung erhalten, von der sie bestimmt nicht verhungern müssen, sondern daß sie außerdem noch mit einer üppigen Sofortrente ausgestattet werden, von der jeder andere Bürger nur träumen kann. Darüber hinaus haben die meisten Politiker und Abgeordnete ihren alten Beruf nicht aufgegeben, denn sie sind Beamte, Lehrer, Unternehmer oder Rechtsanwälte und könnten nach Beendigung ihrer politischen Laufbahn dort wieder anknüpfen. Man sollte auch nicht das Streben nach Macht und Einfluß vergessen, das es besonders für charakterlose Ehrgeizlinge attraktiv macht, sich in der Politik zu profilieren.


Nach wie vor gilt jedoch das weit verbreitetste Grundmotiv für ein Engagement in der Politik oder in anderen Bereichen: die Aussicht und Möglichkeit, sich kreativ zu betätigen und etwas sinnvoll zum Wohle der Allgemeinheit zu ändern. Jedenfalls trifft diese Voraussetzung auf die meisten kompetenten, qualifizierten und gutwilligen Menschen zu. Aber gerade diese Ambitionen werden im bestehenden parteipolitischen System konterkariert. Die Ursache für parteipolitische Abstinenz der fähigsten Bürger ist eindeutig das vorhandene Bewußtsein, daß kreative Ideen nicht gefragt sind, die an die Wurzel der Probleme gehen, weil sie die Systemfrage und Tabus berühren. Sie werden methodisch abgeblockt -  existenzielle Fragestellungen sind nicht erwünscht, was eine Verweigerungshaltung jeglicher Diskussion über das Herangehen an wirklich nachhaltig zukunftssichernde Maßnahmen nach sich zieht. Ich besitze nicht den geringsten Zweifel daran, daß es ein ausreichendes Potenzial an kompetenten Bürgern gibt, die unter den geeigneten Bedingungen qualifiziert wären, konstruktive Politik zu betreiben.


Die Folge dieser paranoiden und schizophrenen Struktur ist es, daß sie sich als Elite nur Ehrgeizlinge, Streber, Machtbesessene, Egomanen und Dünnbrettbohrer heranzüchtet. Die gesamte Organisation ist von ihrer Ausrichtung überhaupt nicht in der Lage oder willens, grundlegende Problemlösungen anzugehen. Die Führungselite besteht nur noch aus Robotern, die einer Software folgen, die sich andere – die Strippenzieher an der Kapitalquelle – ausgedacht haben.

 

  • Wirtschaft als uneigennütziger Freund des Menschen

Die Wirtschaft sei nicht unser aller Feind, sondern sie diene uns allen und deshalb könnten wir alle froh sein, daß Politiker mit ihr kooperierten und sie nicht bekämpften. Schließlich seien die Lobbyisten die eigentlichen Experten, die der Politik mit Rat und Tat zur Seite stünden, weshalb wir ihnen für diese uneigennützigen Dienstleistungen auch noch danken müßten. Es zeigt sich immer wieder, daß das Ammenmärchen von der alles zum Guten regulierenden „unsichtbaren Hand“ des Marktes unausrottbar ist.


Wirtschaft ist nun einmal den Regeln des Kapitalismus und des Marktradikalismus unterworfen, einem unregulierten System mit dem ausschließlichen Ziel der Profiterzeugung,  und kann zwangsläufig – ohne staatlichen Eingriff und Kontrolle – kaum soziale, humane oder ökologische Zielsetzungen verfolgen. Wirtschaft ist daher niemals altruistisch, moralisch oder ethisch veranlagt, sie reagiert emotionslos wie die Tierwelt, die ihren Instinkten unterliegt. Unternehmen, die dies mißachten, sind auf die Dauer nicht konkurrenzfähig und werden aus dem Markt katapultiert.


Trotzdem hält sich bei vielen der blauäugige Glaube, daß sich Politiker dennoch untadelig verhielten, unabhängig seien in ihren Entscheidungen und in keiner Weise befangen. Diese Einfalt wird noch genährt von dreisten lügnerischen Beteuerungen der betroffenen Politiker. Diese Sorte von einfältigen Zeitgenossen mit religiösem Vertrauen auf die politische Redlichkeit hat wohl noch nichts von der Existenz von unabhängigen Experten  gehört, die Politiker gerne in diffizilen Fachfragen beraten würden, falls ihr Rat überhaupt erwünscht wäre. Wer annimmt, daß Politiker neutral und unvoreingenommen agieren könnten, die abhängigen und von der Wirtschaft bezahlte Ratgebern vertrauen und bereits während ihrer Amtszeit gut dotierte Funktionen in den verschiedensten Branchen bekleiden, der kann nicht mehr bei Trost sein und hat eine psychiatrische Behandlung nötig.


Wer aus den Reihen der aktiven und ehemaligen Politiker und Parlamentarier eine lukrative Position in der Wirtschaft angeboten bekommt, der erhält mit Sicherheit kein Geschenk aus reiner Menschenliebe. Eine einträgliche Position in der Wirtschaft oder einer Organisation wird niemals spontan vergeben, sondern der Begünstigte muß sie sich vorher erarbeiten. Das heißt im Klartext, daß er sich während seiner aktiven politischen Betätigung bei gewissen Lobbyistenkreisen verdient gemacht und seinen politischen Handlungsspielraum entsprechend mißbraucht haben muß. Ein Schelm, der Böses dabei denkt …!

 

  • Kompetenzprinzip in der Politik

Außerdem sollte sich so langsam herumgesprochen haben, daß die Politik vom Peter-Prinzip, der Hierarchie der Unfähigen,  beherrscht wird. Die These von Laurence J. Peter lautet, daß jedes Mitglied einer ausreichend komplexen Hierarchie so lange befördert wird, bis es das Maß seiner absoluten Unfähigkeit erreicht hat. Dies ist in der Regel der Fall, wenn das persönliche Maximum der Karriereleiter erreicht ist und weitere Beförderungen nicht mehr in Aussicht sind (siehe Pofalla oder von Klaeden). Kurz gesagt: Nur die Inkompetentesten haben in diesem System die Möglichkeit, Schlüsselpositionen einzunehmen. Diese Theorie ist ursprünglich auf die wirtschaftlichen Hierarchien gemünzt, sie kann jedoch getrost auf die politische Ebene übertragen werden. Besonders anschaulich wird das Prinzip von diesem Videoclip (4:44 min), der in unterhaltsam-witziger Weise die Wirkungsweise aufzeigt. Wer unsere Bundesregierung unter dem Aspekt dieses Animationsfilmchens betrachtet, dem werden gewisse Ähnlichkeiten nicht entgehen.

 

  • Erwartungshaltung des Bürgers an seine von ihm gewählten Vertreter

Sollte ich es in gewissen Zirkeln wagen, die Unfähigkeit von Politikern zu kritisieren, so lautet die monotone Antwort: „Politiker sind auch Menschen“ und/oder „Ohne Kompromisse geht es nicht“. Politiker, besonders diejenigen in exponierten Ämtern, sind jedoch keine „normalen“ Menschen, sondern es handelt sich um eine Spezies, die sich in diese verantwortungsvollen Positionen aus freiem Willen hineingedrängt haben und die obendrein noch einen Eid darauf geschworen haben, ihr Amt ausschließlich zum Wohle der Allgemeinheit auszuüben.


Ich weiß nicht, ob ich ein Exot bin, wenn ich von diesen Volksvertretern ein ganz besonderes Verantwortungs-Bewußtsein erwarte. Ist es zu viel verlangt, wenn ich Charakter, Rückgrat und Gewissen voraussetze und zumindest ein erkennbares Bemühen um uneigennütziges und bürgerloyales Verhalten, die Umsetzung von ethisch-moralischen, christlichen oder humanistischen Prinzipien verlange? Unfehlbarkeit ist selbst beim Gottesersatz Papst nicht in Reichweite, geschweige denn bei Politikern. Aber Ehrlichkeit, das Eingestehen und Bereuen von Fehlern sowie die Konsequenz, daraus Lehren zu ziehen, sind unabdinglich. Wer diese Bedingungen nicht erfüllen kann, hat sich überflüssig gemacht!

 

  • Fazit

Der Staat, so habe ich es gelernt, sei die Verwaltungsorganisation des Volkes, nachdem er nicht mehr auf dem Prinzip des „C’est moi“ beruht. Das Volk stellt den Souverän dar – und die Beamten und Politiker sind nicht nichts Anderes als Angestellte und lediglich vom Volk gewählte und bestimmte Staatsdiener, die den Willen des Volkes ausführen und Entscheidungen im Sinne des Wohles der Mehrheit treffen sollen. Im Art. 20 GG heißt es: „Alle Gewalt geht vom Volke aus.“


Nach sorgfältiger und sachlicher Registrierung der Verhaltensweisen unserer politischen Eliten komme ich allerdings zu einem anderen Schluß. Das Staatspersonal hat sich verselbständigt und mißbraucht seine Macht, um sich der Wirtschaft samt Kapital anzudienen und anzubiedern! Die staatlichen Strukturen und Organe Legislative, Judikative und Exekutive sind umfunktioniert worden zu Machtmitteln des Kapitals. Ermöglicht wurde dies durch die Vereinnahmung der politischen Instanzen und ihre Unterordnung unter das Regime des Marktes.

 

 

Die Instrumentalisierung des politischen Personals durch direkte oder versteckte Korruption scheint reibungslos zu gelingen. Die Vergabe von lukrativen Stellen in der Wirtschaft und Lobbyorganisationen an aus dem Amt scheidenden Politiker ist nur eine von vielen Abarten der Korruption. Jede versuchte Rechtfertigung solchen unredlichen Tuns ist als Verschleierungstaktik zu verurteilen.

 

Hier findet ihr den von der politisch unabhängigen NGO Transparency International veröffentlichten Korruptionswahrnehmungsindex 2013 - weiterlesen



MfG Peter A. Weber