Rechtspopulisten und Neonazis vs Linke und Humane

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Franz Witsch
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Verbunden: 18.07.2013 - 17:22
Rechtspopulisten und Neonazis vs Linke und Humane
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Rechtspopulisten und Neonazis vs Linke und Humane


Liebe FreundeInnen des politischen Engagements,

mittlerweile gibt es seit Jahren eine öffentliche Diskussion über Flüchtlinge. Und sie wird nicht abbrechen, denn es ist absehbar, dass sie weiter zu Millionen nach Europa strömen, v.a. nach Deutschland.

Wir erleben freilich eine recht blinde, ja blindwütige Diskussion, in der sich zwei Seiten unversöhnlich gegenüber stehen. Auf der einen Seite Rechtspopulisten und Neonazis, die sich in ihrem Hass auf alles, was fremd ist, gegenseitig überbieten, weil sie so etwas wie Heimat und Deutschtum bewahren wollen; auf der anderen Seite Linke und Humane, die die Willkommenskultur retten wollen.

Ich glaube, beide Seiten müssen scheitern. Genauso wie die offizielle Flüchtlingspolitik mit ihrer Arsch-Kriecherei den Rechten gegenüber scheitern muss.

Der Grund ist einfach: es gibt keine humane Lösung für Millionen von Flüchtlingen. Das hat sich bei den Linken noch nicht herumgesprochen. Sie glauben, Humanismus sei allein eine Frage des guten Willens und humaner Gesetze. Ein naiver Glaube, der die soziale und ökonomische Realität verkennt. Die richtet sich nicht nach Gesetzen und gutem Willen.

Es ist umgekehrt: der gute Wille bricht sich zusammen mit der angeblichen guten Wirkung "guter Gesetze" an der sozialen und ökonomischen Realität. Die Ökonomie ist primär, nicht das gute Gesetz, nicht der gute Wille und schon gar nicht der Glaube an das Gute im Menschen oder im Flüchtling.

Der Mensch, und Flüchtlinge sind Menschen wie wir, ist nämlich ganz anders als vorgestellt. Linke haben da ganz besonders ihre Schwierigkeiten aus einer langen Tradition heraus. Wer hätte z.B. 1913 gedacht, als das gute Gewissen der SPD, Ferdinand August Bebel, noch lebte, dass Sozialdemokraten 1914 den Kriegskrediten im Reichstag zustimmen würden?  

Ja, Sozialdemokraten fühlten sich durch des Kaisers Spruch, er kenne keine Parteien mehr, sondern nur noch Deutsche, mächtig angesprochen, zumal von denen, die nach nach Macht und Reichtum strebten: Friedrich Ebert, Gustav Noske und andere SPD-Kriegstreiber, die dann nach dem Ersten Weltkrieg Massenerschießungen gegen Demonstranten in Auftrag gaben und sich dabei aus dem Krieg entlassener Soldaten. sogenannte Freikorps, bedienten. Das geschah, "nett" gesagt, aus Hilflosigkeit, weil man an die Macht glaubte, die es zu erobern und zu halten galt.

Später glaubten die besseren Linken an die Russische Revolution, sodann an Stalin, dann an China (gegen Russland) etc. Immer war es nur Glaube, frei von Analyse und Theorie. Und jedesmal waren die Menschen, namentlich die Machthaber ganz anders als gedacht.

Man glaubte an Menschen (wie man sie brauchte, nicht wie sie tatsächlich waren), d.h. nicht an die Kraft der Analyse, die in der Lage ist, der Realität ins Auge zu sehen und begnügte sich, irgendwelchen Hirngespinsten hinterherzulaufen: der AfD, sogenannten "guten" Menschen, die alles wegbeißen, was auch nur nach Analyse und Theorie riecht, zumal wenn die sozial-ökonomische Analyse zu dem Ergebnis kommt, dass es in unserer Gesellschaft humane Lösungen sozialer Konflikte noch nie gegeben hat und nicht schon deshalb gibt, weil wir es diesmal um Flüchtlinge geht, als würden ihnen magische Kräfte anhaften.
 

Die meisten Humanen sind tatsächlich Esoteriker: uneingestanden im Glauben befangen, dass die sozialen Konflikte, die sich natürlich mit Millionen Flüchtlingen zuspitzen müssen, menschenwürdig lösbar sind, während man zuvor es am sozialen Engagement für Hartz-IV-Bezieher, Arbeitslose und Obdachlose vermissen ließ. Nun, ohne Theorie gibt es kein nachhaltiges soziales Engagement für was und gegen was auch immer. Selbst wenn soziale Konflikte untergründig sich verschärfen.

Soziale Konflikte bedeuten, insbesondere wenn sie sich, wie heute, nur noch zuspitzen, dass wir in einer Gesellschaft leben, die ganz und gar nicht ok ist. Und nicht nur deshalb nicht ok ist, weil es - Überraschung! - zu viel Fremdenfeindlichkeit gibt. Die ist nämlich außerhalb von Deutschland noch viel mehr ausgeprägt. Selbst die skandinavischen Länder machen ihre Grenzen dicht. Ihre Grenzen sind ja auch nicht so umfangreich.

Ja, und wenn's drauf ankommt, dann sind Linke und Menschen, die sich auf ihre Humanität einiges einbilden, nicht einmal in der Lage, das Naheliegende zu fordern.

Es ist zum Beispiel naheliegend zu fordern, den Schusswaffengebrauch an der Grenze, der im Gesetz in Ausnahmesituationen tatsächlich vorgesehen ist, ersatzlos zu streichen. Stattdessen begnügt man sich damit, sich gegen AfDler moralisch aufzuplustern, weil sie von der Möglichkeit reden, notfalls auch Schusswaffen an der Grenze gegen Flüchtlinge einzusetzen. (vgl. dazu TELEPOLIS-Artikel)
 

Der Schusswaffengebrauch ist nicht nur realitätsblind, sondern extrem kriminell, legalisierter Massenmord, weil es in der Praxis auf Massenerschießungen hinauslaufen muss. Wie anders will man gegen Tausende von Flüchtlingen vorgehen, wenn diese alle auf einmal deutsche Grenzen bedrängen? Will man sie alle erschießen, wie damals die SPD nach dem Ersten Weltkrieg Demonstranten massenhaft erschießen ließ?

Dabei galten SPDler damals nicht ganz zu Unrecht als "gute" Menschen, die indes auch schon mal durchdrehen, wenn sie ihre Vorstellungen von einer guten Gesellschaft sich an der Realität brechen. Und auch ihre Sündenböcke pflegen, wenn diese darauf aufmerksam machen, dass ihre Vorstellungen, resp. ihr Innenleben defizitär ist.

Ich mache jedenfalls die Erfahrung, dass Linke und Humane nicht selten knallhart ausgrenzen, wenn ihnen Argumente nicht passen; und auch schon mal durchdrehen oder werden merkwürdig schmallippig werden, so gar nicht auf substanzielle Analyse: auf Auseinandersetzung mit fremden Argumenten gepolt. Meines Erachtens sind sie nicht beziehungsfähig.

Um Missverständnisse zu vermeiden. Ich bin dafür, jeden Flüchtling aufzunehmen, bilde mir aber nicht ein, dass dies in unserem Wirtschaftssystem, dem Kapitalismus, auf menschenwürdige Weise möglich ist. Wer den Kapitalismus nicht abschaffen will, noch dazu aggressiv reagiert, wenn man dies im Interesse sozialen Friedens für unabdingbar hält, muss mir mit Moral nicht kommen. Die ist dann nur wohlfeil.

Herzliche Grüße
Franz Witsch
www.film-und-politik.de
 



 Jedenfalls habe ich um dieses und andere Probleme herum einiges in meinen Büchern geschrieben, welche hier im Kritischen Netzwerk bereits ausführlich vorgestellt wurden und über mich bezogen werden können - weiter. Nachfolgend eine kurze Zusammenfassung:

 

Die Politisierung des Bürgers, 1.Teil: Zum Begriff der Teilhabe

'Die Politisierung des Bürgers' ist bemüht, dem Paradoxon einer Entpolitisierung bei um sich greifender Armut auf die Spur zu kommen, indem sie einmal mehr das Subjekt, resp. den einzelnen Bürger ins Zentrum des Interesses rückt, ohne ihn - wie traditionell üblich - auf einen Sockel zu heben. Dort ist er nicht als ein der Analyse zugänglicher sozialer Sachverhalt begreifbar. An einer zureichenden Analyse ist die herrschende Politik freilich nicht interessiert, gedeiht diese doch als Geschäft am besten auf dem Rücken eines entpolitisierten Bürgers.

Verlag: Books On Demand (Januar 2009) - ISBN 978-3-8370-4369-3

 

Die Politisierung des Bürgers, 2.Teil: Mehrwert und Moral

Der zweite Teil führt den ersten weiter im Bemühen, das Verhältnis von Moral und Ökonomie zu entziffern - zumal im Kontext einer Theorie der Gefühle, ist jenes Verhältnis doch hochgradig emotional besetzt. Indes liegt es im Kapitalismus im Mehrwertzwang verborgen; dieser treibt das Subjekt in die Atomisierung, der es mit Gefühlen auf Gegenstände der Verheißung zu entrinnen sucht. Dieser einer Analyse zugängliche Sachverhalt findet in der veröffentlichten Meinung wie in der Sozialtheorie keine zureichende Würdigung. Sie wäre aber die wesentliche Voraussetzung einer wirksamen antikapitalistischen Politik, die auf die Abschaffung des Kapitalismus zielen muss und nicht, wie von Keynesianern und der PDL betrieben, auf seine Fortführung im veränderten Gewand; was die Zerstörung überlebenswichtiger sozialer wie ökonomischer Strukturen zusätzlich beschleunigt.

Verlag: Books On Demand (Dezember 2012) - ISBN-13: 978-3-8482-5273-2


Die Politisierung des Bürgers, 3.Teil: Vom Gefühl zur Moral

Die beschleunigte Zerstörung ökonomischer wie sozialer Strukturen liegt, wie im zweiten Teil untersucht, in der wachsenden Unfähigkeit des Subjekts, Mehrwert zu erzeugen, begründet, die wiederum seine emotionalen und moralischen Fähigkeiten begrenzt. Der dritte Teil bemüht sich um die Folgen: die emotional-moralischen Modalitäten der Zerstörung. In diesen ist das Subjekt gehalten, Zerstörungen aktiv zu begleiten, mehr noch, zu exekutieren in Anlehnung eines sozialen Sachverhalts, den Hannah Arendt die Banalität des Bösen genannt hat: Das Subjekt fühlt sich unbeteiligt, gar unschuldig, zurecht, denn es gibt einen Weg vom Gefühl zur Moral, den zu beschreiten das Gefühl nicht umhinkommt. Allerdings ist die moralische Verantwortung des Subjekts in dem Maße rekonstruierbar wie es im Kontext seiner (Re-)Sozialisierung gelingt, die Moral der heutigen Gesellschaft im Innenleben als krank freizulegen.

Verlag: Books On Demand (Februar 2013) - ISBN-13: 978-3-8482-5231-2


Die Politisierung des Bürgers, 4.Teil: Theorie der Gefühle

Nachdem es im dritten Teil um die emotional-moralischen Modalitäten der Zerstörung sozialer Strukturen sowie um die psychosozialen Bedingungen einer Rekonstruktion der moralischen Verantwortung des Subjekts ging, ist der vierte Teil bemüht zu zeigen, dass und auf welche Weise Gefühle eine tragende Rolle im Hinblick auf eine sozialverträgliche Ausbildung sozialer wie ökonomischer Strukturen spielen; sie spielen genau dann eine tragende Rolle, wenn es dem Subjekt (1.) gelingt, Gefühle als Ressourcen der Verständigung zu begreifen, wenn (2.) die Externalisierung des Gefühls nicht nachhaltig scheitert: der externe Objektbezug des Gefühls gewahrt bleibt, wenn (3.) negative Gefühle nicht ausgegrenzt werden aus Verständigungsbemühungen, und wenn (4.) - bezugnehmend auf den zweiten Teil - die Mehrwertfähigkeit des Subjekts nicht mehr als das entscheidende Kriterium seiner sozialen Existenz gilt.

Verlag: Books On Demand (Juli 2013) - ISBN-13: 978-3-7322-4461-4

 

     

 



Bild- und Grafikquellen:


1. RECHTES oder LINKS: Wir erleben freilich eine recht blinde, ja blindwütige Diskussion, in der sich zwei Seiten unversöhnlich gegenüber stehen. Auf der einen Seite Rechtspopulisten und Neonazis, die sich in ihrem Hass auf alles, was fremd ist, gegenseitig überbieten, weil sie so etwas wie Heimat und Deutschtum bewahren wollen; auf der anderen Seite Linke und Humane, die die Willkommenskultur retten wollen. Grafik: KN.

2. Engstirnigkeit - Schubladendenken - Intoleranz - Ignoranz: Bildung verkommt zur Un-Bildung. An dieser Stelle zwei Aussagen des britischen Philosophen, Mathematiker, Analyst und Friedensaktivist Bertrand Russell (* 18. Mai 1872 bei Trellech, Monmouthshire, Wales; † 2. Februar 1970 in Penrhyndeudraeth, Gwynedd, Wales): "Die Tatsache, dass eine Meinung weit verbreitet ist, belegt keinesfalls, dass sie nicht völlig absurd wäre." und "Manche Menschen würden eher sterben als nachzudenken. Und sie tun es auch". Quelle / Foto: new product visions .

3. DIE GUTEN DEUTSCHEN. Grafikbearbeitung: Wilfried Kahrs / QPress.de.

4. "Was unterscheidet Mensch und Tier? Eine Minderheit von Menschen hält sich den Rest seiner Artgenossen als Nutzvieh!". Grafikbearbeitung: Wilfried Kahrs / QPress.de.

5. - 8. Buchcover Band I - IV: "Die Politisierung des Bürgers - Beiträge zur Wahrnehmung und Produktion sozialer Strukturen"; Autor: Franz Witsch, Hamburg