Richard David Precht: Nicht jeder Intellektuelle ist eine Rampensau

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Christian Jakob
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Richard David Precht: Nicht jeder Intellektuelle ist eine Rampensau
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Richard David Precht

Nicht jeder Intellektuelle ist eine Rampensau

richard_david_precht_1_philosoph_gesellschaftsbild_gesellschaftsentwurf_gesellschaftskritik_systemcrash_systemkollaps_buergergesellschaft_kritisches_netzwerk_rampensau_buergerbeteiligung.jpgEr gilt als der Popstar unter den heutigen Philosophen. Seine Position finden sich in den Themen Bürgergesellschaft, Tiere, Migration, Bildung und Digitalisierung wieder, aber auch zu anderen Themen wartet Precht immer wieder mit interessanten Denkansätzen auf. Er selbst sieht sich allerdings nicht wirklich als Philosoph. “Das was ich mache nennt man in Frankreich einen Philosophen. Tatsächlich aber bin ich Vortragsredner und Buchautor. Aber es gibt viele Hochschulprofessoren, die würden das nicht so nennen.”[1]

Trotz seiner zwei Honorarprofessuren für Philosophie an der "Leuphana Universität Lüneburg" und für Philosophie und Ästhetik an der "Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin" (HFM), sieht sich Precht nicht als den klassischen Philosophen. Er sieht sich mehr als ein Intellektueller, der es in die Medien geschafft hat, was selten genug vorkommt. Denn nicht jeder Intellektuelle ist auch gleichzeitig eine Rampensau.

► Von Tennisarm und Staublunge

Der am 08. Dezember 1964 in Solingen geborene Richard David Precht wuchs mit seinen vier Geschwistern in einem linksgerichteten Elternhaus auf. Die Politik der USA wurde verurteilt, Bundeskanzler Helmut Schmidt galt als “Rechter” und die DDR wurde als verklärt betrachtet. Nach seinem Abitur 1984 und seinem Zivildienst begann er 1986 sein Studium an der Kölner Universität. Dort studierte Precht Philosophie, Germanistik und Kunstgeschichte. Um sein Studium zu finanzieren, arbeitete er unter anderem im Haribo-Werk in Solingen, wo er 10h am Tag von Hand Sirup unter einem Gemisch aus Zucker und Puderzucker vermengte. “Man musste sich kopfüber in eine Art große Betonmischmaschine hangeln und mit dem ganzen Arm den Sirup unter den Zucker mischen. 10 Stunden am Tag. Und wenn dann noch der Puderzucker hinzugefügt wurde, bekam man eine Staublunge.

Nach einem kurzen Gastspiel in einer Baumschule als Gartenhelfer bekam er eine Anstellung als Nachtwächter in der Kölnmesse. Ideale Voraussetzungen für ihn als Studenten. Die tagsüber übrig gebliebenen Reste an belegten Brötchen, Schnitzel oder Frikadellen klaubte sich der junge Precht abends zusammen, und hatte dann die ganze Nacht Zeit zum lesen und schreiben. Somit schaffte er nach nur 8 Semestern seine Promotion in Germanistik.

► Ich habe von 950 DM Arbeitslosengeld gelebt

Precht wusste nicht nur durch seine Studienjobs was harte körperliche Arbeit war, sondern dass es auch ein hartes Brot ist, mit seinem Doktortitel auch keine Anstellung zu finden. Nach 5 Jahren als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Uni Köln erhielt er 1995 keine Verlängerung und stand als Arbeitsloser auf der Straße. Trotz Bestnoten wurden seine Bewerbungen überall abgelehnt. Selbst beim Weiterbildungs-Dienst der Post erhielt Precht eine Absage. Aus dieser glücklosen Zeit besitzt er noch heute ein Ablehnungsschreiben der Bertelsmann Stiftung. Auf seiner Bewerbungsmappe hatte sich irrtümlicherweise der Grund der damaligen Ablehnung durchgedrückt. Precht erinnert sich:

Damals gab es eine einseitige Anzeige in der Zeitschrift DIE ZEIT, in der eine Stelle ausgeschrieben wurde. In der stand, wenn sie jemand sind, mit dem man sich über die Inflationsrate, die Tigerstaaten und Platon gleichermaßen unterhalten kann, und wenn sie ihr Studium mit Bestnoten abgeschlossen haben, dann sind sie unser Mann. In der Ablehnung stand zu schöngeistig. Das heißt, man macht eine schöngeistige Anzeige und sagt, das man niemand stromlinienförmiges sucht, und lehnt diesen dann genau aus diesem Grund ab.”[2]

richard_david_precht_wer_bin_ich_und_wenn_ja_wie_viele_kritisches_netzwerk_denken_selbstdenken_buergergesellschaft_buergerbeteiligung_agora42_bildungsrevolution_digitalisierung_utilitarismus.jpgAuch seine ersten Gehversuche als Publizist stammen aus dieser Zeit als Arbeitsloser. Völlig niedergeschlagen und verzweifelt sendete Precht aufs geradewohl sein allererstes Essay an DIE ZEIT. Der damalige Redakteur Rainer Frenkel, der für die erst kürzlich neu eröffnete Medienseite im Internet verantwortlich war, laß durch Zufall diesen Artikel und stellte diesen Beitrag öffentlich ein. Von da an begann für Precht ein regelmäßiges publizieren. Sein Wirkungskreis erweiterte sich auf weitere Zeitungen und gingen teilweise bis in den Rundfunk. Dies ermöglichte ihm ein ausreichendes Einkommen, um mit dem Schreiben von Büchern zu beginnen.

► Ich bin Elke Heidenreich auf ewig dankbar

1999 veröffentlichte Precht zusammen mit seinem Bruder Georg Jonathan seinen ersten Roman mit dem Titel “”Das Schiff im Noor” (Limes Verlag), ein detektivischer Bildungsroman, der später unter dem ursprünglichen Titel “Die Instrumente des Herrn Jörgensen” (Goldmann) neu verlegt wurde. Dieses, wie auch andere Bücher verkauften sich anfangs nur mäßig bis schlecht, als es dann zu einer schicksalhaften Veränderung in Prechts Leben kam.

Das im September 2007 im Goldmann-Verlag erschienene Buch “Wer bin ich - und wenn ja wie viele?” wurde in der damaligen Literatursendung des ZDF “Lesen!” von und mit Elke Heidenreich präsentiert. In ihrer Sendung am 14.Dezember 2008 stellte sie Prechts Buch vor. Sie hielt das Buch in die Kamera und sagte zum Abschluss “Wenn sie dieses Buch lesen werden sie glücklich”. Dies führte zu einem regelrechten Run auf philosophische Bücher in Deutschland. Mit über 2 Mio. verkauften Exemplaren hält Prechts Buch bis heute den Langzeitrekord in der Spiegel-Bestseller Liste für Sachbücher. Zwischen 2008 und 2012 stand es auf Platz 1.

Prechts Erfolg spiegelt sich in der Darbietung wieder, weil er sich zur Aufgabe gemacht hatte, schwere, tiefsinnige philosophische Themen so weit in einfache Worte und alltägliche Beispiele herunterzubrechen, das jeder sie verstehen kann. Sein Hauptaugenmerk galt schon immer der Jugend, die sich mit Philosophie befassen wollte und jetzt auch ohne schweren Einstieg konnte. Und gerade hier lässt sich der teilweise rebellische Gedanke als Reform-Anstoß in Prechts Aussagen wiedererkennen.

Professoren oder Referenten, die vom Blatt ablesen und nicht frei interpretieren sind einfach langweilig. Und Langeweile dient niemals zum positiven Verständnis des Lernens. Das fängt bei ihm schon mit dem Begriff Vorlesung an. “Der Begriff Vorlesung passt einfach nicht mehr in unsere Zeit. Er stammt aus dem Mittelalter, als nur einer ein Buch hatte, und das Publikum nicht lesen konnte”. Aus diesem Grund nutzt Precht bei seinen Vorträgen auch keine Hilfsmittel wie Notizen, Schlagwörter oder Powerpoint-Präsentationen. Er möchte, ob als Professor in einem Hörsaal oder als Referent auf einem Podium, die Menschen erreichen, mitnehmen und einfach veranschaulichen, wie auch tiefgründige Gedanken in einfache Bilder gesetzt werden können.

► Klar ist: Das bestehende demokratische System wird kollabieren.[3]

Prechts Anschauung von Reformen und Veränderungen finden sich in einem Gedanken wieder, wo eine Umkehr durch Wirtschaft oder Politik nicht mehr möglich ist, weil es in der Geschichte der Menschheit noch niemals ein freiwilliges “Zurück” gegeben hat. Alle Maßnahmen durch die Politik, sei es durch Abschaffung von Institutionen wie die EU oder das Abschaffen von Währungen wie dem Euro, führen nicht zum erhofften Ziel. Die kapitalistische Grunddynamik, die alle Märkte erschlossen hat um diese jetzt effizienter und produktiver zu machen, kann weder ein Konzern noch eine Partei aufhalten. Gravierende Veränderungen entstehen immer nur durch einen Crash, durch eine eigene Dynamik. Darin sieht Precht auch das Dilemma von Parteien wie die Linken oder der AfD.

Man stelle sich vor, was passieren würde, wenn die Linken 51% bekommen und Sarah Wagenknecht wäre Bundeskanzlerin. Was würde sich dadurch ändern? Nichts, weil die Handlungsspielräume einfach zu eng sind. Die Linken würden nie Großkonzerne verstaatlichen. Gleiches gilt für die AfD. Was würde sich ändern? Wahrscheinlich würden wir symbolisch ein paar Ausländer abschieben und im schlimmsten Fall den Schießbefehl an deutschen Grenzen einführen. Am bestehenden, globalen System würde es nichts verändern.

Precht sieht die Welt derzeit in einer historisch bedeutsamen Situation, in der es viele heftige Crashs geben wird. Die liberal-demokratischen Gesellschaften, die im 18. und 19. Jahrhundert entstanden sind, lösen sich gerade auf. Jede gesellschaftliche Totalveränderung beginnt mit einem Crash. Und tatsächlich finden sich historische Vergleiche wieder, wie der Wechsel vom Mittelalter in die Renaissance, oder die "Industrielle Revolution", in der komplette Weltbilder einer Gesellschaft vollkommen verändert wurden. In einer solche Phase der drastischen Veränderung sieht Precht die Menschheit heute wieder angekommen - Stichwort "Digitale Revolution".

Die Tendenzen verschiedener Studien zeigen das gleiche Bild auf. Die Digitalisierung wird zu einem Anstieg der Arbeitslosenzahlen führen. Wie hoch und in welchen Zeitraum, darüber gibt es unterschiedliche Aussagen. Diese sind für Precht aber auch nicht in erster Linie wichtig. Die eigentliche Frage die ihn beschäftigt ist, wie man mit einer solchen Entwicklung einer Gesellschaft umgeht. So lange an einer Arbeitsgesellschaft, deren soziale Sicherungssystemen an den Arbeitsfaktor gekoppelt sind, festgehalten wird, kommt es in naher Zukunft zu einem drastischen Anstieg der Arbeitslosenzahlen. Precht:

Das bedeutet, dass 50% der Menschen, die vorher mal Mittelschicht waren, auf Hartz-Niveau herunterfallen werden. Es ist immer schon so gewesen. Wenn man den ärmsten der Armen etwas wegnimmt, dann passiert nicht viel, weil diese sich nicht wehren können. Aber wenn man die Mittelschicht entmachtet, wird diese sich wehren. Und das tut sie schon heute in dem sie AfD oder Trump wählt.

Es fehlt an einer positiven Utopie in den Augen Prechts. Keine Partei, von links bis rechts, befasse sich mit dem Arbeits- oder Gesellschaftsbild, wie Deutschland in 20 oder 25 Jahren aussehen soll. Niemand befasse sich mit dem Problem, wie die Arbeitswelt aussehen wird oder was mit den Menschen passiert, die im klassischen Sinne einfach keine Arbeit und kein Einkommen mehr haben werden. Diese Dimension fehlt in der Politik gänzlich. Auf diesen gewaltigen ökonomischen Umschwung sind Parteien jeder Couleur nicht vorbereitet. Das klassische Links-Rechts Schema ist überholt und angesichts der auf die Gesellschaft zukommenden Probleme einfach nicht mehr gewachsen. Der langfristige Gesellschaftsentwurf ist vollkommen aus den Augen verloren worden.

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Ebenso hat die Politik in den Augen Prechts keine Vorstellung darüber, wie die Sozialversicherungssysteme in Zukunft funktionieren sollen, so lange diese noch über Arbeit finanziert werden. Für die Zukunft sieht er besonders für das Rentensystem in Deutschland schwarz. Da Rente mittlerweile immer mehr mit privaten Anteilen durch den Arbeitnehmer finanziert wird, entsteht ein Problem, dessen Ausmaß die Politik immer noch nicht begriffen hat.

Meiner Generation wurde flächendeckend gesagt, das die gesetzliche Rente nicht mehr reicht und schließt deswegen eine private Rentenversicherung ab. Ich habe das anfangs auch gemacht, bis mir klar wurde, dass diese privaten Rentenanbieter momentan an ganz wenige Menschen auszahlen, weil das früher keiner abgeschlossen hatte. Das heißt, die haben im Moment nur Einnahmen, müssen aber kaum auszahlen. Wegen der Niedrigzinsen kann sich dadurch nicht viel ansparen. Wenn ich jetzt in 10 oder 15 Jahren mit Millionen anderen Rentnern dann meine private Rente ausbezahlt haben möchte, werden die das nicht auszahlen können. Bei großen Versicherern wird das vielleicht noch funktionieren, aber bei einer kleineren Versicherung wird das nicht mehr funktionieren.”[4]

Precht denkt weiter, geht in die Tiefe, ins Detail, Er vergisst dabei aber nie seine Zuhörer, Leser oder Zuschauer mitzunehmen. Er verfällt öffentlich nicht in klassische philosophische Denkprozesse, das macht er lieber in Ruhe für sich allein. Precht malt dem Interessenten ein Bild im Kopf, was sich ein jeder sehr gut vorstellen kann. Genau darin liegt die Kraft seines Erfolgs, auf schwierige Fragen einfache Antworten zu haben. Und zwar keine Antworten hinsichtlich von Lösungswegen, sondern ein komplexes Thema mit einem einfachen Bild oder Beispiel zu beantworten. Er fesselt die Menschen, er geht auf die Schwingungen im Saal ein und plakatiert den Gästen ihre Köpfe. Diese gehen mit ihm mit, hören begeistert zu und erkennen schnell, das es sich bei Richard David Precht nicht um einen gewöhnlichen Professor oder Philosophen handelt, sondern sprichwörtlich um eine Rampensau.

Christian Jakob

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pin_green.gif  Lesetipps:

[1], [2] & [4] "Interview Jung & Naiv Postcast #293 - 22.01.2017" >> weiter. 

[3] "Philosoph und Bestsellerautor im Gespräch: Richard David Precht will keinen Smalltalk" >>  weiter. (Berliner Zeitung)


 

pin_green.gif  Richard David Precht - Die digitale Revolution der Gesellschaft (Dauer 1:29:31 Std.)

In der Reihe „Bildungsgespräch“ sprach der Philosoph und Autor Richard David Precht („Wer bin ich - und wenn ja, wie viele?“) am Dienstag den 07.02.2017 mit Journalist Reinhard Kahl über „Die digitale Revolution“.

Digitalisierung! Ein Zauberwort? Was steckt dahinter? Viele fürchten einen bösen Zauber. Industrie 4.0 als Siegeszug der Computer auf Kosten von Arbeitsplätzen. Bildung 4.0 als Abwertung von Menschen? Der Philosoph Richard David Precht setzt auf die Chancen: Die Universalmaschine Computer könnte als ein Hand- und Kopfwerkszeug genutzt werden, das unsere Freiheit vergrößert, die Spielräume erweitert und das Leben reicher macht. Aber das hängt nicht zuletzt von der Bildung ab. Wie werden Menschen urteilsfähig? Nur gut zu funktionieren, stellt sich nun als zu schwache Bildung heraus, die häufig Menschen nur wie Maschinen behandelt. Davon müssen wir uns verabschieden, meint der Philosoph und Bestsellerautor.

Folgen der Digitalisierung

Anderen wiederum war der unter anderem aus dem Fernsehen bekannte Denker und Autor („Wer bin ich, und wenn ja, wie viele?“, „Die Kunst, kein Egoist zu sein“) noch viel zu zahm und gar nicht schwarzseherisch. Warum auch? Schließlich zeichnete der 50-jährige Philosoph, Verfechter einer Erneuerung der Bürgergesellschaft, in schönster Orwell’scher Manier nur die Vision von einer Gesellschaft, die in etwa 20 Jahren vor allem von Massenarbeitslosigkeit als Folge der Digitalisierung gekennzeichnet sein wird. Weitere Konsequenzen dieser Entwicklung werden etwa autonom fahrende Autos und Maschinen sein, die, wie in Japan bereits geplant, in der Altenpflege eingesetzt werden. Ob Roboter wirklich die Altenpfleger der Zukunft werden? Billig. Nie müde. Nie genervt.

Ob in 20 Jahren wirklich sämtliche Autos abgeschafft und durch einige leichte, umweltfreundliche und vor allem selbst fahrende Exemplare ersetzt sein werden, die die Menschen auf Abruf abholen und zu ihren Bestimmungsorten fahren? Werden in absehbarer Zeit wirklich nur noch wenige Menschen unglaublich viel zu tun haben, weil der ganze Bereich der Fertigung wegbrechen und durch 3D-Drucker ersetzt sein wird? Da in Zukunft die Wunderdrucker Wunschmöbel auf Knopfdruck ausspucken, würden auch die Möbelhäuser alle dicht machen, prognostizierte Precht.

Langweilige Bürojobs werde es auch nicht mehr geben und der Mensch hätte viel mehr Zeit, für was denn eigentlich? Was wird der arbeitslose Mensch mit seiner freien Zeit anfangen? Vielleicht wird er mehr Zeit für seine Kinder und seine Freunde haben, oder auch mehr Zeit zum Philosophieren. Er könnte die Muße haben, sich mit der Lösung der Probleme der Welt zu beschäftigen, über die nachzudenken Merkel und Co. bei ihren 16-stündigen Arbeitstagen nun wirklich keine Zeit mehr übrig hätten. Und wovon wird er dann leben? Möglicherweise von einem „bedingungslosen Grundeinkommen“, dass von einer zukünftigen Regierung eingeführt werden könnte.

Sie sind ganz schön pessimistisch und machen uns sogar Angst vor der Zukunft“, sagte eine Zuschauerin und forderte vom Philosophen Antworten. Eine andere fragte, ob der Mensch in Zukunft gar unnütz sei und darum abgeschafft werde – was Precht verneinte. Schließlich brauche die Gesellschaft kluge Produzenten und dumme Konsumenten, sonst funktioniere das System nicht. Eigentlich sei es Aufgabe und Pflicht des Philosophen, in dieser Misere eine beratende Funktion einzunehmen, forderte das Publikum. Wenngleich die Gefahr bestehe, dass er doch nur ein Rufer in der Wüste bleibe.

Der Abend machte es wieder einmal deutlich: Philosophie ist ein mühseliges Geschäft, das keine schnellen Antworten gibt und darum im „Kasperletheater der Talkshows“ keinen Platz hat. Doch gibt sie, wenn man sich auf sie einlässt, interessante Denkanstöße und unerwartete Lösungen.

Die Vielfältigkeit der Precht’schen Gedankengänge polarisierte und faszinierte, viele zeigten sich überrascht von der Tiefgründigkeit der Ausführungen, die über die oft geführte Diskussion von Smartphone- und Computerabhängigkeit weit hinausging. Und so war der Abend auch dank der Kommunikationsfreude und völlig unprätentiösen Art des Philosophen eine ausgezeichnete Plattform für interessante Gespräche.

► Bild- und Grafikquellen:

1. Dr. Richard David Precht: gilt als der Popstar unter den heutigen Philosophen. Seine Position finden sich in den Themen Bürgergesellschaft, Tiere, Migration, Bildung und Digitalisierung wieder, aber auch zu anderen Themen wartet Precht immer wieder mit interessanten Denkansätzen auf. Er selbst sieht sich allerdings nicht wirklich als Philosoph. Bildbeschreibung: Richard David Precht lors de la table-ronde Globale Gerechtigkeit in Zeiten von Migration und Handel / Global Justice in an Age of Migration and Trade à la Foire du livre de Francfort 2017. Urheber: Ji-Elle. Quelle: Wikimedia Commons. Diese Datei ist lizenziert unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international“.

2. Buchcover: "Wer bin ich - und wenn ja wie viele? Eine philosophische Reise" von Dr. Richard David Precht. „Fragen zu stellen ist eine Fähigkeit, die man nie verlernen sollte.“ (Richard David Precht). Eine faszinierende Reise in die Welt der Philosophie – Richard David Prechts Buch bietet Antworten auf die großen Fragen des Lebens

Was ist Wahrheit? Woher weiß ich, wer ich bin? Warum soll ich gut sein?

Bücher über Philosophie gibt es viele. Doch Richard David Prechts Buch „Wer bin ich?“ ist anders als alle anderen Einführungen. Niemand zuvor hat den Leser so kenntnisreich und kompetent und zugleich so spielerisch und elegant an die großen philosophischen Fragen des Lebens herangeführt. Ein einzigartiger Pfad durch die schier unüberschaubare Fülle unseres Wissens über den Menschen. Von der Hirnforschung über die Psychologie zur Philosophie bringt Precht uns dabei auf den allerneusten Stand. Wie ein Puzzle setzt sich das erstaunliche Bild zusammen, das die Wissenschaften heute vom Menschen zeichnen. Eine aufregende Entdeckungsreise zu uns selbst: Klug, humorvoll und unterhaltsam! (Verlagstext!)

3. Der Messestand der Deutschen Telekom auf der CeBit 2015. Er zeigt sich bewegende Roboterarme, die magentafarbene Regenschirme halten. Das soll auf das Internet der Dinge verweisen. Die Digitalisierung wird zu einem Anstieg der Arbeitslosenzahlen führen. Wie hoch und in welchen Zeitraum, darüber gibt es unterschiedliche Aussagen. Diese sind für Precht aber auch nicht in erster Linie wichtig.

Die eigentliche Frage die ihn beschäftigt ist, wie man mit einer solchen Entwicklung einer Gesellschaft umgeht. So lange an einer Arbeitsgesellschaft, deren soziale Sicherungssystemen an den Arbeitsfaktor gekoppelt sind, festgehalten wird, kommt es in naher Zukunft zu einem drastischen Anstieg der Arbeitslosenzahlen. Foto: Dr. Alexander Klier, München / Mummelgrummel - Webseite. Quelle: Wikimedia Commons. Diese Datei ist unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 nicht portiert“ lizenziert.

4. Dr. Richard David Precht auf der Frankfurter Buchmesse 2016. Vor ihm sein Buch: "Tiere denken: Vom Recht der Tiere und den Grenzen des Menschen" | Richard David Precht, Ernst Walter Siemon. Urheber: JCS. Quelle: Wikimedia Commons. Diese Datei ist unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung 3.0 nicht portiert“ lizenziert.