ROTE LINIEN: Die Blutlinie für den Syrien-Krieg

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Ulrich Gellermann
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ROTE LINIEN: Die Blutlinie für den Syrien-Krieg
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ROTE LINIEN

Die Blutlinie für den Syrien-Krieg



"Saddam Hussein besitzt chemische Waffen; Saddam Hussein hat solche Waffen eingesetzt. - Saddam Hussein und sein Regime verschleiern ihre Bemühungen, mehr Massenvernichtungswaffen zu produzieren. - Saddam Hussein ist entschlossen, an eine Atombombe zu kommen." Diese Sätze lieferte der damalige Außenminister der USA, Colin Powell im Februar 2003 bei einer Rede vor den Vereinten Nationen ab und die braven deutschen Medien gaben diese Lieferung ohne Prüfung an ihre Konsumenten weiter. Heute wissen wir: Powell log, um den Irak-Krieg vorzubereiten. Entschuldigungen der Medien für ihre Kumpanei mit der US-Propagandamaschine sucht man so vergeblich, wie man bis heute vergeblich nach den irakischen Atomwaffen sucht.

Diese Erfahrung - dicke Lügen haben kurze Halbwertzeiten - macht die Medien schlauer, nicht klüger. Sie setzen im aktuellen syrischen Krieg auf die Zwar-Aber-Methode: In der fetten Überschrift behauptet die WELT "Assad-Regime setzt Chemiewaffen ein", um dann im Kleingedruckten von Beweisen, die zwar fehlten zu murmeln, aber, nun ja. Der FOCUS ist in seiner Headline von der Gewissheit nur Millimeter entfernt: "Assad-Regime setzt offenbar Chemiewaffen ein". Das Wort "offenbar" bedeutet immer: Wir haben zwar keinen Beweis, aber bringen den Deutschen schon mal das Fürchten bei. Die ZEIT nimmt den Umweg über Israel: "Israel fordert US-Militäraktion in Syrien". Angesichts angeblich neuer Hinweise auf einen Chemiewaffeneinsatz, versteht sich. Auch die BILD weiß es von anderen: "Briten und Franzosen liefern der UN den Beweis: Assad setzt Chemiewaffen ein", brüllt das Fettgedruckte und weiter unten flüstert das Nicht-mehr-Gelesene: "Experten war es bislang jedoch unmöglich gewesen, zu sagen, ob die Waffen von Assads Truppen oder von Rebellen benutzt wurden". Der Truppen-Kommandeur des West-Berliner TAGESSPIEGEL befiehlt für Syrien: "Es ist höchste Zeit, dass die USA, gemeinsam mit der Türkei und anderen Nato-Verbündeten sowie mit Israel und auch Jordanien zusammen eine Kommandoaktion einleiten, um so viel wie möglich der etwa 1000 Tonnen Chemiekampfstoffe in Syrien aufzuspüren und zu zerstören." Das schreibt ein Drecksblatt, das im September 2001, unter der Überschrift "Das feige Denken" Steckbriefe von Intellektuellen veröffentlichte, die sich kritisch zum Irak-Krieg äußerten.

Nun möchte jeder normale Mensch den Krieg in Syrien lieber heute als morgen beendet sehen. Aber, dass Friedens-Verhandlungen - im Genfer UN-Abkommen des letzten Jahres für einen "nationalen Dialog unter Syrern" und für die "Selbstbestimmung ihrer Zukunft und ihres Landes" gefordert - wesentlich von den Rebellen blockiert werden, das ist in deutschen Medien nur zu erahnen. Nicht nur weil sich Krieg anscheinend besser verkauft, sondern auch, weil die USA den Regime-Wechsel wollen. Denn im syrischen Nachbarland Jordanien zum Beispiel, bilden 200 US-Militärs ein paar tausend Kämpfer für den Rote-Linien-Tag aus. Obamas berühmte "Rote Linie" gilt allgemein für den Tag, an dem die syrische Armee Giftgas einsetzen sollt. Dann würde die Flugverbotszone durchgesetzt werden, dann sollen die amerikanischen Bomben und Raketen dem syrischen Volk die amerikanische Freiheit bringen. In Wahrheit wird es der Tag sein, an dem die kriegsunwillige US-Bevölkerung und die westliche Öffentlichkeit von den Medien kriegsreif geschossen sein werden. Es wird die Linie sein, nach der noch mehr rotes Blut fließen wird, wie man aus dem Libyen-Krieg erinnern kann.

Das Erinnerungsvermögen deutscher Medien ist allerdings fast so schwach wie ihre Bereitschaft über die schrecklichen Ergebnisse jener Kriege zu berichten, die sie zu Zeiten so begeistert begleitet haben. Nach dem bejubelten und wesentlich von ausländischem Militär gewonnen Libyen-Krieg ist das Land auf dem Weg in den Zerfall: Die ohnmächtige Zentralregierung steht den islamistischen Milizen weitgehend hilflos gegenüber, es regiert der Fanatismus und der Tod. Der von den USA "befreite" Irak ist von einem erneuten Bürgerkrieg nicht weit entfernt. Während der religiöse Fanatismus und sein Bombenterror im Land weiter wachsen, sind die Wirtschafts- und Versorgungsleistungen schlechter als vor dem Krieg. Dass der Zehnjahres-Krieg in Afghanistan dem Land geschadet hat und dass nicht einmal sein vorgeblicher Grund, die Wurzeln des Terrors auszureißen, zum Erfolg führte und dass sein heimlicher Grund, der Bau einer Pipeline, auch nicht gelang, welcher Chefredakteur mag das schon zugeben. Haben sie doch alle diesen Krieg, der ihnen lange als "Mission" galt, mit kniefälliger Berichterstattung begleitet.

Es wird sich schon ein Powell finden, der das Giftgas in Syrien entdecken wird, um die rote Linie zu überschreiten. Und wenn er es selbst dort verbuddeln muss. Und es werden sich ausreichend Medienleute finden, die dem Überschreiten der roten Linie zujubeln. Denn solange der Chefredakteur sich nicht selbst dem Bombenhagel aussetzen muss, so lange ist er kühn, mutig und kriegsbereit. Wenn es dann Gegner des amerikanischen Kriegs in Syrien geben sollte, dann kann sich die USA sicher wieder auf einen TAGESSPIEGEL verlassen, der zum Irak-Krieges schmierte: "Künstler und Intellektuelle flüchten sich in antiamerikanische Ressentiments."


Uli Gellermann

 



► QuelleRATIONALGALERIE > Artikel vom 30.04.2013

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Wolfgang Blaschka
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Verbunden: 09.11.2010 - 02:16
Deutsche Beihilfe zum Angriffskrieg!


Deutsche Beihilfe zum Angriffskrieg!


Auch schon fast vergessen: Den "Kriegsgrund" gegen die Regierung Saddam Hussein lieferte der brave deutsche BND. Sein irakischer Gewährsmann Curveball schüttelte Märchen über Massenvernichtungswaffen aus dem Ärmel, die keiner Überprüfung standhielten, im Gegenteil beim Abgleich mit anderen Quellen als plumpe Lügen entlarvt wurden. Die Deutschen leiteten die Schauergeschichten dienstbeflissen weiter an CIA und MI 6 mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass den Aussagen des Asylbewerbers kein Glauben geschenkt werden solle, wohl wissend, wie gläubig der kriegssüchtige Alkoholiker im Weißen Haus sein würde. Und wie versessen das Pentagon auf das Losschlagen war. Also musste Powell vor den UN mit selbstgemalten Powerpoint-Präsentationen die deutsch finanzierten und clevererweise als unverwertbar deklarierten Lügen auftischen, die über hunderttausend Menschen das Leben kosten würden.


Außenminister Josef Fischer saß artig verkniffen daneben und sagte keinen Pieps. Ein Wort von ihm hätte genügt, und die durchsichtige Show wäre geplatzt. Aber nein, er schwieg bündnistreu. Deutschland war wieder einmal total unschuldig, und dennoch voll kriegstauglich. Wie zuvor schon bei Jugoslawien. Hängen blieb im medialen Gedächtnis nur Fischers (aufgrund einer kurzzeitigen Übersetzer-Überforderung) gar nicht auf deutsch überliefertes, dafür umso theatralischer wirkendes: "I'm not convinced, Mr. Rumsfeld" bei der Münchner Kriegskonferenz.

Damit nicht genug: Während der Bombardements auf Bagdad saßen BND-Agenten in der Stadt am Tigris und gaben den US-Piloten die Zielkoordinaten für deren Angriffe durch. Ohnehin leistete die Bundeswehr Hilfsdienste und bewachte US-Kasernen, um die Kriegswilligen für den Einsatz zu entlasten. Deren komplette Logistik konnte unbehindert über Rhein-Main-Airbase abgewickelt, die Verwundeten in die sicheren Militärlazarette der Eifel zurückgeholt werden. Der deutsche Luftraum wurde nicht gesperrt für militärische Material-, Munitions- und Mannschaftstransporte.

Von wegen keine deutsche Beihilfe zum Angriffskrieg! Jetzt stehen deutsche Patriot-Einheiten wieder kurz vorm Getümmel, unmittelbar an der syrischen Grenze. Die Blutspur droht sich vom Balkan über den Hindukusch, via Mesopotamien und den Maghreb nahtlos nach Osten fortzusetzen. Syrien wäre in diesem perfiden Schachspiel nichts weiter als das Sprungbrett zum Iran.

Wolfgang Blaschka
 

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Helmut S. - ADMIN
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Verbunden: 21.09.2010 - 20:20
Regimewechsel in Syrien


Regimewechsel in Syrien

von Jane Powers


Seit gut einem Jahr haben die Vereinigten Staaten von Amerika eine Politik des Regimewechsels in Syrien verfolgt. Der Grund für diese Politik liegt in dem breiteren regionalen Interesse Washingtons: Unterstützung gehorsamer Klientenstaaten und Eliminierung von Staaten, die die Hegemonie der Vereinigten Staaten von Amerika in Frage stellen. Konkreter gesagt, sind die Vereinigten Staaten von Amerika daran interessiert, die „iranische Einflusssphäre“ zu brechen, in der Syrien eine Schlüsselposition einnimmt. Beim Streben nach Regimewechsel haben die Vereinigten Staaten von Amerika die Rebellen unterstützt. Diese Unterstützung umfasst Hilfsgüter für hunderte Millionen Dollars, die Hilfe bei der Lieferung von Waffen an die Rebellen, die Ausbildung von Rebellen in Jordanien, und die Bereitstellung von geheimdienstlichen Erkentnissen für die Auswahl von Rebellenfraktionen.  

Diese Politik ist das Gegenteil dessen, was versucht werden müsste, um die Gewalt abzuschwächen. Das Gegenteil insofern, als die von den Vereinigten Staaten von Amerika finanzierten Rebellen, wie das Assad–Regime, schwere Kriegsverbrechen und Verstösse gegen die Menschenrechte begangen haben (und viel von ihren Zuwächsen jihadistischen Gruppierungen verdanken). Daher ist die Politik der Vereinigten Staaten von Amerika eine Politik, die Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen fürdert.

Eine Intervention in Syrien, in welcher Form auch immer, wird einfach eine taktische Eskalation einer bereits existierenden Politik kennzeichnen. Und man braucht keine Spezialausbildung in internationalen Beziehungen zu haben, um zu verstehen, dass vermehrte Unterstützung von Kriegsverbrechern nur die Gewalt verstärken wird.

Leider sieht es so aus, als dränge die Obama-Administration auf eine Intervention. Um diese Intervention zu verkaufen, hat Obama den Vorwand der „roten Linie“ in Bezug auf chemische Waffen benutzt. Wie bei jeder Intervention ist ein Vorwand nötig, da die amerikanische Öffentlichkeit die wirklichen hegemonialen Bestrebungen der Administration sofort zurückweisen würde.

Dieser Vorwand kann leicht entlarvt werden, wenn man Washingtons eigenes Register des Einsatzes chemischer Waffen und der Unterstützung von Benutzern chemischer Waffen untersucht. Zehn Jahre lang warfen die Vereinigten Staaten von Amerika im Krieg gegen Vietnam Millionen Gallonen (1 Gallone = ca. 3,8 l) Agent Orange auf Vietnam ab. Agent Orange ist ein Herbizid, das den Krebserreger Dioxin enthält, und sollte den Viet Cong in die Flucht schlagen. In Wirklichkeit vergiftete Agent Orange geschätzte drei Millionen Vietnamesen, führte zu hunderttausenden Geburtsschäden und zerstörte einen großen Teil des Landes. Eine Hinterlassenschaft, die bis heute anhält.

Die massenhafte Vergiftung von Vietnamesen (und Veteranen der Vereinigten Staaten von Amerika) passte den Vereinigten Staaten von Amerika offensichtlich gut, da sie fortfuhren, den rücksichtslosen Gebrauch chemischer Waffen die 1980er Jahre hindurch durch die Unterstützung ihres damaligen engen Verbündeten Saddam Hussein zu fördern. Bereits 1984 gab das Außenministerium der Vereinigten Staaten von Amerika zu, dass der Irak in seinem Krieg gegen den Iran chemischeWaffen benutzt hat. Im gleichen Jahr begann die CIA, den Irak mit Informationen zu versorgen, die benutzt wurden, um iranische Soldaten mit Senfgas anzugreifen. Die Vereinigten Staaten von Amerika stellten dem Irak Hilfsgüter und Exporte im Wert von Milliarden Dollars zur Verfügung, darunter die Helikopter (für chemische Angriffe) und chemische und biologische Gifte (darunter Anthrax). Saddam tötete in den 1980ern Tausende Iraner und Kurden mit chemischen Waffen, alle mit Unterstützung der Vereinigten Staaten von Amerika.

Die Unterstützung der Vereinigten Staaten von Amerika für die chemische Kriegsführung ging im letzten Jahrzehnt weiter. Unter Plan Colombia (1999) haben die Vereinigten Staaten von Amerika Milliarden Dollars zur Verfügung gestellt, hauptsächlich in Form von Militärhilfe im Rahmen von Kolumbiens gegen die eigene Bevölkerung andauernde Aufständischenbekämpfung (offiziell unter dem Namen „Krieg gegen das Rauschgift“). Eine zentrale Taktik der Regierung war deren Sprühkampagne aus der Luft, offiziell zum Zweck der Ausrottung der Kokapflanzen mit Herbiziden. Die Folgen des Abwurfs von chemischen Stoffen aus Flugzeugen auf 12.000 km² landwirtschaftliche Gebiete in Kolumbien sind leicht absehbar und können daher nicht als „unbeabsichtigt“ ausgegeben werden: über 10.000 Bauern berichteten verheerende Schäden an ihren Nahrungspflanzen, tausende beschwerten sich über negative Auswirkungen auf ihre Gesundheit, und hunderttausende wurden vertrieben; und all das mit enormer Unterstützung der Vereinigten Staaten von Amerika.

Washington setzte chemische Kriegsführung auch in seinem Krieg gegen den Irak ein. Die Vereinigten Staaten von Amerika setzten Weißen Phosphor ein, sie entwickelten und benutzten eine neue Version von Napalm; das abgereicherte Uran in der Munition der Vereinigten Staaten von Amerika bedeckt den Irak mit einer dünnen Schicht radioaktiven Staubs. Das abgereicherte Uran scheint nach neuestem Stand das Heimtückischste zu sein: Die Abteilung für Geburtshilfe und Gynäkologie der Universität von Michigan untersuchte 56 Familien in Fallujah im Zeitraum von 2007 – 2010 und fand heraus, das mehr als die Hälfte der Neugeborenen schwere Defekte aufwies, darunter fehlende Glieder, Herzdefekte, Gehirndefekte usw. Vor dem Jahr 2000 lag die Quote der Geburtsdefekte unter 2 Peozent.

Außer der inhärenten Doppelmoral, die in Washingtons Verurteilung von chemischer Kriegsführung liegt, macht auch der Vorwand der „roten Linie“ keinen Sinn. Warum bilden chemische Waffen die exklusive „rote Linie“? Das ist sehr willkürlich. 70.000 Menschen wurden im Bürgerkrieg bereits mit konventionellen Waffen getötet (das sind viel mehr, als ein einzelner Einsatz von chemischen Waffen verursachen würde). Warum nicht Gewehre und Raketen für die „rote Linie“ hernehmen?

All das lässt ernste Fragen aufkommen. Sind die Vereinigten Staaten von Amerika wirklich an einer Intervention interessiert? Wenn ja, warum jetzt? Und an welcher Art von Intervention? Diese offenen Fragen ändern allerdings nichts an der Tatsache, dass die „rote Linie“ mit den chemischen Waffen eine Lüge ist, dass Washington die Gewalt durch die Unterstützung der kriegstreibenden Rebellen angeheizt hat, und dass jede Eskalation der Taktik (darunter die verstärkte Unterstützung der Rebellen) nur die Gewalt eskalieren wird und daher eine sehr schlechte Idee ist.

Diejenigen, für die das menschliche Leben einen Wert hat, werden nicht die Unterstützung einer Gruppe, die gegen die Menschenrechte verstösst, gegen eine andere Gruppe tolerieren, die ebenfalls gegen die Menschenrechte verstösst.
    



Quelle: erschienen am 5. Mai 2013 auf > www.antiwar.com > Artikel

Auf der Webseite www.antikrieg.com will Klaus Madersbacher Übersetzungen von seiner Meinung nach besonders interessanten Texten für die Menschen im deutschen Sprachraum zugänglich machen, die nicht Englisch sprechen. Die Weiterverbreitung der Texte auf seiner Seite ist durchaus erwünscht. In diesem Fall bitte die Angabe der von Klaus Madersbacher betriebenen Webadresse www.antikrieg.com nicht vergessen!

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