Selbsterfüllende vs. selbstzerstörende Prophezeiung
Politisches Versagen? Die Prophezeiung ist der Ausweg!
by Gerhard Mersmann | NEUE DEBATTE
Es ist eine große Herausforderung, bei so vielen Trivialitäten nicht trivial zu werden. Alles, was sich vor dem kritischen Auge ausbreitet, ist durchschaubar und widerspricht allen Prinzipien, die für das Überleben im eigenen Alltag eingeübt wurden.
Alles, was wir täglich praktizieren, hat mit dem, was im Allgemeinen als die große Politik bezeichnet wird, nicht viel gemein.
Egal um was es sich handelt, um den eigenen Umgang mit Strategien, um das Wissen um die psychologischen Effekte unseres eigenen Handelns, um die Voraussetzungen einer erfolgreichen Kommunikation oder die existenziell unverzichtbare Qualität aus eigenen Fehlern zu lernen.
► Self-fulfilling Prophecy
Beginnen wir mit der Strategie. Die von uns formulierten Ziele und Wege, wie wir diese erreichen wollen, haben so lange eine Geltung wie die zu erwartende Wahrscheinlichkeit des Erfolgs. Stellt sich dieser nicht ein und verkehrt sich das eigene Handeln in eine Abfolge von Misserfolgen, dann liegt es bei jedem durchschnittlich begabten Menschen nahe, die Strategie zu überdenken und sie in Einklang zu bringen mit den eigenen Bedingungen und Fähigkeiten.
Diejenigen, die bei chronischen Misserfolgen an der Strategie festhalten, ernten sehr schnell großes Unverständnis bei den Mitmenschen. Anders in der Politik. Man betrachte allein die Doktrin der Außenpolitik und sehe sich die Ergebnisse an. Das Resultat ist ein Festhalten an der Strategie, keine Reflexion der Ursachen und keine zu attestierende Lernfähigkeit.
Dazu gehört auch das Phänomen der 'Self-fulfilling Prophecy', der sich selbst erfüllenden Prophezeiung, die nun herhalten muss, um das eigene Fehlverhalten zu legitimieren [1]. Indem dem Gegenüber seit Jahrzehnten das inhärent Bestialische attestiert und damit eine konfrontative Strategie begründet wurde, ist das notwendigerweise irgendwann zutage tretende Aggressive und Inakzeptable zu einem Beweis für die Richtigkeit der eigenen Grundannahme geworden. Es verhindert eine kritische Selbstreflexion und ermöglicht das Kontinuum einer irrwitzigen Begründung für das eigene Scheitern.
► Infizierte Atmosphäre
In jedem Grundlagenseminar zum Thema Kommunikation werden Dinge gelehrt, die sich die meisten Menschen in ihrem täglichen Handeln bereits zu Eigen gemacht haben. Dazu gehört die Bereitschaft, das Gegenüber als gleichwertigen Verhandlungspartner zu akzeptieren, ihm zu signalisieren, dass seine Anliegen als genauso wertig angesehen werden wie die eigenen und dass es unabdingbar ist, einen Konsens darüber zu finden, was als gemeinsames Ansinnen bezeichnet werden kann.
Betrachtet man die vielen vergeblichen Verhandlungen, an deren Ende der jetzige Krieg steht, dann ist es alleine aus den Gründen der in der Kommunikation gemachten Fehler kein Wunder, welchen Verlauf das Unterfangen nehmen musste. Übersetzen Sie das Geschehene in Ihren eigenen Alltag: Sie gehen in eine Verhandlung, signalisieren Ihrem Gegenüber von vornherein, dass er sich im Unrecht befindet, dass seine Anliegen lächerlich sind und Sie nicht im Traum daran denken, darauf einzugehen. Sie überreichen dann Ihren eigenen Forderungskatalog und sind bestürzt, dass Ihr Gegenüber sich verärgert zeigt. Das Feedback aller, die Sie bei einem solchen Vorgehen beobachteten, wäre verheerend. Die gegenwärtige Politik und die sie mal eskortierende, mal vor sich hertreibende Presse unterstreicht hingegen die hohe Qualität des eigenen Scheiterns.
Womit das letzte unerfreuliche Kapitel in der kurzen Betrachtung erreicht wäre. Aus Fehlern lernen, diese Maxime, der alle Menschen folgen, die sich halbwegs erfolgreich durch ihre Existenz bewegen, wird in der Politikbegründung de facto als falsch dargestellt. Wer Fehler macht, und zwar gravierende wie verheerende, hätte sie noch viel früher machen sollen, so das momentan täglich wiederholte Diktum, um sie zu verhindern.
Eine Logik, die belegt, wie absurd und infiziert die Atmosphäre gereift ist.
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[1] Eine sich selbst erfüllende Prophezeiung (engl. self-fulfilling prophecy) ist eine Vorhersage, die ihre Erfüllung selbst bewirkt. Eine Prognose über eine mögliche Zukunft hat also einen entscheidenden Einfluss und ist die wesentliche Ursache dafür, dass diese Zukunft auch eintritt. Ein wesentlicher Mechanismus ist, dass die Menschen an die Vorhersage glauben und deswegen so agieren, dass sie sich erfüllt. Es kommt zu einer positiven Rückkopplung zwischen Erwartung und Verhalten.
Im Gegensatz zur selbsterfüllenden Prophezeiung steht die selbstzerstörende Prophezeiung (engl. self-defeating prophecy). Eine solche Prophezeiung löst Reaktionen (und Handlungen bzw. Verhalten) aus, die zur Folge haben, dass die Prophezeiung gerade nicht in Erfüllung geht.
Gerhard Mersmann
Niemals ein Fehler, immer eine Lektion
Never a failure, always a lesson
Jamais un échec, toujours une leçon.
Buchempfehlung von Helmut Schnug: "Konsens. Handbuch zur gewaltfreien Entscheidungsfindung", von den Autoren Bernd Sahler, Christoph Besemer, Ulrich Wohland, Renate Wanie, Andreas Traupe, Katrin Löwensprung . . neben weiteren Mitwirkenden. Herausgeber: Werkstatt für gewaltfreie Aktion Baden, Heidelberg 2004, 218 Seiten, 2004, ISBN-10: 3-930010-07-0, ISBN-13: 978-3-93001-007-3, Preis 12€. Die Autoren haben sich dazu entschieden, das PDF des Konsens-Buches kostenlos zur Verfügung zu stellen, damit möglichst viele Menschen Zugang zu den wichtigen Inhalten erhalten.
Dieses Handbuch zeigt, wie Entscheidungsfindung ohne Verlierer*innen praktisch geht. In kurzen Abschnitten wird das Konsensverfahren und seine Anwendung beschrieben - für Kleingruppen wie auch für Großgruppen bis zu mehreren Tausenden. Darüber hinaus gibt es einen Methodenteil, Erfahrungsberichte und die Diskussion politischer und gesellschaftlicher Aspekte.
Die Werkstatt für Gewaltfreie Aktion, Baden wird vom Trägerverein Gewaltfrei Leben Lernen e.V. getragen. Der Name verdeutlicht den Anspruch, Gewaltfreiheit als politische Aktionsform und Gewaltfreiheit als Lebensstil in einem produktiven Spannungsverhältnis zu vereinen. Der Vorstand des Vereins bildet gemeinsam mit den hauptamtlichen Mitarbeitenden den Arbeitsausschuss, das Lenkungsgremium der Werkstatt für Gewaltfreie Aktion.
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Gerhard Mersmann, Dr. phil., (Jahrgang 1956), gebürtiger Westfale, ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen.
Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Publizistische Aktivitäten durchziehen seine gesamte Biographie. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen. Mersmanns persönliches Blog >> https://form7.wordpress.com/ .
► Bild- und Grafikquellen:
1. Der Lernprozess: Setzen Sie sich ein Ziel - Lernen Sie die Naturgesetze - Lernen Sie etwas über sich selbst - Entwickeln Sie einen Plan und handeln Sie danach - Überprüfen Sie ihn. - The Learning Process: Set Your Goal - Learn the Natural Laws - Learn About Yourself - Develop a Plan and Act on it - Evaluate. Illustration: igorelick / Ira Gorelick, Belmont/USA. Quelle: Pixabay. Alle Pixabay-Inhalte dürfen kostenlos für kommerzielle und nicht-kommerzielle Anwendungen, genutzt werden - gedruckt und digital. Eine Genehmigung muß weder vom Bildautor noch von Pixabay eingeholt werden. Eine Quellenangabe ist nicht erforderlich. Pixabay-Inhalte dürfen verändert werden. Pixabay Lizenz. >> Illustration.
2. KOMPROMISS: Die vermeintliche Lösung ist ein Flickwerk mit dem niemand wirklich zufrieden sein kann. KONSENS: Gemeinsam eine Lösung entwickeln mit der alle Beteiligten gleichermaßen zufrieden sind. Am Ende sollte mehr herauskommen als nur ein Kollateralnutzen. Grafik: Wilfried Kahrs (WiKa), Tirschenreuth >> QPress.de.
3. Konsenskultur ist ein radikal anderer Weg. Konsens ist hier der Versuch, unter Freien und Gleichwertigen alle Bedürfnisse möglichst optimal zu berücksichtigen. Verschiedene Bedürfnisse oder Wünsche sind nicht per se in Konkurrenz zueinander, sondern Teile eines noch zu gestaltenden gemeinsamen größeren Bildes, in dem vieles Platz haben kann. Dahinter steht der Wunsch, dass es allen Beteiligten maximal gut geht und sie sich maximal gehört, gesehen, verstanden und wohlwollend behandelt fühlen sollen. Dazu gehören die Fähigkeiten, sich seiner Bedürfnisse bewusst zu werden, sie zu kommunizieren und für sie einzustehen. Außerdem gehört auch dazu, gut zuzuhören und zu akzeptieren, dass die Bedürfnisse der anderen Beteiligten genauso wichtig sind wie die eigenen, aber eben auch nicht wichtiger. Grafik: CLIPARTIX.COM >> Communication.