So geht Verantwortung. Japan soll "normal" werden

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Ulrich Gellermann
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Verbunden: 22.03.2013 - 15:43
So geht Verantwortung. Japan soll "normal" werden
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So geht Verantwortung

Japan soll "normal" werden

Nahezu lyrisch kommt das Auswärtige Amt daher, wenn es die deutsch-japanischen Beziehungen beschreibt: "Das bilaterale Verhältnis Deutschlands zu Japan ist traditionell freundschaftlich. In den vergangenen Jahrzehnten hat es sich zu einer engen außenpolitischen Zusammenarbeit verdichtet." Nun wird das Amt mit "traditionell" hoffentlich nicht den fünf Jahre währenden Pakt der deutschen und japanischen Nazis meinen, der erst mit dem Weltkrieg endete. Immerhin ist sich das Amt sicher, dass Japan und Deutschland "gemeinsame Werte" teilen und "Partner in globaler Verantwortung" sind. Es gibt Menschen, bei denen löst das Wort "Verantwortung", inzwischen Lieblingsvokabel deutscher Verantwortungsträger, schwere allergische Verwerfungen aus.

"Auch Japan will normal werden" schreibt die unverantwortliche FAZ jüngst und meint nicht die Tatsache, dass die japanische Regierung drei Jahre nach Fukushima die stillgelegten Atomkraftwerke wieder in Betrieb nehmen und neue bauen will. Die Rückkehr zur Normalität sieht das Zentralorgan der deutschen Wirtschaft in der Aushebelung der japanischen Verfassung. Denn der aktuelle japanische Ministerpräsident Shinzō Abe hat, am Parlament vorbei, die japanische Armee wieder angriffsfähig gemacht: Japan darf jetzt auch außer Landes militärisch aktiv werden. Diesen Verfassungsbruch kennt man aus Deutschland, auch deshalb mahnt die FAZ: "Nichts spricht dagegen, dass Tokio sich stärker engagiert". Aber wer Japan für normal hält, der ist es selbst nicht.

Seit Jahr und Tag besucht Shinzō Abe den Yasukuni-Schrein, wo die Seelen kaiserlicher Soldaten, einschließlich berüchtigter Kriegsverbrecher, verehrt werden. Es wäre etwa so, als würde die deutsche Kanzlerin jährlich einen Kranz am eingeebneten Grab des SS-Generals Reinhard Heydrich auf dem Berliner Invalidenfriedhof niederlegen. Bis heute hat sich Japan nicht für seine Kriegsverbrechen entschuldigt oder Entschädigungen gezahlt. Nicht für die Insassen seiner Konzentrationsläger während des Zweiten Weltkrieges, nicht für seine Menschenversuche in den Lägern, nicht für die etwa 200.000 Zwangsprostituierten, zumeist geraubte Koreanerinnen, die bis heute in Japan "Trostfrauen" heißen, weil sie doch die armen japanischen Soldaten während des Krieges trösten mussten. Ob über den Krieg allgemein oder über das Massaker im chinesischen Nanking, von dem das Rote Kreuz notierte: "Nach deren Aussagen (denen der Zeugen) schnitten die marodierenden japanischen Soldaten Frauen die Brüste ab, nagelten Kinder an Wände oder rösteten sie über offenem Feuer. Sie zwangen Väter ihre eigenen Töchter zu vergewaltigen und kastrierten chinesische Männer. Sie häuteten Gefangene bei lebendigem Leib und hingen Chinesen an ihren Zungen auf."

Spätestens seit der Teilnahme der japanischen Armee am Irak-Krieg sind die "Selbstverteidigungsstreitkräfte" wieder international gefordert. Erst recht Obamas "Pivot to Asia" sein Schwenk nach Asien, akzentuiert von der Konzentration amerikanischer Luft- und Seestreitkräfte im asiatischen Raum, verlangt von Japan den Schwenk in der Militärpolitik. Wahrscheinlich deshalb war der japanische Kriegsminister, Itsunori Onodera, jüngst auf Besichtigungs- und Einkaufstour auf dem US-Marinestützpunkt in San Diego, wo er die USS Makin Island besuchen durfte. Ein Kriegsschiff vom Typ Makin Island mit F–35B-Kampfjets wäre dem bislang einzigen chinesischen Flugzeugträger "Liaoning" wahrscheinlich überlegen. Und um China geht es natürlich: Rund um die Senkaku-Inseln zum Beispiel, im ersten Chinesisch-Japanischen Krieg von Japan okkupiert, gibt es jede Menge Öl und Gas. Da weiß die amerikanische Administration nur zu genau, wem die Inseln gehören: Den Japanern, versteht sich. So geht "globale Verantwortung".
 

"Ein wenig" so schreibt die FAZ, "erinnert die Debatte (in Japan) an die in Deutschland, wo vom Bundespräsidenten abwärts viele fordern Verantwortung in der Welt zu übernehmen." Der Schwenk der USA reisst Lücken in Europa. Gegenwärtig sind noch etwa 40.000 Mann US-Truppen in der EU stationiert, für 2015 ist eine Reduzierung auf 30.000 geplant. Nicht zuletzt deswegen musste die EU "mehr Verantwortung" in Osteuropa übernehmen. Auch aus diesem Grund fand sich Frank-Walter Steinmeier als menschliche Drohne auf dem Kiewer Maidan wieder, wohl darum findet eine Bundestagsmehrheit es völlig normal ein Assoziierungsabkommen mit einer ukrainischen Regierung zu schließen, die mit Nazi-Ministern gespickt und deren Militärapparat von Faschisten dominiert wird.

So geht es, vom Bundespräsidenten aus, einfach abwärts.

Ulrich Gellermann, Berlin



► Quelle:  RATIONALGALERIE > Artikel

► Bild- und Grafikquellen:

1. Flagge der Selbstverteidigungsstreitkräfte. Die Self Defense Forces (SDF)) sind die Streitkräfte Japans, die nach Ende des Zweiten Weltkrieges und der Besatzungszeit aufgebaut wurden. Die Streitkräfte waren bisher noch nie in Kampfhandlungen verwickelt, nehmen aber an "sogenannten" friedenserhaltenden Einsätzen teil. Sie stellen etatmäßig die sechstgrößte Streitmacht der Welt dar. Grafik: Japanese Defense Agency/Ministry of Defense, vectorized by Brevam. Quelle: Wikimedia Commons. This image is now in the public domain because the copyrights of the works in names of organizations in Japan expire in 50 years after the publication, or in 50 years after the creation if the works are not published within 50 years after the creation (article 53).

2. Der Yasukuni-Schrein („Schrein des friedlichen Landes“) ist ein Shintō-Schrein im Stadtbezirk Chiyoda, Tokio in Japan. Hier wird der gefallenen Militärangehörigen gedacht, die während und seit der Meiji-Restauration von 1868 auf der Seite der kaiserlichen Armeen ihr Leben ließen, untergeordnet aber auch der Gefallenen aller Nationen, einschließlich der Kriegsgegner. Das Foto zeigt die Die Gebetshalle des Yasukuni-Schreins, an der Vorderseite hängt das Nationale und Kaiserliche Siegel Japans. Foto: Copyright © 2003 David Monniaux. Quelle: Wikimedia Commons. Diese Datei ist unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 nicht portiert“ lizenziert.

3. Die Senkaku-Inseln oder Diaoyu(tai)-Inseln, Diaoyu Dao und anhängige Inseln sind eine unbewohnte Inselgruppe auf dem Festlandsockel im Ostchinesischen Meer. Sie liegen etwa 170 km nordöstlich von Taiwan (bzw. 140 km zum vorgelagerten Eiland Pengjia) und 150 km nördlich der japanischen Yaeyama-Inseln (Ishigaki-jima). Seit dem 15. Mai 1972 werden sie (wieder) von Japan als Teil der Gemeinde Ishigaki verwaltet. Die Republik China und die Volksrepublik China beanspruchen unabhängig voneinander seit 1970/71 diese Inseln als Teil der Stadtgemeinde Toucheng im Landkreis Yilan, Provinz Taiwan.

Karte erstellt und bei Wikipedia hochgeladen: Jackopoid. Quelle: Wikipedia Commons. Diese Datei ist unter der Creative Commons-Lizenz Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Unported lizenziert.