Tear down this Zaun! Rechtsaußen de Maizière wie vernagelt

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Wolfgang Blaschka
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Tear down this Zaun! Rechtsaußen de Maizière wie vernagelt
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Tear down this Zaun!

Rechtsaußen de Maizière wie vernagelt


Ein Innenminister sollte eigentlich die Innenpolitik seiner Regierung exekutieren, der er angehört. Nicht mehr, nicht weniger, nichts anderes. Doch Thomas de Maizière hat mit Kabinetts-Disziplin wenig im Sinn. Er möchte sich anscheinend abseits der Linie seiner Kanzlerin profilieren, weit abseits rechts davon, hart am düsteren Rand von Dunkeldeutschland. Dort, wo Ausländerfeinde bedauern, dass in Deutschland keine Konzentrationslager mehr in Betrieb sind, wo gehetzt wird gegen "Gutmenschen" und "Lügenpresse", Muslime und Juden, Linke und Liberale, bei PEGIDA und anderen Nationalisten und Rassisten. Dort wird man sicher gerne hören, was der oberste bundesdeutsche Verfassungsschützer so alles von sich gibt: Ein Drittel der Syrer seien gar keine Syrer, sagte er, sie gäben sich nur als Bürgerkriegsflüchtlinge aus, um sich Asyl zu erschleichen, den Staat zu betrügen und die Sicherheit und Ordnung Deutschlands zu unterwandern. Eine haltlose Unterstellung ohne statistische Belege, aber mal eben so dahin gesagt.
 
Solchen Leuten, so folgert er entgegen allen Koalitions-Absprachen, sollte man den Familiennachzug nicht gestatten. Das hat er tatsächlich so knarzend verkündet wie ein furchterregender Sheriff, im frechen Alleingang, zunächst nach Kritik zurückrudernd und dann wieder bekräftigend, nun sogar mit dem Beistand des ausgewiesenen Griechenland-Erpressers Wolfgang Schäuble, den man allerdings nicht ausweisen kann, weil er Deutscher ist. Keinem Deutschen kann die Staatsbürgerschaft aberkannt werden. Das ist eine der verfassungsrechtlichen Lehren aus dem Hitler-Faschismus und gilt selbstverständlich auch für gnadenlose Finanzminister.
 
Ein knallhartes Gespann geben diese beiden ab am rechten Rand der christlichen Union als vermeintliche Law-and-Order-Hardliner, die das Recht jedoch recht willkürlich in den Staub treten bzw. über das internationale Gesetz der Genfer Konvention einfach hinweg rollen. Demnach ist eine Deklassierung von Kriegsflüchtlingen nicht vorgesehen. Es gibt auch keine "Obergrenze" für Asylsuchende. Auch existiert keine legale Möglichkeit zur dauerhaften Grenzabschottung, es sei denn, man wolle europafeindliche Nationalstaats-Politik betreiben. Die beiden verbitterten Juristen schert das offenbar nicht die Bohne. Sie stänkern ungeniert offensiv gegen geltende Rechtsnormen, ohne Rücksicht auf humanitäre Verpflichtungen und jenseits wesentlicher Grundsätze der Menschlichkeit.
 
Besonders perfide erscheint ihr rigoroses Vorpreschen, da beide einer Partei angehören, der die "Familie" angeblich als geradezu heilig gelten soll, zumindest als schützenswerte "Keimzelle der menschlichen Gesellschaft und des Staatswesens". Aber scheiß auf die Familie, wenn es eine syrische ist, denken sich manche Christliche Demokraten. Am rechten Rand will gefischt werden.
 

 

Dort geht es immer krimineller zu: Von Anschlägen auf Politiker und Übergriffen auf Journalisten bis hin zu Brandstiftungen und Hetzjagden auf Asylbewerber ist im braunen Sumpf alles geboten. Mehr als 670 Straftaten wurden bisher in diesem Jahr offiziell registriert, angeblich überwiegend verübt von bisher "unbescholtenen Bürgern". Je bedenkenloser sich diese "besorgten Bürger" bei ihren "Spaziergängen" mit Nazis und deren menschenverachtenden Parolen einlassen, je näher sie deren antidemokratischem Weltbild gedanklich kommen, desto weniger bleibt übrig vom europäischen "Abendland", das sie vorgeblich schützen wollen vor angeblicher "Islamisierung". Tatsächlich ist eine deutsche Brutalisierung zu konstatieren, eine Nazifizierung von Teilen des für Abstiegsängste besonders empfänglichen Kleinbürgertums. Auf dieses Klientel haben es auch die Unionsparteien abgesehen, speziell die CSU, aber auch einige CDU-Scharfmacher in rechtsopportunistischer Konkurrenz zur AfD. Wer ist der engherzigere Abschotter? Wer hebelt "Recht und Ordnung" effektiver aus zugunsten von Unrecht und Unordnung, die rechte Straftäter anrichten?
 
Auch Schäuble hatte als Innenminister bereits hinlänglich unter Beweis gestellt, zu welch grundgesetzwidrigen Gesetzes-Vorhaben er fähig ist. Mit seinem "Luftsicherheits-Gesetz" wollte er die Lüfte verunsichern und sogar Passagiere in gekaperten Zivilflugzeugen abschießen, um Terroristen zuvorzukommen. Dem krassen Vorhaben musste erst das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) Einhalt gebieten, das grundgesetzwidrige Gesetz einkassieren und dem schießwütigen Schäuble verklickern, dass sein durchgeknallter Plan nicht mit der Menschenwürde vereinbar gewesen wäre. Und jetzt brilliert er mit rechtspopulistisch willfähriger Assistenz zur Verhinderung von Familienzusammenführung, wo doch Familien unter dem besonderen Schutz des Grundgesetzes stehen. O zweifelhafte Zweifalt!
 

 

Auch Afghanen sollen künftig abgewiesen werden wie bereits die Flüchtlinge aus jenen Balkan-Staaten, die auf den Trümmern des zerstörten Jugoslawien dem Nationalismus frönen. Überall nur noch "sichere Herkunftsstaaten", wo immer auch die Bundeswehr in Besatzungszonen und Protektoraten herumhängt. Wozu eigentlich, wo doch alles so "sicher" ist? Mittlerweile muss sogar die Türkei als "sicheres Herkunftsland" herhalten, weil es dort angeblich so "demokratisch" zuginge, wie man am staatlich gelenkten Terror gegen Kurden und türkische Linke gelegentlich des Wahlkampfs exemplarisch studieren konnte. Aus Sicht betroffener Asylbewerber können selbst in Deutschland manche Gegenden nicht als sicher gelten, wo Unterkünfte für Schutzsuchende in Flammen aufgehen.
 
Anstatt dem rechten Terror entschieden entgegen zu treten, kommen de Maizière und Schäuble den Ressentiments der Flüchtlings-Feinde entgegen, indem sie deren Wünsche, Befürchtungen und Vorurteile aufgreifen und befördern, im schlimmsten Fall noch jene geistig befeuern, die sich als Exekutoren "deutscher" Flüchtlingsabwehr aufspielen und konkret zur kriminellen Tat schreiten. Ein gefährliches Spiel mit geistigen Brandsätzen, auf das ein Sicherheitsminister nicht setzen sollte. Es wird auch nicht aufgehen: Denn Hartgesottene werden ohnehin die rechten "Originale" wählen. So weit könnte de Maizière niemals gehen, wie diese es gern hätten.
 

 

"Also lass es, Thomas, und schieb ab!", möchte man ihm zurufen. Oder in der autoritären Sprache, die er vielleicht besser versteht: Falsch! Setzen! Sechs! – Ruhe und Ordnung, und vor allem Disziplin! Nicht aufmucken und keine Fisimatenten im Kabinett, keine Unbotmäßigkeiten herausnehmen gegenüber Mutti! Sonst könnte es sein, dass sie ihrem Innenminister über kurz oder lang noch einmal ihr "vollstes Vertrauen" ausspricht. Es wäre nicht das erstemal. Ein untragbares Kabinettsmitglied wird schon mal fallen gelassen, wenn es eine zu große Belastung für sie geworden sein wird. Ihr Kanzleramts-Chef Peter Altmaier jedenfalls wollte von dem eigenmächtigen Parforceritt nichts wissen, auch Sigmar Gabriel konnte sich nicht erinnern, etwas derartiges wie "nur noch begrenzten subsidiären Schutz für Syrer auf ein Jahr" beim Koalitionsgipfel besprochen zu haben. Falls der taktische Ausfallschritt ein rein privater Test gewesen ist, wieweit man gehen kann, zeitigt er dennoch fatale Wirkung nach dem Motto: Steter Tropfen höhlt den Stein. Der Hardliner genießt mehr denn je Rückhalt in der CDU.
 
Bleibt nur: Scheuklappen abnehmen und nicht nach rechts schielen! Die geistige Beschränkung auf Abwehr ist, was die Integration der Zuzügler erschwert und behindert. Gelingt sie, würde das den einheimischen Deutschtümlern den Wind aus den schmutzigen Segeln nehmen. Wer allerdings bewusst Hürden aufrichtet und unüberwindliche Mauern hochzieht, betreibt das dreckige Geschäft der Ewiggestrigen, und bleibt denen und deren Gedankengut letztlich hilflos verhaftet und ausgeliefert.

Also: Tear down this Zaun!

Wolfgang Blaschka, München
 


► Erstveröffentlicht  am 12.11.2015 bei RATIONALGALERIE > Artikel.

 

Bild- und Grafikquellen:

1. Karl Ernst Thomas de Maizière (* 21. Januar 1954 in Bonn) ist ein deutscher Politiker (CDU) und seit Dezember 2013 Bundesminister des Innern. Anstatt dem rechten Terror entschieden entgegen zu treten, kommen de Maizière und Schäuble den Ressentiments der Flüchtlings-Feinde entgegen, indem sie deren Wünsche, Befürchtungen und Vorurteile aufgreifen und befördern, im schlimmsten Fall noch jene geistig befeuern, die sich als Exekutoren "deutscher" Flüchtlingsabwehr aufspielen und konkret zur kriminellen Tat schreiten. Ein gefährliches Spiel mit geistigen Brandsätzen, auf das ein Sicherheitsminister nicht setzen sollte.

Urheber: © Ralf Roletschek - Fahrradtechnik und Fotografie. Quelle: Wikimedia Commons. Diese Datei ist unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung 3.0 nicht portiert“ lizenziert. Diese Datei steht unter einer Lizenz, die mit den Lizenzbedingungen von Facebook inkompatibel ist. Es ist daher nicht gestattet, diese Datei auf Facebook hochzuladen. Die Benutzung dieser Datei auf Facebook stellt eine Schutzrechtsberühmung und Urheberrechtsverletzung dar.

2. Pappschild "CHECKT MA` EURE WAHRNEHMUNG". Foto: Caruso Pinguin. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung-Nicht kommerziell 2.0 Generic (CC BY-NC 2.0).

3. Wolfgang Schäuble (* 18. September 1942 in Freiburg im Breisgau) ist ein deutscher Politiker der CDU, seit 1972 Mitglied des Bundestages und derzeit Bundesminister der Finanzen im Kabinett Merkel III. Er war von 1984 bis 1989 Bundesminister für besondere Aufgaben und Chef des Bundeskanzleramtes, sowie von 1989 bis 1991 und von 2005 bis 2009 Bundesminister des Innern. Von 1991 bis 2000 war Schäuble Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und von 1998 bis 2000 Bundesvorsitzender der CDU. 1990 wurde er Opfer eines Attentates und ist seither auf den Rollstuhl angewiesen. Mit ca. 44 Jahren Parlamentszugehörigkeit ist Wolfgang Schäuble der dienstälteste Abgeordnete in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.

Foto: © Etienne Ansotte  / International Monetary Fund (IMF). Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 2.0 Generic (CC BY-NC-ND 2.0).

4. Tatsächlich ist eine deutsche Brutalisierung zu konstatieren, eine Nazifizierung von Teilen des für Abstiegsängste besonders empfänglichen Kleinbürgertums. Foto: Caruso Pinguin. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung-Nicht kommerziell 2.0 Generic (CC BY-NC 2.0).

5. Transparent an Hauswand "MENSCHENRECHTE statt rechte Menschen!" Foto: Caruso Pinguin. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung-Nicht kommerziell 2.0 Generic (CC BY-NC 2.0).