TiSA
_________________________________
Abkommen zum Handel mit Dienstleistungen u. die Agenda der Konzerne
TiSA contra öffentliche Dienste
Von Scott Sinclair, Canadian Centre for Policy Alternatives
.. und Hadrian Mertins-Kirkwood, Institute of Political Economy, Carleton University
Vorwort
Wer öffentliche Dienste als Handelsgüter ansieht, hat eine fundamental falsche Vorstellung von dem, was öffentliche Dienste leisten. Das Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen (TiSA), das zurzeit unter Ausschluss der Öffentlichkeit und außerhalb des WTO-Rahmens verhandelt wird, ist ein gezielter Versuch, den Profit der reichsten Unternehmen und Länder der Welt über die Interessen der Menschen zu stellen, die am stärksten auf öffentliche Dienstleistungen angewiesen sind.
Öffentliche Dienste sollen existenzwichtige soziale und wirtschaftliche Aufgaben übernehmen, zum Beispiel in der Gesundheitsversorgung und im Bildungsbereich. Sie sollen bezahlbar und universell verfügbar sein und nach Bedarf angeboten werden. Öffentliche Dienste gibt es, weil der Markt diese Anforderungen nicht erfüllen kann.
Ausserdem garantieren öffentliche Dienste faire Wettbewerbsbedingungen für Wirtschaft und Handel innerhalb eines effektiven Regulierungsrahmens, der darauf abzielt Umweltkatastrophen, sowie soziale und wirtschaftliche Krisen zu vermeiden – wie zum Beispiel die globale Finanzkrise und die Erderwärmung. Handelsabkommen fördern gezielt die Kommerzialisierung dieser Dienste und definieren Waren und Dienstleistungen nach ihrer Eignung, globalen Konzernen satte Gewinne in ihre Kassen zu spülen. Selbst die überzeugtesten Befürworter von Handelsabkommen geben zu, dass es in diesem gezinkten Spiel Gewinner und Verlierer gibt, die von vornherein feststehen.
Die Gewinner sind im Allgemeinen wirtschaftskräftige Länder, die ihre Machtposition ungehindert ausspielen können; multinationale Unternehmen, die am besten aufgestellt sind und die neuen Marktzugänge gewinnbringend nutzen können; und eine gut situierte Kundschaft, die sich teure Auslandsimporte leisten kann. Die Verlierer sind meistens die ArbeitnehmerInnen, die den Verlust ihrer Arbeitsplätze und Lohnkürzungen hinnehmen müssen, die NutzerInnen öffentlicher Dienste und lokale kleine Unternehmen, die im Wettbewerb mit den multinationalen Unternehmen nicht bestehen können.
TiSA gehört zu einer Reihe neuer Handels- und Investitionsabkommen, die tendenziell die alarmierende Zielsetzung verfolgen, auf der Grundlage gesetzlich verbindlicher Regelungen Investorenrechte zu institutionalisieren und Handlungsspielräume von Regierungen in Bereichen einzuschränken, die nur entfernt mit Handelsfragen zu tun haben.
TiSA wird zur Folge haben, dass Regierungen öffentliche Dienste nach gescheiterten Privatisierungen nicht wieder rekommunalisieren können, dass innerstaatliche Vorschriften zum Arbeits-, Umwelt- und Verbraucherschutz keinen Bestand haben und dass Regulierungsmöglichkeiten des Staates, wie z.B. die Lizenzierung von Gesundheitseinrichtungen, Kraftwerken und Abfallentsorgungsanlagen sowie die Akkreditierung von Schulen und Universitäten, eingeschränkt werden.
Dieses Abkommen behandelt WanderarbeitnehmerInnen wie eine Ware und wird die Fähigkeit der Regierungen, ihre Rechte zu gewährleisten einschränken. Arbeitnehmerrechte sollten von der paritätischen Internationalen Arbeitsorganisationen festgelegt werden und nicht im Rahmen von Handelsabkommen.
Unglaublich ist auch, dass das Abkommen trotz der Erfahrungen aus der Finanzkrise eine weitere Deregulierung der Finanzmärkte vorsieht. Wir wissen, dass die großen Konzerne mit ihren Interessen umfassend an den TiSA-Verhandlungen beteiligt sind.
Wir haben auch nicht vergessen, dass es das letzte Mal bei den Verhandlungen über ein umfangreiches Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen (GATS) zu öffentlichen Protesten auf der ganzen Welt gekommen ist. Aus diesem Grund wird heute alles versucht, um die TiSA-Verhandlungen hinter verschlossenen Türen zu führen.
Wem bewusst ist, welche wichtigen Entscheidungen hier für die Zukunft der Menschen und unseres Planeten getroffen werden, kann das nur als Skandal ansehen. Wer kann in einem demokratischen Land akzeptieren, dass seine Regierung heimlich Gesetzen zustimmt, die zu einer fundamentalen Verlagerung von Macht und Reichtum führen, zukünftigen Regierungen die Handlungsfreiheit rauben und den Staaten die Möglichkeiten nehmen, für ihre BürgerInnen zu sorgen?
Die Verhandlungstexte des Abkommens über den Handel mit Dienstleistungen müssen veröffentlicht werden, damit die Bürger und Bürgerinnen den Verhandlungsgegenstand genau prüfen und Entscheidungen beeinflussen können. Der Geltungsbereich von TiSA darf sich nicht auf öffentliche Dienste erstrecken oder die Möglichkeiten von Regierungen einschränken, Regelungen im öffentlichen Interesse durchzusetzen. Es darf keinen Handel mit öffentlichen Dienstleistungen geben.
Rosa Pavanelli
Generalsekretärin
Internationale der Öffentlichen Dienste
1. Einleitung
Überall auf der Welt beteiligen sich Regierungen zurzeit an dem umfangreichsten Verhandlungsmarathon über Handels- und Investitionsabkommen seit den „Wilden Neunzigern“, als der Glaube an die Segnungen liberalisierter Marktkräfte auf seinem Höhepunkt war. Der Schock der globalen Finanzkrise 2008 scheint in Vergessenheit geraten zu sein. Die Begeisterung der offiziellen Stellen für die übergriffigen Handels- und Investitionsabkommen „a` la 21. Jahrhundert“ hat ein Ausmaß erreicht, wie wir es seit Gründung der Welthandelsorganisation (WTO) und des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens (NAFTA) Mitte der 1990er Jahre nicht erlebt haben.
Wer sich mit den neuen Handels- und Investitionsabkommen auseinandersetzen muss, die zurzeit verhandelt werden, kann in dem Buchstabendschungel schnell die Orientierung verlieren, muss er doch Kürzel wie TPP, TTIP, CETA, PA, TiSA usw. auseinanderhalten. Trotz dieser verwirrenden Liste mit Akronymen verfolgen all diese Verhandlungen im Kern ein vergleichbares, rein an unternehmerischen Interessen ausgerichtetes Programm. Jedes Abkommen bildet die Basis für das nächste Vertragswerk innerhalb einer ewig laufenden Maschinerie von Verhandlungen und Neuverhandlungen. Hart erkämpfte Ausnahmeregelungen, beispielsweise zum Schutz öffentlicher Dienste oder zur Ausklammerung von Regulierungen für Finanzdienstleistungen aus den Investitionsschutzvereinbarungen zwischen Staaten und Investoren, stehen in der nächsten Gesprächsrunde wieder zur Disposition. Darüber hinaus gilt für diese hektischen Verhandlungen weiterhin der Grundsatz der Geheimnistuerei und Verschleierung.
Die Verhandlungsdynamik ist einseitig und eindeutig auf unternehmerische Interessen ausgerichtet. Wer sich für das Gemeinwohl einsetzt und lebenswichtige Sektoren oder entscheidende Bereiche der öffentlichen Politik aus dem Geltungsbereich dieser Abkommen ausklammern will, muss jedes einzelne Gefecht gewinnen, während die Unternehmerlobby, die diese Politik im Visier hat, nur eine Schlacht gewinnen muss. Mit einem Federstrich kann eine einzige neoliberale Regierung allen zukünftigen Nachfolgeregierungen eine politische Zwangsjacke anlegen.
Die offiziellen Plattitüden über die „Ausweitung der Handelsbeziehungen“ und neues „Wirtschaftswachstum“ lenken davon ab, dass es bei dieser Art von Abkommen fast immer um viel mehr geht als nur um Handel. Die bisherigen Verträge haben sich inzwischen zu Dokumenten entwickelt, die fast schon den Stellenwert einer Verfassung haben und die Freiräume von Regierungen in vielen Bereichen einschränken, die nur entfernt mit Handelsfragen zu tun haben. Dazu gehören der Patentschutz für Medikamente, die Auftragsvergabe kommunaler Körperschaften, die Rechte ausländischer Investoren sowie die Regulierung öffentlicher Dienste im Allgemeininteresse mit möglichen Folgen in Bereichen wie Beschäftigung, Umwelt und Internetfreiheit.
Die Verhandlungsführer bei diesen Handelsgesprächen beharren immer wieder auf der Aussage, dass keine Klausel in diesen Abkommen die Regierungen dazu zwinge, Privatisierungen durchzuführen. Trotzdem kann kaum in Frage gestellt werden, dass die jüngste Generation der Handels- und Investitionsabkommen viele wichtige Optionen für fortschrittliches und modernes Regieren einschränkt. Zu den negativen Auswirkungen auf öffentliche Dienste gehören: Begrenzung öffentlicher Dienste auf den Status quo durch Verteuerung der Erweiterung existierender öffentlicher Dienste oder des Angebots neuer öffentlicher Dienste; Erhöhung der Verhandlungsstärke von Unternehmen, um Initiativen zum Vorschlag oder zur Einführung neuer öffentlicher Dienste zu blockieren; und das „Festzurren“ (Locking-In) der zukünftigen Privatisierung, wodurch es juristisch unmöglich wird, diese Entscheidung wieder rückgängig zu machen. [1]
2. Welche Länder sind an den TISA-Verhandlungen beteiligt?
Der jüngste Neuzugang zu dem bestehenden Mix aus Handels- und Investitionsabkommen ist das Abkommen zum Handel mit Dienstleistungen (TiSA). Es wird von einem selbst gewählten Club der am weitesten entwickelten Länder gemeinsam mit einer kleinen, aber stetig steigenden Zahl von Entwicklungsländern ausgehandelt. Zu dem Club gehören mittlerweile 23 Regierungen, die 50 Länder vertreten. Die derzeitigen Verhandlungspartner sind Australien, Kanada, Chile, Chinesisch Taipeh (Taiwan), Kolumbien, Costa Rica, Hong Kong, Island, Israel, Japan, Liechtenstein, Mexiko, Neuseeland, Norwegen, Pakistan, Panama, Paraguay, Peru, Südkorea, die Schweiz, die Türkei, die Vereinigten Staaten und die Europäische Union als Vertreterin ihrer 28 Mitgliedstaaten. Auf diese Länder entfallen mehr als zwei Drittel des globalen Handels mit Dienstleistungen, aber 90% dieses Anteils bestehen aus dem Dienstleistungshandel der entwickelten Länder (das heißt der Mitgliedstaaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung). [2]
Die TiSA-Gespräche begannen 2012, wobei zunächst als Zieldatum für den Abschluss der Verhandlungen ca. 2014 geplant war. Die Teilnehmerländer, die in den WTO- Dienstleistungsverhandlungen der DOHA-Runde die entschlossensten Protagonisten der Liberalisierung von Dienstleistungen sind, nennen sich selbst „Really Good Friends of Services“ (Wirklich gute Freunde von Dienstleistungen). Durch den TiSA-Prozess hofft diese „Koalition der Willigen“, die festgefahrenen Dienstleistungsverhandlungen links liegen lassen zu können und ihre bisher unvollendete Agenda des Handels mit Dienstleistungen zum Abschluss zu bringen.
Zu Beginn des neuen Millenniums führten Kampagnen gegen die GATS-Erweiterung zu öffentlichem und politischem Druck, etwas gegen die überzogene Liberalisierung öffentlicher Dienste zu unternehmen. Inzwischen stellen jedoch die geheimen Verhandlungen über einen neuen und aggressiven GATS-Nachfolger eine noch ernstere Bedrohung für die öffentlichen Dienste dar. Die TiSA-Verhandlungsführer haben das Mandat, eine „überaus ambitionierte“ Liberalisierung des Dienstleistungshandels zu erreichen. Die meisten der beteiligten Staaten haben die Erbringung von Dienstleistungen bereits weitreichend liberalisiert und sind in ein umfassendes und dichtes Netz von Abkommen über die Liberalisierung von Dienstleistungen eingebunden. Chile zum Beispiel hat mit 17 der 22 anderen TiSA-Parteien Abkommen über den Dienstleistungshandel abgeschlossen.
Forciert man diese Agenda weiter, wie es das TiSA-Mandat vorschreibt, käme dies einer radikalen Liberalisierung gleich und würde die wenigen noch verbleibenden ausgenommenen Sektoren und die noch bestehenden Ausnahmen für wichtige Programme und Politiken erheblichem Druck aussetzen. Die meisten Beobachter sind sich jedoch darin einig, dass die wahre Absicht hinter TiSA nicht nur eine noch radikalere Liberalisierung bei den jetzigen Teilnehmern ist. Langfristig gesehen besteht das ultimative Ziel darin, den Teilnehmerkreis zu erweitern, indem man die wichtigsten Schwellenländer – China, Brasilien, Indien und Südafrika – sowie kleinere Entwicklungsländer mit ins Boot holt und in das Abkommen einbindet.
Ein bedeutender weiterer Schritt war die Anfrage Chinas, sich an den Gesprächen beteiligen zu dürfen. [3]
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist es schwierig zu prognostizieren, ob Chinas Beteiligung die TiSA- Ambitionen eher anstacheln oder dämpfen wird. Die US reagieren im Hinblick auf die chinesische Beteiligung zurückhaltend und wollen von dem Land zuerst die Verpflichtung auf „sehr ambitionierte Zielsetzungen“. [4] Chinas Haltung zum Thema Dienstleistungen in zwei laufenden Verhandlungsrunden, in denen es um die Erweiterung des WTO-Abkommens über die Informationstechnologie (ITA) und den Beitritt zum WTO-Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen geht, ist von der US- Regierung und Wirtschaftsverbänden unmissverständlich als unzureichend gerügt worden. Bis heute hat China aber „kategorisch alle Forderungen der USA abgelehnt“, bestimmte Voraussetzungen wie z.B. ein nachgebessertes Angebot in den ITA-Gesprächen als Voraussetzung zu erfüllen, sich an den TiSA- Verhandlungen beteiligen zu dürfen. [5]
Falls China mit an den TiSA-Verhandlungstisch darf, ist davon auszugehen, dass die Interessen des Landes mit denen der USA und der EU in Dienstleistungsbereichen kollidieren werden, in denen China überaus wettbewerbsfähig ist. Das gilt z.B. für den Seetransport und Dienstleistungen des Baugewerbes. Vor nicht langer Zeit hat China im Rahmen seines jüngsten Fünfjahresplans verstärktes Interesse an einer vertieften Liberalisierung des Dienstleistungsmarktes und einem größeren Dienstleistungsexport bekundet. China sieht seine Prioritäten in den folgenden Sektoren: Finanzdienstleistungen; Transport und Logistik; Handel; professionelle Dienstleistungen wie Rechtsberatung und Ingenieursleistungen; Kultur und Unterhaltung sowie Sozialdienstleistungen einschließlich Bildung und Gesundheitsversorgung. [6] Die neue Begeisterung der chinesischen Regierung für die Liberalisierung von Dienstleistungen könnte TiSA sehr wohl in Zugzwang setzen, die politischen Spielräume bei der Regulierung öffentlicher Dienste und des Gemeinwohls besonders in vorrangigen Bereichen wie Gesundheitsversorgung und Bildung einzuschränken. [7]
3. Wessen Idee war TISA?
Angesichts der potenziell negativen Auswirkungen auf die DOHA-Runde und sogar auf die WTO selbst stellt sich die Frage, warum sich die TiSA-Teilnehmerländer auf ein Spiel mit so hohen Einsätzen einlassen. Die auf der Hand liegende Antwort ist, dass wichtige TiSA-Regierungen unter Anführung der USA auf starken wirtschaftlichen Druck reagieren.
Das TiSA scheint eine Kopfgeburt der US Coalition of Service Industries (CSI) [8] zu sein mit dem ehemaligen Präsidenten Robert Vastine als treibender Kraft. Nach seiner Ernennung zum CSI-Präsidenten 1996 beteiligte sich Vastine aktiv an den Verhandlungen über Dienstleistungen. Die CSI befürwortete am Anfang noch die DOHA-Runde und zeigte sich wa¨hrend der ersten Verhandlungsphasen optimistisch. Als aber das Zieldatum 2005 ohne Ergebnis erreicht war, machten sich bei der CSI verstärkt Frustrationen breit. Vastine betrieb 2005 in den Entwicklungsländern persönlich Lobbyarbeit, um Zugeständnisse zu erhalten, und versuchte bis mindestens 2009 noch, ein Abkommen unter Dach und Fach zu bringen.
2010 war jedoch klar, dass die WTO-Dienstleistungsverhandlungen in der Sackgasse steckten. Mitte 2011 erklärte Vastine, dass „die DOHA-Runde keinerlei Aussichten auf Erfolg verspricht“ und empfahl deshalb, sie aufzulösen. [9] Vastine war ebenfalls einer der ersten Akteure, die schon 2009 vorschlugen, plurilaterale Verhandlungen über Dienstleistungen außerhalb des WTO-Rahmens zu führen. [10] In Zusammenarbeit mit der Global Services Coalition (GSC), einer multinationalen Lobbygruppe im Dienstleistungsbereich, konnte sich die CSI die Unterstützung weiterer Konzern-Lobbygruppen für die TiSA-Initiative sichern. [11]
Das TiSA ist für diese Konzern-Lobbygruppe ein politisches Projekt. Die GSC hat öffentlich keinen Hehl daraus gemacht, dass „TiSA konzeptionell darauf ausgelegt wurde, den Frustrationen der Wirtschaft über den Stillstand der DOHA-Runde und der Verhandlungen über Dienstleistungen etwas entgegenzusetzen.“ [12] Anstatt dass die GSC aufgrund legitimer Vorbehalte ihre Forderungen nach einer radikalen Liberalisierung von Dienstleistungen überdenkt, treibt sie die WTO und die DOHA-Runde bis zum Äußersten. Die Gruppe scheint auch im Wesentlichen desinteressiert an der Frage, ob oder wie TiSA in das WTO-System oder das existierende multilaterale System passt.
Stattdessen wird die Strategie verfolgt, eine ausreichend große „kritische Masse“ von TiSA- Teilnehmerländern zu gewinnen, damit eine Multilateralisierung eine vollendete Tatsache wird. In der Tat ist es so, dass das bevorzugte Ergebnis für CSI nicht die Ausweitung der TiSA-Ergebnisse auf MFN- Basis ist, sondern der Abschluss eines hoch ambitionierten Abkommens zwischen einer Kerngruppe von gleichgesinnten Teilnehmern. In diesem Kontext würde TiSA „eine Blaupause für die nächste Generation multilateraler Vorschriften und Ebenen für den Marktzugang darstellen.“ [13]
Die Volkswirtschaften in den Entwicklungs- und Schwellenländern würden dann nacheinander ins Visier genommen und – soweit es die politischen Bedingungen erlauben und neoliberale oder willfährigere Regierungen an der Macht sind – dazu bewegt, dem Abkommen beizutreten. Leider könnte eine solche simple Strategie durchaus Erfolg haben.
4. Worum geht es?
Im Gegensatz zu anderen Handels- und Investitionsabkommen geht es bei TiSA ausschließlich um den Handel mit Dienstleistungen. Allerdings ist der Begriff „Handel mit Dienstleistungen“ weit gefasst. Ähnlich wie GATS würde TiSA für jede erdenkliche Art der internationalen Dienstleistungserbringung gelten. Das beinhaltet grenzüberschreitende Erbringung von Dienstleistungen (GATS Modus 1) wie Telemedizin, E-Learning oder Internetspiele; Nutzung von Dienstleistungen im Ausland (GATS Modus 2) in Bereichen wie Fremdenverkehr oder Medizintourismus; ausländische Direktinvestitionen (GATS Modus 3) wie die Gründung einer Bankfiliale in einem anderen Land oder die Erbringung kommunaler Wasser- oder Energiedienstleistungen; und die Erbringung durch den vorübergehenden Aufenthalt von Personen im Land des Dienstleistungsempfängers (GATS Modus 4), wenn z.B. Krankenpflege-, Hauspersonal oder Führungskräfte eines Unternehmens vorübergehend ins Ausland transferiert werden, um dort Dienstleistungen zu erbringen.
Im Rahmen des TiSA-Mandats wird jedes Teilnehmerland aufgefordert, dem Höchstmaß an Verpflichtungen zu Dienstleistungen, die es in anderen unterzeichneten Handels- und Investitionsabkommen bereits eingegangen ist, zu entsprechen oder dieses sogar zu übertreffen. Dieses Modell des „besten Freihandelsabkommens“ („best FTA“) soll sicherstellen, dass der Ausgangspunkt der TiSA-Verhandlungen (die Anfangsofferte jedes Landes) die weitest gehenden Zugeständnisse widerspiegelt, die in früheren Abkommen erreicht wurden.
Diese Verpflichtungen sind jedoch nur ein Ausgangspunkt. Von den Ländern wird erwartet, dass sie darüber hinausgehen und nicht nur weiter gehenden Verpflichtungen, sondern auch neuen Einschränkungen und Verpflichtungen zustimmen, die über GATS hinausgehen. Der amerikanische WTO-Botschafter Michael Punke fordert ein Vorgehen nach dem Grundsatz des „größten gemeinsamen Nenners“ und schlägt vor, dass die Verpflichtungen für alle TiSA-Teilnehmer sich nach der höchsten eingegangenen Verpflichtung aller anderen Teilnehmer richten müssen. [14]
Die Verhandlungsführer haben sich angeblich auf einen TiSA-Kerntext geeinigt, der im Wesentlichen dem GATS entspricht. Ein grundlegender Unterschied besteht jedoch darin, dass es bei TiSA einen „Negativlistenansatz“ hinsichtlich der Inländerbehandlung geben soll. Die Inländerbehandlung sorgt dafür, dass ausländische Anbieter den lokalen Anbietern gleichgestellt werden und dass der Staat Ausländern eine Behandlung gewährt, nicht weniger günstig ist als die, die es seinen eigenen gleichen Dienstleistungen und Dienstleistungserbringern gewährt. Selbst Maßnahmen, die formell nicht diskriminierend sind, können diese Nichtdiskriminierungsregel verletzen, wenn sie „gleiche Wettbewerbschancen“ ausländischer Investoren oder Dienstleistungserbringer beeinträchtigen.
Im Rahmen von TiSA würde das Prinzip der Inländerbehandlung automatisch für alle Maßnahmen und Sektoren gelten, wenn sie nicht explizit davon ausgenommen werden. Das bedeutet zum Beispiel, dass für den Gesundheitssektor Frankreichs oder Paraguays die Inländerbehandlung gelten würde, wenn diese La¨nder nicht erfolgreich eine länderspezifische Ausnahmeregelung verhandeln würden, um die Gesundheitsversorgung auszuklammern. Bei TiSA würde – wie bei GATS – das Prinzip der Inländerbehandlung auch für staatliche Beihilfen gelten; das bedeutet, dass jede finanzielle Subventionierung öffentlicher Dienste ausdrücklich ausgeklammert werden muss oder in gleicher Weise privaten gewinnorientierten Dienstleistungserbringern zur Verfügung zu stellen ist.
Der Ansatz „listen oder liberalisieren“ bedeutet für öffentliche Dienste und andere Regulierungen im öffentlichen Interesse jetzt und in Zukunft ein deutlich erhöhtes Risiko. Jede Politik im Interesse öffentlicher Belange, die eine Regierung – auch versehentlich – versäumt zu schützen, ist gefährdet. Auch länderspezifische Ausnahmen wird man in allen nachfolgenden Verhandlungen erneut versuchen zu eliminieren.
Die Staaten hatten bis zum 30. November 2013 Zeit, ihre Anfangsofferte vorzulegen. Bis Mitte Februar 2014 waren fast alle Teilnehmer dieser Aufforderung nachgekommen. [15] Diese Anfangsofferten werden dann die Basis für weitere Gegenseitigkeitsverhandlungen zur Vertiefung des Geltungsbereichs sein. Abgesehen von der Verhandlung des grundlegenden Textes und den Verhandlungen über Forderungen und Angebote sind die TiSA-Verhandlungsführer aber auch noch in zahlreichen anderen Bereichen aktiv.
Über GATS hinaus
Die TiSA-Verhandlungsführer arbeiten an GATS-Plus-Regeln und Einschränkungen, die die bisherigen Beschränkungen von Handelsabkommen weit in bisher neues und unbekanntes Terrain führen könnten. Zwar bleibt der genaue Inhalt dieser „neuen und verbesserten Disziplinen“ ein streng gehütetes Geheimnis, aber die wichtigsten Punkte werden nachstehend beschrieben.
5. Stillhalteklausel und Ratchet-Klausel
Zu den bedrohlichsten Eigenschaften des TiSA gehören die Stillhalte- und die Ratchet-Klausel. Die Stillhalteklausel führt dazu, dass der erreichte Status der Liberalisierung in allen Sektoren festgeschrieben wird, auch wenn einige Parteien ohne Zweifel versuchen werden, begrenzte Ausnahmeregelungen in sensiblen Sektoren zu verhandeln. Die Ratchet-Klausel im TiSA legt fest, dass „Änderungen oder Ergänzungen einer auf inländische Dienstleistungen bezogenen Maßnahme, die bisher nicht den Pflichten des Abkommens entspricht (Marktzugang [16], Inländerbehandlung, Meistbegünstigungsklausel), zu mehr, jedoch keinesfalls weniger Vertragskonformita¨t führen müssen.“ [17] Diese Ratchet-Klausel, der die Verhandlungsparteien angeblich bereits zugestimmt haben, würde jeden weiteren Liberalisierungsschritt zu einer vollendeten Tatsache machen, die auch in Zukunft nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. [18]
Als Beispiel sei hier ein TiSA-Mitgliedstaat genannt, der vorübergehend oder versuchsweise auf nationaler oder subnationaler Ebene ein auf Privatversicherungen beruhendes System für die Gesundheitsversorgung eingeführt hat, das bisher Aufgabe der staatlichen gesetzlichen Krankenversicherung war. Mangels einer expliziten Ausnahmeregelung für den Krankenversicherungssektor des Landes wäre diese und auch keine andere zukünftige Regierung nicht mehr in der Lage, diese Dienste wieder in die Zuständigkeit eines staatlichen Versicherungssystems zurückzuführen, ohne gegen das TiSA-Abkommen zu verstoßen.
Ähnliche Konflikte hat es bereits bei bilateralen Investitionsabkommen gegeben, als ausländische Privatinvestoren gegen die erneute Verstaatlichung der vorher privatisierten und liberalisierten Krankenversicherung in der Slowakei und Polen vorgegangen sind. [19]
Darüber hinaus wird TiSA die Regierungen dazu verpflichten, alle „neuen Dienstleistungen“ dem Regime des Abkommens zu unterstellen; das gilt somit auch für Dienstleistungen, die zum jetzigen Zeitpunkt noch gar nicht existieren. Bei solch weitreichenden Bestimmungen ko¨nnen neoliberale Regierungen, die jetzt an der Macht sind, Privatisierungen durchführen, die für alle zukünftigen Generationen Geltung haben. Es sind genau diese Einschränkungen, die fast schon den Stellenwert einer Verfassung haben, die es zu vermeiden gilt, damit die demokratische Regulierungshoheit für öffentliche Dienste erhalten bleibt.
6. Innerstaatliche Regelungen
Ein wichtiger Bereich, der bisher im Rahmen der GATS-Verhandlungen ohne Ergebnis geblieben ist, betrifft die innerstaatlichen Regelungen. Nach GATS Artikel VI:4 müssen weitere Verhandlungen dafür sorgen, dass „Qualifikationserfordernisse und -verfahren, technische Normen und Zulassungserfordernisse“ keine „unnötigen“ Hemmnisse für den Handel mit Dienstleistungen darstellen. Angesichts des stagnierenden WTO-Prozesses haben die TiSA-Teilnehmer jetzt die Absicht, ihren eigenen Text zu innerstaatlichen Regelungen vorzulegen.
Multinationale Dienstleistungsunternehmen haben sich schon immer über regulatorische Hemmnisse beklagt, die ihnen eine ungehinderte wirtschaftliche Tätigkeit in ausländischen Dienstleistungsmärkten unmöglich machen. Verbindliche Regelungen im TiSA über innerstaatliche Regelungen würden den Konzernen Mittel an die Hand geben, gegen neue oder kostspielige Vorschriften vorzugehen selbst dann, wenn diese inländische wie ausländische Dienstleistungen und Dienstleistungserbringer gleich behandeln. Die vorgeschlagenen Einschränkungen der nationalen Regulierungsbehörden würden ausdrücklich für nichtdiskriminierende Maßnahmen der Regierung mit Auswirkungen auf Dienstleistungen gelten. Mit anderen Worten würden diese neuen „Disziplinen“ nationalstaatliche Gesetze und Verordnungen einschränken wie Arbeitsschutzanforderungen, Umweltschutzregelungen, Verbraucherschutzgesetze und Verpflichtungen für den universellen Zugang zu Dienstleistungen – selbst dann, wenn diese Regulierungen ausländische Dienstleistungen oder Dienstleistungsanbieter nicht anders behandeln als inländische Dienste und Diensteanbieter.
Die Art von Maßnahmen, für die diese vorgeschlagenen neuen Einschränkungen der Regulierungsbehörden gelten würden, ist in GATS und TiSA sehr weit definiert worden. Qualifikationserfordernisse und -verfahren beinhalten sowohl die Bildungsabschlüsse und die beruflichen Prüfungen und Zulassungen, die zur Erbringung einer speziellen Dienstleistung erforderlich sind, als auch die Verfahren zur Prüfung der Qualifizierung eines Dienstleistungserbringers. Technische Normen beziehen sich auf Regulierungen, die die „technischen Eigenschaften der Dienstleistung selbst“ betreffen und auf die „Vorschriften, die bei der Erbringung der Dienstleistung eingehalten werden müssen.“ [20] Zulassungserfordernisse beziehen sich nicht nur auf berufliche Zulassungen, sondern auf alle Anforderungen, die ein Unternehmen erfüllen muss, um von der Regierung die Erlaubnis zur Erbringung einer Dienstleistung in einem Markt zu erhalten. Darin wären zum Beispiel auch die Lizenzierung von Gesundheitseinrichtungen und Labors, die Akkreditierung von Universitäten und Schulen, Sendelizenzen, Abfallentsorgungsanlagen, Kraftwerken usw. eingeschlossen. Diese sehr weit gefassten Definitionen würden in der Tat dazu führen, dass kaum ein Aspekt der Regulierung von Dienstleistungen von den vorgeschlagenen Einschränkungen nicht betroffen wäre.
Die WTO-Mitgliedsregierungen arbeiten seit vielen Jahren innerhalb des GATS-Kontextes an der Fertigstellung dieser Disziplinen. Wichtige Teilnehmer, besonders Brasilien und die USA, verfolgen hier einen vorsichtigen Ansatz und haben erfolgreich einige der brisantesten Elemente der GATS-Texte über innerstaatliche Regelungen entschärft. Das gilt zum Beispiel für die „Erforderlichkeitsprüfung“ – danach hatten nach Maßgabe von Streitschlichtungspanels Regulierungsmaßnahmen nicht mehr Aufwand erfordern dürfen, als zum Erreichen des vorgesehen Ziels unbedingt erforderlich ist. Im letzten WTO-Entwurf sind jedoch nach wie vor Anforderungen enthalten, dass innerstaatliche Regelungen „zuvor festgelegt“, „transparent“, „objektiv“ und „relevant“ und keine „verschleierte Beschränkung des Handels“ sein dürfen. Je nach Auslegung dieser wichtigen Bedingungen könnte diese WTO-Vorlage mit der Regulierungsaufsicht über Dienstleistungen kollidieren. Dies einfach in das TiSA zu übertragen, wäre schädlich für Regulierungen im öffentlichen Interesse. [21]
Es ist jedoch davon auszugehen, dass TiSA Einschränkungen für innerstaatliche Regelungen enthalten wird, die noch weitgehender ausfallen werden als diejenigen, die im GATS-Prozess zur Diskussion stehen. Eine Kerngruppe TiSA-Länder wie Chile, Hongkong, Mexiko, Neuseeland, Südkorea und die Schweiz setzen sich beharrlich dafür ein, dass in TiSA eine Erforderlichkeitsprüfung für Regulierungen enthalten ist, die Dienstleistungen betreffen. Berichten zufolge sind die USA gegen die Anwendung einer eigenständigen Erforderlichkeitsprüfung im CETA und setzen sich dafür ein, dass die Einschränkungen für innerstaatliche Regelungen in TiSA nur für die Zentralregierungen gelten und Regelungen auf bundesstaatlicher und kommunaler Ebene davon ausgenommen werden. [22]
Die derzeitige US-Position wird jedoch in erster Linie durch ihre Regulierungsbehörden und die Bundestaatsregierungen motiviert. Es ist längst nicht eindeutig klar, dass die US-Verhandlungsteams ihren derzeitigen Standpunkt beibehalten werden, zumal mit dem weiteren Fortschritt der Verhandlungen der Druck der Unternehmerlobby, den Regulierungsbehörden Handschellen anzulegen, weiter steigen wird.
Die Verhandlungsführer bei den Handelsgesprächen und die sie unterstützenden Unternehmen behaupten oft, dass solche vorgeschlagenen Einschränkungen das „Recht auf Regulierung“ und auf Einführung neuer Regelungen anerkennen, aber dies ist irreführend. Das angebliche „Recht auf Regulierung“ kann nur in Übereinstimmung mit den im Abkommen festgelegten Verpflichtungen wahrgenommen werden, einschließlich der vorgeschlagenen Einschränkungen der innerstaatlichen Regelungen. [23] Auch wenn den Regierungen weiterhin überlassen bleibt, welche Ziele sie mit ihren Regulierungsmaßnahmen erreichen wollen, so bleiben die eingesetzten Mittel doch angreifbar und der Kontrolle des Streitschlichtungspanels unterworfen. [24]
Falls diesen Einschränkungen zugestimmt wird, würden buchstäblich Tausende nichtdiskriminierender, Dienstleistungen betreffende Regelungen im öffentlichen Interesse der Kontrolle durch TiSA unterworfen und könnten potenziell angefochten werden. Diese Regelungen könnten sich auf Wasserqualitätsnormen, kommunale Raumordnung, Genehmigungen für die Entsorgung von Sondermüll, Akkreditierung von Bildungsinstitutionen und Behörden, die akademische Grade vergeben, beziehen. Die vorgeschlagenen Einschränkungen würden nicht nur Regelungen in neu unter TiSA fallende Sektoren betreffen, sondern auch Regelungen für Dienstleistungen im Rahmen von GATS oder andere, bereits früher von einem TiSA-Mitglied unterzeichnete Freihandelsabkommen. Für TiSA-Regierungen würde gelten, dass ihre bestehenden Verpflichtungen im Hinblick auf Dienstleistungen sofort vertieft und ihr Recht auf Regulierung beschnitten würde.
7. Vorübergehender Aufenthalt natürlicher Personen (Modus 4)
Im Rahmen von Handelsabkommen wie TiSA bezieht sich der Begriff „Freizügigkeit natürlicher Personen“ auf Dienstleistungen, die von Staatsangehörigen eines Landes erbracht werden, die hierzu in ein anderes Mitgliedsland reisen. Diese Art des internationalen Handels mit Dienstleistungen, auch Modus 4 genannt, bezieht sich auf natürliche Personen. Der Begriff „juristische Person“ wird genutzt, wenn von Unternehmen die Rede ist. Entsprechend der Zielsetzung eines ambitionierten Abkommens (ganz zu schweigen von den strikten Voraussetzungen für eine Übereinkunft für eine wirtschaftliche Integration nach GATS-Artikel V gibt es die nachdrückliche Initiative einiger Teilnehmer, „deutlich verbesserte“ Verpflichtungen für den grenzüberschreitenden Marktzugang von Dienstleistern in TiSA durchzusetzen. [25]
Verpflichtungen nach Modus 4 ermöglichen es Unternehmen eines Landes, ihre Mitarbeiter (dazu gehören Führungskräfte, BeraterInnen, Facharbeitskräfte, Pflegepersonal, Bauarbeitskräfte usw.) in ein anderes Land zu entsenden, um dort Dienstleistungen zu erbringen. Nach dem Vorbild von GATS wären im Rahmen von TiSA so genannte wirtschaftliche Bedarfsprüfungen einschließlich Arbeitsmarktprüfungen verboten, wenn diese Maßnahmen nicht ausdrücklich aus der Länderliste der Verpflichtungen ausgenommen sind. In den meisten Ländern muss ein potenzieller Arbeitgeber vor der zeitlich befristeten Einstellung ausländischer Arbeitskräfte nachweisen, dass nicht genug bedarfsgerecht ausgebildete inländische Arbeitskräfte zur Verfügung stehen. Nach den Modus 4-Bestimmungen wären solche wirtschaftlichen Bedarfsprüfungen jedoch nicht statthaft. Regierungen könnten somit nicht verlangen, dass ausländische Unternehmen zuerst eine Arbeitsmarkterhebung durchführen, um im Vorfeld sicherzustellen, dass keine inländischen Arbeitskräfte zur Verfügung stehen, die die anstehenden Arbeiten durchführen könnten, bevor ausländische Zeitarbeitskräfte eingestellt werden.
Dies ist ein weiteres sensibles Thema für die USA, die sich wa¨hrend der gesamten Verhandlungen der DOHA-Runde über Dienstleistungen geweigert haben, zusätzlichen Modus 4-Verpflichtungen zuzustimmen. Trotzdem ist eine Erweiterung des Modus 4 eine Priorität für in den USA ansässige Unternehmen. Ein früherer Angehöriger der Chefetage der Citibank, der heute Vorsitzender der Coalition of Service Industries ist, sagt dazu: „Das ist eine eindeutige Priorität für viele La¨nder, und es ist eindeutig ein sensibles Thema in den USA … Aber wir erwarten, dass sich die USA in dieser Frage engagieren und dass in dieser Frage weitere Fortschritte erzielt werden können“. [26]
Von Bedeutung ist hier, dass die Modus 4-Verpflichtungen den Arbeitskräften keine Möglichkeiten bieten, einzuwandern oder einen Wohnsitz oder die Staatsangehörigkeit in dem Aufnahmeland zu erwerben. Ausländische Arbeitskräfte müssen nach Abschluss der Arbeiten oder nach Ablauf ihrer Aufenthaltserlaubnis im Gastland in ihre Heimatländer zurückkehren. Diese prekäre Situation macht die Arbeitnehmer abhängig vom guten Willen der Arbeitgeber. Falls sie ihre Arbeit verlieren, müssen sie das Aufnahmeland sofort verlassen. Trotz dieser Gefährdung wurden laut Berichten der US-Verhandlungsteams keine Vorschläge unterbreitet, im TiSA durchsetzbare Arbeitsnormen oder Arbeitsrechte zu verankern. [27]
8. Grenzüberschreitender Datenverkehr und Privatsphäre
Die TiSA-Verhandlungsführer entwickeln ebenfalls „neue und weiterführende Disziplinen“ im Zusammenhang mit dem Internet, dem elektronischen Handel und dem grenzübergreifendem Datenverkehr. Bei diesen „Daten“ handelt es sich u.a. um persönliche Nutzerinformationen, Finanzinformationen, Cloud-Computing-Dienste und digitale Waren. Die US-Industrielobbyisten argumentieren, dass der freie Datenaustausch „erforderlich für globale Geschäftsaktivitäten ist“ und das Regierungen zu viele „willkürliche und übertriebene Maßnahmen“ durchführen, die US-Unternehmen an die kurze Leine legen sollen. [28] Der US-Handelsvertreter hat ebenfalls erklärt, dass der Datenschutz in zahlreichen Ländern „zu weit gefasst ist“ und die Möglichkeit einer echten „globalen Erbringung von Dienstleistungen“ behindere. [29]
Wenn die US-Verhandlungsführer ihre Ziele erreichen, wird das TiSA Bestimmungen enthalten, die die Verpflichtung des freien Marktzugangs und der Inländerbehandlung auch auf das Internet anwenden und eine sogenannte „forced localisation“ verbieten – danach müssen ausländische Unternehmen alle Daten in dem Land, in dem sie wirtschaftlich tätig sind, auf einem Server speichern, der in diesem Staatsgebiet lokalisiert sein muss. Der erste Punkt scheint kein weiteres Konfliktpotenzial zu beinhalten, da die meisten Verhandlungsführer z.B. den elektronischen Handel und Cloud Computing als neue Dienstleistungssektoren ansehen, die automatisch unter den TiSA-Geltungsbereich fallen. Der zweite Punkt bleibt jedoch kontrovers. Die EU setzt zurzeit Vorschriften durch, dies es Unternehmen verbieten, Daten in andere Länder als die 28 EU-Mitgliedstaaten zu übertragen, mit einigen wenigen Ausnahmen. Im Gegensatz dazu gibt es in den USA nur sehr laxe Gesetze zum Schutz der Privatsphäre. In den Vereinigten Staaten können Unternehmen umfassende persönliche Informationen über ihre NutzerInnen sammeln, die dann fast ohne Einschränkungen verkauft oder für kommerzielle Zwecke verwendet werden können. Die EU wird nur dann einer Öffnung des Datentransfers im Rahmen des TiSA-Abkommens zustimmen, wenn die USA strengere Kontrollen der Privatsphäre nachweisen können. Es ist allerdings schwer vorstellbar, dass die US eine überzeugende Initiative für mehr Schutz der Privatsphäre starten, nachdem durch einen Informanten wie Edward Snowden die exzessiven Spionagetätigkeiten der National Security Agency aufgedeckt wurden. [30]
Das TiSA wird für das Internet gelten wie auch für andere Dienstleistungssektoren und eine Liberalisierung in einer Weise durchsetzen, die den allseits bekannten großen Akteuren der Industrie unverhältnismäßig große Vorteile eröffnet. Diese Großkonzerne sind fast ausschließlich amerikanische Unternehmen. Wenn die USA ihren Willen durchsetzen, wird TiSA auch die Privatsphäre der NutzerInnen gefährden, weil das Abkommen die uneingeschränkte Sammlung und Übertragung von persönlichen Daten erlaubt.
9. Sektorale Regulierungsmaßnahmen
Einer der offensten Aspekte der TiSA-Verhandlungen ist die Blanko-Befugnis der Verhandelnden, Vorschriften „zu allen anderen Themen zu entwickeln, die in den Geltungsbereich des GATS-Artikels XVIII fallen.“ Artikel XVIII war die Grundlage für das Telekom-Referenzpapier von 1996 und für die Vereinbarung über Verpflichtungen im Bereich der Finanzdienstleistungen von 1997. Dahinter standen die entwickelten Länder, die mit dem Ausmaß der Verpflichtungen und den regulatorischen Einschränkungen in diesen Sektoren im Rahmen des ursprünglichen GATS nicht einverstanden waren.
Die TiSA-Verhandlungsführer arbeiten zurzeit an neuen sektoralen Vereinbarungen über die Regulierung von Finanzdienstleistungen, elektronischem Handel,Telekommunikationsdiensten, Seeverkehr, Luftverkehr und Straßenverkehr, freiberuflichen Dienstleistungen, Energiedienstleistungen und Post- und Kurierdiensten. Diese Gespräche zielen darauf ab, verbindliche und „wettbewerbsfreundliche“ Regulierungsvorlagen für eine Vielzahl von Dienstleistungssektoren zu entwickeln, um den Marktzugang von ausländischen kommerziellen Anbietern zu erleichtern und vorrangig die Interessen multinationaler Unternehmen zu bedienen.
Diese Vorschriften erkennen z.B. allgemein das Recht von Regierungen an, eine universelle gemeinwirtschaftliche Verpflichtung auch in privatisierten Sektoren vorzuschreiben. Aber selbst diese letzten Reste des Wertekanons öffentlicher Dienste werden Erforderlichkeitsprüfungen unterzogen und an anderen marktorientierten Anforderungen gemessen, die allein auf die globalen Dienstleistungserbringer zugeschnitten sind. [31] Das TiSA ist ebenfalls ausdrücklich als „living agreement“ konzipiert, das niemals seine Endfassung erreicht und den Verhandlungsführern das Mandat erteilt, neue Regulierungsvorlagen für zusätzliche Sektoren zu entwickeln und damit weit in die Zukunft vorzugreifen.
Der Geltungsumfang dieser hochspezialisierten sektoralen Vereinbarungen wird nur durch die Vorstellungskraft der Verhandlungsteams und der Lobbyisten der Unternehmen begrenzt. Zusätzlich muss uns Sorge bereiten, dass diese Verhandlungen nahezu vollständig unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden. Es muss hier nicht näher erläutert werden, warum diese Vorgehensweise völlig inakzeptabel ist. Die Dienstleistungsverhandler haben ein vorrangiges Mandat – sie sollen für Wachstum im Groß- und Außenhandel sorgen. Es sollte ihnen nicht erlaubt werden, strikte ordnungspolitische Rahmen zu entwickeln, die Regelungen im öffentlichen Interesse und zum Schutz von VerbraucherInnen, ArbeitnehmerInnen oder der Umwelt einschränken oder sogar aushebeln können.
10. Schutz öffentlicher Dienste
Die Verfügbarkeit bezahlbarer und qualitativ hochwertiger öffentlicher Dienste sollte ein vorrangiges Ziel der wirtschaftlichen Entwicklung sein, zu der auch der internationale Handel Mittel zum Zweck ist. Systeme des öffentlichen Dienstes sind dynamisch und flexibel. Dementsprechend müssen Schutzmaßnahmen für öffentliche Dienste in den Handelsabkommen diese Dynamik und die damit einhergehenden Innovationen unterstützen, anstatt die Liberalisierung zu zementieren oder Privatisierungen auf alle Ewigkeit festzuschreiben. Besonders dürfen die Klauseln in den Handelsabkommen nicht mit der Wiederherstellung oder Erweiterung öffentlicher Dienste kollidieren, wenn Experimente mit der privaten Erbringung dieser Leistungen fehlschlagen oder von demokratisch gewählten Regierungen abgelehnt werden.
Es ist technisch möglich, öffentliche Dienste von diesen Handelsabkommen auszunehmen. Moderne Handelsabkommen enthalten durchgängig eine umfassende, nach eigenem Ermessen erstellte Ausnahmeregelung für Angelegenheiten der nationalen Sicherheit. [32] Wenn der politische Wille existierte, wäre es ein Leichtes, in Handels- und Investitionsabkommen diejenigen Dienstleistungen auszuschließen, die eine Partei als hoheitliche Aufgabe des Staates ansieht. [33] Eine solche Klausel und die universellen öffentlichen Dienstleistungen, die sie ermöglichen würde, wären wünschenswert und nützlich für die Mehrheit der Bürger und Bürgerinnen, die in der gnadenlosen Arena des globalen Wettbewerbs oft genug das Nachsehen haben.
Legitime Verträge zur Förderung des internationalen Handels müssen die Fähigkeit von Regierungen vollständig bewahren, öffentliche Dienste wiederherzustellen, wiederzubeleben oder zu erweitern. Auf vielen Ebenen besteht TiSA diese kritische Prüfung nicht. Vielmehr widerspricht der grundlegende Geist des TiSA-Abkommens – extreme Geheimhaltung, Aggressivität, überzogene Liberalisierung und übermäßiger Einfluss der Unternehmen – den Werten des öffentlichen Dienstes. Die bereits jetzt vorhandenen erheblichen Probleme, öffentliche Dienste im Rahmen von GATS und anderen Abkommen zu schützen, werden durch die TiSA-Verhandlungen zusätzlich verschärft. Der übertriebene Geltungsumfang des TiSA beinhaltet dazu Risiken für andere wichtige öffentliche Interessen einschließlich des Rechts auf Privatsphäre, Internetfreiheit, Umweltschutz und Verbraucherschutz. Die Gewerkschaften des öffentlichen Sektors haben die dringende Aufgabe, dieses Problem gemeinsam mit den Verbündeten der Zivilgesellschaft anzugehen. Wenn sie zusammenarbeiten, können sie die offizielle Geheimhaltung der TiSA-Verhandlungen zu einem öffentlichen Thema machen und ein Gegengewicht zum Druck der Unternehmenslobbyisten aufbauen, die die Gespräche bestimmen.
In den Ländern, die bereits an den TiSA-Verhandlungen teilnehmen, müssen die Regierungen dazu gebracht werden, die wichtigsten Interessengruppen zu konsultieren und alle Informationen offenzulegen. Die Verwaltungen unterhalb der staatlichen Ebene, deren demokratische und regulatorische Handlungsfreiheit ernsthaft eingeschränkt werden kann, sind wichtige Initiatoren, wenn dem Übereifer der nationalen Regierungen für das TiSA Zügel angelegt werden sollen. Regierungen, die nicht an TiSA teilnehmen, müssen dazu bewegt werden, auch in Zukunft darauf zu verzichten und entsprechenden Versuchen der Einflussnahme zu widerstehen. Darüber hinaus sollten diese Regierungen dazu ermutigt werden, deutlich Stellung gegen die zersetzende Wirkung dieser Verhandlungen auf den Multilateralismus zu beziehen und jeden Versuch der TiSA-Parteien abzuwehren, die institutionellen Ressourcen der WTO oder das Streitschlichtungspanel der WTO in Anspruch zu nehmen.
Starke Bündnisse, die auf dem öffentlichen Interesse und nicht dem Gewinnstreben der Unternehmen gründen, werden der Eckpfeiler aller unserer Initiativen sein, dieses außer Kontrolle geratene Wettrennen um die radikalste Wirtschaftsliberalisierung zu beenden.
Scott Sinclair, Canadian Centre for Policy Alternatives
Hadrian Mertins-Kirkwood, Institute of Political Economy, Carleton University
11. TiSA-Verhandlungen : Teilnehmerländer
Liste der Teilnehmerländer an den Verhandlungen über das Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen
Bestehende Freihandelsabkommen (FTA) und regionale Handelsblöcke (RTB) unter Beteiligung der TiSA-Verhandlungsparteien.
Letzte Aktualisierung: 4. November 2013.
► Quelle: Veröffentlicht von der Internationale der Öffentlichen Dienste am 28. April 2014 – http://www.world-psi.org/
PSI: Public Services International ist ein globaler Gewerkschaftsverband repräsentiert 20 Millionen berufstätige Frauen und Männer, die wichtigen öffentlichen Dienstleistungen in 150 Ländern zu liefern. PSI Champions Menschenrechte, setzt sich für soziale Gerechtigkeit und fördert den allgemeinen Zugang zu hochwertigen öffentlichen Dienstleistungen. PSI arbeitet mit dem System der Vereinten Nationen und in Partnerschaft mit der Arbeit, der Zivilgesellschaft und anderen Organisationen.
Die komplette Ausführung der ORIGINALSCHRIFT: TiSA contra öffentliche Dienste - weiter
Danksagung: Vielen Dank den Autoren von PSI für den ausführlichen Artikel, damit alle Bürgerinnen und Bürger von TiSA erfahren. “Die Verhandlungstexte des Abkommens über den Handel mit Dienstleistungen müssen veröffentlicht werden, damit die Bürger und Bürgerinnen den Verhandlungsgegenstand genau prüfen und Entscheidungen beeinflussen können. Der Geltungsbereich von TiSA darf sich nicht auf öffentliche Dienste erstrecken oder die Möglichkeiten von Regierungen einschränken, Regelungen im öffentlichen Interesse durchzusetzen. Es darf keinen Handel mit öffentlichen Dienstleistungen geben.”
(Rosa Pavanelli Generalsekretärin – Internationale der Öffentlichen Dienste)
► Weitere Artikel dazu:
TTIP - Ein „trojanisches Pferd“ wird als „Freihandelsfalle“ entlarvt – weiter
Transatlantisches Freihandelsabkommen – weiter
Banken zahlen Millionen für TTIP – weiter
Handelsabkommen und Ausnahmeregelungen für öffentliche Dienste
Es gibt ein grundsätzliches Konfliktpotenzial zwischen öffentlichen Diensten und Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen. Öffentliche Dienste sollen eine grundlegende soziale Daseinsvorsorge leisten, die bezahlbar, universell verfügbar und nicht gewinnorientiert ist. Öffentliche Dienste werden im Allgemeinen von einem Regelwerk begleitet, das ihre Kommerzialisierung bewusst einschränkt und dafür sorgt, grundlegende Dienstleistungen nicht als reine Handelsware anzusehen. Handelsabkommen dagegen fördern gezielt die Kommerzialisierung und definieren Dienstleistungen im Hinblick auf ihr Potenzial neu, von global agierenden Unternehmen und internationalen Dienstleistungsanbietern profitabel verwertet zu werden.
In den meisten Fällen zwingen Handelsabkommen die Regierungen nicht zu Privatisierungen. Allerdings fördern sie die Privatisierung und Kommerzialisierung auf mehreren Wegen. Zunächst erfolgt dies durch Kostensteigerungen für die Erweiterung bestehender Dienstleistungen oder für das Anbieten neuer Dienstleistungen. Die derzeit geltenden Handelsabkommen schreiben auf unterschiedliche Weise das zutiefst rückschrittliche Konzept fest, dass ausländische Exporteure kommerzieller Dienstleistungen und Investoren eine „Entschädigung“ erhalten müssen, wenn ein Land neue öffentliche Dienste anbietet oder bestehende erweitert. Regierungen behalten zwar das formale Recht, öffentliche Dienste zu erweitern oder das Diensteangebot zu erweitern, die Abkommen erschweren und verteuern dies jedoch erheblich. Diese Abkommen sorgen auch dafür, dass speziell ausländische Investoren und kommerzielle Dienstleistungsanbieter bei Verhandlungen am längeren Hebel sitzen, wenn es um privatwirtschaftliche Interessen geht, denn sie können jederzeit mit juristischen Konsequenzen drohen, wenn neue öffentliche Dienste vorgeschlagen oder eingeführt werden. Schließlich wird es für zukünftige gewählte Regierungen schwierig, im Rahmen eines Kurswechsels frühere Privatisierungen - selbst wenn sie gescheitert sind – rückgängig zu machen. Die Privatisierung wird somit zu einem Fait accompli.
Der grundlegende Text des TiSA verweist auf den GATS-Artikel I:3, der Dienstleistungen aus dem Geltungsbereich des Abkommens ausschließt, die „in Ausübung hoheitlicher Gewalt erbracht werden“. Wenn es den Regierungen überlassen wäre zu definieren, welche Dienstleistungen ihrer Meinung nach unter ihre staatliche Hoheit fallen, dann hätte Artikel I:3 eine umfassende Ausnahmeregelung darstellen können, die den Regierungen weiterhin die für den Schutz öffentlicher Dienste erforderliche Flexibilität erhalten hätte. Leider werden aber diese unter Ausübung hoheitlicher Befugnisse erbrachten Dienstleistungen ganz eng definiert als „jede Art von Dienstleistung, die weder zu kommerziellen Zwecken noch im Wettbewerb mit einem oder mehreren Dienstleistungserbringern erbracht wird“. Damit sind öffentliche Dienste nur unzureichend oder gar nicht geschützt.
In der Praxis werden öffentliche Dienste für die Bevölkerung durch ein gemischtes System erbracht, das vollständig oder teilweise durch Regierungen und Verwaltungen auf zentraler staatlicher, regionaler oder kommunaler Ebene finanziert wird und von diesen Körperschaften auch streng reguliert wird. Öffentliche Dienste wie die Gesundheitsversorgung, Sozialdienstleistungen, Bildung, Abfallentsorgung, Wasserwirtschaft und Postdienstleistungen können eine komplexe und sich ständig verändernde Mischung aus staatlicher und privatwirtschaftlicher Finanzierung darstellen. Selbst innerhalb eines einzigen Sektors können diese Systeme ein Konglomerat oder eine Koexistenz staatlicher, privat-gemeinnütziger und privat-gewinnorientierter Leistungserbringung sein. Der Umfang dieser öffentlichen Dienste und ihre unterschiedlichen Erbringungsformen stellen sich innerhalb jedes Landes völlig unterschiedlich dar. Eine effektive Ausnahme dieser Dienste aus dem Geltungsbereich muss die Fähigkeit der Regierungen bewahren, öffentliche Dienste durch die von ihnen als zweckmäßig angesehenen Erbringungsformen anzubieten, diese gegebenenfalls zu ändern und alle Aspekte dieses gemischten Systems strikt und im Interesse und nach dem Bedarf ihrer BürgerInnen zu regulieren.
Da die Klausel über die hoheitliche Gewalt keinen adäquaten Schutz öffentlicher Dienste bewirkt, müssen Regierungen auf andere Mittel zurückgreifen, um öffentliche Dienste dem Kommerzialisierungsdruck durch GATS zu entziehen. Eine Handlungsoption besteht darin, in einem Sektor keinerlei Verpflichtungen einzugehen.8 Leider führt der Negativlistenansatz von TiSA im Bereich der Inländerbehandlung dazu, dass diese Flexibilität eingeschränkt wird.9
Als weitere Möglichkeit können Staaten horizontale Beschränkungen (das heißt Ausnahmen) gegen spezifische Verpflichtungen beanspruchen.10 Ein Beispiel hierfür ist die EU-Ausnahmeregelung für öffentliche Versorgungsbetriebe: danach „können Dienstleistungen, die auf nationaler oder örtlicher Ebene als öffentliche Versorgungsleistungen angesehen werden, öffentlichen Monopolen oder privaten Betreibern gewährten ausschließlichen Rechten unterliegen.“11 Solche Ausnahmeregelungen können einen wirksamen Schutz bestehender Modelle des öffentlicher Dienstes in bestimmten Ländern sein, sind jedoch nicht flexibel genug, sich auf die Dynamik öffentlicher Dienste einzustellen.12 Auf jeden Fall ist damit zu rechnen, dass diese länderspezifischen Einschränkungen den erklärten Zielen des TiSA entgegenstehen und die TiSA-Teilnehmer deshalb versuchen werden, sie zu unterwandern oder komplett zu verhindern.
Die letzte Option für eine Regierung besteht darin, Verpflichtungen wieder rückgängig zu machen, obwohl dann in diesen Fällen Ausgleichsmaßnahmen mit den Regierungen anderer WTO-Mitglieder ausgehandelt werden müssen. Diese Bestimmung (GATS-Artikel XXI) gibt Regierungen ein gewisses Maß an Flexibilität, um frühere Fehler zu korrigieren und das Dienstleistungsangebot GATS-konform zu erweitern. In der Tat haben sowohl die EU als auch die EU diesen Artikel schon in Anspruch genommen, um ihre GATS-Verpflichtungslisten zu modifizieren. Allerdings kollidiert die Option, Verpflichtungen revidieren zu können, mit den Stillhalte- und Ratchet-Klauseln des TiSA.13 Entsprechend kann fast mit Sicherheit davonausgegangen werden, dass es diese Klauseln im TiSA nicht geben wird.
Zusammenfassend gilt, dass die erheblichen Probleme, die sich für den Erhalt öffentlicher Dienste bereits unter GATS stellen, durch TiSA zusätzlich verschärft werden.
Rekommunalisierung
Die neoliberale Wende in vielen Ländern in den 1980er und 1990er Jahren hat zu einer umfassenden Privatisierung wichtiger öffentlicher Dienste geführt. Besonders die in Finanznot geratenen Gemeinden glaubten nur zu gerne an die Versprechungen von Kosteneinsparungen durch die Privatisierung von Energieversorgern, öffentlichen Verkehrsunternehmen, Abfallentsorgern, Gesundheitsdienstleistern und anderen Bereichen unter öffentlicher Verantwortung. In letzter Zeit haben jedoch negative Erfahrungen mit gewinnorientierten Modellen der Dienstleistungserbringung viele Gemeinden dazu veranlasst, den Sinn dieser Privatisierungsstrategien erneut zu überdenken.38
Eine der populärsten und auch machtvollsten Antworten auf die fehlgeschlagenen Privatisierungen ist der verstärkte Trend zur Rekommunalisierung. Dies bezeichnet den Prozess der Rückführung eines privatisierten öffentlichen Dienstes in die Obhut des öffentlichen Sektors. Diese Umkehr findet typischerweise auf der kommunalen Ebene statt, obwohl eine Rekommunalisierung im Prinzip auch auf regionaler oder sogar staatlicher Ebene durchgeführt werden kann. Praktisch jeder öffentliche Dienst, der einmal privatisiert wurde, kann wieder kommunalisiert werden.
Rekommunalisierungen gibt es bereits in Städten und Gemeinden auf allen Kontinenten und unter den unterschiedlichsten Rahmenbedingungen. In welcher Breite dieser Umdenkprozess inzwischen stattfindet, zeigt ein vor kurzem veröffentlichtes Buch über die Rekommunalisierung der Wasserversorgung mit Falldiskussionen in Argentinien, Kanada, Frankreich, Tansania und Malaysia.39 In den vier ersten Fällen ging es um Kommunalverwaltungen, während in Malaysia die Bundesregierung selbst betroffen war. In allen diesen Fällen gab es eine wachsende Unzufriedenheit mit „gebrochenen Versprechen, dem Ausschluss armer Bevölkerungsteile von Versorgungsleistungen [und mit] fehlender integrierter Planung“40 seitens der privaten Wasserversorger. Als Reaktion darauf arbeitet die Regierung an der Rückführung der Wasserversorgung in die öffentliche Hand. Zwar ist die Rekommunalisierung der Wasserwirtschaft nicht unproblematisch, und in jedem Einzelfall gibt es spezifische Schwierigkeiten. Die Autoren kommen aber letztlich zu dem Schluss, dass die „Rekommunalisierung eine glaubwürdige, realistische und attraktive Option für Städte und politische Entscheidungsträger ist, die unzufrieden mit der Privatisierung sind.“41
Die deutsche Energiewirtschaft ist ein weiteres gutes Beispiel. Seit 2007 haben Hunderte von deutschen Gemeinden die früher privatisierte Stromversorgung wieder kommunalisiert oder neue eigene Stadtwerke gegründet; weitere zwei Drittel der deutschen Städte und Gemeinden prüfen ähnliche Maßnahmen.42 Die Unzufriedenheit mit den privaten Stromversorgern im Land ist in erster Linie der schlechten Bilanz bei der Umstellung auf erneuerbare Energien geschuldet. Es gibt wenig Marktanreize, auf grüne Energieoptionen zu setzen, weshalb die Kommunen die Umstellung auf die Erneuerbaren in die eigene Hand nehmen. Kommunalverwaltungen haben außerdem festgestellt, dass monopolistische oder oligopolistische private Energieunternehmen tendenziell die Energiepreise erhöhen, während die Rekommunalisierung zur Senkung der Preise führt. Finnland, Ungarn und das Vereinigte Königreich verfolgen ebenfalls Rekommunalisierungsprojekte. Zu weiteren an diesen Projekten beteiligten Sektoren gehören der öffentliche Verkehr, Abfallentsorgung, Stadtreinigung und Wohnwirtschaft.43
Die Rekommunalisierung ist deshalb von Bedeutung, weil sie nachweist, dass frühere Entscheidungen über die Übertragung öffentlicher Aufgaben an Privatunternehmen nicht unumkehrbar sein müssen. Entscheidungen darüber, wie ein öffentlicher Dienst am besten zu erbringen ist, sind je nach Umständen ganz unterschiedlich zu treffen und können sich im Laufe der Zeit ändern. Die Fähigkeit, auf neue Informationen, sich ändernde Bedingungen oder eine andere öffentliche Meinung zu reagieren, ist eine existenzielle Freiheit demokratischer Regierungen, die dem öffentlichen Interesse nach bestem Wissen und Gewissen dienen wollen.
Das TiSA würde die Rekommunalisierung begrenzen und sogar ausschließen, da dieses Abkommen die Regierungen daran hindern würde, öffentliche Monopole oder vergleichbare „wettbewerbsunfähige“ Formen der Dienstleistungserbringung zu etablieren oder wiederherzustellen. Handelsabkommen wir das TiSA haben einen extrem breiten Anwendungsbereich. Sie sorgen nicht nur für die diskriminierungsfreie Behandlung ausländischer Dienstleistungen und Dienstleistungserbringer. Sie gehen noch weiter, indem sie bestimmte völlig diskriminierungsfreie Regulierungsmaßnahmen von Regierungen einschränken oder sogar verbieten.
Ähnlich wie in GATS-Artikel XVI festgelegt, würde auch TiSA öffentliche Monopolstellungen und Dienstleister mit ausschließlichen Rechten in voll eingebundenen Sektoren verbieten.
Eine besondere Problematik für die Rekommunalisierungsprojekte stellen die vorgeschlagene Stillstands- und die Ratchet-Klausel im TiSA dar. Die Stillstandsklausel würde den bis dato erreichten Stand der Liberalisierung von Dienstleistungen in jedem Land zementieren und damit jede Entwicklung von einer marktorientierten zu einer staatlich organisierten Erbringung öffentlicher Dienste unmöglich machen. Diese Klausel würde nicht per se öffentliche Monopole verhindern; sie würde aber die Entstehung öffentlicher Monopole in Sektoren unmöglich machen, die zurzeit dem Wettbewerb durch den privaten Sektor geöffnet sind.
In gleicher Weise würde die Ratchet-Klausel automatisch alle zukünftigen Maßnahmen zur Liberalisierung von Dienstleistungen in einem Land unumkehrbar machen. Auch diese Klausel würde per se nicht öffentliche Monopole verbieten. Wenn eine Regierung jedoch die Privatisierung öffentlicher Dienste beschließen würde, wäre es ihr zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr möglich, wieder zu einem öffentlichen Modell zurückzukehren. Die Stillstands- und die Ratchet-Klausel schließen eine Rekommunalisierung per definitionem aus.
Eine Rekommunalisierung wäre unter TiSA nur machbar, wenn sie in Sektoren stattfände, die vom Geltungsbereich des Abkommens ausdrücklich ausgenommen werden. Der entscheidende Punkt ist dabei nicht, dass eine Rekommunalisierung grundsätzlich zweckmäßig ist, sondern dass die Befugnisse zur Einrichtung neuer öffentlicher Dienste und zur Rückführung privatisierter Dienste in den öffentlichen Sektor grundlegende demokratische Freiheiten darstellen. Der Rekommunalisierungstrend zeigt, wie wichtig es ist, sich diese politische Flexibilität zu bewahren. Sie wird durch übergreifende neue Abkommen wie das TiSA gefährdet.
Der Abschreckungseffekt: öffentliche Kfz-Versicherung
Die Drohkulisse juristischer Auseinandersetzungen infolge der Bestimmungen internationaler Handelsabkommen entfaltet eine abschreckende Wirkung, die Regierungen davon abhalten kann, im öffentlichen Interesse zu handeln und öffentliche Dienste neu anzubieten oder bestehende Dienste zu erweitern. Ein Beispiel für diese Abschreckung ist das Schicksal eines populären Vorschlags für eine staatliche Kfz-Versicherung in der kanadischen Provinz New Brunswick in den Jahren 2004-2005.
Die öffentliche Kfz-Versicherung in den Provinzen wird typischerweise durch ein gemeinnütziges öffentlich-rechtliches Unternehmen (in Kanada Crown Corporation genannt) angeboten, das die grundlegende gesetzlich vorgeschriebene Versicherung und wahlweise eine zusätzliche Kaskoversicherung anbietet. Sie hält ein öffentliches Monopol. Private Versicherungsagenturen und –makler spielen jedoch nach wie vor eine wichtige Rolle beim Vertrieb dieses öffentlichen Produktes. Substanzielle Einsparungen bei den Versicherungsprämien lassen sich durch „geringere Verwaltungskosten und das Mandat der Gemeinnützigkeit der Crown Corporation als Alleinanbieter erzielen.“52 Mit ihren preiswerteren Versicherungsbeiträgen und einem besseren Versicherungsschutz für ältere und jüngere AutofahrerInnen ist die öffentliche Kfz- Versicherung bei den WählerInnen sehr beliebt.
Mitte der 90er Jahre ging Kanada im Rahmen von GATS Verpflichtungen im Bereich Marktzugang und Inländerhandlung ein, die auch für die Kfz-Versicherung gelten. Der GATSMarktzugang verbietet Monopole in Sektoren, in denen der Staat Verpflichtungen eingegangen ist, wenn sie nicht als Ausnahmen auf der Länderliste aufgeführt sind. Kanada hat eine Ausnahme für Monopole öffentlicher Kfz-Versicherungen aufgelistet, aber dadurch wurden nur bestehende öffentliche Kfz-Versicherungen in vier Provinzen geschützt. Die kanadischen Verhandlungsteams hatten es versäumt, durch flexible Regelungen die Möglichkeit für die Einführung neuer Systeme in anderen Provinzen zu wahren.53
Nach einem extrem auf dieses Thema fokussierten Wahlkampf setzte die Provinzregierung von New Brunswick einen parteiübergreifenden Legislativausschuss ein, der die Empfehlung aussprach, die Provinz solle die öffentliche Kfz-Versicherung weiter anbieten. Die private Versicherungswirtschaft lief jedoch gegen diese Pläne Sturm und wies darauf hin, dass diese nicht mit den kanadischen GATS-Verpflichtungen vereinbar seien. Sie drohte weiterhin mit einem Verfahren zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen Investoren und dem Staat, um Ausgleichszahlungen für entgangene Gewinne zu erhalten.54 Trotz umfassender politischer und öffentlicher Unterstützung konnte diese vorgeschlagene Politik nicht umgesetzt werden.
Ein spezielles GATS-Verfahren hätte es der kanadischen Regierung ermöglicht, ihre 1997 eingegangenen Verpflichtungen im Bereich Finanzdienstleistungen und Kfz-Versicherungen zurückzuziehen. Von Kanada wäre dann erwartet worden, seine GATS-Verpflichtungen in anderen Sektoren zu erhöhen, um betroffene WTO-Mitgliedsregierungen für den Verlust von Marktzugangsmöglichkeiten in der Versicherungsbranche zu entschädigen. Die Stillstands- Klausel im TiSA soll jedoch auch diese begrenzte GATS-Flexibilität beseitigen und verhindert auf diese Weise noch massiver die Erweiterung öffentlicher Dienste auf Bereiche wie die öffentliche Kfz-Versicherung oder Krankenversicherung.
► Fußnoten:
1. See Sinclair, Scott. (2014). “Trade agreements, the new constitutionalism and public services.” In Stephen Gill and A. Claire Cutler (Eds.), New Constitutionalism and World Order (pp. 179-196). Cambridge University Press. ?
2. Sauve´, Pierre. (May 2013). “A Plurilateral Agenda for Services? Assessing the case for a Trade in Services Agreement (TiSA).” Swiss National Centre of Competence in Research (NCCR) Trade Regulation, Working Paper 29. Bern, Switzerland: Swiss National Science Foundation. p. 8. Online at NCCR
3. Auf der anderen Seite hat sich Singapur, ein Gründungsmitglied der RGF-Gruppe, aus den TiSA-Verhandlungen zurückgezogen. Singapur hat bereits Freihandelsabkommen mit fast allen anderen TiSA-Teilnehmern abgeschlossen oder steht in entsprechenden Verhandlungen, mit Ausnahme der Europa¨ischen Union. Singapur steht außerdem in separaten Verhandlungen mit Kanada, Japan und Mexiko. Nach Auffassung Singapurs hatten die TiSA-Gespräche angesichts der Nichtteilnahme wichtiger Schwellenländer keine Priorität. ?
4. Auf dem WTO Public Forum Anfang Oktober 2013 hat der US-Handelsvertreter Michael Froman zugesagt, „eng mit unserem Kongress, unseren Interessenvertretern und mit anderen Verhandlungspartnern als Teil eines sorgfältigen Prüfungsverfahrens eine Konsultation durchzuführen und dafür zu sorgen, dass jede neue TiSA-Verhandlungspartei die gleichen Verhandlungsambitionen zeigt wie die bereits involvierten Parteien.” Pruzin, Daniel. (November 12, 2013). “TISA Round Sees Progress on Proposals, Commitments to Make Market Access Offers.” WTO Reporter. Bloomberg Bureau of National Affairs. ?
5. Inside U.S. Trade. (November 22, 2013). “China Categorically Rejects U.S. Preconditions To Participation In TISA.” World Trade Online, 31(46). ?
6. Rabinovitch, Simon. (September 27, 2013). “China unveils blueprint for Shanghai free trade zone.” Financial Times of London. ?
7. China hat diese Sozialdienstleistungssektoren speziell als vorrangige Bereiche für eine zunehmende Kommerzialisierung bezeichnet. ?
8. Die Coalition of Service Industries beschreibt sich selbst als die „führende Wirtschaftsorganisation, die sich der Entwicklung der amerikanischen Innen- und Außenpolitik zur Erhöhung der globalen Wettbewerbsfähigkeit des US-Dienstleistungssektors durch bilaterale, regionale, multilaterale und sonstige Handels- und Investitionsinitiativen verpflichtet fühlt.” Nach dem Rücktritt Vastines 2012 wird die Organisation jetzt von Peter Allgeier geleitet, dem früheren US-Botschafter bei der WTO und stellvertretendem US-Handelsvertreter. ?
9. Inside U.S. Trade. (July 28, 2011). “Business Groups Say Countries Should Rethink, Or Abandon, Doha Round.” World Trade Online, 29(30). ?
10. Inside U.S. Trade. (February 13, 2009). “USTR Sees Difficulty In Obtaining Improved Services Offers In Doha Round.” World Trade Online, 27(6). ?
11. Die Global Services Coalition ist die Dachorganisation der Lobbygruppen, zu denen auch die US Coalition of Services Industries gehört; weitere Mitglieder: European Services Forum, Australian Services Roundtable, Canadian Services Coalition, Hong Kong Coalition of Service Industries, Japan Services Network, Taiwan Coalition of Service Industries und TheCityUK, das die britische Finanzdienstleistungsindustrie fo¨rdert. ?
12. Global Services Coalition. (September 10, 2013). “Letter to Karel de Gucht, Commissioner for Trade, European Commission.” - PDF
13. Coalition of Services Industries. (February 26, 2013). Letter to Douglas Bell, Office of the United States Trade Representative. p. 5. - PDF
14. Devarakonda, Ravi Kanth. (March 17, 2012). “An Assault on Multilateral Trade Negotiations.” Inter Press Service. Online at ipsnews.net
15. Bradner, Eric. (February 14, 2014). “U.S. financial proposal for TISA could come next week.” Politico. ?
16. „Marktzugang“ hat im GATS- und TiSA-Kontext zwei unterschiedliche Bedeutungen. Im allgemeinen Sinn bedeutet Marktzugang das Recht eines Dienstleistungserbringers, eine Dienstleistung in einer der vier Erbringungsarten (Modi) zu erbringen. Im spezifischen Sinn wird hier Bezug genommen auf GATS-Artikel XVI, der Maßnahmen seitens der Regierung verbietet, die eine Beschränkung der Gesamtzahl der Dienstleistungen, des Gesamtwertes der Dienstleistungsgeschäfte oder des Betriebsvermögens, des Gesamtvolumens erbrachter Dienstleistungen, der Gesamtzahl natürlicher Personen, die eine Dienstleistung erbringen, und der Beteiligung ausländischen Kapitals beinhalten oder die bestimmte rechtliche Unternehmensformen vorschreiben. Alle diese Maßnahmen sind im Rahmen von GATS nicht rechtens selbst dann, wenn sie gleichermaßen für in- und ausländische Dienstleistungserbringer gelten. ?
17. Pruzin, Daniel. (November 12, 2013). “TISA Round Sees Progress on Proposals, Commitments to Make Market Access Offers.” WTO Reporter. Bloomberg Bureau of National Affairs. ?
18. Eine gute Beschreibung der Breite und Komplexität der Ausführung der Stillstands- und der Ratchet-Klausel siehe Schweizer Staatssekretariat für Wirtschaft (27. Februar 2013). “Questionnaire by Switzerland on Standstill and Ratchet.” Federal Department of Economic Affairs, Education and Research. Online at: seco.admin.ch
19. Hall, David. (January 2010). “Challenges to Slovakia and Poland health policy decisions: use of investment treaties to claim compensation for reversal of privatisation/liberalisation policies.” Public Services International Research Unit. Online at: gala.gre.ac.uk/
20. See World Trade Organization. (March 1, 1999). “Article VI:4 of the GATS: disciplines on domestic regulation applicable to all services.” Note by the Secretariat. ?
21. See remarks by Sanya Reid Smith, Legal Advisor, Third World Network at the WTO Public Forum on October 2, 2013. Online at: YouTube
22. Diese Informationen stammen aus vertraulichen Gesprächen mit unterschiedlichen TiSA-TeilnehmerInnen und BeobachterInnen, geführt von Scott Sinclair in Genf Anfang Oktober 2013. ?
23. In dem Bericht des U.S.-Gambling Panels heißt es: „Die Regulierungssouveränität der Mitglieder ist ein wichtiger Pfeiler der fortschreitenden Liberalisierung des Dienstleistungshandels, aber diese Souveränität endet da, wo die Rechte anderer GATS-Mitglieder beeinträchtigt werden.“ World Trade Organization. (November 10, 2004). “United States—Measures Affecting the Cross-border Supply of Gambling and Betting Services.” Report of the Panel, WT/D285/R. ?
24. See Sinclair, Scott. (June 2006). “Crunch Time in Geneva: Benchmarks, plurilaterals, domestic regulation and other pressure tactics in the GATS negotiations.” Ottawa: Canadian Centre for Policy Alternatives. Online at: policyalternatives.ca/ PDF
25. Pruzin, Daniel. (March 28, 2013). “Turkey Outlines Mode 4 Demand for Trade in Services Agreement Talks.” WTO Reporter. Bloomberg Bureau of National Affairs. ?
26. Samuel Di Piazza, chairman of the U.S.-based Coalition of Services Industries and former vice chairman of the institutional clients group with Citibank. Quoted in Pruzin, Daniel. (March 28, 2013.) “Turkey Outlines Mode 4 Demand for Trade in Services Agreement Talks.” WTO Reporter. Bloomberg Bureau of National Affairs. ?
27. Drake, Celeste. (October 2, 2013). “Presentation at the WTO Public Forum.” Online at: YouTube
28. See Letter from U.S. Congressional representatives to USTR Michael Froman, July 17, 2013. Online at: http://insidetrade.com/index.php?option=com_iwpfile&file=jul2013/wto2013_2288.pdf (accessible for subscribers only). ?
29. United States Trade Representative. (2013), “2013 Section 1377 Review On Compliance with Telecommunications Trade Agreements.” p. 4. Online at: www.ustr.gov/
30. Inside U.S. Trade. (June 14, 2013). “Punke Signals U.S. Government Surveillance Could Complicate Trade Talks.” World Trade Online, 31(24). ?
31. See Sinclair, Scott. (2014). “Trade agreements, the new constitutionalism and public services.” In Stephen Gill and A. Claire Cutler (Eds.), New Constitutionalism and World Order (pp. 179-196). Cambridge University Press. ?
32. Siehe GATS-Artikel XIV bis, „Ausnahmen zur Wahrung der Sicherheit“, Auszug: „Dieses Übereinkommen ist nicht dahingehend auszulegen ….dass ein Mitglied daran gehindert wird, Maßnahmen zu treffen, die es zum Schutz seiner wesentlichen Sicherheitsinteressen für nötig hält ….” Online at: wto.org/
33. Eine ausgezeichnete Diskussion im EU-Kontext über verfügbare Möglichkeiten für einen stärkeren Schutz öffentlicher Dienste in Handels- und Investitionsabkommen siehe: Krajewski, Markus. (November 14, 2013). “Public Services in EU Trade And Investment Agreements.” Draft paper prepared for the seminar The politics of Globalization and public services: putting EU’s trade and investment agenda in its place. Brussels. Online at: www.epsu.org/
► Bild- und Grafikquellen:
1. "Kein Handel mit öffentlichen Diensten" - das offizielle Logo der PSI - zur Webseite
PSI unterstützt lokale und regionale Kampagnen. Sie arbeiten eng zusammen mit angeschlossenen Gewerkschaften zur Förderung der Tarifautonomie, die Rechte der Arbeitnehmer zu schützen und für die Gleichstellung, Gerechtigkeit und Würde für alle zu kämpfen.
PSI unterstützt Mitgliedsgewerkschaften durch die Vereinigung Entwicklungsprojekte, sowohl on-the-ground Kapazität und der internationalen Solidarität zu bauen. Dies ist besonders wichtig in Ländern, in denen die Arbeitnehmer für die Anerkennung ihrer Gewerkschaften kämpfen. PSI präsentiert den Fall für hochwertige öffentliche Dienstleistungen in vielen Foren. Dazu gehören die Internationale Arbeitsorganisation und andere Organe der Vereinten Nationen, die Weltbank und regionale Entwicklungsbanken, des Internationalen Währungsfonds, der Welthandelsorganisation, der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und viele andere.
2. PSI-Kampagne gegen TISA mit einer Demo in Genf. April 2014. Foto: PSI - zur Webseite
3. NAFTA-Logo: Das Nordamerikanische Freihandelsabkommen (englisch North American Free Trade Agreement, NAFTA; französisch Accord de libre échange nord américain, ALÉNA; spanisch Tratado de Libre Comercio de América del Norte, TLCAN) ist ein ausgedehnter Wirtschaftsverband zwischen Kanada, den USA und Mexiko und bildet eine Freihandelszone im nordamerikanischen Kontinent. Die NAFTA wurde zum 1. Januar 1994 gegründet. Mit Inkrafttreten des Freihandelsabkommens wurden zahlreiche Zölle abgeschafft, viele weitere wurden zeitlich ausgesetzt. Das Abkommen ging aus dem Kanadisch-Amerikanischen Freihandelsabkommen von 1989 hervor, das im Gegensatz zur Europäischen Union keine supranationalen Regierungsfunktionen wahrnimmt und dessen Bestimmungen auch keine Vorrangposition gegenüber nationalem Recht einnehmen. Es handelt sich dabei um einen zwischenstaatlichen Vertrag.
Autor: AlexCovarrubias. Quelle: Wikimedia Commons. Diese Datei ist unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung 2.5 generisch“ (US-amerikanisch) lizenziert.
4. Stoppt TISA! Grafik-Quelle:
- Webseite von Beppe Grillo / Italien > http://www.beppegrillo.it/ > zum STOPP TiSA-Logo
- Webseite von Prof. Dr. Klaus Buchner, ödp > http://prof-dr-klaus-buchner.de/
5. TiSA - TTIP - STOP. Demonstration "March against Monsanto", Düsseldorf 2014. Foto: Arbeiterfotografie > Arbeiterfotografie.com > Bildergalerie
TiSA: die totale Vermarktung
Das TTiP steht noch als Bedrohungspotenzial vor der Tür. Es gibt zwar vermehrte Bürgerproteste und Einwendungen gegen das Freihandelsabkommen, aber nach wie vor haben sich die entscheidenden Politiker und Regierungen noch nicht davon distanziert – im Gegenteil, sie wollen es uns als Wohltat aufs Brot schmieren. Da wird gleich ein weiteres infames Projekt aufgetischt, das im Hintergrund des TTiP nachgeschoben wird: das TiSA, das Abkommen zum Handel mit Dienstleistungen, das an die Stelle des bisherigen GATS treten soll. So ist es im Artikel von von Scott Sinclair und Hadrian Mertins-Kirkwood nachzulesen.
Das TiSA greift noch grundlegender als das TTiP in die existenziellen Belange der Bürger ein. Es soll mit der Absicht eingeführt werden, sämtliche öffentliche Bereiche, Dienstleistungen und sozialen Versorgungssysteme zu privatisieren, d. h. der Willkür der Konzerne und des Kapitals zu unterstellen. Was bisher noch als Aufgabe eines Sozialstaates angesehen wurde, soll zukünftig nicht mehr nach humanen und sozialen Kriterien gewährleistet werden, sondern es wird zum Spielball der Marktwirtschaft degradiert und damit ein reines Objekt der Profitgier.
Was das konkret und praktisch für das tägliche Leben der Bürger bedeutet, das muß man sich einmal ausmalen. Es handelt sich in letzter Instanz um die totale Ökonomisierung aller Lebensbereiche. Wer durch das Raster der sog. „Leistungsgesellschaft“ fällt und nicht mehr als Konsument interessant ist, der wird sozusagen als gesellschaftlicher Müll ausrangiert. Wer nicht die nötige Kohle besitzt, um die dann privatisierte Grundversorgung zu bezahlen, der hat eben Pech gehabt, kann betteln gehen oder den Abfall der Konsumgesellschaft ausbuddeln. Mitmenschlichkeit und Solidarität haben bei Vollzug des TiSA endgültig ausgedient. Endgültig ist deshalb korrekt, weil TiSA eine Rückgängigmachung bzw. Rekommunalisierung von Privatisierungen ausschließt.
Aus der Praxis wissen wir, was auf uns zukommt, wenn Wasser- und Stromversorgung, Gesundheitsdienste, Bildungs- und Kultureinrichtungen sowie viele weitere Basisbedürfnisse auf Kostenminimierung und Renditemaximierung umgestellt werden:
Die Profitgeier sind unterwegs und scheuen vor nichts zurück. Wenn sie einen Weg finden würden, wie sie die Luft, die wir atmen, zur käuflichen Ware machen könnten, dann würden sie es skrupellos umsetzen. Vorher würden sie die Luft noch absichtlich verschmutzen und uns mit den überhöhten Reinigungsgebühren belasten. Es ist ein Skandal, daß die meisten von uns gewählten Politiker die kriminellen Machenschaften von TTiP und TiSA fördern und eine Lügenkampagne gestartet haben, um die Bürger zu täuschen.
MfG Peter A. Weber