„Widerstand gegen den neoliberalen Sozialstaat“

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Peter Weber
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„Widerstand gegen den neoliberalen Sozialstaat“
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Widerstand gegen den neoliberalen Sozialstaat

Kürzlich habe ich mich mit dem 2-teiligen Vortrag von Prof. Dr. Albert Krölls eingehend beschäftigt und einzelne Textstellen daraus bereits kommentiert.

Prof. Krölls hat die gegenwärtige Situation und die Mißstände aufgezeigt, Daraus drängt sich mir die Frage auf: Sollen wir uns damit wirklich abfinden ?


Schlußfolgerungen und Handlungsalternativen aufgrund des aufgezwungenen neuen Sozialstaats-Verständnisses

Den sog. „Fortschritt“ vom Wohlfahrtsstaat zum aktivierenden Sozialstaat  des Forderns und Förderns muß man sich zunächst einmal wie eine Droge herein ziehen. Danach beantwortet sich dann auch die Frage einfacher, ob man überhaupt für den Erhalt des Sozialstaates eintreten soll und was es mit den Idealen von Menschenwürde und sozialer Gerechtigkeit auf sich hat. Diese Frage danach wird natürlich von unterschiedlichen Interessengruppen anders beantwortet. Aber uns sollen an dieser Stelle in erster Linie die Belange des „Normalbürger“ tangieren.

Die erste anschließende Preisaufgabe, die sich nach einer solchen Interpretation der Rechte und Pflichte des Staatsbürgers stellt, ist doch die: Kann sich eine solche Gesellschaft wie die unsrige überhaupt noch als demokratisch und insbesondere der Ethik verpflichtete humanistische Gemeinschaft nennen?

Die Antwort ist natürlich eindeutig:  NEIN !!!

Die zweite Frage, die auftaucht, ist die nach den Argumenten und Verhaltensalternativen, die sich den Bürgern unter den geschilderten Bedingungen noch stellen. Prof. Kröll hat zwar die naive Ansatzweisen der Kritiker und Betroffenen des neuen „fordernden sozialen Staates“ oder „Wohlfahrtsstaat zum aktivierenden Sozialstaat“  an Agenda 2010 und Hartz IV usw. als zwecklos und sogar als Eigentor dargestellt.  Allerdings hat er „die Frage, ob man für den Erhalt des Sozialstaates eintreten soll und was es mit den Idealen von Menschenwürde und sozialer Gerechtigkeit auf sich hat“ immerhin aufgeworfen. Damit hat jedoch lediglich angedeutet, auf welcher Basis denn eine sinnvoll begründete und zielgerichtete Herangehensweise erfolgen sollte.

Meiner Meinung kann es hier nur einen Lösungsansatz geben – nämlich die Systemfrage. Wer eine ethisch und humanistisch orientierte Gesellschaft will, der muß erkennen, daß dies mit einer kapitalistisch organisierten Struktur einfach nicht nicht möglich ist. Es handelt sich hier um ein Gegensatzpaar, das nicht miteinander kompatibel ist. Da nützen auch keine kleinen Schönheitsreparaturen – das Gebäude muß, wenn schon nicht ganz abgerissen, doch von innen entkernt werden. Die bei uns als Potemkinsches Dorf nur noch in Bruchstücken vorhandene Demokratie wird zwar immer noch als Aushängeschild mißbraucht, hat sich aber in der Praxis zu einer Art von Plutokratie oder Wirtschaftsfeudalismus ausgewachsen. Lt. Wikipedia ist die Plutokratie eine

„Herrschaftsform, in der Herrschaft durch Vermögen legitimiert wird, also die Herrschaft des Geldes ….“.  „In einem plutokratischen System gibt es einen hohen Grad an sozialer Ungleichheit bei geringer sozialer Mobilität. In einer Plutokratie sind Ämter in der Regel nur den Besitzenden zugänglich (oder denjenigen, die sich den Besitzenden als Vasallen andienen – Anm. d. Verf.)

Es existiert ein Zensuswahlrecht (oder ein allgemeines Wahlrecht wie das unsere, das zwar auf dem Papier steht, aber in Wirklichkeit kaum eine Steuerungswirkung ausübt – Anm. d. Verf.), das Besitzlose von den politischen Bürgerrechten ausschließt und in der politische Macht hauptsächlich zum Nutzen der Machtinhaber ausgeübt wird. Damit ist verbunden, dass die finanzielle Macht Einzelner oder Unternehmen die verfassungsmäßige Ordnung eines Staates umgeht, eigennützig den Staat steuert und demokratische Wahlen möglichst manipuliert.“


Derartig definiert kommen wir dem Zustand einer Plutokratie schon sehr nahe!

Ich will Euch hier an dieser Stelle nicht im Detail vorschlagen, auf welche Weise Ihr genau Widerstand leisten sollt oder könnt. Darüber ist an anderer Stelle im Kritischen Netzwerk schon ausführlich berichtet worden. Wie weit wir allerdings mit unserem geduldigen Abwarten schon gekommen sind, schildert Egon W. Kreutzer in seinem  Werk zu Aschermittwoch 2012 „Aufgewacht Narren – Aschermittwoch!“, aus dem ich Euch mit einigen Auszügen beglücken möchte:

Aufgewacht, Narren!

„Dann meine ich nicht diejenigen, bei denen Schmerz, Angst und Zorn zu Ausbrüchen geführt haben, nicht jene, die ein Fanal gesetzt haben, sondern alle diejenigen, die sich in der Gewissheit sonnen, mit ein bisschen Widerstand, ein bisschen Demonstrieren, ein bisschen Campact-Aufrufe-mit Unterzeichnen, sei es genug.

Dann meine ich diejenigen, die meinen, sie könnten, wenn es wirklich so weit kommen sollte, schnell Widerstand organisieren, auf die Straße gehen, sich wehren. Die Staatsmacht würde dann schon kapitulieren.“

Es geht schon längst gar nichts mehr, wenn es die Staatsmacht nicht will.

„Die Staatsmacht nimmt es sich heraus, selbst frei gewählte Abgeordnete des Deutschen Bundestages geheimdienstlich überwachen zu lassen. Und die können nichts dagegen tun, als hilflos protestieren. Wie viel mehr wird sie es sich wohl herausnehmen, vermeintliche Rädelsführer, Meinungsmacher, Intellektuelle und überhaupt jegliche unbequeme Elemente zu überwachen?

Ein, zwei Wasserwerfer genügen, um euch vom Platz zu wischen. Einige Hundertschaften bestausgerüsteter, paramilitärischer Kämpfer der Bundespolizei räumen dann diejenigen auf, die es geschafft haben, einigermaßen trocken zu bleiben.

Und wenn ihr mehr seid, wenn ihr glaubt, die große Zahl würde euch schützen, dann kommt halt der Mikrowellenstrahler. Der ist übers Versuchsstadium hinaus, entwickelt sich gerade zum Exportartikel, weil er hunderten von Menschen gleichzeitig die Haut so schmerzhaft erhitzen kann, dass sie in Panik fliehen, und wer nicht rechtzeitig die Augen schließt, der muss damit rechnen, nie wieder richtig sehen zu können, und wer dem Ding zu nahe kommt, der könnte versehentlich gegrillt werden wie eine Schweinshaxe. Selber schuld, hätte ja nur der Aufforderung folgen müssen, den Platz zu räumen.

Drohnen werden über die Städte fliegen und die Bewegungen Verdächtiger verfolgen, da wo das Netz der Überwachungskameras noch zu lose geknüpft ist. Die Fotoapparate in den Mautbrücken und ihre mobilen kleinen Brüder und Schwestern, die heute schon zur Nummernschilderfassung im fließenden Verkehr eingesetzt werden, werden jedes Fahrzeug erfassen, jeden Fahrer identifizieren - nie wieder wird jemand der mit dem Auto unterwegs war, behaupten können, er habe sich zu diesem Zeitpunkt zuhause aufgehalten, der Nachweis ist leicht erbracht, und schon die Behauptung, den Nachweis führen zu können, wird Geständnisse erleichtern. Und auf den Bahnhöfen, auch im Nahverkehr, sind die Kameras längst fest installiert und liefern ihre Bilder an geheime Zentralen, wo große Rechnerkapazitäten vorgehalten werden, um euch zu identifizieren.

Und glaubt nicht, dass nur mit nichtletalen Waffen gegen euch vorgegangen wird. Der Vertrag von Lissabon erlaubt in "Aufstandssituationen" auch den Einsatz scharfer Waffen (und damit im Prinzip auch den Einsatz des Berufssöldnerheeres Bundeswehr), um den Frieden im Lande wieder herzustellen. Das sind nicht mehr eure Söhne (und Töchter), eure Brüder und Schwestern, die da ihren Dienst zur Landesverteidigung leisten. Das sind Berufssoldaten - und die müssen, es gibt diese Überlegungen – auch nicht unbedingt deutsche Staatsbürger sein“.

"Wir sind das Volk. Wir sind das Volk!"

„Staunend erfahrt ihr, dass man euch Recht gibt. Nun hält man euch entgegen:

Ja! Ihr seid das Volk! Und nichts als das Volk!
Geboren, um zu dienen. Wir geben euch ein einfaches Gesetz,
das jedermann verstehen kann:

Wer kriecht, darf leben.
Wer den Kopf hebt, ist verdächtig.

Wer aufsteht, macht sich selbst zum Ziel“.

Kreutzer nennt diesen Prozeß in seinen Schriften auch in anspielender Form „Der Bürgerkriech“.

Man kann es nicht oft genug wiederholen: Wenn wir uns nicht eine neue Denkweise und Ethik zulegen, die nicht rein mechanistisch-materiellen Werten dient und unsere Handlungen danach ausrichten, zerbröselt das alte System auch ohne unsere Mitwirkung allmählich in seine Teile. Mit Ethik meine ich eine Art von Ethik, wie sie z. B. von Erich Fromm und Albert Schweitzer vertreten wurde. Es ist die Ethik der Biophilie, der Liebe zum Leben, zum Menschen und der Natur, die besagt (um es in den Worten Fromms zu sagen):

„Gut ist alles, was dem Leben dient. Gut ist die Ehrfurcht vor dem Leben und alles, was dem Leben, dem Wachstum, der Entfaltung förderlich ist. Böse ist alles, was das Leben erstickt, einengt und alles, was es zerstückelt.“

Es ist mir wichtig, noch folgendes Zitat aus Erich Fromms Epilog „Über die Zwiespältigkeit der Hoffnung“ aus dem u. a. Werk zu präsentieren, da es auch in vollem Umfang meinen Grundansichten entspricht:

„ … Die in diesem Buch (Anatomie der menschlichen Destruktivität) vertretene Position ist die eines rationalen Glaubens an die Fähigkeit des Menschen, sich aus dem scheinbar verhängnisvollen Netz der Umstände, das er selbst geschaffen hat, zu befreien. Es ist die Position all jener, die weder „Optimisten“ noch „Pessimisten“, sondern „Radikale“ sind, die den rationalen Glauben an die Fähigkeit des Menschen haben, der endgültigen Katastrophe entrinnen zu können. Dieser humanistische Radikalismus geht an die Wurzeln und damit an die Ursachen; er versucht den Menschen von den Ketten seiner Illusionen zu befreien; er postuliert die Notwendigkeit radikaler Änderungen, und zwar nicht nur unserer ökonomischen und politischen Strukturen, sondern auch unserer Werte, unserer Vorstellung von den Zielen des Menschen und unseres persönlichen Verhaltens …“

Hoffe, diese Worte finden auch bei Euch Anklang. Wenn wir vergessen, was diese Wertigkeiten bedeuten, dann ist das Leben auch nicht mehr lebenswert!

Peter A. Weber

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R.K.
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Verbunden: 21.10.2011 - 11:33
Grund- und Menschenrechte wahren!

Ich erlaube mir noch hinzuzufügen:

Erinnern wir uns an die Worte eines grossen Bundespräsidenten!

Das Volk muß sich gegen die Aufgabe seiner Grund- und Menschenrechte wehren. Es muß sich gegen die Verweigerung der Grundrechte, die im Grundgesetz in Art. 1 bis 19 + 20 Abs. 2 + 4 GG, sowie als grundrechtsgleiche Rechte in Art. 92 bis 104, 116, 139 und 146 (alt) GG vereinbart worden sind, wenden. Altbundespräsident Dr. Heinemann, 1969 bis 1974 führte dazu aus:

"Die Grundlage der Demokratie ist die Volkssouveränität und nicht die Herrschaftsgewalt eines obrigkeitlichen Staates. Nicht der Bürger steht im Gehorsamverhältnis zur Regierung, sondern die Regierung ist dem Bürger im Rahmen der Gesetzte verantwortlich für ihr Handeln. Der Bürger hat das Recht und die Pflicht, die Regierung zur Ordnung zu rufen, wenn er glaubt, das sie demokratische Rechte missachtet."

Rainer Kahni genannt Monsieur Rainer

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