Wie Draghi die Wirtschaft ankurbelt

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Ulrich Gellermann
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Verbunden: 22.03.2013 - 15:43
Wie Draghi die Wirtschaft ankurbelt
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Wie Draghi die Wirtschaft ankurbelt


War is good business - Invest your son


Hat Oma schon ein Smartphone? Wenn nicht, soll sie doch ihren Sparstrumpf bei der Kreissparkasse auflösen und schnell eines von diesen schicken Dingern kaufen. Und noch drei für die Enkel dazu. Dann kann sie jeden Tag telefonisch darüber jammern, dass sie bei der Sparkasse keine Zinsen mehr bekommt und, wenn es so weiter geht, noch Geld für´s Geld-Aufbewahren zahlen muss. Das kurbelt die Wirtschaft an, meint Mario Draghi von der Europäischen Zentralbank (EZB) und hat den Leitzins auf 0,15 Prozent gesenkt. Und Draghi muss es wissen. War er doch lange Zeit bei Goldman-Sachs im Vorstand, der wichtigsten internationalen Geld-Manipulations-Maschine, und wurde für seinen Job von Silvio Berlusconi vorgeschlagen, dem Freund der Witwen und Waisen, wenn sie denn minderjährig sind.

Es gibt sie noch, die deutschen Sparer. Zwar wächst die Zahl jener, die nichts mehr zurücklegen können: Die Hartz-Vierer, die Leiharbeiter, die Niedriglöhner und die Aufstocker. Aber immer noch gibt es Millionen Deutsche, die Monat für Monat so um die 100 Euro beiseite legen. Sei es direkt auf ein Bankkonto, sei es indirekt für eine Lebensversicherung oder für Zusatz-Rentenverträge. Denn dass ihre Rente gering sein wird, davon dürfen die meisten Sparer ausgehen. Zur Zeit erleben sie das wunderbare Banken-Mirakel: Zwar zahlen die Banken fast keine Zinsen mehr wenn sie sich bei der EZB Geld leihen, aber trotzdem nehmen sie von ihren Kunden ab sechs Prozent aufwärts, wenn die sich ein paar Euro von ihnen leihen wollen. Und weil die EZB so extrem billig daher kommt, zahlen sie den Sparern zwischen nichts und gar nichts mehr für deren Einlagen.

Die vier Smartphones sind von Oma gekauft. Mit ihnen wurde die Wirtschaft in China gesichert. Wenn man das Phone bei Apple gekauft hat, sind nicht mal Steuern in Deutschland hängen geblieben, denn die Nobelmarke zahlt ihre Steuern in Irland - also nicht. Jetzt liegen auf Omas Konto immer noch ein paar Euros, die auf einen sinnvollen Verwendungszweck warten. Die Börse gab am Tag der EZB-Zinssenkung einen deutlichen Hinweis: Der Dax, das Börsenfieberthermometer sprang über die historische Marke von 10 000 Punkten! Oma soll jetzt über ihr neues Handy täglich mit ihrem Bankberater über die Börsenkurse reden: Kaufen, verkaufen, kaufen. Das belebt die Finanzwirtschaft. Jenes virtuelle Wesen, das tägliche neue Finanzprodukte erfindet und an An- und Verkauf prima verdient. Was dabei herauskommt? Wer weiß, eine neue Finanzkrise vielleicht oder nur die normale Verflüssigung des Sparerkontos mittels hoher Gebühren oder schlechter Beratung.

Der alte linke Traum von der Enteignung des Kapitals wird wahr. Leider nur im Mikrobereich. Nach ein paar Monaten Bankberatung ist Omas Geld fast enteignet, es hat die Seiten gewechselt, von ihrem Konto auf das Konto der Bank. Dieser Vorgang hat keine neue Straße gebaut, keine superschnelle Internet-Verbindung verlegt, keine Schule saniert. Es wurde Papier bewegt und heiße Luft. Und wer denkt, diese Form der Ankurbelung der Wirtschaft habe sich die EZB mal eben so ausgedacht, bei einer Betriebsfeier vielleicht, der irrt: Mario Draghi war im Januar bei der Klausur der Fraktionen von SPD und CDU anwesend. Zwar galt als Hauptthema der Klausur die Sanktionspolitik der EU gegen Russland, aber wer sich auf einen Wirtschaftskrieg vorbereitet, der braucht Geld. Und Draghi kann es drucken.

Bisher hat keine der EZB-Maßnahmen die wirtschaftliche und soziale Lage in der EU ernsthaft gebessert. Aber seit Beginn des Ukraine-Konfliktes steigen die Rüstungs-Aktien rapide. Dazu Frank Mayer vom Bankhaus Rott: "Was halten Sie von Rüstungsaktien? Die sind todsicher! Sie laufen an der Börse seit Jahren wie Bolle. Etwaige Skrupel werden durch eine unschlagbare Rendite ausgeglichen. . . Rüstung war schon immer ein Wirtschaftsfaktor, trägt sie doch auf einleuchtende Art und Weise zu Wachstum und Wohlstand bei. Zumindest hierzulande. Und er schafft Arbeitsplätze und offiziell auch noch Frieden." - So könnte Oma ihre Spekulations-Defizite ausgleichen. Und auf dem neuen Smartphone sich dann die besten Bilder von der Front anschauen. Oder alte Antikriegsposter, mit der Zeile von Allen Ginsberg "War is good business - Invest your son". Es darf natürlich auch ein Enkel sein.

Ulrich Gellermann, Berlin

 



► Quelle:  RATIONALGALERIE > Artikel


► Bild- und Grafikquellen:

 

1. Mario Draghi war von 2006 bis 2011 Präsident der Italienischen Nationalbank und ist seit dem 1. November 2011 Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) . Foto: Monika Flueckiger / World Economic Forum. Quelle: Wikimedia Commons. Diese Datei ist unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.0 generisch“ (US-amerikanisch) lizenziert.

2. Foto: Uschi Dreiucker. Quelle: Pixelio.de