Transatlantischer Wirtschaftsraum
Auszug aus Leo Mayer: Globaler Kapitalismus versus Protektionismus.
Trotz der gegenwärtigen transatlantischen Reibereien bleiben die USA und Europa jeder dem anderen der wichtigste Wirtschaftspartner, verflochten durch ausländische Direktinvestitionen [4] (Foreign Direct Investment / FDI) und Portfolioinvestments [5], Bankenverkehr, Handel, Verkauf durch Tochterfirmen, gegenseitige F&E [6]-Investments, Patentkooperationen, Technologietransfer, … . In keiner anderen Region der Welt ist die kapitalmäßige Verflechtung so eng wie zwischen Nordamerika und der Europäischen Union[1].
• Über viele Jahrzehnte hat keine andere Region der Welt mehr US-Auslandsinvestitionen angezogen als Europa. Seit Beginn des Jahrhunderts entfallen 56% der globalen US-Investitionen auf Europa – mehr als in allen Dekaden zuvor.
• 2015 gingen 60% der US-Auslandsinvestitionen nach Europa. Nur 16,1% in die asiatisch-pazifische Region.
• Ungefähr 60% des US-Auslandsvermögens ist in Europa angelegt.
• 2015 entfielen 80% der FDI-Zuflüsse in die USA auf Unternehmen mit Sitz in Europa
• Ungefähr 70% des ausländischen Kapitalstocks in den USA entfällt auf europäische Unternehmen. Umgekehrt liegen die US-Vermögen allein in Deutschland um ein Drittel über dem US-Vermögen auf dem gesamten südamerikanischen Kontinent.
• Filialen US-amerikanischer Konzerne verkauften in Europa im Jahr 2014 Waren und Dienstleistungen im Wert von 2.900 Mrd. USD, das ist mehr als der gesamte US-Export in alle Welt in Höhe von 2.300 Mrd. und 46% des globalen Gesamtumsatzes von US-Filialen im Ausland.
• Filialen europäischer Unternehmen verkaufen in den USA mehr als das Dreifache der Exporte aus Europa in die USA.
• 60% der US-Importe aus der EU fallen auf intra-firm Handel, so wie auch ein Drittel der US-Exporte nach Europa innerhalb einer Firma gehandelt wird.
• Mehr als ein Fünftel des US-amerikanischen Exports geht in die EU und mehr als ein Fünftel des US-Imports kommt aus der EU.
• Selbst bei Autos ist die Import-Export-Bilanz zwischen den USA und Deutschland nahezu ausgeglichen: Pro Jahr werden ca. 815.000 deutsche Fahrzeuge in die USA importiert, während BMW, Daimler und VW in den USA knapp 810.000 Fahrzeuge produzieren. Davon werden 41 Prozent in den USA verkauft und 59 Prozent – mehr als jedes zweite Auto – aus den USA exportiert.
• 2014 waren in den US-Niederlassungen europäischer Konzerne 4.221.500 Menschen beschäftigt; US-Unternehmen beschäftigten in Europa 4.272.200 Menschen. Allein in den US-Niederlassungen der zehn am stärksten in den USA engagierten Unternehmen aus Deutschland arbeiten fast eine halbe Million Menschen.
• „Wir sind im Grunde ein sehr etablierter Bestandteil der Vereinigten Staaten“, sagte Siemens-Chef Joe Kaeser [7] kürzlich. Für den Münchner Technologiekonzern arbeiten in den USA mehr als 60.000 Mitarbeiter; nach dem Kauf des US-Softwarespezialisten Mentor Graphics [8] sind es dann 70.000 Beschäftigte. Inzwischen werden 24% der Aktien von US-amerikanischen Anlegern gehalten (Deutschland: 29%). Das mag dazu beigetragen haben, dass sich Siemens im März 2017 gegen den US-Rivalen General Electric [9] durchsetzen konnte und vom amerikanischen Verteidigungsministerium einen Rahmenvertrag über mehr als vier Milliarden Dollar über die nächsten fünf Jahre erhielt. Der größte Auftrag, den Siemens je von einer US-Regierung erhalten hat.
Daten: Center for Transatlantic Relations, The Transatlantic Economy 2016.
Daniel S. Hamilton [10] und Joseph P. Quinlan [11] schlussfolgern in ihrer Studie über die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Europa und den USA: „Aus all diesen Gründen wird Europa ein entscheidender und unentbehrlicher geografischer Knotenpunkt in den globalen Operationen US-amerikanischer Unternehmen bleiben. US-amerikanische multinationale Konzerne sehen die Welt zunehmend durch eine tri-polare Linse – eine Welt, die Amerika, Europa und Asien umfasst, zusammen mit den dazugehörigen Ablegern. In dieser tri-polaren Welt haben US-amerikanische Unternehmen nicht vor, eines der größten Segmente der Weltwirtschaft aufzugeben.“ (Center for Transatlantic Relations: The Transatlantic Economy 2016 [12]) - http://transatlanticrelations.org/ [13]. Hier auch die 2017er-Studie [14].
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[1] Detaillierter in isw-Report 100/101 [15] „Umbruch im globalen Kapitalismus“, April 2015
Auszug aus Leo Mayer: Globaler Kapitalismus versus Protektionismus. In: isw-Report 109 [16]: Krise des Kapitalismus – UND JETZT WOHIN?
Leo Mayer, stellvertretender Vors. des isw e.V.
► Quelle: Erstveröffentlicht am 24. Juli 2017 bei isw-München > Artikel [17].
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► Bild- u. Grafikquellen:
1. Transatlantic Economy 2016 - University of Pennsylvania study - Center for Transatlantic Relations - Daniel S Hamilton and Joseph P Quinlan
2. Transatlantic Economy 2017 - University of Pennsylvania study - Center for Transatlantic Relations - Daniel S Hamilton and Joseph P Quinlan