Befreiung von Religion, Christentum und anderen Altlasten

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Peter Weber
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Befreiung von Religion, Christentum und anderen Altlasten
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Befreiung von Religion, Christentum und anderen Altlasten:


Wie sowohl die antiken als auch die christlichen Herren Roms unser Denken bis heute vergiftet haben.


Eine historisch begründete Abrechnung gegen engstirnigem Rationalismus und Schmalspurgeist


Im Augenblick bin ich der schnöden Alltagspolitik überdrüssig und bin auf der Suche nach alternativen Themen. Dabei scheue ich mich auch nicht, heiße Eisen anzufassen – selbst wenn ich befürchten muß, mit meinen Ansichten nicht auf Gegenliebe zu stoßen. Eine Fernsehsendung, in der Lobesarien über den Segen römischer Präsenz und Kultur in Deutschland gesungen wurde, bestätigte mich nochmals in der Überzeugung, daß es zu kurz greift, nur die Religion zum Werk des Teufels zu  erklären. Obwohl das Christentum im Kritischen Netzwerk schon des öfteren als alleiniger Sündenbock für alle möglichen Phänomene herhalten mußte, habe ich mich doch entschlossen, der Sache nochmals auf den Grund zu gehen und andere Ursachen mit einzubeziehen.


Damit ich nicht falsch verstanden werde, betone ich gleich am Anfang, daß ich nicht beabsichtige, die Römische Kirche aus Sympathie zu entlasten oder Ausreden oder Entschuldigungen für begangene Untaten zu finden. Ich habe persönlich den Eindruck, daß manche Kirchenkritiker alle vorhandenen Gedankenblitze, Vorurteile und Ereignisse in einen Topf werfen und umrühren. Nicht jeder Glaube ist verwerflich: Glaube ist nicht gleich Religion – und selbst Atheismus ist ein Glaube. Differenzierte Betrachtungsweise und Ursachenforschung nach tiefer sitzenden Wirklichkeiten bleibt oft genug auf der Strecke. Außerdem zur Erinnerung an alle, die es vergessen haben, oder denen es nicht bewußt ist: Religion heißt übersetzt „Rückbindung“. Und um alles in der Welt – was sollte an Rückbindung (kann sich jeder nach seinem Geschmack aussuchen) schlecht sein? Frage: Wer kann ohne jegliche Rückbindung und Wurzeln ein sinnvolles Leben führen?


Mein Ansatz der Differenzierung ist die in den folgenden Kapiteln a-e und im abschließenden Fazit dargelegt:



a.  Grundgedanke des ursprünglichen Christentums


Das Wesen des Christentums, gemessen an den im Neuen Testament aufgestellten Grundzügen, enthält die Kerndanken Nächstenliebe, Solidarität, Gleichstellung und Gerechtigkeit. Es handelt sich also um Postulate des Humanismus, weshalb es dagegen zunächst nichts zu meckern gibt.


Das Wesen des Christentums wird oft mit Bezugnahme auf das Alte Testament in Verruf gebracht. Dabei hat das AT und die darin enthaltenen für uns wenig verständlichen Grausamkeiten genau so wenig oder sogar noch weniger zu tun mit einem modernen humanistisch ausgerichteten Christentum wie die übrigen vorchristlichen Religionen wie der Ägypter, Hethiter, Babylonier und anderer der alten Kulturen an Euphrat und Tigris, Perser (Mazdaismus) oder Phönizier/Karthager. Die Israeliten und die andern im AT vorkommenden Stämme und Völker befanden sich ebenso wie die eben genannten auf einer früheren kulturellen und anthropologischen Entwicklungsstufe, die man nicht über einen Kamm scheren darf mit Weiterentwicklungen.


Mit dem vom römischen Kaiser Konstantin zur Staatsreligion erklärten Christentum hatte die große Weltseuche ihren Startpunkt.  Die Römische Kirche erhob sich zum Richter über Leben und Tod, so daß das Unheil seinen Lauf nahm. Nur in Randregionen wie in Irland oder Schottland konnte sich bis zu ersten Jahrtausendwende noch ein unabhängiges dezentrales Christentum bewahren. Schließlich walzte die Inquisition jedes Anders- und Querdenken nieder, was als Ketzertum gebrandmarkt wurde. Dessen Vertreter wurden erbarmungslos verfolgt, gefoltert, ermordet, eingekerkert oder gedemütigt.



b.  politische Instrumentalisierung des Christentums


Seit der Zeit der Machtergreifung des Christentums als Staatreligion war die kirchliche und weltliche Herrschaft ein verderbliches Bündnis eingegangen. Dieses hat über die Menschheit unsägliches Unheil und beispiellose Schreckensherrschaft gebracht. Erwähnt werden sollte noch die Spaltung des Römischen Reiches und damit auch eine konfessionelle Entzweiung  in ein West- und Oströmisches Reich mit der Hauptstadt Byzanz/Konstantinopel erwähnt werden. Soweit ich informiert bin, hat sich das oströmische Christentum, das den Papst nicht anerkannte, nicht viel besser als sein westliches Pendant gebärdet.


Die ursprünglich einfache Botschaft Jesu, die auch nur an die arme und unterprivilegierte Bevölkerung Palästinas und Roms gerichtet war, wurde schnell mit Hilfe einer Instrumentalisierung durch die weltlichen und kirchlichen Feudalherren verwässert und mit willkürlichen Dogmen erweitert. Diese Dogmen, die zur neuen offiziellen Kirchenlehre erklärt wurden, hatten und haben nach wie vor mit ursprünglichen Arme-Leute-Christentum nicht mehr gemein. Sie dienten ausschließlich zur Herrschaftssicherung und –ausweitung und damit zur Ausbeutung und Unterdrückung der Bevölkerung. Gott verkam dadurch zu einem Machtmittel und Werkzeug, das zur Bereicherung der Adeligen sowie des Klerus mißbraucht wurde. Die Charakterisierung und Personifizierung Gottes wurde ebenfalls nach dem Gutdünken der Potentaten so gestaltet, daß er als Waffe gegen die Menschen eingesetzt werden konnte.


Als das schlimmste aller Übel sehe ich in den monotheistischen Religionen wie dem Christentum und der Islam, die man auch als Jenseits-Religionen bezeichnen kann.  Der Grund ist der, daß sie durch die Verkörperung eines einzigen Gottes, der mit den unbegrenzten Machtmitteln ausgestattet ist, die potenzielle Basis für die ärgsten Schreckensherrschaften bildeten. Das Prinzip ist ganz einfach: Setze den König (oder einen anderen Potentaten) mit Gott gleich und rede der naiven Bevölkerung ein, daß dieser Gott-König gottgleiche Eigenschaften besitzt oder die Inspirationen direkt von Gott erhält, dann wird dem Despotismus kein Widerstand mehr entgegengesetzt und er kann unbeschränkt wüten. Das Sahnehäubchen dabei ist der Himmel und das Paradies, die man dem Pöbel als Möhre vor die Nase hält und als Belohnung nach dem Ableben verspricht. Aber nur unter der Bedingung, daß der Delinquent sich lebenslang duckt und sich gefügig verhält. Das war und ist der ideale Persilschein für alle Diktatoren  dieser Geschichte. Das Jenseitsversprechen als billige Masche zusammen mit dem Drohpotenzial der Hölle für die Sünder und Aufmüpfigen sind einfach eine geniale Unterdrückungsstrategie.


Ich bleibe dabei: Das Christentum ist trotz gewisser Gemeinsamkeiten mit der humanistischen Weltauffassung eine Wüstenreligion, die insgesamt nicht zur west- und nordeuropäischen Mentalität paßt. Der Fairneß halber muß ich zugestehen, daß die Lehre des Jesus, wie sie im Neuen Testament, vorgestellt wird, Konzeptionen enthält, die sich mit meiner Lebensvorstellung auf einer Linie bewegen. Summa summarum sehe ich die christliche Religion trotzdem als Fremdkörper an. Es gibt andere sinnvolle Alternativen.



c.  Römisches Imperium und griechische Antike als Basis für die Organisation westlicher Staatensysteme


Wer mich kennt, der weiß, daß ich ein Römerfeind bin. Das heißt, daß ich meine Argumente für diese Gegnerschaft auf der Ideologie des Römischen Imperiums gründe, dessen Nachfolge bekanntlich die Römische Kirche angetreten hat. Sie hat im Prinzip die imperialistischen Strategien der Römer übernommen. Die Machtansprüche der Römischen Kirche, die sie global mit Hilfe der ihr verbundenen Monarchien und feudalistischen Herrscher mit Gewalt durchsetzte, gründen auf der Ideologie des  Imperialismus der Römer. Die Arroganz, die alleine Wahrheit in Fragen der Weltsicht gepachtet zu haben, stammt nicht von Jesus, sondern ganz eindeutig von den Cäsaren. Deren Hinterlassenschaft hatte folgenreiche negative Auswirkungen auf die Entwicklung der gesamten Menschheit – bis heute.


Die Kultur und das Gesellschaftssystem des sog. christlichen Abendlandes ist eindeutig auf römisch-griechischem Vorbild aufgebaut. Dieses Vorbild wiederum hat auf die gesamte Welt abgefärbt. Keine Staatsmacht hat jemals vor den römischen Zeiten eine derartig ausgefeilte Machtpolitik gegen Mensch und Natur ausgespielt. Die Organisation des Römischen Reiches dient noch heute als schlechtes Vorbild, an den imperialistischen Unterwerfungsstrategien haben sich die europäischen Kolonisatoren orientiert und die militärische Taktik der Römer war bis in die Neuzeit hinein Richtschnur für Militaristen aller Länder. Das Römische Imperium (deutsch: Befehlssystem) wurde oft kopiert. Im rationalen Kosten-Nutzen-Denken und im Erwirtschaften von Profiten auf Kosten anderer waren die Römer bereits Meister, so daß sie auch mit dieser Eigenschaft Vorbildcharakter für den frühen und modernen Kapitalismus besaßen. Der Umfang und die Systematik der Sklavenhaltung Roms ist ebenso eklatant: ohne die von den Sklaven verrichtete Drecks- und Dienstleistungsarbeit sowie die angeheuerten Söldner aus allen Teilen des Reiches hätte das Imperium nicht so lange überleben und sich ausdehnen können.


Die Römer kann man getrost als die ersten Umweltzerstörer mit überregionaler Auswirkung einordnen. Die Kelten haben sie bereits „Waldfresser“ genannt, denn sie haben maßgeblich dazu beigetragen, daß die Anrainergebiete des Mittelmeeres abgeholzt wurden und verkarsteten. Der Balkan war noch bewaldet und Nordafrika eine grüne Kornkammer. Natürlich waren auch andere antike Mächte wie die griechischen Staaten oder Karthago dafür verantwortlich. Auch der extensive Bergbau hat in der Antike Regionen bereits erhebliche ökologische und gesundheitliche Schäden angerichtet. Die Römer haben die rücksichtslose Ausbeutung der Natur gesellschaftsfähig gemacht, weshalb wir, die wir uns als fortschrittliche Spezies rühmen, stolz darauf sein können, dieses unrühmliche Erbe angetreten zu haben. Das Bedenklichste daran ist der Bazillus, der sich auf unsere Denkweise übertragen hat, indem wir den Satz des AT „macht euch die Erde untertan“ im römischen Verständnis interpretiert und als Recht des Menschen ausgelegt haben, eine rücksichtslose Ausbeutung nicht nur der gemeinen Menschen sondern auch der Natur zu betreiben.


Wir sollten uns auch daran erinnern, daß unser Rechtssystem sowie dasjenige fast der gesamten westlichen Welt sich an das römische Zivilrecht anlehnt. Die Rechtsordnung, die im Mittelalter und in der frühen Neuzeit auf dem europäischen Kontinent galt, kann man mit getrost als römisches Recht bezeichnen. Ebenfalls ist das deutsche BGB immer noch stark vom römischen Recht geprägt. Das trifft auch besonders auf das Eigentumsrecht zu. Ebenfalls finden sich im Familienrecht noch entsprechende Hinterlassenschaften – der patriarchalische Charakter stammt eindeutig aus römischem Usus.


Noch ein wichtiges Element, das uns die alten Volkstribunen beigebracht haben, das ist der Umgang mit der Demagogie. Das alte Rom war unser Lehrmeister in Sachen Demagogie, also für die Art und Weise, wie man das Volk mit Parolen und Irreführungen entweder ruhig stellen oder für nationalistische Ziele begeistern kann. Das römische Konzept „panem et circenses“ (deutsch: Brot und Spiele) bildet das klassische Ablenkungsmanöver für staatliche Willkür, in einem bis heute nicht übertroffene barbarischen Ausmaß. Die Römer, die sich selbst als hochzivilisiert einstuften, was sich bis heute in der historischen Beurteilung widerspiegelt, waren in Wirklichkeit barbarische Technokraten. Sie haben Millionen von Menschen auf dem Gewissen, die sie lebend begraben oder in ihren Amphittheatern zur Volksbelustigung zerfleischen ließen. Soviel zu selbsternannten Kulturträgern.


Auch die patriarchalische Vorlieber der Römer, die Frauen rechtlich ins Abseits stellte, hat sich bis heute im westlichen Machogehabe und selbst noch im Rechtssystem erhalten. Man kann also mit Fug und Recht die Behauptung aufstellen, daß die Organisation, die Legislative und Exekutive moderner westlicher Demokratien noch in griechisch-römischen Mustern verhaftet sind.



d.  Philosophie und Logik


Für mich jedoch gibt es noch einen ganz elementaren Faktor, der sich aus der Antike herüber gestohlen hat und der unser Leben bis heute entscheidend beeinflußt: die Philosophie und die Logik. Wie verquer diese sog. aristotelische, syllogistische und angeblich konsequente Logik ist und wie negativ sie sich auf unser Leben auswirken kann, fällt uns natürlich nicht auf, weil wir damit infiziert sind und unser Denken darauf ausgerichtet ist. Die syllogistische Logik hat einen linearen Charakter und ist darauf abgerichtet, unser Denken alternativlos zu gestalten. Das moderne TINA (There Is No Alternative) hat seinen Ursprung in dieser Art der Logik. Dieses Erbe finden wir folgerichtig in der neoliberalen Ideologie wieder. Polarisation und einseitige Schwarz-Weiß bzw. Gut-Böse-Bewertungen gedeihen auf diesem Boden ausgezeichnet. Die Realität, die meistens aus Schattierungen dazwischen besteht, wird dadurch ausgeblendet. Alleinige Wahrheiten kommen in der Wirklichkeit ziemlich selten vor. Öfter als wir gemeinhin in unserer traditionellen Verhaftung annehmen, existieren auf den ersten Blick gegensätzliche Phänomene, die sich nach unserer naiven Logik ausschließen, die bei näherer Betrachtung aber alle als „nicht unwahr“, „falsch“ und sogar als „wahr“ klassifiziert werden können. Wer sich dessen bewußt ist, der wird sich mit intoleranten Ansichten etwas zurückhalten. Das Gegenteil von syllogistischer ist paradoxe Logik. Und diese paradoxe Logik ist genau die Weltsicht der alten Kelten.


Hinter der Genese der abendländischen Zivilisation, sofern man eine solche Entwicklung diese Auszeichnung verdient hat, stand seit der konstantinischen Verfügung immer vorder- oder hintergründig als massiver Einflußfaktor die Römische Kirche. Deshalb darf bei Kirchen- oder Religionskritik dieser schwerwiegende politische Umstand nicht vernachlässigt werden. Noch belastender ist die o. a. Unterwanderung unserer Philosophie und unsere daraus resultierende zweckgebundene Lebensausrichtung.



e.  zusätzliche Argumente gegen eine rein nüchterne Weltsicht


Ob ich es nun will oder nicht – ich (und mit mir Millionen andere) sind nun einmal christlich geprägt. Ob diese Prägung sich nun für die Psyche und Biographie des einzelnen positiv oder negativ ausgewirkt hat, das sei erst mal dahingestellt. Für andere Menschen kann ich nicht sprechen, aber bei mir hat sich die christliche Erziehung nicht nur ungünstig dargestellt. Trotzdem – und insbesondere wegen des totalitären Anspruchs der Römischen Kirche und der postulierten Glaubensgleichschaltung habe ich die Kirche vor 25 Jahren verlassen.


Ich kann auch keine Statistiken bezüglich der von der Kirche verursachten physischen und psychischen Schäden an Menschen aufmachen. Tatsache ist, daß die Kirche die Schuld für das Unglück ungezählter Menschen in der Vergangenheit und auch noch heute trifft, wofür ich keine Entschuldigung zulasse. Aber – jedenfalls für mich – ist auch aufgrund meiner persönlichen Erfahrung Tatsache, daß viele Menschen, die sich den christlichen Grundprinzipien verschrieben haben und in deren Sinne leben, ein erfülltes und zufriedenes Leben führen. Es liegt nicht in meinem Ermessen, diese wegen dieses Glaubens zu kritisieren. Ich zerreiße auch niemanden, der an den Atheismus, den Humanismus oder die Liebe glaubt – selbst wenn ich der Ansicht bin, daß derjenige reichlich naiv ist, in einem Wolkenkuckucksheim lebt und Träumen nachjagt. Der Spruch „Die Hoffnung stirbt zuletzt“ hat seine Berechtigung.


Was mich angeht, so liebe ich Mythen, Märchen, Fabeln und Geschichten, ohne daß ich sie als „Wahrheit“ betrachte oder sie für bare Münze halte. Trotzdem möchte ich nicht auf sie verzichten, weil sie an Gefühle appellieren, die mit Geheimnisvollem, Wunderbarem, Zauberhaftem und Mystischen assoziiert sind. Seien es auch nur eine Illusionen und eine Gefühlsduseleien – manche Menschen brauchen diese Empfindungen, der eine mehr, der andere weniger. Eben Heile-Welt-Vorstellungen als Hoffnungsträger oder auch nur als Strohhalm.  Wenn Menschen nichts Anderes besitzen als solche immateriellen Werte, mit denen sie niemanden schaden und die ihnen viel bedeuten, und denen man auch keine anderen Präferenzen aufzwingen kann, dann sollen sie in Frieden damit existieren.


Wer will so kalt und hartherzig sein, ihre Illusionen, die für sie eine (sei es auch irreale) tröstliche Schutzhülle darstellen, zu zerstören? Und wenn für viele Menschen christliche Rituale, die an Kindheitserinnerungen  geknüpft sind (beispielsweise die weihnachtliche Szene), wichtig und bedeutsam sind, dann wäre ich der letzte, der versuchen würde, es ihnen auszureden. Denn auch ich kann und will mich nicht des damit verbundenen „Zaubers“ entziehen. Ich möchte nicht in einer Welt vegetieren, die ausschließlich von Rationalität geprägt ist. Daher sollten meine Ausführungen auch als ein Plädoyer für mehr Spiritualität und Phantasie verstanden werden. In diesem Kontext bedaure ich sogar manchmal Menschen, die keine Beziehung zu immateriellen und unsichtbaren Werten und Welten besitzen und kein Verständnis dafür aufbringen können.


Eines sollte aber jeder erbitterte Feind von Religion, Glaube oder von irgendwelchen Ideologien niemals vergessen: Sowohl der Glaube an Gott, an das Nichts oder an den Atheismus haben eine Gemeinsamkeit – sie besitzen ebenfalls nur die Qualität eines Glaubens. Das heißt, daß eine Annahme oder Vermutung vorliegt, die nicht zu beweisen ist.  In diesem Sinne müssen auch sämtliche Wissenschaftler mit ihren klugen Theorien als Gläubige charakterisiert werden. Denn ihre Lehrsätze erfreuen sich nur so lange der Gültigkeit, bis eine andere Koryphäe eine schlüssigere oder gegenteilige These aufstellt. Selbst die uns heiligen Naturgesetze schützen und bewahren uns nicht vor unliebsamen Überraschungen.



f.  Fazit


Mit dem Vorwand, daß wir den Römern die Einführung ins technische Zeitalter verdanken und sie uns mit den Segnungen von Komfort, Anspruchsdenken sowie Luxus vertraut gemacht haben, soll nur der Ungeist technokratischer Verirrung vertuscht werden. Der heute um sich greifende Technologieglaube hat dort seine historischen Ursachen. Ebenfalls unsere Neigung, uns mit zerstreuender Unterhaltung , Konsum und Komfort für Nebensächliches zu  prostituieren. In unser Wesen und unseren Charakter hat sich im Unterbewußtsein eine Verinnerlichung all dieser handlungssteuernden Faktoren eingenistet.


Wer meint, er habe sich durch seine Loslösung  vom Christentum und seine Ablehnung von Religion von allem schädlichen römischen Gedankengut befreit, der belügt sich selbst. Die griechisch-römische Logik lebt weiter in (fast) allen Köpfen und verhindert phantasievolle und Ansätze und Wege. Darüber hinaus sollte man sich vergegenwärtigen, daß das gesamte kapitalistische System mit seinen zersetzenden Begleiterscheinungen wie Konsumismus sowie Wachstums- und Technologiewahn zu einem erheblichen Teil die Folge dieser unseligen Tradition ist. Für mich jedenfalls besteht völlige Klarheit darüber, daß nur eine Befreiung vom organisierten Christentum sowie anderen Religionen und von der kapitalistischen Ideologie die Bezeichnung als „wahre“ Befreiung verdient!



MfG Peter A. Weber

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Marie-Luise Volk
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Verbunden: 28.10.2010 - 13:29
Aufbruch und Reise


Klasse Beitrag, lieber Peter!

Mich hat immer jene Religiosität beeindruckt, die die Freiheit des Andersdenkenden respektiert. Jeder Mensch hat das Recht, sich sein eigenes Gottesbild zu machen. Wobei der Begriff „Gott“ individuellen Vorstellungen entsprechen kann.

Mit diesem spinozistischen Ansatz ist es mir gelungen, Konflikte im eigenen Bereich zu lösen.

Spontan fällt mir auch das Buch von Hermann Hesse mit dem Titel „Siddhartha“ ein, der Anleitung sein kann für jeden Entwicklungsprozess. Ich bin befugt, heute so und morgen ganz anders zu denken. Ich habe das Recht, alles bisher Geglaubte wieder über einen Haufen zu werfen und noch mal von ganz vorne anzufangen.

Deshalb liebe ich so das Gedicht „Stufen“ von Hermann Hesse: (4.5.1941)


Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
Es muss das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
In andre, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.

Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
An keinem wie an einer Heimat hängen,
Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,
Er will uns Stuf' um Stufe heben, weiten.
Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise
Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen,
Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.

Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
Uns neuen Räumen jung entgegen senden,
Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden...
Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!


Von diesem Gedicht fühle ich mich immer wieder aufs Neue gefangen genommen. Irgendwann werde ich es noch auswendig lernen.

Viele Grüße

Marie-Luise Volk

 

 

 

 

 

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