Das deutsche Bankgeheimnis ist tot – und keiner hat’s gemerkt

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Das deutsche Bankgeheimnis ist tot – und keiner hat’s gemerkt
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Das deutsche Bankgeheimnis ist tot

Kontenzugriff automatisch und ohne Wissen der Kontoinhaber

Von Theo-Paul Löwengrub | ANSAGE.org

Bankschliessfach_Schliessfaecher_Schliessfaecherauskunft_Geldschliessfach_Bankgeheimnis_Bankkundenschutz_Banktresor_Steuerumgehung_Tresorraum_Kritisches-NetzwerkZu den vielen Einschränkungen der persönlichen Freiheit, an die die Öffentlichkeit sich schon gewöhnt hat, gehört die schrittweise Aufweichung und allmählich dann faktische Aufhebung des Bankgeheimnisses. Seit vor 16 Jahren, zum 1. April 2005, das „Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit“ (BGBl. 2003 I S. 2928) in Kraft ist, durch das Banken damals gezwungen wurden, Finanz- und Sozialbehörden Auskünfte über Konten, Depots und Schließfächer zu erteilen, ist diese Entwicklung zu beobachten; zuletzt hat sie sich maßlos beschleunigt.

Das auch als „Kontenabrufverfahren“ bekannte Vorgehen, welches durch das damalige Gesetz zum Standardprozedere der Finanzbehörden wurde, erwies sich bald als Einfallstor für das immer weitere Vordringen des Staates in die Privatsphäre der Bürger. Der Zugriff erfolgt dabei automatisch und ohne Wissen der Kontoinhaber.

Offiziell wurde diese staatliche Ermächtigung, wie in solchen Fällen allerdings üblich, mit der Kriminalitätsbekämpfung gerechtfertigt. Zweck des Gesetzes, hieß es,

eine gleichmäßige, gerechte Besteuerung aller Bürger zu gewährleisten. Darüber hinaus dient der Kontenabruf unter anderem dazu, Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung sowie Sozialleistungsmissbrauch einzudämmen und die Vollstreckung von öffentlichen-rechtlichen und privat-rechtlichen Forderungen zu unterstützen.

Der Zugriff wurde über die Jahre dann aber stetig ausgeweitet. 2014 wurde auch Gerichtsvollziehern, Jobcentern und allen anderen Sozialbehörden die Möglichkeit zur heimlichen Konteneinsicht gewährt, 2016 wurde die zuvor geltende „Bagatellgrenze” von 500 Euro aufgehoben.

► Ersatzlos gestrichener Vertrauensschutz

Im Jahr 2017 schaffte der Bundesrat mit dem „Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz” (StUmgBG) das Bankgeheimnis dann auch offiziell ab, indem Paragraph 30a der Abgabenordnung ('Schutz von Bankkunden'), dessen erster Absatz die Finanzbehörden zuvor dazu verpflichtet hatte, „bei der Ermittlung des Sachverhalts […] auf das Vertrauensverhältnis zwischen den Kreditinstituten und deren Kunden besonders Rücksicht zu nehmen", ersatzlos gestrichen wurde. Damit gehörte die fast vierhundert Jahre bestehende Tradition eines besonderen Vertrauensschutzes und der Diskretion von Finanzinstituten, die bis dahin fast auf einer Stufe mit der ärztlichen oder anwaltlichen Schweigepflicht oder dem Beichtgeheimnis gestanden hatten, der Vergangenheit an.

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Zu den weiteren Beschränkungen, die seither wegfielen, gehörten das Verbot der allgemeinen Überwachung von Bankkonten, außerdem das Verbot, Kontodaten, an die der Staat im Zug der Identitätsprüfung von Kontoinhabern gelangt war, nebenbei für eine Steuererhebung zu verwenden, sowie die Verpflichtung der Behörden, Auskünfte vom Steuerpflichtigen selbst einzufordern, bevor sie sich mit einem entsprechenden Gesuch an dessen Banken wendet.

Bereits 2016, vor der Gesetzesänderung, hatte die Zahl der staatlichen Zugriffe auf Bankkonten bei über 300.000 Fällen gelegen. Lediglich von der FDP kam damals etwas Kritik: Der heutige Verkehrsminister Volker Wissing sprach seinerzeit von einem

Indiz dafür, dass die Kontenabfrage nicht mehr ein Instrument im konkreten Verdachtsfall, sondern zu einem Standardinstrument der Behörden verkommen ist. Der Staat schnüffelt, was das Zeug hält.

Dieses „Standardinstrument” wurde dann ab 2017 inflationär und stetig ausgeweitet.

Im vergangene fragte das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) dann bereits 1,14 Millionen Mal die Kontodaten von Bundesbürgern ab. Auf eine Anfrage des CDU-Fraktionsvorsitzenden Friedrich Merz nach der Angemessenheit dieses Vorgehens teilte die Bundesregierung mit, sie halte „die Kontenabrufverfahren für ein effizientes und erfolgreiches Mittel, um Steuern und Sozialleistungen gleichmäßig festzusetzen und zu erheben sowie einem Betrug vorzubeugen.

Friedrich Merz Kritisches-Netzwerk    Fried Merz, Anti-Merz-Spezial-Dragees, Kritisches-Netzwerk

► Auf dem Weg zum gläsernen Untertanen

Vollzogen wurde die damalige sang- und klanglose Beseitigung des Bankgeheimnisses 2017 im trauten Zusammenspiel der damaligen Minister Wolfgang Schäuble und Heiko Maas, ohne dass sich dagegen nennenswerte Empörung geregt hätte. In der politischen Linken genügt bekanntlich schon das Wort „Bank“, um naive und oberflächliche Assoziationen mit Manchesterkapitalismus oder Finanzspekulation zu triggern; CDU und SPD waren sich ohnhein einig, die FDP saß damals nicht im Bundestag, und die grüne Service-Opposition hatte ohnehin nichts gegen mehr Überwachung und Kontrolle von Finanzströmen.

Auch aus Bankenkreisen kam damals kaum Gegenwind. Lediglich Jürgen Gros, [bis 31. Dezember 2021; H.S.] Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB), brachte die drohende Gefahr mit einer hellsichtigen Warnung zum Ausdruck: Wenn die Steuerbehörden künftig nach Gutdünken uneingeschränkt Kundendaten durchforsten dürften, wäre dies „ein weiterer Schritt hin zum gläsernen Bürger.“ Heute, eingedenk der Corona-Zäsur, wäre eher zu präzisieren: zum gläsernen Untertanen.

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Genau so kam es – und seither sind noch viele weitere Schritte in diese Richtung erfolgt: Mehrere Bargeldobergrenzen wurden eingeführt, am Horizont droht bereits die völlige Abschaffung des Bargelds und damit die Verkümmerung des Bürgers zum lückenlos überwachbaren Subjekt des Staates. Diese Beispiele zeigen einmal mehr, dass Freiheiten, die der Staat einmal einkassiert hat, nie mehr zurückgegeben werden. Gerade in der heutigen Zeit ist dies eine Mahnung, an die man sich erinnern sollte.

Theo-Paul Löwengrub


Quelle: Der Artikel von Theo-Paul Löwengrub wurde am 04. August 2022 unter dem Titel »Das deutsche Bankgeheimnis ist tot – und keiner hat’s gemerkt.« erstveröffentlicht auf ANSAGE.org >> Artikel. HINWEIS: Der Gründer dieser Seite, Daniel Matissek, gewährte auf Anfrage in einem Email vom 22. Juni 2022 sein Einverständnis und die Freigabe, gelegentlich auf ANSAGE.org veröffentlichte Artikel in Kritisches-Netzwerk.de übernehmen zu dürfen. Dafür herzlichen Dank. Das Urheberrecht (©) an diesem und aller weiteren Artikel verbleibt selbstverständlich bei den jeweiligen Autoren und ANSAGE.org.

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Bild- und Grafikquellen:

1. Geöffnetes Schließfach im Tresorraum einer Bank. »Geld ist nichts. Aber viel Geld, das ist etwas anderes.« - »Geld allein macht nicht glücklich. Es gehören auch noch Aktien, Gold und Grundstücke dazu.« Foto: Klarinette71. Quelle: Pixabay. Alle Pixabay-Inhalte dürfen kostenlos für kommerzielle und nicht-kommerzielle Anwendungen, genutzt werden - gedruckt und digital. Eine Genehmigung muß weder vom Bildautor noch von Pixabay eingeholt werden. Eine Quellenangabe ist nicht erforderlich. Pixabay-Inhalte dürfen verändert werden. Pixabay Lizenz. >> Foto.

2. Nur Bares ist Wahres! Wie lang werden wir uns noch an Bargeld erfreuen können? Früher, als ich noch klein war, glaubte ich, Geld sei das wichtigste im Leben. Heute, da ich alt und arm bin, weiß ich: Es stimmt. (-Kritisches-Netzwerk.de). Foto: Raten-Kauf. Quelle: Pixabay. Alle Pixabay-Inhalte dürfen kostenlos für kommerzielle und nicht-kommerzielle Anwendungen, genutzt werden - gedruckt und digital. Eine Genehmigung muß weder vom Bildautor noch von Pixabay eingeholt werden. Eine Quellenangabe ist nicht erforderlich. Pixabay-Inhalte dürfen verändert werden. Pixabay Lizenz. >> Foto.

3. Joachim-Friedrich Martin Josef Merz (* 11. November 1955 in Brilon) ist ein deutscher Politiker (CDU). Seit dem 31. Januar 2022 ist er Bundesvorsitzender der CDU und seit dem 15. Februar 2022 Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und somit Oppositionsführer im 20. Deutschen Bundestag. Bildbearbeitung: Wilfried Kahrs (WiKa).

4. ANTI MERZ SPEZIAL DRAGEES. Grafikbearbeitung: Wilfried Kahrs (WiKa).

5. Karikatur: Massensterben bei den Freiheits- und Grundrechten. Die verfassungsmäßigen Grundrechte in Deutschland verschwinden nach und nach. Die beiden hauptsächlich genannten Gründe sind der Kampf gegen den Terrorismus und die Durchsetzung fiskalischer Ansprüche gegenüber den Steuerzahlern.

Auf Grabsteinen: Unverletzlichkeit der Wohnung, Bankgeheimnis, Arzt-Patienten-Geheimnis, Briefgeheimnis, Fernmeldegeheimnis, Meinungsfreiheit, Rechtsgleichheit, Versammlungsfreiheit, Redaktionsgeheimnis.

Auf dem Rücken der alten Frau: Wahlgeheimnis, Schutz der Privatsphäre. Gesprochener Text des deutschen Wappenadlers als Symbol für Regierung und Staat: Langsam! Probeliegen durften die anderen auch nicht.

Bildunterschrift: "Sie bekommen Bescheid, wenn es für Sie soweit ist!"

Karikatur: © Götz Wiedenroth. Zur Person: Götz Wiedenroth wird 1965 in Bremen geboren, beginnt seine berufliche Laufbahn als Industrie- und Diplomkaufmann. Kaufmännische Ausbildung bei der Daimler-Benz AG, Niederlassung Hamburg. Studium der Wirtschaftswissenschaften/ Betriebswirtschaftslehre an der Nordischen Universität Flensburg und der Universität Kiel, Abschluß dortselbst 1995. Beschäftigt sich während des Studiums als Kleinunternehmer mit der Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Kunst, organisiert Seminare, Ausstellungen und Kongresse zum Thema Kulturmanagement auf Schloß Glücksburg in Glücksburg. Arbeitet in Flensburg seit 1995 als freier Karikaturist, Cartoonist, Illustrator und Zeichner.

Seine ersten Karikaturveröffentlichungen erscheinen 1989 in der Flensburger Tagespresse. Von 1995 bis 2001 zeichnet er täglich für den Karikaturendienst von news aktuell, einer Tochtergesellschaft der Deutschen Presse-Agentur (dpa) in Hamburg. Von 1996 bis 2016 erscheinen landes- und lokalpolitische Karikaturen aus seiner Feder in den Tageszeitungen des Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlags, Flensburg.

Der von Kindheit an passionierte Zeichner erhält 1997, 2001 und 2008 Auszeichnungsurkunden des "Deutschen Preises für die politische Karikatur", verliehen durch die Akademie für Kommunikation in Baden-Württemberg, Stuttgart. >> weiterlesen. Herzlichen Dank für die Freigabe zur Veröffentlichung Ihrer Arbeiten im Kritischen Netzwerk. Quelle: Flickr und HIER.

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