Große Koalition verlängert Bundeswehreinsatz in Mali
Das Ringen um Afrika
von Johannes Stern
Am Mittwoch beschloss die Große Koalition, das militärische Eingreifen der Bundeswehr in Mali um ein Jahr zu verlängern und auszuweiten. Laut dem Mandatstext sollen die Obergrenzen für den UN-Einsatz "Multidimensionale Integrierten Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in Mali" (MINUSMA) sowie die EU Training Mission Mali (EUTM) zwar unverändert bei jeweils 1100 und 350 Soldaten bleiben. Ergänzt wurde jedoch der zusätzliche Auftragspunkt: „Unterstützung bei der Wiederherstellung der staatlichen Autorität in Zentralmali.“
Was das bedeutet, ist klar. Die Bundeswehr wird neben dem umkämpften Norden nun auch in Zentralmali verstärkt militärisch operieren.
In Zentralmali sei „die Situation weiter geprägt von der Ausweitung ethnischer und sozialer Konflikte, terroristischen Angriffen und organisierter Kriminalität“. Terrorgruppierungen versuchten von dort, „ihren Einflussbereich weiter nach Süden auszudehnen“, heißt es im Mandatstext. Man sei deshalb „bemüht, mehr Präsenz der Streit- und Sicherheitskräfte sicherzustellen, um so die Voraussetzungen für eine Rückkehr staatlicher Verwaltungsstrukturen zu schaffen.“
In Wirklichkeit geht es der Bundeswehr in Mali nicht um die Bekämpfung des „Terrorismus“ oder den Aufbau „staatlicher Strukturen“. Seitdem der Bundestag Anfang 2013 beschloss, die französische Militärintervention zu unterstützen und die Bundeswehr in Mali zu stationieren, versinkt das Land zunehmend in Chaos und Gewalt. Das schreckliche Massaker in dem zentral-malischen Dorf Ogossagou, bei dem etwa 160 Menschen getötet wurden – darunter viele Frauen und Kinder –, zeigte jüngst die ganze brutale Realität der Besatzung Malis.
Die offizielle Propaganda kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Deutschland in Afrika neokoloniale Eroberungskriege führt und mit diktatorischen Regimes zusammenarbeitet, um seine wirtschaftlichen und geostrategischen Interessen auf dem bevölkerungs- und rohstoffreichen Kontinent durchzusetzen.
Im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD spielt die deutsche Afrikapolitik eine zentrale Rolle: „In keiner Region der Welt zeigen sich die Veränderungen der internationalen Politik so drastisch wie in Afrika“, heißt es dort. Die „Zusammenarbeit mit den Staaten Afrikas“ sei deshalb „eine zentrale Aufgabe unserer Zeit“ und liege „in unserem eigenen wirtschaftspolitischen, sicherheitspolitischen und migrationspolitischen Interesse“.
Am 27. März aktualisierte das Kabinett die „Afrikapolitischen Leitlinien“, die von der Bundesregierung bereits im Mai 2014 beschlossen worden waren. Sie sind eine Blaupause für den neuen Wettlauf der imperialistischen Mächte um Afrika, bei dem Deutschland in vorderster Front mitmischt.
Gleich im ersten Abschnitt der Leitlinien heißt es unter der Überschrift
„Ausgangslage: wachsende Relevanz Afrikas für Deutschland und Europa“: „Potenziale Afrikas ergeben sich aus einer demographischen Entwicklung mit einem Zukunftsmarkt mit hohem Wirtschaftswachstum, reichen natürlichen Ressourcen, Potenzialen für die landwirtschaftliche Produktion und Ernährungssicherung aus eigener Kraft... Afrikanische Märkte entwickeln sich dynamisch und werden – über die Rohstoffwirtschaft hinaus – für die deutsche Wirtschaft ... zunehmend interessanter.“
Der zweite Teil „Unser Engagement in Afrika“ fordert, „das politische, sicherheitspolitische und entwicklungspolitische Engagement Deutschlands in Afrika gezielt“ zu stärken. Die Bundesregierung verfolge „den Anspruch, werte- und menschenrechtsbasiert, interessenorientiert, früh, schnell, entschieden und substanziell zu handeln“. Dazu gehören explizit auch militärische Interventionen. Die Bundesregierung wolle
„ressortübergreifend [..] das gesamte Spektrum ihrer vorhandenen Mittel einsetzen, politisch, sicherheitspolitisch, entwicklungspolitisch, regionalpolitisch, wirtschaftlich, wissenschaftlich, kulturell“. (Hervorhebung im Original)
Die Offensive des deutschen Imperialismus in Afrika steht dabei genauso wie der Aufmarsch von Bundeswehrsoldaten an der Grenze zu Russland und die Auslandseinsätze im Nahen und Mittleren Osten in der Tradition deutscher Kolonial- und Großmachtpolitik. Der spätere Reichskanzler Bernhard von Bülow spekulierte vor allem auf den Erwerb von Kolonien in Afrika, als er in seiner berüchtigten Reichstagsrede am 6. Dezember 1897 für Deutschland als angeblich „zu spät gekommener Nation“ einen „Platz an der Sonne“ verlangte.
Wie direkt die herrschende Klasse trotz ihrer Verbrechen im 20. Jahrhundert wieder an die alten imperialistischen Gelüste anknüpft – gepaart mit einer gehörigen Dosis Hybris und Selbstüberschätzung –, zeigt ein aktueller Beitrag im Magazin Internationale Politik, das vom regierungsnahen Thinktank "Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik" (DGAP) herausgegeben wird.
Angesichts der Tatsache, dass „der Wettlauf um den Kontinent“ zwischen China, Russland, den USA und Europa „in die nächste Runde“ gehe, sei es „Zeit, mit einigen Irrtümern aufzuräumen“, heißt es unter der Überschrift „Das Ringen um Afrika“. Die „Bemühungen“ Deutschlands und Europas um Afrika seien „keineswegs“ zum „Scheitern verurteilt“ oder „zu spät gekommen“. Als „ehemalige Kolonialmächte“ verfügten die Europäer über „wirtschaftliche, kulturelle und soziale Verflechtungen mit Afrika, die 200 Jahre oder mehr zurückreichen“. Es seien eher „die Newcomer wie China, die sich Nischen suchen müssen“.
Auch in der Afrikapolitik wird sichtbar, wie eng die Große Koalition mit der rechtsextremen AfD zusammenarbeitet. Bei der Abstimmung im Bundestag über die „Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der Mission der Vereinten Nationen in der Republik Südsudan (UNMISS)“ am 21. März stimmte die AfD-Fraktion für die Vorlage der Bundesregierung. „Der vorgeschlagene Einsatz“ liege „aus grundsätzlichen Sicherheitsüberlegungen… im deutschen Interesse“, erklärte der AfD-Abgeordnete Lothar Maier im Bundestag. Das Land sei „reich an Ressourcen. Es hat Erdöl, Eisenerz, Chrom, Kupfer, Zink, Wolfram, Silber, Gold, Diamanten und manch andere Rohstoffe.“
Die gleichen räuberischen Interessen stehen hinter der Verlängerung und Ausweitung des Kriegseinsatzes in Mali.
Johannes Stern
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Afrikapolitische Leitlinien der Bundesregierung: Fokussierung auf Partnerschaft mit Afrika. Das Kabinett hat am 27.03.2019 die vom Auswärtigen Amt auf Grundlage des Koalitionsvertrages erarbeiteten Afrikapolitischen Leitlinien der Bundesregierung „Eine vertiefte Partnerschaft mit Afrika“ beschlossen. Welche Strategie verfolgt Deutschland auf dem sich rasant wandelnden Kontinent?
Wie Chancen genutzt, Risiken bekämpft und Krisen bewältigt werden können, ist in den afrikapolitischen Leitlinien der Bundesregierung beschrieben. Das Dokument versucht eine Klammer zu bilden um die verschiedenen afrikapolitischen Initiativen und Konzepte einzelner Ressorts, die in den letzten Jahren, insbesondere im Umfeld des G20-Gipfels 2017, entstanden sind. Dabei versteht sich das Papier als Fortschreibung und Weiterentwicklung der 2014 vorgelegten Leitlinien. >> Broschüre.
► Quelle: WSWS.org > WSWS.org/de > Erstveröffentlicht am 4. April 2019 >> Artikel. Dank an Redakteur Ludwig Niethammer für die Freigabe zur Veröffentlichung. Die Bilder und/oder Grafiken im Artikel sind nicht Bestandteil des Originalartikels und wurden von KN-ADMIN Helmut Schnug eingefügt. Für sie gelten ggf. andere Lizenzen, s.u..
► Lesetipps:
"GroKo plant neue Kriegseinsätze und massive Aufrüstung" von Johannes Stern, 28. November 2019 >> weiter.
"2020: BRD-Rüstung durchbricht 50-Mrd.-Schallmauer" von Fred Schmid / isw München e.V., 28. Oktober 2019 >> weiter.
"Rheinmetall entrüsten! Totschießen ist ihr Geschäft" von Michael Schulze von Glaßer, 2. April 2019 (im KN übernommen am 25. Oktober 2019) >> weiter.
"Wehr-Ministerin als EU-Präsidentin: Signal zu stärkerer Militarisierung Europas" von Fred Schmid / isw München e.V., 11. Juli 2019 >> weiter.
"Grüne Özdemir und Lindner werben für Bundeswehr" von Johannes Stern, 17. Juni 2019 >> weiter.
"SIPRI registriert neuen Rüstungs-Weltrekord" von Fred Schmid / isw München e.V., 06. Mai 2019 >> weiter.
"SIPRI Fact Sheet - April 2019 - TRENDS IN WORLD MILITARY EXPENDITURE 2018" >> weiter.
"Rheinmetall plant Fusion mit Krauss-Maffei Wegmann und Nexter", von Fred Schmid / isw München e.V., 17. April 2019 >> weiter.
"Große Koalition verlängert Bundeswehreinsatz in Mali. Das Ringen um Afrika." von Johannes Stern, 4. April 2019 >> weiter.
"Rüstungs-Explosion & Bombengeschäfte. Bundesregierung im Rüstungswahn", von Fred Schmid, Jan 2019 >> weiter.
"Nationale Industriestrategie 2030. Strategische Leitlinien für eine deutsche und europäische Industriepolitik", von BMWi, Feb 2019, 20 Seiten >> weiter.
"Bundeswehr plant Rekrutierung von EU-Ausländern. Kanonenfutter für die deutsche Kriegspolitik", von Johannes Stern >> weiter.
"Bundeswehr-Umbau für den Neuen Kalten Krieg: Konzeption und Fähigkeitsprofil" von Jürgen Wagner / Informationsstelle Militarisierung (IMI) e. V. >> weiter.
"Die Auslöschung des Jemen: Größte Katastrophe der Gegenwart. Die Stellvertreterkrieger" von Friedhelm Klinkhammer, Volker Bräutigam >> weiter.
"Deutsche Aufrüstung und kein Ende? NATO-Zielmarke: Zwei Prozent des BIP" von Lühr Henken / Gastautor des isw München e. V. >> weiter.
"Kein Panzer geht in Krisengebiete: Irrtümer und Mythen über Waffenexporte – und warum wir ihr Verbot brauchen", von RLS - Jan van Aken: Nov. 2018 - 44p >> weiter.
"Krieg als Spiel, Massenmord als Partnerbörse. Wie die Bundeswehr ihre Werbung rechtfertigt und weiter ausbaut" von Tobias Riegel >> weiter.
"Deadly Assistance: The role of European states in US Drone Strikes" von Amnesty International USA 2018 - 88 Seiten >> weiter.
"Humanitäre Folgen von Drohnen. Eine völkerrechtliche, psychologische und ethische Betrachtung", Drohnenreport 2019 des IPPNW >> weiter.
► Bild- und Grafikquellen:
1. MINUSMA führt Schulungen für die Nationalgarde und die Polizei Malis durch: Mitglieder der Nationalgarde und der Polizei Malis nehmen an einem Training zur Kontrolle der Bevölkerung teil, das vom Ausbildungsteam der UN-Polizei (UNPOL) der multidimensionalen integrierten Stabilisierungsmission in Mali (MINUSMA) durchgeführt wird. Foto: United Nations Photo/Marco Dormino, 25 July 2014, Bamako, Mali - Photo # 596352. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 2.0 Generic (CC BY-NC-ND 2.0).
2. Young pupils in a classroom in Gao, Mali. Foto: UN Photo/Marco Dormino, 05 December 2014. NICA ID: 616846. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 2.0 Generic (CC BY-NC-ND 2.0).
3. Afrikapolitische Leitlinien der Bundesregierung: Eine vertiefte Partnerschaft mit Afrika, 27.03.2019 >> 17 seitige Broschüre >> Quelle: auswaertiges-amt.de/ >> weiter.
4. US-Imperialismus und geopolitischen Interessen kennen keine Grenzen. Die Vereinigten Staaten haben in Afrika ca. 150 Staaten Soldaten stationiert. Karikatur gezeichnet von Carlos Latuff, einem "Politischen Karikaturist", geboren November 1968 in Rio de Janeiro, Brazil. Carlos Latuff (eigentlich Carlos Henrique Latuff de Souza) gewährt jedem das bedingungslose Recht, seine Werk für jedweden Zweck zu nutzen, es sei denn, Bedingungen sind gesetzlich erforderlich. Sein Blog > latuffcartoons.wordpress.com .
5. Karikatur CHINA AID, gezeichnet von Victor Ndula, Nairobi / Kenia. Victor Ndula arbeitet seit acht Jahren professionell, vier davon freiberuflich und vier als hauptberuflicher redaktioneller Cartoonist für den Kenias "The Star". Victor, der früh in seinen Schulbüchern kritzelte, war auf dem besten Weg, seine Karriere fortzusetzen. Jeden Morgen hat er die Aufgabe, seine Leser daran zu erinnern, zu überzeugen und zu drängen, dass sie den Themen, die sie betreffen, besondere Aufmerksamkeit schenken. Als Cartoonist hofft Victor, dass seine Arbeit Humor an unsere Frühstückstische bringt, wenn er wichtige Themen ohne Angst und Gnade herausarbeitet.
Ndula hat seine Arbeiten international präsentiert und zahlreiche Auszeichnungen erhalten, darunter den Titel "Best Editorial Cartoonist of the Year (2010)" von Katuni (East African Association of Cartoonists), den ersten Preis des "UN Ranan Lurie International Cartoon Competition" und andere. Er hat an Cartoon-Festivals in der Schweiz, in Frankreich und Deutschland teilgenommen und seine Arbeiten ausgestellt, und seine Arbeiten wurden auch in Peru, Doha Katar, Amsterdam und an der London School of Economics ausgestellt. Ndula ist Mitglied der internationalen Organisation "Cartoon Movement" und "Cartooning for Peace". Quelle: Africa Cartoons - Encyclopedia of African Political Cartooning > http://africacartoons.com/ > Victor Ndula.
6. Mali Child with Goats: A young child shares a tent with two goats in Touareg near Nara, Mali. Foto: UN Photo/John Isaac. Photo ID 415245. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 2.0 Generic (CC BY-NC-ND 2.0).
7. Buchcover: "Der Fluch des Reichtums - Warlords, Konzerne, Schmuggler und die Plünderung Afrikas." von Tom Burgis; übersetzt von Michael Schiffmann; WESTEND Verlag, Frankfurt - www.westendverlag.de; Hardcover mit 352 Seiten; ISBN 978-3-86489-148-9; Preis 24,00 €. Auch als EPUB für 17,99 € erhältlich.
In mancher Hinsicht ist Afrika der wohl reichste Kontinent der Welt: Ein Drittel der weltweiten Rohstoffvorkommen liegt hier unter der Erdoberfläche. Für die Mehrheit der Bevölkerung bedeutet dieser Reichtum allerdings weit mehr Fluch als Segen. Ein kriminelles Netzwerk aus zwielichtigen Händlern, internationalen Großkonzernen und kapitalistischen Freibeutern hat sich den Zugang zu den Ressourcen gesichert und greift die Gewinne systematisch ab. Die direkten Folgen sind ausufernde Korruption, Gewalt und Unterdrückung. Auslandsreporter Tom Burgis wirft ein vollkommen neues Licht auf die Schattenseiten unseres globalen Wirtschaftssystems und beschreibt die rücksichtslose Plünderung eines ganzen Kontinents. (Verlagstext).