Der diagnostische Blick auf den Krieg.

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Kai Ehlers
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Verbunden: 18.07.2014 - 21:31
Der diagnostische Blick auf den Krieg.
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Der diagnostische Blick auf den Krieg

Gespräch mit Irina Golgowskaja

(Psychiaterin, Leiterin des Instituts „Eurasia – Zentrum für sanogene Medizin“ in Nowosibirsk)

Ein Gespräch, welches sicher kontrovers aufgenommen wird. Darum laden wir zur Diskussion auf facebook ein >>>


Kai Ehlers: Wie erleben Sie unsere heutige Situation?


Irina Golgowskaja: Ich denke, dass die westeuropäische Zivilisation zusammenbricht, noch schneller als vor schon fünf Jahren. Das geschieht faktisch dadurch, dass Amerika als schärfster Ausdruck der westlichen Zivilisation, im Niedergang begriffen ist. Amerika versucht Putin zum Krieg zu provozieren und glaubt, dass es dabei davonkommt. Tatsächlich wird das anders ablaufen: Die Amerikaner beginnen, dann treten die Muslime mit in den Krieg ein, danach die Chinesen, Russland wird am Ende übrigbleiben.


Kai Ehlers: Sie meinen, dass es Krieg geben wird?


Irina Golgowskaja: Ich denke, ja. Es wird Krieg geben. Das kommt in einem halben oder in einem Jahr. Philosophisch betrachtet, kann man sagen: Was da auf uns zukommt, bringt eine Entlastung, das hat sich schon lange aufgebaut. Die Zivilisation befindet sich in einem kranken Zustand. Es gibt eine Explosion der Aggression. Ein Ausbruch ist unvermeidlich, eben das, was in der Ukraine passiert.

Bürgerkrieg ist ja ein Krieg innerhalb der Zivilisation, innerhalb der Gesellschaft. Um einen Bürgerkrieg zu beenden, wird ein äußerer Feind benötigt. Es wird einen Krieg der Zivilisationen geben. Die Menschheit ist auf einen Stand der Entwicklung gekommen, an dem sich die Frage stellt: Und was nun? Wie weiter?


Kai Ehlers: Wo sehen Sie die Gründe für diese Situation?


Irina Golgowskaja: Die zivilisatorische Entwicklung hat zum Stau von Aggressionen geführt. Alle Kulturen, alle Menschen sind den Weg der Nekrophilie gegangen, die einen so, die anderen anders. Wir haben uns zivilisiert, aber die Menschen akzeptieren die Werte der Kultur nicht wirklich. Die daraus resultierenden Aggressionen werden verdrängt, unterdrückt. Die Kultur hat keine wirklichen Möglichkeiten der Akzeptanz der Aggressionen entwickelt. Im Grund sind viele der kulturellen Werte, die uns anerzogen werden, einfach verlogen.


Kai Ehlers: Sehen Sie Orte, an denen die Welt besser ist? Oder die Menschen besser sind. Wenigstens anders?


Irina Golgowskaja: Kann durchaus sein. Wenn der Mensch näher an seiner biologischen Quelle ist, näher an den Pflanzen, näher an den Tieren, dann ist er gesünder, dann lebt er sein Leben gesünder. Das Leben in den Megastädten ist ein krankes Leben.


Kai Ehlers: Wohl wahr!  Aber inzwischen leben Menschen ja überall in Megastädten, Europa, Russland, Amerika, China, Indien, Brasilien usw.


Irina Golgowskaja: In den Städten beginnt der Fäulnisprozess, wenn die zurückgehaltene Aggression nicht raus kann. Wenn sich zu viele Menschen an einem Ort drängen. Ich bin Psychoanalytikerin. Ich bin Instinktivistin. Ich weiß, wenn zu viele Menschen sich in einem Gebäude aufhalten, dann gibt es einfach Zusammenstöße.

 


Kai Ehlers: Wie könnte es anders gehen?


Irina Golgowskaja: Nun, die Menschheit reguliert sich. Es wird Krieg geben. Hart, aber wahr. Dadurch werden es weniger Menschen sein. Es wird eine Nachkriegssituation geben, die man dann irgendwie adaptiert.


Kai Ehlers: Finden Sie das nicht etwas sehr fatalistisch?


Irina Golgowskaja: Ich spreche als Biologin, als Ärztin. Je mehr ich mich mit der Psychologie befasse, umso mehr denke ich, dass diese psychischen Zustände von der Biologie herrühren. Der Instinkt fängt sich im biologischen Käfig. Da gibt es eigentlich keine Heilung. Heilung gibt es nur durch den Tod.

 
Kai Ehlers: Meinen Sie nicht, dass man einen Weg finden kann diesem Mechanismus entgegen zu wirken?


Irina Golgowskaja: Doch ja, es gibt die Heilung durch den Tod. Wie Castaneda sagte, wenn wir den Tod, wenn wir die Aggression annehmen. Aber wenn wir den Tod nicht annehmen, dann werden wir kein richtiges Leben entwickeln. Oder wie Heraklit es gesagt hat: ‚Willst Du im Frieden leben, bereite dich auf den Krieg vor‘. Wenn ich mich auf den Krieg vorbereite, werde ich lange im Frieden leben.

Kai Ehlers: Ich verstehe, aber es geht ja doch immer ums Leben…

Irina Golgowskaja: Natürlich. Die Zivilisation hat sich auf dem Weg der Negation des Todes entwickelt.  Bei den Asiaten ist das anders; die gehen anders mit dem Tod um. Nun, sagen wir, sie haben eine lebendige Beziehung zum Tod. Wir dagegen leben mit der Abwehr des Todes, mit der Abwehr der Aggressionen. Deshalb kommt er dann unerwarteter Weise; wenn Du aber immer mit dem Tod bist, dann lebst du lange.

 


Kai Ehlers: Wo befindet sich die russische Bevölkerung in dem Zusammenhang dieser heutigen Vorgänge?


Irina Golgowskaja: Sagen wir so, rein sozial gesehen, sind die russischen Menschen in einer sehr angenehmen, geradezu günstigen Lage: Wie waren denn die Stationen der Sozialisierung bei den Europäern? – Traditionsgesellschaft, moderne Gesellschaft, postmodern und dann die jetzige.  Bei den Russen ist es anders. Bei uns ist die moderne Gesellschaft praktisch ausgefallen. Wir fielen aus der selbstversorgenden gemeinschaftsorientierten Traditionsgesellschaft (òbschtschina) direkt in die Postmoderne. Deshalb ist die jetzige Mischung lebendiger. Ich denke, die europäische Zivilisation starb mit der Moderne, mit der ganzen Wissenschafts- und Technikentwicklung. Die Russen sind noch angepasster an die Natur, noch näher am Leben. Die soziale Situation der Russen ist weniger strukturiert, einfacher, angepasster. Das ist nicht negativ, das ist ein Plus.


Kai Ehlers: Also heißt das, wenn es jetzt Konflikte gibt, kriegerische Vorgänge, dann werden die Russen leichter überleben? Als Volk, als Kultur, als Zivilisation?


Irina Golgowskaja: Wahrscheinlich. Und so wie ich denke, dass die Psyche vom Körper ausgeht, so hängt sie auch noch mit der Geographie zusammen. Da befinden sich die Russen einfach in der angenehmsten Situation. Bei all dem, was im Klima, im geologischen Bereich, im Kosmos heute vor sich geht, sind Kasachstan, Sibirien, Altai die besten Orte. Das fault nichts. Ich denke auch, wenn die Energie der Menschheit sich weiter in die Nanosphere steigert, werden die Vulkane in Amerika nicht mehr halten. Davon bin ich fest überzeugt. Ja, ich denke, die Menschheit heizt auch die Vulkane an. Wir haben solche Vulkane nicht. Hier ist alles ganz ruhig. Schauen sie sich an, was sonst überall passiert, mit Unwetter, Überschwemmungen usw. Und sogar Indien! Da war jetzt Regen mitten im Winter, können Sie sich das vorstellen? Sagen wir so: der Planet ist ja ein lebendiges Wesen. Und ich denke, dass die Menschheit einfach zu groß wurde.


Kai Ehlers: Es gibt Menschen, die meinen, man müsste die Hälfte der heute Lebenden Menschen beseitigen…


Irina Golgowskaja: Aber nicht doch…! (lacht) Jetzt wollen Sie mich provozieren. Ich kenne ja Ihre Argumentationskette von den sogenannten „Überflüssigen“, von denen Sie eine Wende der heutigen Situation erwarten, so oder so.  – Natürlich wollen wir alle gesund sein und leben, aber es ist auch klar, dass die Dinge ihren eigenen Gang gehen. Letztlich müssen wir sowieso alle sterben.


Kai Ehlers: Ja sicher, aber was folgt daraus?


Irina Golgowskaja: Wir haben die Aufgabe unser Leben zu organisieren, zu überleben, Nachkommen in die Welt zu setzen. Es muss ein inneres Programm geben, das sich fortsetzt. Wenn Du kein eigenes Programm hast, dann bist du ein Schräubchen des jetzigen Programms.


Kai Ehlers: Apropos eigenes Programm – Glauben Sie, dass in Russland ein russischer Maidan möglich sein  könnte? Wie ist die Stimmung der Menschen?


Irina Golgowskaja: Nein, ich denke hier gibt es keinen Maidan. Also auf jeden Fall hier jenseits des Ural will niemand irgendeinen Maidan. Kann sein, dass da 10% in Moskau so etwas anstoßen wollen, aber die große Mehrheit in Russland hat mit so etwas nichts zu tun. Das wird nichts. Das geht hier nicht durch.


Kai Ehlers: Wieso meinen Sie, dass bei Ihnen ein Maidan nicht möglich ist? Im Westen wird jeden Tag über einen Regimechange in Russland geredet, darüber, dass Russland ohne Putin besser wäre usw. Halten sie so etwas nicht für möglich?


Irina Golgowskaja: Natürlich nicht! Wer so redet, phantasiert einfach. Selbst die Oligarchen, die ich kenne, und ich kenne viele, die meine Hilfe in Anspruch nehmen, sagen ganz klar, dass daran überhaupt nicht zu denken ist. Es gibt auch gar keine Alternative zurzeit. Wenn natürlich irgendjemand Putin einfach tötet, dann ist das eine andere Sache. Nein, das ist alles Unsinn. Putin ist so eine Figur, die nicht einfach austauschbar ist.

Für uns hier jenseits des Ural sowie so nicht. Die, die so etwas gebraucht haben, sind bereits in die Ukraine abgewandert. Es gibt ja immer Menschen, die gerne andere töten. Was dort abläuft ist verrückt. Menschen, die von dort zurückkommen, berichten von einem Irrenhaus. Als Psychoanalytikerin kann ich sagen, solche Orte, wo sich Psychopaten ansammeln, die unbedingt miteinander Krieg führen müssen, hat es immer gegeben. Nur jetzt, da es Flugzeuge gibt, konzentrieren sie sich an einem Ort. Wenn sie sich dabei gegenseitig umbringen, dann ist das so. Die Menschheit hat sich immer auf diese Weise reguliert.


Kai Ehlers: Was heißt Menschheit?  In der Ukraine bringt sich ja nicht einfach die Menschheit um. Da stehen Interessen im  Konflikt, soziale Fragen. Da gibt es die, denen der Krieg nützt, die an ihm verdienen, und die, die darunter leiden, die der Krieg ins Elend drückt. Und es sind auch nicht nur Verrückte, die einander bekämpfen. Es gibt auch die Opfer.


Irina Golgowskaja: Ja, natürlich, so ist es. Aber Krieger, Kämpfer, Soldaten hat es immer in der Menschheit gegeben. Und schauen Sie, wenn es in Mexiko einen Vulkan gibt, von dem man weiß, dass er ausbrechen wird, da bleibe ich doch nicht sitzen, um mich an den Steinen dort festhalten. Ich kann etwas unternehmen, um meine Kinder zu retten. Egal wie die Umstände sind, du kannst immer etwas tun.

Ich verstehe einfach nicht, was Kinder im Donbass zu suchen haben, wo Bomben fallen. Warum sitzt man da noch, was hat man da zu tun? Wofür? Man hätte doch gehen können. Schauen wir das unter dem Gesichtspunkt des Karma an: Kann sein, ich werde am Fuße eines Vulkans geboren, kann sein, dass da, wo ich lebe, ein Krieg stattfindet. Wo ist der Unterschied? Hier geht es doch um den menschlichen Faktor! Was  werde ich tun, wenn eine Katastrophe eintritt? Mich retten? Oder Dorfbewohner davor beschützen getötet zu werden? Auch gut. Also, wo liegt das Problem?


Kai Ehlers: Bleiben oder gehen, das ist die Frage. Einfach so, alles zurücklassen, das können nicht alle. Und schließlich, wohin sollen die Menschen gehen?


Irina Golgowskaja: Bei uns in Nowosibirsk sind einige tausend. Die leben hier bei Bekannten. Sie leben jetzt hier. Kein Problem.


Kai Ehlers: Aber 500.000, 600.000 oder mehr Flüchtlinge. Das ist doch Elend.


Irina Golgowskaja: Elend, ja, aber Sie werden mir zustimmen, dass es bei einem Vulkanausbruch besser ist, die Gegend zu verlassen, als dort begraben zu werden.


Kai Ehlers: Ein Vulkan ist kein Krieg! Bei den Kämpfen ist doch menschliches Zutun im Spiel, Geld, Eigentum, Arbeitsplätze, lange gewachsene Beziehungen…


Irina Golgowskaja: …Krieg ist Biologie. Krieg ist Instinkt, die nach außen getretene Aggression, wie ich schon sagte. Geld ist Sublimation der Instinkte. Also klar, natürlich ist Krieg Geld. Jemand gibt Geld, sublimiert über Geld seine Aggressionen.


Kai Ehlers: Aber viele Menschen können einfach nicht gehen. Kein Geld, Alter, Schwäche, Kinder ohne Eltern usw. 


Irina Golgowskaja: Das ist wahr – genauso, wie nicht alle einer Cholera entkommen, stimmt´s?

(lange Pause)


Kai Ehlers: Gut, lassen wir es dabei. Gehen wir zu einer anderen Frage über, die auch die Bevölkerung betrifft. Diesmal die russische. Wie lange wird Russland unter dem Druck der Sanktionen leben können? Wie wirkt er auf Sie und auf andere Menschen, die Sie kennen?


Irina Golgowskaja: Die gegenwärtige ökonomische Krise betrifft mich selbst kaum. Ich arbeite ja mit Kranken; die gibt es immer. Generell ist die Situation natürlich nicht gut. Aber sagen wir so: Wenn man die Mastercard sanktioniert, geben wir eben unsere eigene Karte aus. Das gilt auch für andere Dinge. Das ist die allgemeine Stimmung. Alle warten. Alle ertragen das. Niemand kommt in Panik. Niemand will die Krim zurückgeben. (lacht) Für die Krim leiden wir.


Kai Ehlers: Was fühlen Sie, wenn Sie an die Krim denken?


Irina Golgowskaja: Es ist einfach gerecht so. Da wirkt ein hohes Gesetz des Pendels auf der Erde. Das stimmt einfach so. Es ist schlicht unser Land. Als ich jetzt in Indien war, habe ich gefragt, ob ich dort ein kleines Häuschen kaufen könnte. Die Antwort war: Nein, das ist unser Land. Also, bitte, das ist dann so, weil es so ist. (lacht) Für Russland ist das genauso. Natürlicher Chauvinismus. Übrigens, wenn ich russisch sage, meine ich natürlich russische Kultur.


Kai Ehlers: Verstehe. Aber russische Kultur kann dort oder dort sein. Wir haben bei uns im Westen auch die Schweiz, Österreich, Deutschland, wo überall Deutsch gesprochen wird. Im weitesten Sinne ist das deutsche Kultur. Aber es sind drei eigene Staaten mit eigener Geschichte.


(Längere Pause)

Irina Golgowskaja: Ja, wir haben hier Sibirien. So oder so fühlen sich die Sibiriaken als Sibiriaken. Das ist wie ein nicht formaler Staat. Das war immer so. Ebenso wie Kusbass, Donbass und andere. Mit eigenen Liedern, eigenen Erzählungen. Das war so und das wird auch immer so sein.

 


Kai Ehlers: Das ist gut, das sind lebendige Regionen, eigenständige Republiken. Aber warum müssen diese Regionen unbedingt Teil eines übergreifenden russischen Staates sein? Die können doch auch so miteinander kooperieren.


Irina Golgowskaja: Ja, könnte sein, könnte aber auch sein, dass es in einem Staat ruhiger ist.


Kai Ehlers: Bei uns meinen viele, dass in Russland nationalistische Stimmungen anwachsen. Was denken Sie darüber.


Irina Golgowskaja: Nationalismus? Nein, man muss unterscheiden, Russen – Russländer….


Kai Ehlers: …Russländer und Russen? Das versteht bei uns niemand. Können Sie den Unterschied kurz erklären?


Irina Golgowskaja: Russen – das sind Ethnische Russen; die Bevölkerung Russlands generell, auch die unterschiedlichen Völker werden bei uns Russländer genannt.


Kai Ehlers: Danke! - Auf welcher Grundlage kommen die Menschen jetzt um Putin herum zusammen? Als Nationalisten? Als Patrioten? Aus Angst? Was ist das?


Irina Golgowskaja: Das ist natürlich in keiner Weise Angst. Auch nicht Nationalismus. Das ist eher Patriotismus. Ich denke, patriotische Gefühle wachsen. Patriotismus, das ist Schutz des eigenen Territoriums, der eigenen Erde, Schutz der Familie, Schutz derer, die mit mir leben. Ganz klar.


Kai Ehlers: In diesem Sinne schützen auch die Menschen, die im Osten der Ukraine leben, ihre Erde, ihre Familien, ihre Kinder.


Irina Golgowskaja: Natürlich. Und sie schützen natürlich auch irgendwie ihre Weltsicht. Sie sind da ja im Wesentlichen russisch…


Kai Ehlers: .. Russischsprachige….


Irina Golgowskaja: jaja, aber russischer eher als die europäischen Russen, also eher russische, als europäisch-russische Patrioten. Überhaupt, was Nationalismus und Patriotismus betrifft, sagen wir so: Europäer sind disziplinierter, strukturierter, ihr Patriotismus ist geformter, der russische ist unentwickelter, direkter, instinktiver, mehr auf der Ebene von Herdengefühl, unbewusster. Nationalismus ist etwas Ausgedachteres, etwas Intellektuelleres, etwas Glatteres, schon eine Idee, eine künstliche Vereinheitlichung. Patriotismus ist etwas Natürliches, er hat Seele, beseelten Geist – Nationalismus ist eine Idee. Beseelter Geist und Idee sind zwei verschiedene Elemente.


Kai Ehlers: Na klar, Nationalismus entwickelte sich mit dem Kapitalismus. Kapitalismus und Nationalismus sind nicht voneinander zu trennen. Und ebenso klar, in Russland verlief dieser Prozess anders.


Irina Golgowskaja: Richtig! Patriotismus gibt es in der traditionellen Gesellschaft, Nationalismus in der modernen. Genau so ist es. Oder würden Sie sagen, dass Alexander von Mazedonien eine nationale Idee gehabt hätte?

(lachen beide)


Kai Ehlers: Er war ja nicht einmal Patriot.


Irina Golgowskaja: Und Merkel. Ist sie Nationalistin?


Kai Ehlers: Merkel? … Schwierig zu sagen. Sie repräsentiert den östlichen Teil Deutschlands, frühere DDR. Umso mehr betont sie, dass sie Kanzlerin aller Deutschen sei. Dabei redet sie ständig von Freiheit – meint damit aber Amerika. Nach russischen Kriterien wäre sie damit vielleicht Nationalistin, aber keine Patriotin – von ihrer Einbindung in die Europäische Union noch zu schweigen.

Manche sprechen von ihr ja als heimliche Königin Europas. Ist sie das? Und ist sie das, wenn man so sprechen will, als deutsche Nationalistin, als europäische Patriotin oder als Vasallin der USA? Das ist in der Tat eine Frage.


Irina Golgowskaja: Und Hollande? Und Poroschenko? Und Obama? Wer sind sie wirklich? Einschließlich Putin, natürlich. Masken tragen sie alle. Es ist ein großes Lügentheater, das sie miteinander aufführen. Sie wissen, was sie verbergen.


Kai Ehlers: Und? Was können wir tun? Sehen Sie einen Ausweg?


Irina Golgowskaja: Ich weiß nicht. Wir müssen sprechen. Denken wir nach.


Kai Ehlers, www.kai-ehlers.de      

 

            


Bild- und Grafikquellen:

1. "America: We've got the whole world in our hands." Foto des Posters: outtacontext. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Attribution-NonCommercial-NoDerivs 2.0 Generic (CC BY-NC-ND 2.0)

2. EUROPA 2030: Wirtschaftswachstum und Bankenrettung bis zum finalen Kollaps. Das Leben in den Megastädten ist ein krankes Leben. In den Städten beginnt der Fäulnisprozess, wenn die zurückgehaltene Aggression nicht raus kann. Wenn der Mensch näher an seiner biologischen Quelle ist, näher an den Pflanzen, näher an den Tieren, dann ist er gesünder, dann lebt er sein Leben gesünder. Bildbearbeitung: Jan Müller / Borgdrone.de. (Originalbild: Naughty Dog / Sony)

3. Putin: "Also ICH sehe ein Fadenkreuz" - Merkel: "Das versuchen wir gleich nochmal, Herr Putin". Karikatur gezeichnet vom Stuttgarter Karikaturist Kostas Koufogiorgos. Er wurde 1972 in Arta, Griechenland geboren, studierte nach dem Abitur 1989 Wirtschaftswissenschaften an der Universität von Athen und begann zeitgleich als Karikaturist für verschiedenen Zeitungen und Magazine zu arbeiten. Seine ersten Arbeiten wurden im Magazin ODIGITIS veröffentlicht. Bis heute hat Kostas Koufogiorgos für zahlreiche politische- und Wirtschaftszeitungen sowie für über 20 Μagazine in Griechenland gearbeitet. Daneben hat er Bücher, Werbeanzeigen und Poster illustriert.  - zu seiner Webseite

4. "Die Kraft der »Überflüssigen«. Der Mensch in der globalen Perestroika". Pahl-Rugenstein, 2013, ISBN 978-3-89144-463-4

Wir leben in einer paradoxen Zeit: In einer Welt des Überflusses und der globalen Entgrenzung werden immer mehr Menschen als überflüssig bezeichnet oder fühlen sich sogar selbst so. Ein globaler Verwertungsprozess reißt uns aus unseren lokalen familiären, wirtschaftlichen und geistigen Verankerungen und spuckt uns am Ende als menschlichen Müll wieder aus.

Nur wenige Profiteure sind die Nutznießer dieses Vorganges, eine wachsende Mehrheit sieht sich als »überflüssig« ins Abseits gedrängt. Millionen der heute sieben Milliarden Menschen schaffen nicht einmal den Sprung in die Verwertung. Sie bleiben gleich auf den Müllhalden der Zivilisation stecken. Kein Ausweg? Keine Perspektive? Nur noch der große Crash? Nur noch lang angelegte strategische Selektion zwischen nützlichen und nicht nützlichen Menschen? Oder eine Revolte der »Überflüssigen«? Aber wie könnte diese Revolte aussehen?

Schauen wir genau hin: Die »Überflüssigen« sind nicht das Problem, das entsorgt werden müsste – sie sind die Lösung. Sie sind Ausdruck des über Jahrtausende angesammelten Reichtums der Menschheit – wirtschaftlich, sozial und kulturell. Sie sind Ausdruck der Kräfte, welche die Menschheit heute zur Verfügung hat, um vom physischen Überlebenskampf aller gegen alle in eine ethische Kulturgemeinschaft überzugehen, die am Aufstieg des Menschen zum Menschen orientiert ist und keinen Menschen mehr ausschließt.

Das vorliegende Buch zeigt: Wer die »Überflüssigen« sind, welche Kräfte in ihrem »Überflüssigsein« liegen. Welchen Widerständen bis hin zu eugenischen Selektionsphantasien der heute Mächtigen ihr Aufbruch ausgesetzt ist. Welche Kraft die »Überflüssigen« bilden, wenn sie sich entschließen, ihr Leben selbst zu organisieren – und schließlich, wie der Weg der Selbstorganisation in einer neuen, sozial orientierten Gesellschaft aussehen könnte.

5. "WAR GOOD FOR FEW - BAD FOR MOST". Karikatur von Carlos Latuff, einem "Politischen Karikaturist", geboren November 1968 in Rio de Janeiro, Brazil. Quelle: Wikimedia Commons. Dieses Werk wurde von seinem Urheber Carlos Latuff als gemeinfrei veröffentlicht. Dies gilt weltweit. Carlos Latuff (eigentlich Carlos Henrique Latuff de Souza) gewährt jedem das bedingungslose Recht, dieses Werk für jedweden Zweck zu nutzen, inklusive uneingeschränkter Weiterveröffentlichung, kommerziellem Gebrauch und Modifizierung, zu nutzen, es sei denn, Bedingungen sind gesetzlich erforderlich. Sein Blog > latuffcartoons.wordpress.com

6. Traditionelle Musik Sibiriens. Foto: Marco Fieber - http://ostblog.org/. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Attribution-NonCommercial-NoDerivs 2.0 Generic (CC BY-NC-ND 2.0)

7. Fotomontage: dwarslöper. Quelle: Flickr.(nicht mehr verfügbar). Verbreitung mit CC-Lizenz Attribution-NonCommercial-ShareAlike 2.0 Generic (CC BY-NC-SA 2.0)

8. Buchcover "Ukraine im Visier. Russlands Nachbar als Zielscheibe geostrategischer Interessen." ISBN 978-3-9816963-0-1 von Ronald Thoden & Sabine Schiffer (Hg.), erschienen im Selbrund Verlag! Die Ukraine ist nur wenigen als geostrategisch zentraler Ort bekannt. Die Berichterstattung verrät auch wenig darüber. Die politischen Entscheidungen zeugen jedoch von einer gewissen Nervosität, wenn es um die Integration der Ukraine in Westbündnisse wie die EU oder NATO geht oder um die in die Eurasische Wirtschaftsunion im Osten.

Das Zerren um die Ukraine hat inzwischen zu einem Bürgerkrieg geführt. Die darüber hinausgehende Kriegsrhetorik von Politik und Medien macht vielen Menschen Angst. Russland und Wladimir Putin scheinen sich zu einer imperialen Macht zu entwickeln, die von Westen her eingedämmt werden muss. Oder ist es doch andersherum? Nennen unsere Medien alle interessengeleiteten Akteure oder nur die einer Seite? Wo nahm die Krise ihren Ausgang?

Die Analysen in diesem Buch geben Auskunft über die geopolitische Bedeutung der Ukraine, Strategiepapiere, die in den meisten Medien wenig Beachtung finden, Entwicklungen im Land und leuchten auch den globalen Hintergrund der aktuellen Eskalationen aus. Bei Interesse können Sie das Buch gleich beim Autor dieses Artikels bestellen.

9. Buchcover "Russland – Herzschlag einer Weltmacht. Russlands Rolle in der Kulturkrise". ISBN: 978-3-85636-213-3. Bei Interesse können Sie das Buch gleich beim Autor selbst bestellen. (Kontakt über meine Webseite)

10. Buchcover "Ein Spiel mit dem Feuer. Die Ukraine, Russland und der Westen", Herausgeber: Peter Strutynski, ISBN-13: 978-3-89438-444-9, PapyRossa-Verlag, Köln - zur Buchvorstellung