Die Helden von Kobane im türkischen Krieg. Volker Kauder an der Seite von Recep Tayyip Erdogan

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Ulrich Gellermann
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Verbunden: 22.03.2013 - 15:43
Die Helden von Kobane im türkischen Krieg. Volker Kauder an der Seite von Recep Tayyip Erdogan
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Die Helden von Kobanê im türkischen Krieg

Volker Kauder an der Seite von Recep Tayyip Erdoğan

UNSERE Kurden! Das waren die tapferen Frauen und Männer, die Ende 2014 dem Islamischen Staat, in der Schlacht um Kobanê, eine ganze Region entrissen hatten! TV-Sendungen und Zeitungsseiten wussten sich vor lauter virtueller Schlachtenbummelei nicht lassen: UNSERE KURDEN! Wenn aber unsere Kurden sich in ihren traditionellen Gebieten in der Türkei gegen die Herrschaft aus Ankara wehrten, wenn sie gar in Form der PKK auf deutschem, also unserem! Gebiet, politisch agierten, dann wurden sie schneller zu Terroristen erklärt, als man Kurdistan hatte rufen können. Jetzt also bekriegt die türkische Armee auf syrischem Staatsgebiet UNSERE KURDEN und so recht weiß der deutsche Medienmacher auch nicht: Sind es immer noch UNSERE KURDEN oder doch Terroristen oder was?

Ziemlich sicher ist: Die Kurden sind eine ungefähr 30 Millionen starke ethnische Volksgruppe, die in der Türkei, im Irak, im Iran und in Syrien lebt. Am Rande Syriens, an der Grenze zur Türkei, streben die dort lebenden Kurden gerade einen eigenen Staat an. Auch wenn die dortige Hauptkraft  "Partiya Yekitîya Demokrat" (dt. „Partei der Demokratischen Union“, Kürzel PYD heißt, ist sie der PKK nahe genug, um den in der Türkei inhaftierten Abdullah Öcalan auch als ihren Führer zu begreifen. Der ist marxistisch inspiriert oder zumindest so angestrichen und kann deshalb nie und nimmer UNSER Kurde sein.

Faktisch gibt es bereits einen kurdischen Staat: Die Autonome Region Kurdistan, im Irak. Die gehört ebenso faktisch den USA wie der Familie Barzani, muss also eigentlich von UNSEREN KURDEN bewohnt sein, sonst hätte Frau von der Leyen doch nie und nimmer gute Gewehre von Heckler & Koch und prima deutsche Panzerfäuste dahin geliefert.

Die Familie Barzani, die im irakischen Kurdistan jeden zweiten Posten besetzt, vor allem mit Masud Barzani. Der macht den Präsidenten der Autonomen Region Kurdistan im Nordirak und ist schon lange im Geschäft. Barzanis Vater war schon mal an einer kurdischen Staatsgründung in Persien beteiligt, kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. Der aktuelle Barzani ist kein wirklicher Freund von Abdullah Öcalan: Bei zwei Führern ist immer einer zu viel. Das alles weiß der deutsche Redakteur nicht, er will es nicht wissen. Deshalb klatscht er immer Beifall, wenn UNSEREN KURDEN Waffen geliefert werden. Was aber nun? Unser NATO-Partner Türkei bekämpft gerade unsere tapferen Kobanê -Kurden.

Würden die Kurden nicht häufig auf Territorien von Verbündeten des Westens leben – der iranische Schah war lange ein Verbündeter, die Türken sind echte Super-Verbündete, selbst Assad der jüngere war mal Objekt für eine westliche Homestory – wäre längst eine internationale Kurden-Konferenz fällig. Eine Konferenz, die den Kurden zumindest kulturelle Autonomie, vielleicht sogar, dem internationalen Vertrag von Sèvres (August 1920) entsprechend, ein selbstbestimmtes Gebiet zusprechen könnte. Bis dahin aber gilt das Völkerrecht mit den dort festgelegten Grenzen.

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Völkerrecht? Fragt sich der NATO-Partner Erdoğan, Völkerrecht? Da hält sich doch sonst niemand dran! Ob die USA, Frankreich, Großbritannien oder das neue deutsche Herausforderungs-Reich: Alle können am Himmel über Syrien einfach keine Grenzen erkennen und auch nicht auf am Boden, dort wo etliche westliche Geheimdienste und Spezialkräfte ihr Wesen treiben.

Eben, das Völkerrecht liegt am Boden. Deshalb wird es auch so schnell mit Füßen getreten. Also was die Obamas und die Gaucks können, das kann unser Erdoğan schon lange. Panzer und schwere Geschütze der türkischen Armee haben die Grenze zu Syrien überquert: Die Kurdenjagd, bisher auf türkisches Territorium beschränkt, ist jetzt auch in Syrien eröffnet. Das meint unser Erdoğan prophylaktisch: Falls die syrischen Kurden auf syrischem Territorium einen kurdischen Staat ausrufen wollten, will lieber er die Gegend besetzen: Das alles hat doch mal zum osmanischen Reich gehört.

Jetzt hat Volker Kauder (CDU), der Weltpolitiker aus Hoffenheim, dem „Stader Tagblatt“, der Zeitung für Stade und Buxtehude, aber mal gesagt wo der deutsche Hammer hängt. Als allererstes hat er diesen fundamentalen Satz ins Unvergängliche gegossen: „Die Burka gehört nicht zu Deutschland“. Hatten wir bisher doch gedacht, die Burka sei so deutsch wie das Dirndl, wissen wir es nun besser. Und noch besser hat unser Volker auch gesagt, dass die Bundeswehr nicht wegen Erdoğan in der Türkei sei und deshalb auch nicht wegen Erdoğan aus Incirlik abziehen sollte. Hatten wir doch bisher angenommen, die deutschen Flieger seien wegen einer unheimlichen Liaison von Angela und Tayyip in der Türkei, wissen wir nun: Unsere Soldaten sind an der Seite eines Diktators und Völkerrechtsbrechers in der Türkei, um selbst das Völkerrecht zu brechen. Da weiß man doch was man hat.

Danke Volker Kauder.

Ulrich Gellermann, Berlin


 

►Quelle:  RATIONALGALERIE > Artikel vom 29.08.2016.

► Bild- und Grafikquellen:

rudi_friedrich_stoppt_den_kreislauf_der_gewalt_in_der_tuerkei_kritisches_netzwerk_recep_tayyip_erdogan_menschenrechte_todesstrafe_staatsterror_daesh_militaerputsch_putsch.jpg1. Diren Kobanê - Halte durch, Kobanê. Lange Tage und Nächte des verzweifelten aber mehrfach erfolgreichen Widerstands gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) welche u.a. auch die syrisch-kurdische Stadt Kobanê massiv mit Granaten beschießt. Seit Monaten ist die Grenzregion im Ausnahmezustand. Grafikersteller: nicht bekannt.

2. Karte zum Vertrag von Sèvres (Osmanisches Reich). Urheber: Don-kun, Leipzig. Quelle: Wikimedia Commons.  Diese Datei ist unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 nicht portiert“ lizenziert.

3. Karikatur: Recep Tayyip Erdoğan cites Hitler Germany as example of effective government - THE GUARDIAN, Friday 1st January 2016.

Brazilian cartoonist Carlos Latuff has reportedly had his website banned by the Turkish government. Latuff’s cartoons have frequently taken aim at Turkey’s President Recep Tayyip Erdogan. In an interview with Al-Monitor Columnist Pinar Tremblay, Latuff said: “Turkey is the only country where access to my cartoon blog was officially blocked. I haven’t heard of a similar ban in other countries. In the case of Turkey, I have the document from the Turkish government certifying the ban.” This is, according to journalist Tremblay, “the first time a foreign cartoonist is facing a legal ban in Turkey.”

Karikatur von Carlos Latuff, einem "Politischen Karikaturist", geboren November 1968 in Rio de Janeiro, Brazil. Carlos Latuff (eigentlich Carlos Henrique Latuff de Souza) gewährt jedem das bedingungslose Recht, dieses Werk für jedweden Zweck zu nutzen, inklusive uneingeschränkter Weiterveröffentlichung, kommerziellem Gebrauch und Modifizierung, zu nutzen, es sei denn, Bedingungen sind gesetzlich erforderlich. Quelle: Sein Blog > latuffcartoons.wordpress.com > zur Karikatur. Dieses Werk wurde von seinem Urheber Carlos Latuff als gemeinfrei veröffentlicht. Dies gilt weltweit.

4. Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan beim World Humanitarian Summit, Istanbul, May 2016. Foto: OCHA / Salih Zeki Fazlıoğlu. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung-Keine Bearbeitung 2.0 Generic (CC BY-ND 2.0).

5. Cover der Broschüre "Stoppt den Kreislauf der Gewalt in der Türkei!", hrsg. von Connection e.V., Bund für Soziale Verteidigung und Internationaler Versöhnungsbund. Zur ausführlichen Vorstellung der Broschüre mit Leseprobe - weiter. Sie ist hier zu bestellen.

6. Buchcover "Demokratische Autonomie in Nordkurdistan. Rätebewegung, Geschlechterbefreiung und Ökologie in der Praxis". Eine Erkundungsreise in den Südosten der Türkei, herausgegeben von TATORT Kurdistan. Als eigenen Beitrag zur friedlichen Lösung der kurdischen Frage hat die kurdische Freiheitsbewegung in der Türkei ein alternatives Gesellschaftsmodell entwickelt: die Demokratische Autonomie. Unter schwierigsten Bedingungen gelingt es der Bewegung in Nordkurdistan seit 2005, Strukturen für den Aufbau einer demokratischen, ökologischen und geschlechterbefreiten Gesellschaft zu schaffen.

Ihren Kern bildet ein Rätesystem, in dem sich die Bevölkerung in den Dörfern, Straßenzügen, Stadtvierteln und Stadträten basisdemokratisch organisiert. Diese Strukturen ermöglichen zwar noch keine autonome Lebensform jenseits der bestehenden staatlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, aber sie stellen bereits heute eine relevante zivilgesellschaftliche Gegenmacht dar. Der radikal-demokratische Aufbruch der Kurd_innen bietet so auch eine Inspiration für die Neugestaltung von Gesellschaften im Mittleren Osten und darüber hinaus. Die in dieser Broschüre dokumentierten Interviews bieten einen ersten Einblick in die konkrete Umsetzung einer linken Utopie.

Weiter Infos unter: http://demokratischeautonomie.blogsport.eu/

Zu bestellen bei ISKU unter: isku@nadir.org.