Komplizenschaft Deutschlands mit den US-Atomkriegsstrategen muss beendet werden

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Komplizenschaft Deutschlands mit den US-Atomkriegsstrategen muss beendet werden
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Komplizenschaft Deutschlands

. . . mit den US-Atomkriegsstrategen muss beendet werden

von Claus Schreer / Münchner Bündnis gegen Krieg und Rassismus

Liebe Kriegsgegnerinnen und Kriegsgegner,

Seit mehr als 60 Jahren kämpft die Friedensbewegung gegen das atomare Wettrüsten und für die Abschaffung aller Atomwaffen.

1957 alarmierten 18 Atomwissenschaftler mit ihrem berühmten Göttinger Manifest die Öffentlichkeit über die Gefahren eines Atomkrieges und warnten vor den Plänen der Adenauer-Regierung, die Bundeswehr mit Atomwaffen aufzurüsten. Unter strengster Geheimhaltung hatten die USA 1955 damit begonnen, atomare Kurzstrecken-Raketen in der Bundesrepublik zu stationieren. 1958 forderte die CDU-CSU-Mehrheit des Bundestages die atomare Bewaffnung der Bundeswehr. Daraufhin entstand die wohl breiteste Bewegung gegen die atomare Aufrüstung, die Kampagne „Kampf dem Atomtod“ und später die „Ostermärsche der Atomwaffengegner“.

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1960 forderte der Führungsstab der Bundeswehr die Verfügungsgewalt über die in Deutschland stationierten Atomwaffen und 1962 eigene Atomwaffen. Diese Pläne zur Bewaffnung der Bundeswehr mit Atomwaffen konnten schließlich verhindert werden. Die Friedens- und Antikriegsbewegung hatte einen nicht unwesentlichen Anteil daran. Übrig geblieben sind die heute noch auf dem Bundeswehr-Luftwaffenstützpunkt in Büchel stationierten US-Atombomben.

In diesem Jahr gibt es eine positive Nachricht: Die atomwaffenfreien Länder haben den Aufstand gegen die Atommächte gewagt. Nach zwei Verhandlungsrunden haben 122 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen am 7. Juli in New York einen Atomwaffenverbotsvertrag (Nuclear Weapon Ban Treaty) beschlossen. Das Abkommen verbietet neben der Herstellung, dem Besitz und dem Einsatz von Atomwaffen auch die Drohung mit einem Nuklearschlag, sowie die Stationierung von Atomwaffen in anderen Staaten.

In dem beschlossenen Atomwaffenverbotsvertrag verpflichten sich die Vertragsstaaten:

1. Unter keinen Umständen Kernwaffen oder sonstige Kernsprengkörper zu entwickeln, zu erproben und herzustellen oder auf andere Weise zu erwerben, zu besitzen oder zu lagern.

2. Keine Kernwaffen oder sonstige Kernsprengkörper einzusetzen oder ihren Einsatz anzudrohen.
    
3. Unter keinen Umständen Kernwaffen oder sonstige Kernsprengkörper oder die Verfügungsgewalt darüber unmittelbar oder mittelbar anzunehmen und
    
4. Unter keinen Umständen die Stationierung von Kernwaffen auf dem eigenen Hoheitsgebiet zu gestatten.

atombombe_french_polynesia_atomkrieg_atomwaffen_nuclear_weapon_thermonuclear_test_bomb_nukes_kernwaffen_kritisches_netzwerk_nuklearwaffen_nuklearkrieg_franzoesisch-polynesien.jpgDieser Vertrag ist ein historischer Durchbruch und ein Erfolg weltweiten Friedensbewegung. Der Druck auf die Atommächte – aber auch auf die Bundesregierung – mit der Abrüstung aller Atomwaffen Ernst zu machen, könnte sich dadurch massiv erhöhen. Dazu müssen wir mit all unseren Kräften beitragen.

Deutschland hat diese Verhandlungen für ein Verbot aller Atomwaffen boykottiert. Die Bundesregierung hat sich, ebenso wie alle Atommächte, nicht an den UN-Verhandlungen beteiligt. Bereits im Dezember 2016 hatte sie sogar gemeinsam mit allen anderen NATO-Staaten, mit Ausnahme der Niederlande, gegen die Aufnahme der Verbotsverhandlungen gestimmt und damit eine dringende Empfehlung der US-Regierung befolgt. Diese hatte im Oktober alle NATO-Verbündeten aufgefordert, bei einer Abstimmung über die Aufnahme von Verhandlungen zu einem Atomwaffenverbotsvertrag mit „NEIN“ zu stimmen. Begründung: Der vorgesehene Vertrag ziele „primär auf die Stigmatisierung von Atomwaffen“ Darin sei beabsichtigt, die „Duldung jeglicher Stationierung, Aufstellung oder Bereitstellung von Atomwaffen auf nationalem Hoheitsgebiet“ der Unterzeichner-Staaten zu verbieten.

Für die Bundesregierung wäre diese Aufforderung der US-Regierung allerdings gar nicht notwendig gewesen. Sie hat überhaupt nicht die Absicht, ihre Beteiligung an den Atomkriegsplänen der USA zu beenden. Sie hält gegen den Mehrheitswillen der Bevölkerung weiterhin an Stationierung der US-Atombomben in Deutschland fest und lässt die Bundeswehr regelmäßig den Atomwaffeneinsatz trainieren.

Diese Heuchelei der Bundesregierung, die mit wolfeilen Lippenbekenntnissen "eine Welt ohne Atomwaffen" befürwortet aber gleichzeitig Verhandlungen über die Abschaffung aller Nuklearwaffen ablehnt, ist kaum noch zu überbieten. „Atomwaffen raus aus Deutschland“, das bleibt die zentrale Forderung der Friedensbewegung in der Bundesrepublik.

Auch in diesem Jahr protestierten hunderte Aktivisten aus der ganzen Republik mit einer 20 Wochen andauernden Aktionspräsenz gegen die auf dem Bundeswehr-Luftwaffenstützpunkt in Büchel stationierten US-Atomwaffen. Mit einer Delegation aus München waren wir am 26. März bei der Auftaktveranstaltung am Haupttor des Atomwaffen-Standortes dabei. Das Szenario: Zwei Meter hohe Absperrgitter und dahinter ein Dutzend Bundeswehrsoldaten, die den Militärstützpunkt und die US-Atomwaffen bewachten.  

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Am Ende der Kundgebung wurden sie mit einem Regen von 2000 Flugzetteln eingedeckt, auf denen stand: Wenn sie Euch morgen befehlen, den Abwurf der Atombomben zu trainieren, dann – Sagt Nein – Verweigert den Befehl! Im Jahr 2010 hatte der Deutsche Bundestag mit der überwältigenden Mehrheit aller Parteien einen Beschluss gefasst, der die Bundesregierung dazu aufforderte, sich entschieden dafür einzusetzen, dass die US-Atomwaffen aus Deutschland abgezogen werden. Passiert ist seither nichts. Statt des Abzugs geschieht – mit Zustimmung der Bundesregierung – genau das Gegenteil.

Die in Deutschland stationierten Atomwaffen sollen durch eine völlig neue Version – die B61 Mod 12 – mit erweiterten Einsatzfähigkeiten als zielgenaue, elektronisch gesteuerte Lenkwaffe mit variabler Sprengkraft und vergrößerter Reichweite ersetzt werden.

Die in Europa „vorwärts“ stationierten Atomwaffen sind Bestandteil der US-Nuklearstrategie. Die neuen Atomwaffen verringern die Hemmschwelle für einen Atomwaffeneinsatz und sollen den Einsatz dieser Waffen unterhalb der Schwelle eines großen Nuklearkrieges ermöglichen. Deutschland verstößt damit gegen den Atomwaffensperrvertrag. In diesem Vertrag haben sich alle Nicht-Atomwaffenstaaten verpflichtet, „Kernwaffen oder sonstige Kernsprengkörper oder die Verfügungsgewalt darüber von niemandem unmittelbar oder mittelbar anzunehmen“.

Seit einigen Jahren schon erzählt uns die Bundesregierung das Märchen, dass für den Abzug der Atomwaffen die NATO zuständig sei. Eine billige Ausrede ist das, mit der sich die Bundesregierung aus der Verantwortung stiehlt. Damit dürfen wir uns nicht abfinden. Die Wahrheit ist:

  • ob Massenvernichtungswaffen in Deutschland stationiert werden,
  • ob sich die Bundeswehr im Ernstfall an Atombombenangriffen beteiligt und dafür Trainingsflüge absolviert,
  • das hat weder die US-Regierung noch die NATO zu entscheiden.

Die Entscheidungsbefugnis darüber liegt ausschließlich Hand der Bundesregierung. Unsere Forderung heißt deshalb: Die Bundesregierung muss unverzüglich selbst handeln. Die Bundesregierung muss die „nukleare Teilhabe“ Deutschlands sofort beenden. Dafür braucht sie weder die Genehmigung der USA, noch die Zustimmung der anderen NATO-Verbündeten.

Wir verlangen Taten, statt leerer Worte!

bundeswehr_bundeswehreinsatz_im_inneren_katastrophenhilfe_hochwasser_amtshilfe_naturkatastrophe_front_militarismus_auslandseinsatz_kritisches_netzwerk_streitkraefte.jpg Deshalb haben Friedensorganisationen aus München und anderem Städten der Bundesrepublik die Kampagne „No Nukes Germany“ und eine Petition an den Bundestag und die Bundesregierung gestartet. Darin fordern wir:

  • Die Komplizenschaft Deutschlands mit den US-Atomkriegsstrategen darf nicht länger fortgesetzt werden!
  • Die Bundesregierung muss die Bereitstellung der Tornado-Flugzeuge für den Einsatz der Atomwaffen beenden.
  • Sie muss die Ausbildung und die Übungsflüge der Bundeswehr für den Abwurf der Atomwaffen einstellen
  • und sie muss das Stationierungsabkommen für die Lagerung der US-Atomwaffen in Deutschland aufkündigen.

Die Petitions-Kampagne „Atomwaffenstationierung in Deutschland beenden“ läuft bis nach der Bundestagswahl weiter und kann hier online unterzeichnet werden. Erst danach wollen wir alle Unterschriften der neuen Bundesregierung und dem neu gewählten Bundestag übergeben und sie mit unserer Forderung konfrontieren.

Liebe Kriegsgegnerinnen und Kriegsgegner, lasst uns gemeinsam weiterhin aktiv eintreten für die Abschaffung aller Atomwaffen, für die Beendigung der nuklearen Teilhabe Deutschlands und für die Forderung: Deutschland muss dem UN-Atomwaffenverbotsvertrag beitreten.

Claus Schreer - Münchner Bündnis gegen Krieg und Rassismus

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Lesetipps:

ICAN: UN General Assembly approves historic resolution >> Artikel.

UN-Generalversammlung: 3314 (XXIX). "Definition der Aggression" >> Text. PDF_Symbol.gif

UNRIC: Charta der Vereinten Nationen und Statut des Internationalen Gerichtshofs >> Text. PDF_Symbol.gif

Martin Singe: "Vorbereitung eines Angriffskriegs" wurde in "Verbrechen der Aggression" umgewandelt >> TELEPOLIS-Artikel.

Elias Davidsson: "Nordatlantikvertrag: Acht Gründe für den Austritt Deutschlands aus der NATO" >> KN-Artikel.
 



Quelle: Erstveröffentlicht am 12.08.2017 bei isw-München >> Artikel. Zur Webseite der Petitionskampagne >> http://www.no-nukes-germany.de/ .

Mehr Informationen und Fragen zur isw:

isw – Institut für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung e.V.

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Im Juni 1990 haben kritische Wirtschafts- und SozialwissenschaftlerInnen zusammen mit GewerkschafterInnen in München das isw – Institut für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung e.V. gegründet. Seitdem haben wir fast zweihundert Studien und Berichte veröffentlicht.

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  • Im Zentrum unserer wissenschaftlichen Analysen und Forschungsarbeit stehen Fragen und Probleme der Globalisierung, der Bewegung des transnationalen Kapitals, der Rolle und Wirkungen der Multis und transnationalen Institutionen (IWF, WTO, OECD, G7, etc).
  • Einen weiteren Arbeitsschwerpunkt bilden Verteilungsfragen: Einkommens- und Vermögensverteilung, Interdependenz von privatem / gesellschaftlichem Reichtum und Armut.
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  • Im ökologischen Bereich konzentrieren wir uns auf Fragen der Energiewirtschaft und -konzerne.
  • Schließlich beschäftigen wir uns kontinuierlich mit Untersuchungen zur Entwicklung der Sozialsysteme, der Konjunktur- und zyklischen Entwicklung der Weltwirtschaft.

Auf Veranstaltungen und jährlich stattfindenden isw-Foren werden Erfahrungen ausgetauscht, Gegenstrategien diskutiert und Alternativen erarbeitet. Wir freuen uns über Vorschläge und Anregungen, aber auch über solidarische Kritik.

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Bild- u. Grafikquellen:

1. Explosion einer Atombombe.  Foto: Licorne shot. A strange view on such paradise-like landscapes. Although this picture, like many of the series, is a work of the French Army. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.0 Generic (CC BY-NC-SA 2.0).

2. Atombombentest in Französisch-Polynesien. Foto: Licorne shot - a picture of a series of four of the Licorne thermonuclear test in French Polynesia. Although this picture, like many of the series, is a work of the French Army. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.0 Generic (CC BY-NC-SA 2.0).

3. Transparent der Atomwaffengegener am Fliegerhorst Büchel: FOR NUCLEAR SECURITY - NO NEW NUKES! Der Fliegerhorst Büchel ist ein Fliegerhorst der deutschen Luftwaffe. Er liegt bei Büchel in der Verbandsgemeinde Ulmen im Landkreis Cochem-Zell in Rheinland-Pfalz und dient dem Taktischen Luftwaffengeschwader 33 (TaktLwG 33) als Basis. Büchel gilt angeblich als der einzige Standort in Deutschland, an dem US-Atomwaffen gelagert werden. Die deutsche Luftwaffe bildet hier im Rahmen der innerhalb der NATO vereinbarten nuklearen Teilhabe Jagdbomberpiloten für den Einsatz mit dieser Massenvernichtungswaffe aus. Foto: Friekoop / Netzwerk Friedenskooperative. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.0 Generic (CC BY-SA 2.0).

4. NATO - NORTH ATLANTIC TERROR ORGANISATION: Wir bomben nur für den Frieden. Grafikbearbeitung: Wilfried Kahrs (Wika). 

5. Bundeswehr: Nach Jahren endlich wieder an der einzig richtigen Front! DANKE! Bildbearbeitung: Wilfried Kahrs / QPress.de .

6. NATO raus - raus aus der NATO. Grafik: Wilfried Kahrs (WiKa).