

Chancen nutzen statt weiter so!
Öffentliche Gelder nur für gesellschaftliche Leistungen
Von Berit Thomsen / Mitarbeiterin der AbL
Statt die Exportorientierung weiterhin mit agrarpolitischen Mitteln und Maßnahmen zu fördern, muss eine Qualitätsoffensive das Leitbild einer zukunftsfähigen Agrarpolitik werden. Wichtig ist dabei, dass möglichst viele Bauernhöfe mitgenommen werden und erhalten bleiben. Neben einer Neuausrichtung der Marktordnung, die hier bereits skizziert wurde, gilt es, die Förderpolitik der europäischen Agrarpolitik zu reformieren. Solch ein Umbau in der Agrarpolitik ist eine wesentliche Voraussetzung für die Erreichung der SDGs, etwa die Stärkung von Kleinbauern und -bäuerinnen oder auch, die Böden und das Klima zukunftsfähig zu schützen.
„Öffentliche Gelder sollen nur noch für gesellschaftliche Leistungen genutzt werden“, ist eine Forderung des neuen Papiers der sog. Plattform-Verbände, das von 30 Verbänden aus Umwelt- und Naturschutz, Landwirtschaft, Entwicklungspolitik, Verbraucherschutz und Tierschutz getragen wird. [1] Das Papier verweist auf die Notwendigkeit, schon jetzt die Spielräume in EU-Verordnungen in Deutschland zu nutzen.
Die EU-Verordnung über die Direktzahlungen gibt jedem Mitgliedstaat die Möglichkeit, bis zu 15 Prozent der Gelder, die ihm von der EU für Direktzahlungen zur Verfügung gestellt werden, umzuschichten in Förderprogramme der Zweiten Säule (v.a. Agrarumwelt-, Klima- und Tierschutzmaßnahmen). Deutschland nutzt das Instrument mit 4,5 Prozent Umschichtung in den Jahren 2015 bis 2019 nur ansatzweise. Eine mögliche Erhöhung ist im EU-Recht ausdrücklich vorgesehen: Bis zum 1. August 2017 sollte die Bundesregierung an die EU-Kommission melden, dass hier ab dem Jahr 2018 die Umschichtung auf 15 Prozent erhöht wird. [2] Der Bundesrat hat einen Gesetzentwurf zur Erhöhung der Umschichtung von 4,5 auf 6 Prozent beschlossen, den die Bundesregierung mit einer Stellungnahme an den Bundestag weitergeleitet hat. [3] Experten vermuten jedoch, dass der den Gesetzentwurf nicht mehr aufrufen wird; dann fällt er dem Diskontinuitätsprinzip zum Opfer. Damit wäre die Chance zur Umschichtung in diesem Jahr vertan.
Verbunden werden sollte die Ausschöpfung der Umschichtung in qualifizierte Maßnahmen der Zweiten Säule mit einer spürbaren Anhebung der Zahlungsaufschläge für die ersten Hektar je Betrieb. Auch diese Umschichtung wird den Mitgliedstaaten nach geltendem EU-Recht ermöglicht: Sie können bis zu 30 Prozent der (nach der Umschichtung in die Zweite Säule verbleibenden) Direktzahlungsmittel einsetzen, um den Betrieben für die ersten Hektar je Betrieb (bis maximal zur Durchschnittsgröße der Betriebe im Land, in Deutschland 46 Hektar) eine wesentlich höhere Direktzahlung zu gewähren als für die weiteren Hektar.
Deutschland setzt auch dieses Instrument nur ansatzweise um: statt 30 Prozent werden nur sieben Prozent hierfür umgeschichtet. Der Aufschlag darf nach EU-Recht bis zu 65 Prozent der durchschnittlichen Zahlungen im Land je Hektar betragen, also rund 180 Euro. Das EU-Recht bietet also großen Spielraum, um die EU-Gelder so einzusetzen, dass mehr davon beim bäuerlichen Mittelstand ankommt und weniger bei den sehr flächenstarken Ackerbaubetrieben [4].
Eine weitere Weichenstellung für die Neuausrichtung der Förderpolitik ist die Kappung der Direktzahlungen pro Betrieb ab 150.000 Euro, um dieses Geld für Maßnahmen in der Zweiten Säule einzusetzen. Das sieht das jüngst abgestimmte Verhandlungsmandat des EU-Agrarministerrates zur sog. Omnibus-Verordnung vor. [5] Nimmt die Bundesregierung die SDGs ernst, muss sie alles daran setzen, diese ersten Weichen in der Agrarpolitik neu zu stellen.
Berit Thomsen, Mitarbeiterin der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL(Link ist extern)).
Die Erstveröffentlichung findet man bei 2030report.de/ >> Artikel(Link ist extern).
________________
[1] Plattform-Verbände (2017). - [2] Jasper (2016). - [3] Deutscher Bundestag (2017). [4] Jasper (2016). [5] Council of the European Union (2017), S. 8.
Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft e.V. (AbL(Link ist extern)) ist eine bäuerliche Interessenvertretung, die für eine zukunftsfähige Landwirtschaft im Sinne einer sozial- und umweltverträglichen Landwirtschaft, sowie für entsprechende Rahmenbedingungen eintritt.
In der AbL haben sich sowohl konventionell als auch ökologisch wirtschaftende Bauern und Bäuerinnen zusammengeschlossen, wobei die Mehrzahl der Betriebe im Bereich der kleineren und mittleren Größenklassen anzusiedeln sind. Ferner zählen zu den Mitgliedern Menschen anderer Berufsgruppen, die sich als Verbraucher, Umwelt- oder Tierschützer oder als entwicklungspolitisch Engagierte für den Erhalt einer bäuerlichen Landwirtschaft einsetzen.
Die AbL informiert ihre Mitglieder sowie die Öffentlichkeit über wichtige Fragen der Agrarpolitik auf europäischer, nationaler und Bundesländer-Ebene und bezieht dazu Stellung. Dabei vertritt sie die Positionen von Bauern und Bäuerinnen auch im Rahmen der Verbändebeteiligung bei Gesetzesvorhaben. Das zentrale Anliegen der AbL ist es, die soziale Frage in der Landwirtschaft in das Bewusstsein zu rücken, um zu vermeiden, dass einseitig ökonomisch oder ökologisch begründete Sichtweisen die handelnden Menschen ausblenden und damit die sozialen Auswirkungen unberücksichtigt bleiben.
Die AbL gibt die Monatszeitung "Unabhängige Bauernstimme" heraus; im AbL-Verlag erscheint das Jahrbuch "Der Kritische Agrarbericht".
► Quelle: Dieser Beitrag mit dem Titel "Chancen nutzen statt weiter so! Öffentliche Gelder nur für gesellschaftliche Leistungen." ist Bestandteil des Gesamtberichtes "Deutschland und die globale Nachhaltigkeitsagenda 2017 - Großbaustelle Nachhaltigkeit", welcher am 5. Sept. 2017 erschien und auf der Webseite 2030report.de/ komplett kostenfrei nachgelesen und/oder downgeloaded werden kann.
https://www.2030report.de/(Link ist extern)
Dieser Einzeltext und auch alle weiteren Texte dieser Publikation sind unter der Creative Commons-Lizenz Namensnennung-Nicht-kommerziell-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International (CC BY-NC-SA 4.0(Link ist extern)) lizensiert.
Die Herausgeber des Gesamtberichtes sind Elf zivilgesellschaftliche Verbände und Netzwerke veröffentlichten den 2017er Bericht zum Zustand nachhaltiger Entwicklung in Deutschland. Sie fordern Veränderungen von der künftigen Bundesregierung und dem neuen Bundestag.
Die Herausgeber sind: Netzwerk für Unternehmensverantwortung (CorA(Link ist extern)), Deutscher Bundesjugendring (DBJR(Link ist extern)), Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB(Link ist extern)), Deutscher Naturschutzring (DNR(Link ist extern)), Diakonie Deutschland (diakonie.de(Link ist extern)), Forum Menschenrechte (FMR(Link ist extern)), Forum Umwelt und Entwicklung (FORUMUE(Link ist extern)), Global Policy Forum (GPF(Link ist extern)), Netzwerk Steuergerechtigkeit (NWSG(Link ist extern)), Plattform Zivile Konfliktbearbeitung (forumZFD(Link ist extern)) und der Verband Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe deutscher Nichtregierungsorganisationen (VENRO(Link ist extern)).
Eine barrierearme PDF-Version dieses Berichts ist auf den Homepages der einzelnen Herausgeber verfügbar sowie unter www.2030report.de. (ISBN 978-3-943126-34-1)
► Bild- und Grafikquellen:
1. Mähdrescher im Einsatz: Ein radikale Änderung der Agrarpolitik ist eine wesentliche Voraussetzung für die Erreichung der SDGs, etwa die Stärkung von Kleinbauern und -bäuerinnen oder auch, die Böden und das Klima zukunftsfähig zu schützen. Foto: Thilo Becker, Landshut. Quelle: Pixabay(Link ist extern). Alle bereitgestellten Bilder und Videos auf Pixabay sind gemeinfrei (Public Domain) entsprechend der Verzichtserklärung Creative Commons CC0(Link ist extern). Das Bild unterliegt damit keinem Kopierrecht und kann - verändert oder unverändert - kostenlos für kommerzielle und nicht kommerzielle Anwendungen in digitaler oder gedruckter Form ohne Bildnachweis oder Quellenangabe verwendet werden. >> Bild(Link ist extern).
2. Kleiner Bauernhof mit Schafzucht. Foto: ASSY. Quelle: Pixabay(Link ist extern). Alle bereitgestellten Bilder und Videos auf Pixabay sind gemeinfrei (Public Domain) entsprechend der Verzichtserklärung Creative Commons CC0(Link ist extern). Das Bild unterliegt damit keinem Kopierrecht und kann - verändert oder unverändert - kostenlos für kommerzielle und nicht kommerzielle Anwendungen in digitaler oder gedruckter Form ohne Bildnachweis oder Quellenangabe verwendet werden. >> Bild(Link ist extern).
3. Rinderhaltung neben Kornfeld. Foto: Ratfink1973. Quelle: Pixabay(Link ist extern). Alle bereitgestellten Bilder und Videos auf Pixabay sind gemeinfrei (Public Domain) entsprechend der Verzichtserklärung Creative Commons CC0(Link ist extern). Das Bild unterliegt damit keinem Kopierrecht und kann - verändert oder unverändert - kostenlos für kommerzielle und nicht kommerzielle Anwendungen in digitaler oder gedruckter Form ohne Bildnachweis oder Quellenangabe verwendet werden. >> Bild(Link ist extern).
4. Landwirt mit Traktor beim Heumähd. Foto: sabinevanerp / Sabine van Erp / Alkmaar . Quelle: Pixabay(Link ist extern). Alle bereitgestellten Bilder und Videos auf Pixabay sind gemeinfrei (Public Domain) entsprechend der Verzichtserklärung Creative Commons CC0(Link ist extern). Das Bild unterliegt damit keinem Kopierrecht und kann - verändert oder unverändert - kostenlos für kommerzielle und nicht kommerzielle Anwendungen in digitaler oder gedruckter Form ohne Bildnachweis oder Quellenangabe verwendet werden. >> Bild(Link ist extern).
5. Cover des Gesamtberichtes „Deutschland und die globale Nachhaltigkeitsagenda – Großbaustelle Nachhaltigkeit“, der am 5. September 2017 erschien und unter 2030report.de(Link ist extern) verfügbar ist.