Neue Kriegsschiffe gen Osten: Kurs auf Kaliningrad

1 Beitrag / 0 neu
Bild des Benutzers Ulrich Gellermann
Ulrich Gellermann
Offline
Verbunden: 22.03.2013 - 15:43
Neue Kriegsschiffe gen Osten: Kurs auf Kaliningrad
DruckversionPDF version

Kurs auf Kaliningrad

Neue Kriegsschiffe gen Osten

Wenn das der Kaiser wüsste! Wilhelm II., der Flottenkaiser, der dem Deutschen Reich mit dem Aufbau seiner Flotte Weltgeltung verschaffen wollte, hätte fünf Gründe zur Freude: Denn genau fünf neue Korvetten stellt die Bundeswehr in den nächsten Jahren in Dienst. Und damit kein Irrtum entstehen kann, haben zwei Koalitionspolitiker, Eckhardt Rehberg (CDU) und Johannes Kahrs (SPD), der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG, dem Zentralorgan für NATO-Botschaften, diesen Beschaffungsakt persönlich begründet: „Um den neuen sicherheitspolitischen Herausforderungen im Ostseeraum, im Mittelmeer und in globaler Hinsicht nachzukommen“.

Das relativ Neue ist die Verschärfung der Vorkriegslage im Ostseeraum: Erst im Juni dieses Jahres fanden in der Ostsee die größten NATO-Manöver seit dem Zweiten Weltkrieg statt: 50 Kriegsschiffe, 60 Flugzeuge und Hubschrauber und mehr als 6.000 Marinesoldaten aus zwölf Ländern spielten Krieg mit Russland.

Süddeutsche Zeitung Russophobie Russenhass

Die fünf neuen Kriegsschiffe werden, wie ihre Vorgänger, wieder bei den traditionellen Kriegsschiffswerften Blohm + Voss und der Bremer Fr. Lürssen Werft auf Kiel gelegt werden. Die früheren Konkurrenten werden gerade in diesen Tagen im Rahmen einer freundlichen Übernahme zusammenlegt. Lürssen hatte für den Kaiser und dessen Ersten Weltkrieg ferngelenkte Boote (FL-Boote) geliefert. Die Boote waren eine Art Torpedo-Ersatz und sollten mit Sprengstoff beladen zum Rammen gegnerischer Schiffe verwendet werden. Auch für die Schwarze Reichswehr, den illegalen Probelauf der Nazi-Wehrmacht, lieferte Lürssen im Geheimen Schiffe für den künftigen Einsatz als Torpedoschnellboote.

Die Partner-Werft Blohm + Voss, schon im Ersten Weltkrieg führend im U-Bootsbau, begrüßte die Machtergreifung der Nazis öffentlich und nachdrücklich, auch weil in Vorbereitung des Zweiten Weltkrieges öffentliche Mittel in den Schiffbau flossen und im Zuge der Aufrüstung die Zahl der Aufträge wieder zunahm.

Einer der Inhaber, Rudolf Blohm, stieg sogar zum Leiter des Hauptausschusses Schiffbau des von Albert Speer geleiteten "Reichsministeriums für Bewaffnung und Munition" auf. Noch im Februar 1945 arbeiteten 16.339 Beschäftigte – großenteils Zwangsarbeiter und die aus dem KZ Neuengamme zwangsrekrutierten Häftlinge – auf der Werft. Aber die Firmenleitung ahnte was: Im April 1945 ließ sie von der SS das Außenlager auf Steinwärder räumen und transportierte die noch lebenden Häftlinge zurück in das Stammlager.

Anders als die Mehrheit der Häftlinge überlebte die Inhaberfamilie. Von einer Zerschlagung der Firma und einer Bestrafung ist nichts bekannt. Bekannt ist, dass eine 1953 vom Betriebsrat angebrachte Gedenktafel für elf in Konzentrationslagern ermordete ehemalige Werftarbeiter bis heute spurlos verschwunden ist.

Mit den Korvetten-Briefträgern für die SÜDDEUTSCHE, den Haushaltpolitikern Eckhardt Rehberg (CDU) und Johannes Kahrs (SPD) wird die historische Blutspur der Kriegsschiffs-Produzenten in bester demokratischer Manier verwischt:

  • Eckhardt Rehberg, ein gescheiterter Politiker aus Mecklenburg-Vorpommern, war schon Mitglied der Ost-CDU und darf, wegen seiner Herkunft als Block-Flöte, als besonders anpassungsfähig gelten.
  • Johannes Kahrs ist schon in der zweiten Generation Berufspolitiker: Sein Vater war Justiz-Senator in Bremen, seine Mutter in der selben Stadt Bildungs-Senatorin. Über Kahrs flossen im Bundestagswahlkampf 2005 rein zufällig mehr als 60.000 € Parteispenden aus der Rüstungsindustrie an seinen SPD-Kreisverband.

Die Gesichter der neuen Bürokratie sind glatt. Keine Blutflecken zieren ihre Westen. Der alte Krieg wartet noch auf seine Neuauflage.

Keine 600 Kilometer Luftlinie oder 409 Seemeilen Entfernung liegen zwischen dem Marinekommando der Bundeswehr und Kaliningrad (bis 1946 Königsberg), dem Stützpunkt der Baltischen Flotte Russlands. Denn dort wird das künftige Einsatzgebiet der neuen Korvetten liegen: In „multinationalen Verbänden der Krisenreaktionskräfte“ sollen sie im Ernstfall auf die von der NATO hergestellten „Krisen“ in der Ostsee reagieren. Da trifft es sich, dass in diesen Tagen der Flugkörper RBS-15 Mk 3, ein Untersystem der Korvette, auch für den Einsatz gegen Landziele freigegeben wurde. Geradezu euphorisch stellt die Bundesmarine fest: „Damit steht der Deutschen Marine erstmals uneingeschränkt ein Waffensystem zur Verfügung, das einen weitreichenden Waffeneinsatz von See aus gegen Ziele an Land ermöglicht.“ Und die Rüstungsfirma Diehl Defence stellt fest: „Dass der weitreichende, allwetterfähige Fire-and-Forget-Flugkörper . . . eine hohe Manövrierfähigkeit demonstriert“.

Fire-and-Forget: Vergessen machen soll der elegante Werbetext, dass die 250-Kilo-Bombe des Flugkörpers nach dem Aufschlag demonstriert, wie zermanschte Menschen aussehen. Bei jedem Wetter.

fire_and_forget_rbs15_mk3_eckhardt_rehberg_cdu_johannes_kahrs_spd_mdb_bundestag_russland_sanktionen_kriegspropaganda_russophobie_kritisches_netzwerk_sueddeutsche.jpg

Anders als Wilhelm II. genießt die aktuelle deutsche Kaiserin US-Waffenhilfe: Gerade erst hat Präsident Obama seiner Freundin Angela Merkel telefonisch Unterstützung für „eine harte Reaktion“ zugesagt. Noch sind nur weitere Sanktionen gegen Russland gemeint. Jenes Land, dass schon im Ersten und erst recht im Zweiten Weltkrieg zum Kampfziel deutscher Armeen wurde. In beiden Fällen ist es Deutschland nicht bekommen.

Ulrich Gellermann, Berlin


► Quelle:  RATIONALGALERIE > Artikel vom 17.10.2016.

► Bild- und Grafikquellen:

1. Russophobes Kriegstreiber-Hetzblatt Süddeutsche Zeitung (SZ). Die Flagge der Russländischen Föderation als Karte. Autor: Aivazovsky. Quelle: Wikimedia Commons. Der Urheberrechtsinhaber der Originalflagge veröffentlicht es als gemeinfrei. Dies gilt weltweit. Der Urheber des Luftschiff-Fotos mit der Aufschrift "Süddeutsche Zeitung" ist FelixRo. Quelle: Wikimedia Commons. Diese Datei ist unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung 3.0 nicht portiert" (CC BY 3.0 Deed) lizenziert. Die technische Umgestaltung- und Bearbeitung ist eine Ko-Produktion von Wilfried Kahrs / QPress.de und Helmut Schnug. Das neu entstandene Werk darf bei Nennung aller zuvor genannten Details unter CC BY 3.0 weiterverbreitet werden.

2. KRIEG ist . . . wenn Deine Regierung Dir erzählt wer der Feind ist. REVOLUTION ist . . wenn Du es selbst herausfindest. Grafikbearbeitung: Wilfried Kahrs (WiKa).

3. Eckhardt Harald Rehberg (* 3. April 1954 in Ribnitz-Damgarten) ist ein deutscher Politiker (CDU) und seit 10. Oktober 2005 Mitglied des Deutschen Bundestages. Quelle des Originalportraitfotos: Webseite von MdB Eckhardt Rehberg. Dort ist es als "Pressefoto" ausgewiesen - www.eckhardt-rehberg.de/pressefotos .

Johannes Kahrs (* 15. September 1963 in Bremen) ist ein deutscher Politiker (SPD) und seit 1998 stets direkt gewähltes Mitglied des Deutschen Bundestages für den Wahlkreis Hamburg-Mitte. Für die SPD ist er Sprecher der Bundestagsfraktion im Haushaltsausschuss, Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises und Kreisvorsitzender in Hamburg-Mitte.

Im Bundestagswahlkampf 2005 flossen laut der Frankfurter Rundschau insgesamt mehr als 60.000 Euro Parteispenden aus der Rüstungsindustrie an Kahrs’ SPD-Kreisverband Hamburg-Mitte; darunter Spenden unter der Veröffentlichungsgrenze von 10.000 Euro der Rüstungskonzerne Rheinmetall und Krauss-Maffei Wegmann, was u. a. Transparency International kritisierte. Quelle des Originalportraitfotos: Frank P. Wartenberg, zu finden auf der Webseite von MdB Johannes Kahrs. Dort ist es als "Pressefoto" ausgewiesen - www.kahrs.de/presse/download-pressefoto/ .

Fire-and-Forget (engl. für „selbst zielsuchend“, wörtlich etwa „abfeuern und vergessen“) bezeichnet im Militärjargon die Fähigkeit von Lenkflugkörpern, Ziele ohne weitere Unterstützung der Feuerplattform, des Schützen oder sonstiger externer Hilfsmittel anzusteuern. Ab dem Moment des Abschusses steuern solche Waffen also völlig selbständig zum Ziel. Bekannte Fire-and-Forget-Flugkörper sind u.a. die im Artikel genannte RBS15 Mk3. Quelle: Wikimedia Commons. Diese Datei ist unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 nicht portiert“ lizenziert.

Die Zusammenstellung und digitale Bildbearbeitung oben genannter Einzelfotos und der Grafik erfolgte durch Wilfried Kahrs (QPress). Bildidee: Helmut Schnug (KN-ADMIN)

4. Buchcover "Feindbild Russland. Geschichte einer Dämonisierung" von Hannes Hofbauer; 303 Seiten, 19,95 Euro; © Promedia Druck- und Verlagsgesellschaft mbH, Wien 2016; - zur ausführlichen Buchvorstellung.

5. Texttafel HÄNDLER DES TODES - Rüstungsexporteure und Waffenlieferanten: DIEHL, EADS (EADS heißt seit 2014 Airbus Group und hat eine neue Struktur. Im neuen Teilkonzern Airbus Defence and Space (ADS) sind jetzt die bisherigen EADS-Teilkonzerne Airbus Military, Astrium und Cassidian zusammengefasst.), HECKLER & KOCH, KRAUSS MAFFEI-WEGMANN, MAN, RHEINMETALL, SIEMENS, THYSSEN KRUPP. Grafik: Wolfgang Blaschka (WOB), München.