

Glyphosat: Risikobewertung der EFSA enthält viel Monsantotext
von Vera Fischer / Redaktion Informationsdienst Gentechnik
Der Bewertungsbericht, in dem sich die europäische Lebensmittelbehörde EFSA für eine weitere Zulassung des Herbizids Glyphosat ausspricht, scheint in weiten Teilen aus dem Zulassungsantrag der "Glyphosat Task Force" der Industrie abgeschrieben worden zu sein. Diesen Vorwurf erhebt(Link ist extern) die britische Zeitung The Guardian. Gestützt wird er von Recherchen der österreichischen Umweltorganisation GLOBAL 2000(Link ist extern).
Betroffen davon ist das deutsche "Bundesinstitut für Risikobewertung" (BfR). Denn es hat die Grundlagen für diesen Bericht geliefert – inklusive der abgeschriebenen Seiten. Das BfR hat den Vorwurf zurückgewiesen, die Passagen unreflektiert übernommen zu haben.
Der Text, um den es geht, ist der 2015 veröffentlichte über 4000 Seiten dicke Bewertungsbericht der EFSA zur erneuten Zulassung von Glyphosat (RAR). Er kam zu dem Ergebnis, dass Glyphosat nicht krebserregend sei und sah auch ansonsten wenig Gefahren durch den Einsatz des Herbizids(Link ist extern). Federführend erstellt wurde er vom deutschen BfR.
Helmut Burtscher, Umweltchemiker bei GLOBAL 2000, hat Kapitel des Berichts analysiert, die sich mit veröffentlichten und oft kritischen Studien zu Glyphosat befassten. Dabei fand er heraus, dass diese Texte weitgehend aus dem Zulassungsantrag stammten, den Monsanto und andere in der "Glyphosat Task Force" (GTF) zusammengeschlossene Hersteller eingereicht hatten. Diese Stellen seien nach europäischem Recht entscheidend für die Frage, ob Glyphosat wieder zugelassen werden darf oder verboten werden müsse, sagt Helmut Burtscher: „Wenn eine Kontrollbehörde all ihre Argumente auf Punkt und Beistrich von Monsanto abschreibt, ist es kein Wunder, wenn diese Behörde zu den gleichen Schlussfolgerungen kommt wie Monsanto.“
Ein Vorwurf, den das BfR zurückweist. Man habe „alle weiteren relevanten und verfügbaren Studien sorgfältig und detailliert in eigener Verantwortung geprüft und bewertet“, teilte die Behörde mit. Für die toxikologischen Originalstudien seien aus Gründen der Transparenz auch die detaillierten Studienbeschreibungen und die Bewertungen der Antragsteller wiedergegeben, diese aber in kursiver Schrift kritisch kommentiert worden. Diese Stellungnahme entspricht weitgehend dem Text, mit dem die Bundesregierung bereits 2015 eine Anfrage des grünen Bundestagsabgeordneten Harald Ebner beantwortet hatte. Bereits damals hatte der Guardian berichtet, dass das BfR für die unveröffentlichten toxikologischen Originalstudien der Industrie deren Beschreibung und Bewertung wortwörtlich übernommen und lediglich durch kursive Kommentare ergänzt hatte.
Jetzt geht es jedoch um die weiteren verfügbaren Studien anderer Wissenschaftler, von denen das BfR sagt, man habe sie „sorgfältig und detailliert in eigener Verantwortung geprüft und bewertet“. Das "Umweltinstitut München(Link ist extern)" hat das fragliche Kapitel veröffentlicht und die wörtlich übernommenen Passagen orange gefärbt. Dabei zeigt sich, dass vor allem bei kritischen Studien oft die komplette Bewertung aus dem Zulassungsantrag übernommen wurde. Dies gilt auch für Passagen, die als „additional comments“ bezeichnet wurden und so den Eindruck erwecken, Anmerkungen des BfR zu sein. Auch das jeweilige Fazit, dass die Studie nicht oder nur beschränkt aussagekräftig sei, stammte offenbar von Monsanto und der GTF. „Wir fordern jetzt harte Konsequenzen aus den Skandalen im Bewertungsverfahren: BfR-Präsident Hensel muss seinen Hut nehmen“, so das Umweltinstitut.
Wenn die Behörden sich auf die Einordnung der Industrie verlassen, ohne eine eigene Bewertung vorzunehmen, stelle dies den gesamten Pestizidzulassungsprozess der EU in Frage, kritisiert Franziska Achterberg, bei Greenpeace für Ernährungspolitik zuständig. „Dann entscheiden praktisch die Konzerne darüber, ob ein Pestizid als sicher angesehen wird oder nicht."
„Eine Glyphosat-Neuzulassung kann es auf Basis dieser Plagiats-Risikobewertung jetzt nicht mehr geben“, sagt der grüne Bundestagsabgeordnete Harald Ebner. Er fordert die EU-Kommission auf, die Glyphosat-Bewertung komplett neu auzufrollen und das zuständige Personal auszutauschen.
Wie der österreichische Sender ORF berichtet, sieht die Kommission allerdings „keine Veranlassung, die in der EU durchgeführten wissenschaftlichen Einschätzungen und Schlussfolgerungen bezüglich Glyphosat in Frage zu stellen“. Ein Sprecher von EU-Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis(Link ist extern) hatte jüngst angekündigt, dass mit einer Entscheidung über den künftigen Einsatz von Glyphosat erst zum Jahresende zu rechnen ist.
Vera Fischer / Redaktion Informationsdienst Gentechnik
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Lesetipps:
Global 2000 - Glyphosat: Kontrollbehörde schreibt Bewertung von Monsanto ab (15.09.2017) - weiter(Link ist extern).
The Guardian: EU report on weedkiller safety copied text from Monsanto study (15.09.2017) - weiter(Link ist extern).
Umweltinstitut München - Glyphosat: Behörde schreibt Bewertung von Monsanto ab (15.09.2017) - weiter(Link ist extern).
news.ORF.at: Aufregung über Monsanto-Papier (15.9.2917) - weiter(Link ist extern).
Zur Sicherheitsbewertung der EFSA für Glyphosat - weiter(Link ist extern).
Antwort von Staatssekretär Peter Bleser, BMEL, auf eine schriftliche Anfrage des grünene Bundestagsabgeorendeten Harald Ebner (29.6.2015) - weiter(Link ist extern). (PDF)
Tödliche Agri Kultur - Wie Monsanto die Welt vergiftet (Dauer 1:15:50)
Dr. Böse Evil Consulting presents: In drei Schritten zum Glyphosat-Schurken (Dauer 2:49 Min.)
Wie Monsanto seine Risiken auf Bayer abwälzte (Dauer 21:47 Min.)
Krebsgefahr durch Glyphosat (Frontal 21 Doku) - Dauer 7.30 Min.
Chronisch vergiftet - Monsanto und Glyphosat (ARTE Doku) - Dauer 44:19 Min.
► Quelle: Erstveröffentlicht am 15.09.2017 auf keine-gentechnik.de(Link ist extern) >> Artikel(Link ist extern).
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1. VORSORGEPRINZIP STATT KONZERNINTERESSEN - NEIN ZU GLYPHOSAT! Protest gegen Glyphosat am 6.6.2016 vor der Vertretung der EU-Kommission in Deutschland, Berlin. Foto: Jörg Farys/BUND. Quelle: Flickr(Link ist extern). Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.0 Generic (CC BY-SA 2.0(Link ist extern)).
2. Das Foto zeigt eine der zahlreichen campact-Aktionen "Ärzte gegen Glyphosat", aufgenommen am 01.10.2015 in Fulda. Foto: Philip Eichler / https://www.campact.de/(Link ist extern). Quelle: Flickr(Link ist extern). Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung-Nicht kommerziell 2.0 Generic (CC BY-NC 2.0(Link ist extern)).
3. Traktor mit Spühanhänger. Foto: Chafer Machinery. Quelle: Flickr(Link ist extern). Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung 2.0 Generic (CC BY 2.0(Link ist extern)).
4. ROUNDUP-Produkte im Regal. Unter dem Markennamen Roundup vertreibt der Konzern Monsanto, St. Louis, USA, seit 1974 in über 130 Ländern eine Serie von Breitbandherbiziden, die in der Landwirtschaft Anwendung finden und auch von Hobbygärtnern verwendet werden. Breitbandherbizide wirken unspezifisch gegen viele Pflanzenarten. Der Wirkstoff ist das für fast alle Pflanzenarten toxische Glyphosat.
Das Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel ist weitgehend intransparent, da die wesentlichen Studien zum Gefahrenpotential von der Industrie selbst erstellt werden. Ihr Inhalt wird als Betriebsgeheimnis eingestuft und für die Öffentlichkeit nicht einsehbar. Foto: Global Justice Now. Quelle: Flickr(Link ist extern). Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung 2.0 Generic (CC BY 2.0(Link ist extern)).
5. BAYER AG - MONSANTO. MONSANTO ist ein 1901 gegründeter und seit 1927 börsennotierter Konzern mit Sitz in St. Louis im US-Bundesstaat Missouri, der Niederlassungen in 61 Ländern hat. Das Unternehmen produziert Saatgut und Herbizide(Link ist extern) und setzt seit den 1990er Jahren Biotechnologien zur Erzeugung gentechnisch veränderter Feldfrüchte ein. Bekannte Produkte sind verschiedene transgene Maissorten(Link ist extern) und Breitbandherbizide mit dem umstrittenem Wirkstoff Glyphosat(Link ist extern) unter dem Namen Roundup(Link ist extern). Mitte September 2016 wurde bekannt, dass die Bayer AG(Link ist extern) Monsanto übernimmt. Grafikbearbeitung: Willfried Kahrs (Wika).