Retortenstadt Schnöggersburg: Das deutsche Heer probt den Bürgerkrieg

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Retortenstadt Schnöggersburg: Das deutsche Heer probt den Bürgerkrieg
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Das deutsche Heer probt den Bürgerkrieg

von Gregor Link

Vom 21. bis 27. März erprobten eine verstärkte Panzergrenadier- und eine Jägerkompanie in der Retortenstadt „Schnöggersburg“ Bürgerkriegssituationen.

Der Komplex nördlich von Magdeburg besteht aus mehr als 500 Gebäuden, 300 Hütten, Sportanlagen, Brücken, einem Industriegebiet, einer Altstadt mit Marktplatz, einem Regierungsviertel, einem Elendsviertel und einem Sakralbau. Außerdem beinhaltet er einen Flugplatz, eine Kanalisation, eine zweispurige Autobahn und mit 350 Metern Länge die einzige U-Bahn Sachsen-Anhalts. Die World Socialist Web Site berichtete bereits Ende Oktober über die Einweihung des Megakomplexes.

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560 Soldaten übten auf dem Gelände des Gefechtsübungszentrums Heer (GÜZ) die Erstürmung von Wohnhäusern, die Zerstörung von Barrikaden und den Angriff auf Flugplatz und Tower. Mit ihren Ausbildern lieferten sie sich Häuserkämpfe und Straßenschlachten. Eine große Vielfalt von Kriegswaffen kam dabei zum Einsatz, neben dem im Nahen Osten gefürchteten Kampfpanzer Leopard 2 auch ein barrikadenbrechender Pionierpanzer sowie Rad- und Schützenpanzer.

schnoeggersburg_uebungsstadt_stadtkulisse_gefechtsuebungszentrum_truppenuebungsplatz_altmark_bundeswehr_soldaten_aufstandsbekaempfung_haeuserkampf_kritisches_netzwerk.jpg Die Bundeswehr geht augenscheinlich davon aus, bei ihren imperialistischen Raubzügen in Mali, Afghanistan und vielen weiteren Ländern Situationen wie diese zu erzeugen. Sie legt dabei besonders viel Wert auf eine routinierte u. reibungslose Durchführung. Oberstleutnant i.G. Frank Dieter Lindstedt, Dezernatsleiter im Amt für Heeresentwicklung, erläutert in seiner Presseerklärung die Bedeutung der Übung: „Diese Pilotübung ist enorm wichtig, um bewerten zu können, ob oder in welche Richtung wir unsere Einsatzgrundsätze und Übungsverfahren anpassen, weiterentwickeln und zukunftsorientierend ausrichten müssen.

Doch die Übung erfüllt noch einen weiteren Zweck. „Ganz nah an der Realität“ (offizieller Bericht des Heers) bereitet sich die Bundeswehr auch auf Bürgerkriegszustände im Inneren Deutschlands und der EU vor. Spätestens seit den ersten gemeinsamen Übungen von Polizei und Bundeswehr ist das offensichtlich.

Im März 2017 kamen im Rahmen der GETEX („Gemeinsame Terrorismusabwehr-Exercise“) neben 360 Soldaten der Bundeswehr auch Sondereinsatzkommandos der Polizei zum Einsatz, ausgerüstet mit Aufklärungsdrohnen, Hubschraubern, besonders geschützten Fahrzeugen und Sprengstoffentschärfungsrobotern.

Nun soll auch die für Nov. dieses Jahres angekündigte LÜKEX („Länderübergreifende strategische Krisenmanagement-Exercise“) erstmals gemeinsam mit den Streitkräften stattfinden. Das Szenario der Übung ist bezeichnenderweise „ein großflächiger Ausfall der Gasversorgung im Winter“; eine Situation, die beispielsweise durch einen branchenweiten Streik im Energiesektor eintreten könnte.

Laut einem Bericht des Bundeswehr-Journals wird der Schwerpunkt von LÜKEX 18 in Baden-Württemberg und Bayern liegen, aber auch das Saarland, Rheinland-Pfalz, Hessen, Berlin, Brandenburg, Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt sind involviert. Zentrale Akteure auf Bundesebene werden neben dem Innenministerium Teile des Wirtschaftsministeriums, die Bundesanstalt für Ernährung und Landwirtschaft, das Bundesministerium für Gesundheit, das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, das Bundespresseamt und das Auswärtige Amt sein.

Der Einsatz der Bundeswehr im Inneren und die enge Vernetzung ziviler Strukturen mit Polizei und Militär sind Bestandteil einer umfassenden Aufrüstungsoffensive. Seit der Amtsübernahme der Großen Koalition vergeht kaum ein Tag, an dem die Pläne für den Aufbau eines Überwachungsstaates auf Bundes- und Länderebene nicht konkretisiert und vorangetrieben werden.

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Nach Bayern hat nun auch das Bundesland Sachsen einen extrem weitreichenden Entwurf für ein neues Polizeigesetz vorgelegt. Den Plänen der schwarz-roten Landesregierung zufolge soll die Polizei in Sachsen unter anderem Handgranaten und Maschinengewehre erhalten. Geplant ist außerdem die Einführung von neuer Munition, die darauf abzielt, „den Betroffenen zu überwältigen, ohne ihn dabei tödlich zu verletzen“. Neben Video-Überwachung, Gesichtserkennung und der Einführung von Fußfesseln soll sogar das Überwachen von Journalisten möglich sein, wenn es für „den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes erforderlich ist“.

Die Maßnahmen entsprechen den Plänen für ein sogenanntes „Musterpolizeigesetz“ (MEPolG), auf Bundesebene, auf das sich SPD und CDU/CSU im Koalitionsvertrag geeinigt haben. Die Großkoalitionäre fordern dort unter anderem eine „bessere Ausstattung für die Polizei“, die „Ausweitung der DNA-Analyse“, „die Videoüberwachung an Brennpunkten“ und die Stärkung und Zentralisierung der Sicherheitsbehörden und Geheimdienste in Deutschland und ganz Europa.

Auch auf den eigentlich grundgesetzwidrigen Einsatz der Bundeswehr im Inneren haben sich SPD und CDU/CSU hinter den Kulissen verständigt. Im Koalitionsvertrag kündigen sie an, dass die im Weißbuch 2016festgelegten Entwicklungslinien“ der Bundeswehr „konsequent weiter verfolgt“ werden sollen. Das Weißbuch spricht sich explizit für den Einsatz der Armee auch im Inland aus. Im Abschnitt „Einsatz und Leistungen der Bundeswehr im Innern“ heißt es dort, dass „die Streitkräfte zur Unterstützung der Polizeikräfte bei der wirksamen Bekämpfung des Unglücksfalls unter engen Voraussetzungen auch hoheitliche Aufgaben unter Inanspruchnahme von Eingriffs- und Zwangsbefugnissen wahrnehmen können“.

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Die wirklichen Motive für diese monströsen Pläne werden in einem Dokument des Instituts für Sicherheitsstudien der Europäischen Union mit dem Titel „Perspektiven für die Europäische Verteidigung 2020“ bemerkenswert unumwunden ausformuliert. Das Papier sieht die Aufgabe künftiger Militäreinsätze unter anderem im „Schutz der Reichen dieser Welt vor den Spannungen und Problemen der Armen“.

Da der Anteil der armen, frustrierten Weltbevölkerung weiterhin sehr hoch sein wird, werden sich die Spannungen zwischen dieser Welt und der Welt der Reichen weiter verschärfen – mit entsprechenden Konsequenzen“, heißt es dort weiter. Durch die Technologie schrumpfe „die Welt zu einem globalen Dorf, das sich allerdings am Rande einer Revolution befindet. Während wir es mit einer immer stärker integrierten Oberschicht zu tun haben, sind wir gleichzeitig mit wachsenden explosiven Spannungen in den ärmsten Unterschichten konfrontiert.

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Seitdem das Papier im Jahr 2011 veröffentlicht wurde, hat die soziale Ungleichheit in Deutschland und Europa weiter zugenommen. Während die große Mehrheit der Bevölkerung ums schiere Überleben kämpft, hortet eine kleine Oberschicht astronomische Vermögen. So ergab etwa eine Anfang des Jahres veröffentlichte Studie des "Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung" (DIW), dass die 45 reichsten Haushalte in Deutschland 214 Milliarden Euro Vermögen besitzen und damit genauso viel wie die ärmere Hälfte der gesamten Bevölkerung.

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Ergänzung H.S.: Die wesentlichen Ergebnisse der DIW-Forscher: Den reichsten fünf Prozent der Bevölkerung gehörte 2014 51,1% des gesamten Vermögens. Ein Prozent der Bevölkerung (Haushalte) hatte ein Drittel (31,1%) und ein Tausendstel der Haushalte, also 41.000 – sprichwörtlich die „Oberen Zehntausend“ – nannten 17,4 Prozent des Gesamtvermögens ihr Eigen: 1.650 Milliarden Euro. Die unteren 50% der Bevölkerung – über 20 Millionen Haushalte – besitzen dagegen nur 2,3% des Gesamtvermögens: 214 Milliarden Euro.

Bevölkerung % des Vermögens
   
Reichste 10% 63,8
Reichste 5% 51,1
Reichstes 1% 33,1
Reichstes 0,1% 17,4
Ärmste 50% 2,3
Ärmste 70% 11,7

     Quelle: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, Berlin (DIW)

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Die Inbetriebnahme von Schnöggersdorf ist eine Warnung. Vor 100 Jahren stützte sich die sozialdemokratische Regierung unter Reichspräsident Friedrich Ebert und Verteidigungsminister Gustav Noske auf das Militär, um die Novemberrevolution von 1918/19 niederzuschlagen und die revolutionären Sozialisten Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht zu ermorden. Heute bereitet sich die herrschende Klasse wieder darauf vor, die explosive Opposition in der Bevölkerung gegen Sozialabbau, Militarismus und Krieg auch mit militärischen Mitteln zu unterdrücken.

Gregor Link

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pin_green.gif  Schnöggersburg? Üben im urbanen Gelände - Bundeswehr (Dauer 1:31 Min.)

pin_green.gif  Schnöggersburg, die Übungsstadt in der Letzlinger Heide, GÜZ 2017 (Dauer 3:02 Min.)

pin_green.gif  Bundeswehr-Übungsstadt Schnöggersburg in der Altmark (Dauer 1:49 Min.)

pin_green.gif  Lesetipps:

Todesfälle in der Bundeswehr - Berlin, 03.04.2018 - Seit Gründung der Bundeswehr im Jahr 1955 haben rund 3.200 militärische und zivile Angehörige der Bundeswehr infolge der Ausübung ihrer Dienstpflichten ihr Leben verloren. >> Bundeswehr.de >> Zahlen und Statistiken.

Todesfälle im Auslandseinsatz - Berlin, 31.07.2017 - Von den seit 1992 in die Auslandseinsätze entsandten Bundeswehrangehörigen starben 109 – 37 Soldaten fielen durch Fremdeinwirkung, 72 kamen durch sonstige Umstände ums Leben. >> Zahlen und Statistiken.

Selbsttötung: Neben Unfällen und natürlichen Todesfällen kommt es in der Bundeswehr auch zu Selbsttötungen. Mehr als 3.500 BW-Angehörige begangen seit 1957 Suizid. >> Bundeswehr.de >> Zahlen und Statistiken.

"Bundeswehr: Der neue Werbefeldzug" - weiter.

Die Erleichterung des Soldatengewissens besteht darin, daß Soldat sich einredet, er habe mit dem Krieg nichts zu tun. Jawohl, der Soldat will auch keinen Krieg, aber trotzdem gehört der Soldat zum Krieg wie der Mörder zum Mord. Und wie viele Mörder sagen vor Gericht, sie haben den Mord nicht gewollt? Daß Krieg gleich Mord ist, dazu sagen auch viele Soldaten ja. Daß Soldaten Mörder sind, da rührt sich Widerspruch. Nur: wer Krieg mit Mord gleichsetzt, muß auch Soldaten mit Mördern gleichsetzen. Denn es gibt keinen Mord ohne Mörder!

Ralf Cüppers: "Mörder soll man Mörder nennen. Zur angemessenen Beschreibung der Tätigkeit von Soldaten - nicht nur im Krieg" >> Broschüre 91 Seiten (bitte bis zum Anhang am Seitenende runterscrollen!)

"Einsatz der Bundeswehr im Innern verkündet – Unterdrückung der einheimischen Bevölkerung!" >> Artikel mit vielen Links am Ende.

Forderung nach NATO-Austritt: „Unbedacht und abenteuerlich?“ von Sebastian Bahlo, Referent des Verbandsvorstandes des Deutschen Freidenker-Verbandes. - weiter.

"Nordatlantikvertrag: Acht Gründe für den Austritt Deutschlands aus der NATO" von Elias Davidsson - weiter.


Quelle: WSWS.org > WSWS.org/de > Erstveröffentlicht am 30. April 2018 >> Artikel. Die Bilder im Artikel sind nicht Bestandteil des Originalartikels und wurden von KN-ADMIN Helmut Schnug eingefügt. Für sie gelten ggf. andere Lizenzen, s.u.. Dank an Redakteur Ludwig Niethammer für die Freigabe zur Veröffentlichung.

► Bild- und Grafikquellen:

1. Karte des Truppenübungsplatzes Altmark.  Der Truppenübungsplatz Altmark (auch: Gefechtsübungszentrum Altmark, abgekürzt GÜZ) ist ein militärisches Trainingsgebiet der Bundeswehr in der Colbitz-Letzlinger Heide im Norden von Sachsen-Anhalt. Er befindet sich etwa 40 Kilometer nördlich von Magdeburg zwischen Haldensleben, Gardelegen und Stendal. Mit einer Fläche von rund 232 Quadratkilometern ist er der drittgrößte Truppenübungsplatz Deutschlands und gilt als modernster Truppenübungsplatz Europas. >> weiterlesen. Urheber: NordNordWest. Quelle: Wikimedia Commons. Diese Datei ist unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.0 generisch“ (US-amerikanisch) lizenziert.

Bundeswehr-Soldat-Toeten-auf-Befehl-Antimilitarismus-Wehrdienst-Wehrdienstverweigerung-Kriegsverbrechen-Kritisches-Netzwerk-Wehrpflicht-Moerder2. Schematische Darstellung von Schnöggersburg, die Übungsstadt in der Letzlinger Heide. Die Übungsstadt beinhaltet typische Elemente eines urbanen Ballungsraumes, um die Soldaten auch für Einsätze in bebauten Gebieten optimal für die Bürgerbekämpfung vorzubereiten.

Wirkliches Ziel der Staatsaufrüstung, die im Namen des ‚Kampfs gegen den Terror‘ betrieben wird, ist die Arbeiterklasse und jegliche soziale und politische Opposition. Unter Umständen, unter denen sich die sozialen Gegensätze verschärfen, die Europäische Union auseinanderbricht und sich die nächste Finanzkrise ankündigt, bereiten sich die herrschenden Eliten auf heftige Klassenkämpfe vor. Der wachsende Militarismus nach außen geht mit der Militarisierung der Innenpolitik einher.“ (Rainer Wendt, Chef der Polizeigewerkschaft).

Urheber: Bundeswehr/BAIUDBw KompZ BauMgmt SRB. Quelle: Presse- und Informationszentrums Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen (PIZ IUD) >> Artikel mit Fotos und Karte.

3. Panzergrenadiere des Panzergrenadierlehrbataillons 92 als Viermanntrupp beim Häuserkampf. Urheber: Bundeswehr-Fotos / © Bundeswehr/Rott. Quelle: Wikimedia Commons.  Diese Datei ist unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung 2.0 generisch“ (US-amerikanisch) lizenziert.

4. Skulls: Todesfälle bei der Bundeswehr in Ausübung ihrer Dienstpflichten [sic!]. Grafik: thommas68 - Iván Tamás  •  Budapest/Magyarország. Quelle: Pixabay. Alle bereitgestellten Bilder und Videos auf Pixabay sind gemeinfrei (Public Domain) entsprechend der Verzichtserklärung Creative Commons CC0. Das Bild unterliegt damit keinem Kopierrecht und kann - verändert oder unverändert - kostenlos für kommerzielle und nicht kommerzielle Anwendungen in digitaler oder gedruckter Form ohne Bildnachweis oder Quellenangabe verwendet werden. >> Bild.

5. Protestschild: "Ein Koch lernt kochen, ein Schlosser schrauben, ein Soldat töten! Ohne mich! Lieber einen zivilen Arbeitsplatz!". Foto: Aktion Freiheit statt Angst >> Aktion Freiheit statt Angst ist eine Plattform, die den friedlichen Protest für eine freie demokratische Gesellschaft und gegen Massen-Überwachung, unkontrollierte Datenspeicherung und den uferlosen Ausbau des "Sicherheitssektors" koordiniert. >> http://www.aktion-freiheitstattangst.org/. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung 2.0 Generic (CC BY 2.0).

6. Prostestlerin mit 2 Schildern. "DU SOLLST NICHT TÖTEN" Foto: © Günther Gerstenberg, IMGA0295. > siehe Artikel.