Wege aus einer kranken Gesellschaft: Transformation in eine solidarische, repressionsfreie und ökologische Gesellschaft

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Wege aus einer kranken Gesellschaft

Schritte zur Transformation in eine solidarische, repressionsfreie u. ökologische Gesellschaft

von Thomas Rudek

Der plakativ-provozierende Titel „Wege aus einer kranken Gesellschaft“ läuft Gefahr, bei der Leserschaft eine zu hohe, „heilsversprechende“ Erwartungshaltung zu wecken, so dass eine an den Anfang gestellte Relativierung geboten erscheint: Weder kann auf 30 Seiten der differenzialdiagnostische Nachweis über den Krankheitszustand unseres Planeten in Form einer umfassenden Anamnese erbracht werden, noch erheben die therapeutischen Vorschläge den Anspruch auf Vollständigkeit und schon gar nicht auf eine garantierte Heilung.

Warum dann doch dieser Titel in Anlehnung an ein gleichlautendes Buch des Sozialpsychologen und Psychoanalytikers Erich Fromm gewählt wurde, erklärt sich mit der prinzipiellen Unzufriedenheit, wie über die Umwelt- und Finanzkrise berichtet wird: Als kritischem Medien-Rezipienten und Besucher zahlreicher hochkarätig besetzter Podiumsveranstaltungen festigt sich der Eindruck, dass der Anteil analytisch-deskriptiver Informationen sehr umfassend und detailliert ausfällt, jedoch perspektivische Informationen, wie die Probleme der Krisen in ihren interdisziplinären Zusammenhängen und Wechselwirkungen gelöst werden können, kaum geboten bzw. sehr allgemein gehalten werden.

Die mit der Problemanalyse konfrontierten Besucher werden in der Regel mit nebulösen Allgemeinplätzen nach Hause geschickt und bleiben überfrachtet mit problem-analytischem Detailwissen allein zurück. Was an Perspektive vermittelt wird, sind bestenfalls individualisierte Empfehlungen, angefangen von der Mülltrennung über den Konsum umweltgerechter Produkte bis zum sparsamen Haushalts-Verbrauch von Trinkwasser (mit verheerenden Folgen, zumindest für örtliche Regionen). Bedeutung haben diese trügerischen, individuellen Verhaltensanpassungen für eine Systemtransformation neoliberaler Strukturen jedoch nicht. Im Gegenteil: Die appellative, psychologische Kanalisierung der Wahrnehmung auf individuelle Handlungsansätze ohne eine systemisch verpflichtende Verankerung für alle Gesellschaftsmitglieder wird die herrschende Dominanz neoliberaler Verwertung nicht gefährden!

Vor dem Hintergrund dieses offensichtlichen Ungleichgewichts zwischen Problemanalyse und Problemlösung soll die Überschrift signalisieren, dass im Folgenden ein Brückenschlag von einer Kurz-Anamnese zu Therapie-Vorschlägen zumindest im Rahmen der vorgegebenen Möglichkeiten angestrengt wird. Inwieweit diese fragmentarischen Denkanstöße in ihrer Bedeutung als geeignete Schritte für eine Transformation in eine solidarisch-partizipative, ökologische und repressionsfreie Gesellschaft erscheinen, werden Sie als Leser selbst beurteilen.

Die Pathologie der Normalität: Vom neoliberalen Dreiklang zur Selektion

Seit Erich Fromm 1960 den Zustand des amerikanischen Gesellschaftssystems zusammenfassend als „Pathologie der Normalität“ zu beschreiben versuchte (Fromm, 1980, S. 15, 20ff) und in seiner Diagnose überwiegend sozialpsychologische Kriterien zur Anwendung brachte, hat sich an dem herrschenden Verständnis von (technologischem) Fortschritt und ökonomischem Wohlstand als DEN Erfolgsindikator für die Funktionalität einer Gesellschaftsordnung wenig verändert. Die systematische Ausblendung unmenschlicher Produktionsbedingungen in der so genannten Dritten Welt wie die ökologischen Belastungen, die von unserer schönen bunten Warenwelt ausgehen, wird durch die Werbeindustrie ausgeblendet und von der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung gar als wachstumsfördernd verbucht.

Das Festhalten an einem neoliberalen Wachstumsideal des Bruttoinlandsprodukts bei gleichzeitiger Fokussierung auf Erwerbsarbeit und Vollbeschäftigung trotz enormer Rationalisierungs- und Automatisierungsfortschritte auch im tertiären Dienstleistungssektor überrascht insofern, als die „Grenzen des Wachstums“ bereits in den 70er Jahren – mehr oder weniger parallel zum ersten Öl-Preis-Schock – vom Club of Rome mittels computergesteuerter Simulationsmodelle prognostiziert und einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt worden sind.

Gewiss hat hierzulande eine Sensibilisierung für ökologische Fragestellungen stattgefunden, die sich gesellschaftlich widerspiegelt in der Organisation von Umweltverbänden und in der Bereicherung des parteipolitischen Spektrums durch die Gründung „grüner“ Parteien. Doch trotz verstärkter Artikulation ökologischer Interessen hat der Klimabericht der UN zum einen offenbart, wie schlecht es um den Gesundheitszustand des Planeten bestellt ist und zum anderen, dass die Sensibilisierung für eine soziale wie ökologisch nachhaltig ausgerichtete Wirtschaftspolitik faktisch nicht in den Köpfen der verantwortlichen Entscheidungsträger angekommen ist.

Im Gegenteil: Naomi Klein hat in ihrem Buch „Die Schock-Strategie – Der Aufstieg des Katastrophen-Kapitalismus“ dezidiert nachgewiesen, wie von Seiten der Wirtschaftselite mittels global operierender Think-Tanks das neoliberale Denken in der Realpolitik hegemonial durchgesetzt wurde und wie die intellektuelle Kolonialisierung, besser: Infizierung des Denkens mit dem ideologischen Gedankengut der „Chicago-School“ systematisch verbreitert worden ist.

Neben der intellektuellen Kolonialisierung der Wirtschaftswissenschaften galt es vor allem darum, die ökonomischen Doktrinen des Neoliberalismus (s.u.) politisch operabel zu machen, also die neoliberalen Ziele der Liberalisierung, Privatisierung und Deregulierung in anwendbares, repressives Recht zu transformieren. Neben der Rekrutierung juristischen Sachverstands von den Universitäten bildeten sich institutionalisierte Schnittstellen als interessenpolitische Brücken zu den politischen Entscheidungszentralen heraus: Große, global operierende Beratungsagenturen etablierten sich zusätzlich zu den noch – vergleichsweise „pluralistisch“ organisierten Lobbyverbänden – als eine neue Organisationsform, die es wesentlich effizienter versteht, den Prozess der politischen Willensbildung bereits zu einem frühen Zeitpunkt einseitig zu instrumentalisieren und zu indoktrinieren.

Neoliberale Politik wird fest mit den Begriffen „Liberalisierung, Privatisierung, Deregulierung“ verbunden. Dieser neoliberale Dreiklang erweckt den Eindruck, dass die Propagandisten überwiegend ökonomische Ziele mit einem rationalen System verfolgen, von dem angeblich alle profitieren sollen, was sich sprachlich in der Erhard-Formel „Wohlstand für alle“ bis heute niederschlägt. Dass die Folgewirkungen neoliberaler Strukturpolitik im globalen Wettbewerb anders ausfallen, bringt Jürgen Habermas sprachlich auf den Punkt, indem er das “sozialdarwinistische Potential eines Marktfundamentalismus” anprangernd herausstellt.

Was Habermas sprachlich andeutet, wird von Harald Welzer in seiner aktuellen Publikation „Klimakriege“ eindrucksvoll und pointiert ausgeführt, indem nicht nur die ökologischen, sondern auch die sozialen Folgen neoliberaler Politik dargestellt werden. Dabei geht Welzer über eine Zustandsbeschreibung hinaus, indem er sich der relevanten Frage widmet, wie die Verursacher der Klimakatastrophen sozialpsychologisch mit den unterschiedlichen Betroffenheitsgraden umgehen werden – ein Problem, das sich vor allem dann stellt, wenn die Zahl der Klimaflüchtlinge zunehmen wird. Seine auf die NS-Zeit bezogenen historischen Vergleiche mit der Bereitschaft in Problemsituationen auch gewaltsame Lösungen aktiv zu unterstützen, sind beklemmend und verweisen auf die Herausforderung, interkulturelle solidarische Interaktionsmuster zur Konflikt- und Krisenbewältigung schon in der frühkindlichen Bildung nachhaltig zu vermitteln.

Vom technolog. Fortschritt als messianischem Heilsversprechen zum funktionellen Kannibalismus

Verräterisch sind die Präferenzen, mit denen sich sowohl neokonservative wie neoliberale Vertreter an der Suche nach Antworten auf die globalen Krisen in den öffentlichen Diskussionen zu erkennen geben. Bereits die Ausführungen des Club of Rome sind ein beeindruckendes Beispiel für die Systembindung problemlösenden Denkens und für die Ausrichtung von systemkonformen Problemlösungen an der Befriedigung wirtschaftspolitischer Partikularinteressen. Die geradezu mystifizierend anmutende Propagierung einer einseitigen Bildungspolitik zur Förderung des technologischen Fortschritts als „Heilsbringer“ wurde jüngst durch den oskarprämierten Umweltfilm „Eine unbequeme Wahrheit“ von Al Gore erneut aufgegriffen und massenmedial vermittelt.

Es ist in diesem Zusammenhang bezeichnend, dass diese überwiegend naturwissenschaftlich ausgerichtete Bildungsoffensive einhergeht mit einer Verkürzung der Studienzeiten, der Privatisierung und Kommerzialisierung aufbauender Studiengänge, der Verabschiedung von der Unabhängigkeit universitärer Forschung durch den Einfluss von Drittmittelgebern und der systematischen Schwächung der Grundlagenforschung. Dass unter diesen neoliberalen Rahmenbedingungen technologischer Fortschritt stark risikobehaftet ist, wurde von dem Soziologen Ulrich Beck bereits 1986 in seinem Standardwerk „Die Risikogesellschaft“ herausgestellt.

Die Favorisierung überdimensionierter und kapitalintensiver Großprojekte zeigt nicht nur die Beschränktheit des neoliberalen Fortschrittverständnisses, sondern auch die jeden sozialen Anspruch negierende Position. Die damit einhergehende menschenverachtende Logik eines totalitär-neoliberalen Marktfundamentalismus mit einem entsprechend beschränktem Verständnis von technologischem Fortschritt spitzt sich zu in der Polarisierung der Nachfrage nach Agrarkraftstoffen einerseits und der Nachfrage nach Getreide zur Stillung des steigenden Welthungers andererseits (s. Holt-Giménez).

Die im Sog der Finanzkrise untergegangen von der Welthungerhilfe im letzten Herbst vorgestellten alarmierenden Daten des Welthunger-Index 2007 spiegeln sehr offensichtlich jene Zielsetzung wider, die mit dem neoliberalen Dreiklang eingeläutet worden ist: Es geht um die Korrektur der demografischen Entwicklung der Weltbevölkerung bzw. um die systematische Vernichtung einer Lebensperspektive für von Armut bedrohte Menschen.

In diesem Zusammenhang ist es auch bezeichnend, dass die Auswirkungen der Finanzkrise auf die Währungsstabilität der Entwicklungsländer in der Berichterstattung westlicher Medienkonzerne eine absolut untergeordnete Rolle spielt – obwohl die Entwicklungsländer bereits im Oktober 2008 durchschnittlich einen Währungsverlust von 20 Prozent hinnehmen mussten. Da die meisten Entwicklungsländer ihre Importe in der Leitwährung bezahlen müssen, hat die Währungsabwertung verheerende Folgen (Goldberg): Der Zwang, seine Haut zu Markte zu tragen, wird noch stärker als bisher zunehmen. Die profitablen Geschäftsfelder neoliberaler Menschenverwertung umfasst nicht nur das gesamte Spektrum prekärer, menschen- und umweltverachtender Arbeitsverhältnisse, sondern erstreckt sich genauso über den Menschen- und Organhandel bis hin zur Frauen- und Kinderprostitution (Greve).

Folgt man dem Effizienzstreben neoliberaler Profitmaximierung dann ist nicht viel Fantasie erforderlich, um sich vorzustellen, wo das Schicksal jener Kinder endet, die in global operierenden Netzwerken der Kinderprostitution gelandet sind: Nach der jahrzehntelangen Ausbeutung auf den internationalen Sexmärkten bleibt die Ausschlachtung der geschundenen Körper und gebrochenen Seelen für den prosperierenden Organhandel. Diese totalitäre Verwertung erinnert an jene Beispiele aus nationalsozialistischen Konzentrationslagern, die der ehemalige polnische Aphoristiker Stanislaw Jerzy Lec so treffend sarkastisch auf den Punkt brachte: „Dem letzten Weltkrieg ist es zu verdanken, dass wir neue Goldvorkommen entdeckt haben: Im Gebiß der Gefangen“ (Lec, S.11). Dem Sarkasmus von Lec folgend ist es den Fortschritten der Transplantationsmedizin zu „verdanken“, dass unterdessen auch Eingeweide und lebenswichtige Organe marktwirtschaftlich verwertet werden und den Besitzer wechseln: Ein funktioneller Kannibalismus hat sich eingebürgert, entsprechend dem Geschmack unserer Alltagskultur, in der das technisch Mögliche konsequent von denen eingekauft wird, die es sich leisten können.

Angst als neoliberaler System- und Ordnungsfaktor in der Arbeitsgesellschaft

Angst ist ein psychologisches Phänomen, dem verschiedene Ursachen zugrunde liegen und auf das entsprechend unterschiedlich reagiert wird. Die Volksweisheit, dass Angst ein schlechter Ratgeber ist, bringt nichts anderes als die Einsicht zum Ausdruck, dass von Angst geprägte Entscheidungen nachteilige Folgen haben. In der idealtypischen Betrachtung sollten Entscheidungen „durchdacht“, Vor- und Nachteile mit größter Sorgfalt gegeneinander abgewogen und am besten mit wissenschaftlicher Expertise durchdekliniert worden sein, damit man dann, „ganz auf Nummer sicher gehend“, das bekannte Risiko auf eine vertretbare Minimalgröße reduziert hat.

In einer auf Erwerbsarbeit und Geldwirtschaft ausgerichteten Gesellschaft steht hinter der Angst, seinen Arbeitsplatz zu verlieren, vor allem die Angst, über kein Einkommen zu verfügen, um am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Die Individualisierung einer persönlichen Liquiditätskrise verringert die Möglichkeit des Konsums von Gütern und Dienstleistungen.

Die alleinige Betonung der Liquidität als Voraussetzung für die „Teilhabe“ an der bunten Warenwelt greift jedoch zu kurz, wird sie der sozialpsychologischen Bedeutung der Arbeit nicht gerecht. Der Wunsch des Menschen mit seiner Umwelt in einen produktiven Prozess des Lernens und des sich Austauschens zu treten, ist ein konstitutives Wesensmerkmal menschlicher Existenz.

Erich Fromm bezeichnete dieses Wesensmerkmal als lebensbejahende Biophilie im Gegensatz zu einer technologisch wie technokratisch ausgerichteten Nekrophilie (Fromm, 1979, S.33ff.). Die Popularität Erich Fromms ist auch auf die Differenzierung der Annahme eines destruktiven Todestriebes durch Freud zurückzuführen, der – verkürzt gesprochen – davon ausging, dass die Destruktivität des Menschen nur durch die Verinnerlichung gesellschaftlicher Werte in Form eines disziplinierenden Über-Ichs im Unterbewusstsein gezügelt werden könne. Im Gegensatz zu Freud ging Erich Fromm von der Annahme aus, dass die biophilen, lebensbejahenden Tendenzen die Konstitution des Menschen bestimmen. Ob die biophilen natürlichen Veranlagungen gefördert oder so stark behindert und blockiert werden, dass die destruktiven Veranlagungen zum Ausbruch gelangen, führt Fromm auf den Einfluss gesellschaftlicher Strukturen zurück.

In der Marktwirtschaft wird die Produktion von Gütern und Dienstleistungen durch Angebot und Nachfrage reguliert. Neben den Fixkosten gelten die Kosten für die Arbeitskraft als variable Kalkulationsgröße. Dass der betriebswirtschaftliche Ansatz zu kurz greift, weil die Externalisierungskosten beispielsweise von Entlassungen in Statussymbole bedarf, wird eine der wichtigsten Herausforderungen. Trotz der Schwierigkeiten und Problemstellungen erscheint das Konzept einer Einkommenssicherheit als ein grundlegender Baustein für eine Gesellschaftsordnung, in der sich Menschen ohne Angst entfalten können. Insbesondere für von Armut betroffene Kinder stellt das tägliche Erleben gebrochener Elternteile wie der damit verbundenen Stigmatisierung und Ausgrenzung eine Traumatisierung und Verunsicherung in der Persönlichkeitsentwicklung dar.

Die Flucht in eine Medienwelt, in der Aggression und Gewalt dominieren, scheint im Kalkül neoliberaler Kanalisierung zu liegen. Wenn infolge der Verzweiflung durch Armut die eruptiven Gewaltausbrüche wie beispielsweise die „sozialen Unruhen“ in den Trabantenstädten vor Paris medienpolitisch ausgeschlachtet werden, um so die repressive Hochrüstung des Überwachungsapparates zu rechtfertigen, dann weckt das Modell einer menschenwürdigen Einkommenssicherung zumindest die Hoffnung, dass der alltäglichen, neoliberalen Erniedrigung durch eine menschenwürdige Grundsicherung entgegen gewirkt werden kann. Die Faszination liegt schließlich in der Perspektive einer grundlegenden Machtverlagerung, die es Arbeitnehmern ermöglichen auf gleicher Augenhöhe mit den Arbeitgebern in wirklicher „Sozialpartnerschaft“ über ihre Arbeitsbedingungen und eine gerechte Entlohnung zu verhandeln – von der sozialen Verbesserung aller von der Erwerbsgesellschaft ausgeschlossenen Gruppen ganz zu schweigen.

Von der Vision zu einer „realitätstüchtigen“ Alternative:

Armutsindexierte Inflationsanpassung als verfahrenstechnischer Schutz vor Verarmung
 

Die äußerst kontrovers geführten Diskussionen um eine menschenwürdige, repressionsfreie Einkommenssicherung, lassen unschwer erkennen, dass der Zeitpunkt für eine praktische Umsetzung noch auf sich warten lässt. Auch wird die politische Tagesordnung – was das Problem der zunehmenden Armut wie der wachsenden Kluft zwischen Reich und Arm betrifft – von anderen Themen beherrscht. Seit der Einführung der „Hartz-IV-Reform“ werden mit verlässlicher Kontinuität in den zahlreichen Talkrunden Scheindebatten um die Einführung eines Mindestlohns und über die Notwendigkeit bzw. Sinnhaftigkeit höherer Transferzahlungen geführt, die letztendlich nur eines offenbaren: Die Beharrungskraft einer neoliberalen „Reform“politik, die unbelehrbar auf die Fortsetzung strukturpolitischer Maßnahmen setzt, welche nicht „reformieren“, sondern die betroffenen Menschen systematisch deformieren.

In diesem Kontext ist auffällig, dass die Diskussion um Mindestlöhne und höhere Transferzahlungen bzw. Regelsätze jede fiskalpolitische Bezugnahme vermissen lässt: Weder spielt die Frage der Wertschöpfung noch die der Geldmenge und des Geldkreislaufs eine Rolle. Ergänzend ist hinzuzufügen, dass auch bei der gegenwärtigen Finanz- bzw. Liquiditätskrise der Banken der zentrale Aspekt der Geldmengenpolitik kaum angesprochen wird.

Auch ist die Diskussion um eine bessere Finanzausstattung der von Armut betroffenen Menschen statisch ausgerichtet, was sich am Beispiel der ver.di-Kampagne für einen Mindestlohn in Höhe von Euro 7,50 genauso veranschaulichen lässt, wie die vom Paritätischen Wohlfahrtsverband geforderte Erhöhung des Regelsatzes von Euro 351 (Anm. Admin: EUR 382 aktuell) auf Euro 420 bzw. 450. Diese statische Ausrichtung bietet nicht nur keinen langfristigen Schutz vor Armut, sondern läuft in Anbetracht der Schwerfälligkeit und Langfristigkeit Kampagnengeführter Debatten vor allem Gefahr, vom Lauf der Zeit überholt zu werden und ins Abseits zu geraten. So liegt die gewerkschaftsinterne Verständigung auf einen Mindestlohn in Höhe von Euro 7,50 brutto bereits vier Jahre zurück (Anm. Admin: Stand 2009) und repräsentiert somit nicht die in diesem Zeitraum stattfindenden Preiserhöhungen im Bereich der Sozial- und Mietkostenbelastung. Ähnliches gilt für den Vorschlag des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes. Auch das gegenwärtige Verfahren zur Anpassung der Sozialtransfers an die durchschnittliche Rentenentwicklung wird nicht kontrovers diskutiert, obwohl allen Entscheidungsträgern bekannt ist, dass dieses Verfahren die Armut vergrößert. Woran es der Diskussion mangelt, sind verfahrenstechnische Strukturalternativen, die einen nachhaltigen Schutz vor der Gefahr einer zunehmenden Verarmung garantieren.

Anstöße für einen Ausweg aus diesem verfahrenstechnischen Dilemma liefert der Statistiker Hans-Wolfgang Brachinger, der mit seinen Ausführungen über gefühlte Inflationsraten die Grundlage für folgende Überlegungen lieferte. Das persönliche Empfinden über die Entwicklung der Teuerungsraten wird maßgeblich bestimmt von der persönlichen Einkommenssituation. Angaben zur durchschnittlichen Inflationsrate werden von überdurchschnittlichen Einkommensbeziehern mit geringerer Sorge zur Kenntnis genommen, während Preiserhöhungen für Menschen, die von Armut betroffen sind und die kaum wissen, wie sie ihre Kosten bestreiten können, eine Bedrohung der Existenz darstellen. Bereits jetzt werden Armentafeln und Kleiderkammern zum Rettungsanker für immer mehr Menschen. Bei einer durchschnittlichen Inflationsrate von 3 % im Mai letzten Jahres (2008) betrug die einkommensabhängige Inflationsrate für den Bezieher eines unteren Einkommens von 1700 Euro Netto nach Brachinger über 7 %! Unter Berücksichtigung der durchschnittlichen Mietkosten, sowie Versicherungsleistungen (Krankenkasse, Pflege- und Rentenversicherung) für Hartz IV Betroffene gelangt man für einen Ein- Personen-Haushalt auf einen Nettobetrag in Höhe von ca. 920 Euro, so dass die für diese Einkommensgruppe anfallende Inflationsbelastung noch wesentlich dramatischer ausfällt!

Vorausgesetzt, dass ein wirksames, nachhaltiges Verfahren zur Armutsbekämpfung ernsthaft angestrebt und wirkungs- wie bürgernah implementiert werden soll, ist neben anderen Instrumenten eine armutsindexierte, auf die Höhe der Transferzahlung bezugnehmende Inflationsanpassung ein wichtiges Instrument, mit dem wenigstens sichergestellt werden kann, dass sich die Belastungen für die Ärmsten dieser Gesellschaft nicht noch weiter vergrößern. Gerade vor dem Hintergrund der weltweiten Finanzkrise und den Gefahren, die durch das neoliberale Handling der Krise regelrecht provoziert werden, ist dieser konkrete Verfahrensvorschlag von zentraler Bedeutung.

Ob das Modell einer menschenwürdigen Einkommenssicherung oder das Verfahren einer armutsindexierten Inflationsanpassung angestrebt wird – beide Modelle wie die anderen angesprochenen Probleme führen zu der Frage der Finanzierbarkeit, womit die Finanzkrise im Mittelpunkt der folgenden Ausführungen steht.

Antworten auf die Finanzkrise: Über die Absurdität der Systemrelevanz von Oligopolen

Konzepte wie Reformvorschläge, die der sozialen wie ökologischen Sicherung dienen, scheitern regelmäßig an den eng gesteckten Spielräumen nationalstaatlicher Haushaltspolitik bzw. an der Staatsverschuldung. Vorschläge müssen heutzutage „gegen finanziert“ sein, damit sie ökonomisch akzeptiert und als medial vermittelbar gelten. Die Schnelligkeit, mit der für „systemrelevante“ Banken staatliche Bürgschaften von mehreren Billionen Dollar in Form von staatlichen Bürgschaften und anderen Hilfskonstruktionen bereit gestellt worden sind, erstaunt, insbesondere vor dem Hintergrund der Schwerfälligkeit und Langsamkeit, wie Probleme des Klima“wandels“, des weltweit herrschenden Hungers und anderer Globalisierungsprobleme angegangen bzw. ausgesessen werden. Allein die Verwendung des Begriffs der „Systemrelevanz“ verdeutlicht das Versagen des marktwirtschaftlichen Systems, denn in einem freien, auf Wettbewerb ausgerichteten Markt dürfte es weder systemrelevante Banken noch systemrelevante Unternehmen geben. Schließlich spiegelt der Begriff der Systemrelevanz nichts anderes wieder, als das Unternehmen eine marktbeherrschende Stellung eingenommen haben und die staatliche Aufsicht (Kartellbehörden) versagt hat. Ein „too big to fail“ dürfte es in der idealtypischen, wettbewerbsausgerichteten Marktgesellschaft nicht geben. Doch die faktische Unternehmenskonzentration belehrt uns eines Besseren.

Auch die Forderung, der Staat solle sich auf seine ordnungspolitischen Kernkompetenzen zurückziehen und das freie Spiel der Marktkräfte nicht stören, verschleiert, dass es in jeder Wirtschaftskrise Gewinner gibt, da Konkurrenz beseitigt und der Konzentrationsprozess zugunsten weniger Oligopole beschleunigt wird. Neben diesem Säuberungseffekt fällt auch das betriebswirtschaftliche Ergebnis keinesfalls positiv aus: Zu einem unternehmerischen oder volkswirtschaftlichem Mehrwert führen die wenigstens Fusionen. In der Regel wechseln vor allem Patente, Immobilien und Produktionsverfahren die Besitzer und auf der Strecke bleibt ein Großteil der Beschäftigten als variable Masse. Im Fall der Bankenkrise stellte sich das Problem insofern anders dar, als durch das Verbriefungsgeschäft von Krediten mittels komplex-verschachtelter Finanzprodukte das Ausmaß der „abzuschreibenden Verluste“ nicht abzusehen ist.

Erschwerend kommt hinzu, dass durch den Handel von Schuldverschreibungen innerhalb des Bankensektors der interne Verflechtungsgrad eine jeden Wettbewerbanspruch negierende Ausprägung erreicht hat. Dass in einer solchen Situation der Staat als größter Schuldner in die Rolle des Retters gedrängt wird, der als Gläubiger mit – international betrachtet – billionenschweren Bürgschaften für Banken und systemrelevante Unternehmen von Branchen, deren Zukunftsfähigkeit ohnehin fragwürdig ist, gerade stehen soll, beweist die Paradoxie neoliberaler Problemlösungen: Statt sich zu den notwendigen Systemveränderungen durchzuringen und die Zerschlagung großer Wirtschaftseinheiten zugunsten wettbewerbsfähiger Strukturen in die Wege zu leiten, werden Scheinalternativen propagiert, die bestenfalls der Befriedigung narzisstischer Gruppenegoismen dienen, jedoch weder gesamtgesellschaftlich noch global von therapeutischem Nutzen sind.

Neoliberale Regulierung überwinden mit einer ökologischen Währungsreform

oder: vom Petro-Dollar zum Öko-Taler

684 Billionen Dollar – so hoch schätzt (!) die Bank für Internationalen Zahlenausgleich den Wert der sich im Umlauf befindenden Derivate. Das real existente globale Bruttosozialprodukt ist mit spekulativen Wertsteigerungen auf Jahrzehnte mehrfach verbrieft, und es bestehen erhebliche Zweifel, ob die Realwirtschaft eine entsprechende Werterzeugung jemals erbringen kann. Auch eine andere Gegenüberstellung verdeutlicht die Diskrepanz zwischen Realwirtschaft und spekulativer Finanzwirtschaft: Auf dem globalen Finanzmarkt befinden sich 750.000 Finanzprodukte, während wir in Supermärkten zwischen 7500 Produkten wählen können. Und die Diskussion um einen verbesserten Verbraucherschutz gegenüber den Finanzprodukten ruft in Erinnerung, dass bereits die Forderung nach einer erhöhten Qualitätskontrolle dieser bescheidenen Produktpalette der Discounter auf erhebliche Widerstände der Lebensmittelindustrie stößt.

Diese quantitativen Dimensionen lassen erahnen, dass die gegenwärtigen Hoffnungen, den neoliberalen Finanzmarkt in seiner Ausdifferenzierung regulieren und kontrollieren zu können, trügerisch sind. Wer sich über das Ausmaß der bisherigen Regulierungsentwicklung ein Bild machen möchte, der vergleiche den Sammelband Bankrecht (des C.H.Beck-Verlags) in der 11. Auflage aus dem Jahr 1981 mit der 35. Auflage: Umfasste die Auflage 1981 302 Seiten so wuchs die 35. Auflage 27 Jahre später auf 1284 Seiten. Dass in dieser Regulierungszunahme auch Ausnahmeregelungen ein breiter Platz eingeräumt wurde, lässt sich am Beispiel des Basel II Pakets mit 130 Ausnahmeregeln veranschaulichen. Und die Kontrolldefitzite? Im europäischen Finanzmarktsystem gibt es 52 Aufsichtsinstitutionen und der amerikanische Versicher AIG stand unter der Aufsicht von 26 Einrichtungen (die Problematik zaghaft andeutend. Malcher: Ententanz). Wer, wie Dahrendorf, die Ansicht vertritt, die Krise ließe sich durch „technische“ Veränderungen meistern, verkennt die Notwendigkeit einer Reduzierung auf das Kerngeschäft der Kreditunternehmen wie die Unterbindung von wettbewerbsgefährdenden Verflechtungsgeschäften (Jenseits).
 

Auch kann die quantitative Diskrepanz zwischen Realwirtschaft und einer spekulativen Finanzwirtschaft in ihrer Größenordnung durch die künstliche Herstellung von Liquidität mittels einer moderaten Leitzinspolitik und durch die Bereitstellung von Staatsbürgschaften nicht einmal im Ansatz behoben werden. Im Gegenteil: Eine Vergrößerung der Geldmenge ohne einen Wertzuwachs der Realwirtschaft im tertiären und primären Sektor (Landwirtschaft, Industrie, Handwerk) wird nach einer kurzen Phase der Deflation zu einer Hyperinflation führen. In einem Interview der Wochenzeitschrift „Die Zeit“ zeigt William White, Chefvolkswirt der Bank für Internationalen Zahlenausgleich, die Dramatik der Krise.

Auch kurzfristig greifen die neoliberalen Rezepte nicht: Beispielsweise wird die Bereitstellung „billigen“ Geldes durch eine niedrige Leitzinspolitik von den Banken bisher nicht in Form zinsgünstiger Kredite weitergegeben, sondern vorrangig genutzt, um die politisch geforderte Stärkung der Eigenkapitaldecke umzusetzen. Auf der Strecke bleiben junge Unternehmen, die sich für die hohen Zinsen Risikokapital nicht leisten können, während hoch verschuldete Konzerne wie beispielsweise der Stromriese RWE weiterhin ihre Kreditlinien verlängern können.

In Anbetracht der gewaltigen Diskrepanz zwischen hoch-komplexen, intransparenten Finanzprodukten und dem eingeschränkten Werterzeugungspotenzial der Realwirtschaft, verwundert es, dass gerade aus den Reihen der Globalisierungsbefürworter der Fortbestand nationaler Währungen nicht zur Diskussion gestellt wird. Der Traum eines einheitlichen globalen Währungsraumes scheint mit einem Tabu belegt. Stattdessen beschränkt sich die öffentliche Diskussion auf eine den Status Quo sichernde Symbolpolitik, während die am Rande erwähnten Alternativforderungen wie die Einführung einer Tobien- Steuer oder die Einführung fester Wechselkurse den Bezug zum Gesamtsystem vermissen lassen.

Dabei ist der Schritt zu einer globalen Währungsreform nicht nur überfällig, sondern wäre auch die entscheidende Voraussetzung, damit den Spekulationen auf steigende und fallende nationale Währungen der Riegel vorgeschoben wird und Investitionsentscheidungen nicht mehr in Abhängigkeit von Wechselkursschwankungen gestellt werden. Für eine globale Währungsreform spricht vor allem der UN-Klimabericht aus dem Jahr 2007, der mit seinen dramatischen Prognosen die Folgen der Finanzkrise bei weitem übertrifft! Die Voraussetzungen für eine globale Währungsreform, die sich an ökologischen Kriterien orientiert, waren noch nie so günstig und erscheinen noch nie so zwingend geboten wie jetzt!

Eine globale, ökologisch ausgerichtete Währungsreform mit den Zielen, die ökologischen Kosten bei der Herstellung von Waren und Dienstleistungen maßgeblich zu berücksichtigen, würde faktisch bedeuten, dass Produkte, für deren Herstellung wenig CO2 ausgestoßen wird, wenig (virtuelles) Wasser und regenerative Energie (ausgenommen Agrarkraftstoffe) eingesetzt werden, günstiger gehandelt und angeboten werden können, als Produkte, deren ökologische Herstellungsbilanz negativ ausfällt. Auch der Aspekt des Aufwands zur Widerverwertbarkeit wäre genauso zu berücksichtigen wie die Verdienstmöglichkeiten der Beschäftigten. Und dass in diesen Zusammenhang auch die Brücke von einer globalen, ökologischen Währungsreform zu einem angstfreien Lebens durch das Modell einer global geltenden menschenwürdigen Grundsicherung nicht nur denkbar, sondern sinnvoll und zweckdienlich ist, ergibt sich nahezu von selbst.

Offenbart hat der UN-Klimabericht auch die Unzulänglichkeit der Wirtschaftswissenschaften, insbesondere die der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung: Wenn Umweltkatastrophen, Verkehrsunfälle, eine hohe Zahl an Gefängnisinsassen und andere Sozio-Pathologien dazu beitragen, mittels volkswirtschaftlicher Gesamtrechnung das Bruttosozialprodukt als die zentrale Kategorie im internationalen Wettbewerbsranking zu steigern, dann besteht auch hier Erneuerungsbedarf und die Bereitschaft, sich von ausgedienten Instrumentarien schleunigst zu verabschieden (Malcher – Größe).

Doch die Zeichen der Zeit weisen in eine andere Richtung. Statt eine Weltwirtschafts- und Finanzordnung zu entwerfen, die sich an den ökologischen Grenzen des Wachstums vorrangig orientiert, wird mit hektischen Betriebsamkeit ein blindwütiger Polit-Aktionismus an den Tag gelegt, der an Peinlichkeit nicht zu übertreffen ist: Abwrackprämie, öffentliche Bad Banks, Stresstests und Staatsbürgschaften sind Beispiele des Fehlens jeglicher politischer wie volkswirtschaftlicher Weitsicht. Das Boni-System als psychopathologische Voraussetzung für den Erhalt eines Systems, dass auf Gier, Gewinne, Größenwahn setzt, wird genauso wenig in Frage gestellt, wie die Geschäftspolitik der Investmentbanken untereinander. Gewiss hätte ein radikaler Einschnitt im Sinne der Rückführung auf das traditionelle, auf Wettbewerb ausgerichtete Kerngeschäft der Banken genauso Massenentlassungen zur Folge wie die erforderlichen Veränderungen bei den Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, Beratungs- und Rating- Agenturen. Doch könnte dieses „Freisetzungspotenzial“ gewiss größtenteils durch den Umbau in eine neue, zukunftsfähige ökologische Weltwirtschaftsordnung aufgefangen werden, vorausgesetzt die Bereitschaft zu einem anderen Systemdenken ist vorhanden.

Regulierung durch Regionalisierung: Plädoyer für Nähe u. überschaubare Verhältnisse

Die Entstehung der Krise, der Krisenverlauf und der Umgang mit der Krise stärken den Verdacht, dass die Krise als Steuerungsinstrument zur Optimierung neoliberaler Strukturpolitik bewusst in Szene gesetzt worden ist. Der neoliberale Grundsatz einer radikalen Marktentfaltung bei einer gleichzeitigen Minmierung staatlicher Einflussnahme setzt voraus, dass sich die staatlichen Institutionen noch einmal gewaltig mit der Rolle als Retter übernehmen, um dann mit Pauken und Trompeten in der platzenden Bürgschaftsblase unterzugehen.

Der Staatsbankrott als Endziel neoliberaler Marktfundamentalisten? Bereits jetzt melden sich die Wortführer der „Deutschland AG“ zurück und warnen davor, dass der Staat ein schlechter Unternehmer sei. Die vorsätzliche Irreführung der Bevölkerung findet schließlich ihre Zuspitzung in einer künstlich geschürten Sozialismus-Debatte, für die es in Anbetracht der personellen Zusammensetzung des neoliberalen Krisenmanagements nicht den geringsten Anlass gibt. Im Gegenteil: Die Kontinuität lässt keine Hoffnungen auf einen strukturellen Bruch und einen Neuanfang zu. Um die Kontinuität in der Fortsetzung neoliberaler Problemlösungs“kompetenz“ zu beweisen, haben die politisch Verantwortlichen im Fall der Enteignung der Hypo Real Estate die Federführung für das „Verstaatlichungs-Gesetzes“ von Anfang an aus der Hand gegeben und mit der Entwicklung und Konzeption die internationale Kanzlei Freshfields Bruckhaus  Deringer beauftragt, die ansonsten auch die Privatbanken zu ihrer Klientel zählt.

Dabei sind gerade in Deutschland aufgrund der speziellen Ausgestaltung des Finanzsektors mit seinem so genannten Drei-Säulen-Modell, bestehend aus Privatbanken, Genossenschaftsbanken und den öffentlich-rechtlichen Sparkassen, geeignete institutionalisierte Voraussetzungen vorhanden, um innerhalb der Finanzkrise ein differenziertes Krisenmanagement zu praktizieren.

Um vor allem klein- und mittelständische Betriebe vor Liquiditätsengpässen zu schützen, hätten der Staat die öffentlich-rechtlichen Sparkassen und die Investitionsbanken mit Mitteln ausstatten müssen, damit diese ihre wichtige Funktion in der Versorgung mit günstigen Krediten verstärkt wahrnehmen können. Vor allem die Vorzüge des öffentlich-rechtlichen Sparkassensystems sind hier hervorzuheben. Das sich gerade in der jetzigen Krise bewährte Geschäftsmodell des Regionalprinzips der Sparkassen, nämlich die Begrenzung der Geschäftstätigkeit auf die jeweilige Region der einzelnen Bundesländer, was internationale Spekulationsgeschäfte verbietet, hätte Vorbildcharakter bekommen müssen.

Stattdessen wird – von der Bevölkerung unbemerkt – bei jeder Gesetzesänderung gerade das Regionalprinzip mehr und mehr aufgeweicht. Vor dem Hintergrund eines zu erwartenden dramatischen Anstiegs von Personeninsolvenzen erhält auch die Funktion der Gemeinnützigkeit des öffentlich-rechtlichen Sparkassensystems eine besondere Bedeutung. So könnte der in einigen Bundesländern bereits gesetzlich verankerte Rechtsanspruch auf ein “Girokonto für Jedermann” in allen Bundesländern durchgesetzt werden, zumal aufgrund der Grundrechtsbindung des öffentlich-rechtlichen Bankensystems hier keine verfassungsrechtlichen Bedenken entgegenstünden. Erweitert man diese konkreten Gestaltungsoptionen (Gemeinnützigkeit, Regionalprinzip, Girokonto für Jedermann) noch um die Möglichkeiten einer kundennahen Demokratisierung und einer vorbehaltlosen Transparenz, so spiegelt der Verzicht auf die Inanspruchnahme all dieser Gestaltungsoptionen das Ausmaß der ungebrochenen Kontinuität neoliberaler Positionen in der Finanzkrise wieder.

Neoliberales Krisenmanagement verspielt gestalterische Optionen

Statt die Gunst der Stunde zu nutzen und einen solidarisch-emanzipativen Umbau des Bankensektors voran zu bringen, werden Pläne über geeignete “Exit”-Strategien geschmiedet: Die Rückdrängung des Staates scheint beschlossene Sache, so die unstrittige Auffassung aller Teilnehmer einer Berliner Veranstaltung der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft.(INSM) Dass auch die Finanzkrise den schon seit Jahren andauernden neoliberalen Angriff auf das deutsche Drei-Säulen-Modells keinesfalls zu stoppen vermag, bewies die EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes, indem sie das öffentlich-rechtliche Sparkassensystem als veraltet und globalisierungsuntauglich brandmarkte. Dies beweist einmal mehr, dass weder eine ernstzunehmende Disziplinierung der außer Rand und Band geratenen Finanzströme angestrebt wird noch der zunehmenden Ausgrenzung von armen Menschen von existenznotwendigen Finanzdienstleistungen entgegengesteuert wird. Dabei liegt die Gegenrezeptur auf der Hand: Disziplinierung von Kapitalbewegungen durch Regionalisierung, begleitet von der sozialen Flankierung durch einen gesetzlich verankerten Rechtsanspruch auf ein Girokonto auch für arme Menschen, hätten zu wichtigen Eckpfeilern für ein emanzipatorisches Geschäftsmodell einer zukünftigen Bank erklärt werden können.

Auffällig ist die Einseitigkeit der von dem neoliberalen Krisenmanagement entwickelten Instrumente, die vor allem die Steuerzahler belasten und ihre Zuspitzung in der Gewährung milliardenschwerer Staatsbürgschaften findet. Zur Erinnerung an das Ausmaß zukünftiger Belastungen: Im Fall des „Bankenrettungsfonds“ müssen die Steuerzahler für 480 Milliarden Euro und des „Wirtschaftsfonds Deutschland“ für 115 Milliarden Euro gerade stehen. Um das Risiko gesamtgesellschaftlich sozial ausgewogener zu verteilen, wäre es zielführender gewesen, die Dividendenausschüttung börsennotierter Unternehmen an die beschleunigte Rückzahlung ausstehender Kreditverbindlichkeiten zu koppeln.

Das Prinzip wäre einfach: Im Fall ausstehender Kreditrückzahlungen hätte mittels eines Beschleunigungsgesetzes zur Schuldentilgung für börsennotierte Unternehmen die Dividendenausschüttung zugunsten einer vorgezogenen Schuldentilgung “kanalisiert” und so die Liquidität der Banken mit privaten und nicht öffentlichen Geldern verbessert werden können. Um die quantitative Dimension dieser Maßnahme zur Behebung der Liquiditätskrise zu veranschaulichen, sei hier als Beispiel auf die Verschuldung des RWE Konzerns in Höhe von Euro 20 Milliarden verwiesen. In Anbetracht der Verschuldung internationaler Konzerne wären auch die Voraussetzungen gegeben, die Privatisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge aufzuheben und die gegenwärtige Situation für eine kostengünstige Rekommunalisierung zu nutzen. Lebens- und systemrelevante Bereiche wie die der Strom- und Wasserversorgung sollten vollständig in öffentliche Hand und in nationalstaatliche Zuständigkeit zurückgeführt werden. Eine auf die real anfallenden Kosten ausgerichtete Kalkulation (ohne (verdeckte) Gewinnansprüche beispielsweise in Form von kalkulatorischen Zinsen) würde faktisch zu Preisentlastungen führen, die sich volkswirtschaftlich in mehrfacher Hinsicht positiv auswirken: Zum einen durch eine Entlastung der Verbraucher, die mehr Geld für den Konsum zur Verfügung haben, und für das Gewerbe, die von einer Senkung ihrer Fixkosten eventuell einen (internationalen) Wettbewerbsvorteil haben.

Das politische System im Visier neoliberaler Transformation: Von der Selbstkontrolle zur Systemkontrolle

Die neoliberale Transformation politischer Systeme, die formal nach den Prinzipien der repräsentativ-parlamentarischen Parteiendemokratie und der klassischen Gewaltenteilung entwickelt worden sind, hat zu erheblichen Veränderungen geführt, die die ursprüngliche Intention des “klassischen” Demokratiemodells unterlaufen – genauer formuliert: überlagern. Zusammengefasst laufen diese Transformationsprozesse darauf hinaus, die Verfügungsgewalt über die wichtigste Steuerungsressource zu erlangen: die Information.

Die Ausdifferenzierung gesellschaftlicher Teilsysteme führt einerseits zu einer Komplexitätssteigerung, andererseits auf Seiten der politischen Entscheidungszentralen zu einem gesteigerten Bedürfnis nach Komplexitätsreduktion. Vereinfacht formuliert, ist die Kunst, die Spreu vom Weizen zu trennen, zu einer Domäne neoliberaler Politikberatung geworden, die unter dem Deckmantel wissenschaftlicher Politikberatung den politischen Anforderungen in mehrfacher Hinsicht entspricht: Zum einen erfolgt die Komplexitätsreduktion in der Problemanalyse, zum anderen wird dem Bedürfnis nach Problemlösungen weniger theoretisch konzeptionell entsprochen, als durch die Ausarbeitung handlungsorientierter Konzepte, die in der Regel auch strategische Optionen für die Umsetzung in die politische Praxis enthalten.

Auf diese Weise gelingt es mittels einer einseitigen, hochselektiven, asymmetrischen Informationsverarbeitung neoliberale Interessen nicht nur abzusichern, sondern ihre Interessendurchsetzung dauerhaft zu “institutionalisieren”. In diesem Prozess der Institutionalisierung wird neben den klassischen Instrumenten der Ämterpatronage oder des Lobbying vor allem auf den Einsatz international operierender Beratungsagenturen gesetzt (Rügemer, Leif). Strategische Zielsetzung ist die frühzeitige, kontinuierliche, “vertrauensvolle” Einbeziehung in einer Phase der entscheidungspolitischen Weichenstellung, in der also Grundsatzentscheidungen in Fragen der Problemdefinition und Problemdarstellung getroffen werden.

Da die Beratungsagenturen aufgrund ihres internationalen Engagements über ein globales Netzwerk verfügen und sie vor allem mittels eines breit gefächerten Personalbestandes von juristischen Experten dem politischen Bedürfnis nach Komplexitätsreduktion durch die juristische Ausarbeitung handlungsfähiger Problemlösungskonzepte dem Anschein nach entsprechen, wird den Beratungs-Agenturen innerhalb des Entscheidungsprozesses eine exklusiv-privilegierte Position eingeräumt, die sowohl aus demokratietheoretischer als auch aus verfassungsrechtlicher Perspektive höchst fragwürdig ist.

Aus der gesamtgesellschaftlichen Perspektive betrachtet, verfolgt die neoliberale Beratungsexpertokratie die gesellschaftliche Durchsetzung des Primats der Ökonomie gegenüber allen anderen gesellschaftlichen Teilbereichen (von den Medien über die Wissenschaften bis hin zu den Konfessionen). Gleichzeitig wird der Einfluss des (bereits weitgehend vergesellschafteten) Staates auf die Ökonomie durch eine kontrollierende Regulierungsbürokratie zurückgedrängt, zugunsten einer mystifizierenden Selbstkontrolle, wie sie sich beispielsweise in der Ausgestaltung von Rating-Agenturen und Wirtschafts-Prüfungsgesellschaften widerspiegelt.

So wundert es nicht, dass der gesamtgesellschaftliche Führungsanspruch neoliberalen Denkens nahezu alle Lebensbereiche dem betriebwirtschaftlichen Denken unterwirft: Ob Schulen, Universitäten, Krankenhäuser, Bibliotheken bis hin zur Ich-AG, die Totalisierung des betriebswirtschaftlichen Denkens klassifiziert die “Bestandsaufnahme” in wertvolle und wertlose Produkte. Wo keine Wertsteigerungen “erwirtschaftet” werden können, droht die Schließung bzw. Abschreibung, natürlich nur, solange es sich nicht um systemrelevante Banken handelt. Ob McKinsey & Company, Roland Berger oder die Bertelsmann-Stiftung – die allgegenwärtige Beratungsindustrie ist im öffentlichen Bewusstsein auch durch die eingespielten Kontakte zu den Massenmedien fest verankert und indoktriniert das alltägliche Denken mit neoliberalen Argumentationsfiguren. Im Visier stehen dabei öffentliche Einrichtungen, die für die Sozialstaatsfunktion Relevanz, aber eben keine Systemrelevanz haben. Faktisch geht es bei der neoliberalen Großoffensive um die Freistellung von Geldern aus dem Sozialstaatsetat für die indirekte Subventionierung der privatrechtlich organisierten “innovativen Zukunftsfelder”.

Der politische Führungsanspruch des neoliberalen Netzwerkes spiegelt sich nicht nur in der „Handschrift“ von Gesetzgebungsprojekten und in der frühstmöglichen Einbeziehung in den politischen Entscheidungsprozeß wider. Fundamentaler – und von der kritischen Wissenschaft bisher nicht beachtet – ist die Unterhöhlung des Rechtsstaates, indem mittels privatrechtlicher Normen für private Träger ein quasi rechtsfreier Raum geschaffen wird.


Am Beispiel der Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe lässt sich exemplarisch veranschaulichen, was gemeint ist: Die Teilprivatisierung wurde juristisch begleitet durch ein öffentliches Teilprivatisierungsgesetz und einen privatrechtlichen Vertrag zwischen dem Land Berlin und den privaten “Investoren” RWE und Veolia. Der privatrechtliche Vertrag unterliegt der Geheimhaltung und ist öffentlich nicht zugänglich! Der kanalisierte Protest fand seinen Niederschlag in einer Klage gegen das Teilprivatisierungsgesetz durch die damalige Oppositionsfraktion der PDS (heute Die Linke) vor dem Berliner Verfassungsgerichtshof. Der Verfassungsgerichtshof entschied, dass die im Gesetz veranschlagte Preiskalkulation in einigen Bestandteilen juristisch nicht zulässig sei.

Der privatrechtliche Vertrag konnte jedoch nicht zum Gegenstand dieser juristischen Prüfung erhoben werden, mit der Folge, dass zwar das Teilprivatisierungsgesetz in Teilen beanstandet wurde, nicht aber der privatrechtliche Vertrag. In diesem Vertrag wird jedoch den “Investoren” für eine unbefristete Laufzeit eine (traumhafte) Jahresrendite garantiert, die notfalls sogar aus dem verschuldeten Haushalt gezahlt werden muss. Damit ist es den Konzernen in einzigartiger Weise gelungen, ihren Gewinnanspruch unabhängig von der dritten Gewalt, der Jurisdiktive, zu stellen bzw. den Gewinnanspruch als politisch wie juristisch nicht anstastbar zu festigen.

Selbst wenn, wie in dem konservativ regierten Hessen, auch in Berlin das Landeskartellamt überhöhte Wasserpreise feststellen sollte und infolge ein Preissenkungsverfahren gegenüber den Berliner Wasserbetrieben einleiten sollte, würde im Gegenzug das Ventil zum Haushalt geöffnet werden, damit die privatrechtlich zugesicherte Gewinngarantie auch weiterhin sprudelt, während die öffentliche Verschuldung zunimmt. Dieses Muster einer privilegierten Stellung privatrechtlicher Konzerne mittels privatrechtlicher Geheimverträge sind weder Einzelfälle noch Ausnahmefälle, sondern die Regel, die den politischen Führungsanspruch neoliberaler Expertokratie untermauern und die informative Entmündigung einer demokratischen Öffentlichkeit beschleunigen.

Um die gesamte Tragweite bzw. den Stellenwert für die neoliberale Ausgrenzung zu erfassen, ist zu verstehen, dass es sich bei diesen Vertragskonstruktionen um Finanzierungsinstrumente handelt, die als juristische Blaupausen im Rahmen von Auslandsgeschäften exportiert werden. Werden dort die hier geltenden optimalen Bedingungen für eine risikofreie Gewinnerzielung der Investoren zu Lasten von Verbrauchern nicht akzeptiert, bleiben die Investitionen aus und die Menschen sitzen auf dem Trocknen.

Hypnotisch eingeschworen auf den neoliberalen “Sound des Sachzwangs” sind Politikverdrossenheit und sinkende Wahlbeteiligungen nicht nur die zwangsläufige Folge, sondern integraler Bestandteil eines neoliberalen Kalküls, welches das psychologische Madigmachen und das Verleiden an einer politisch-aktiven, lebendig-konstruktiven, solidarisch-emanzipativen Mitgestaltung bewusst herbeiführt. Dieser Aspekt der informativen Entmündigung, indem die als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse getarnten Gewinngarantien über das Recht der Bürger und Verbraucher gestellt werden, zeigt die Absurdität der allerorten verabschiedeten Informationsfreiheitsgesetze, die Transparenz vorgaukeln, in Wirklichkeit die informative Entmachtung von Bürgern und Verbrauchern erhärten. Vor dem Hintergrund dieser schleichenden, um sich greifenden Entmündigung muss die Konzentration der Transparenzdiskussion auf die Frage der Veröffentlichung von „Neben“-Einkünften unserer Abgeordneten schon fast belanglos erscheinen.

Vom Volksbegehren zum Anti-Privatisierungsreferendum: Beispiele für Politische Partizipation

Die Finanzkrise wird in der öffentlichen Diskussion auch als Vertrauenskrise der kleinen Leute bezeichnet. Wie gering umgekehrt das (demokratische) Vertrauen der politischen Leistungsträger in die Bevölkerung ist, drückt sich in der Tatsache aus, dass das partizipative Instrument der direkten Demokratie auf Bundesebene weder als Ergänzung noch als Korrektiv zu den herrschenden politischen Entscheidungsverfahren vorgesehen ist. So überrascht es folglich auch nicht, dass sich die politische wie mediale Diskussion um dieses Thema als sehr schwerfällig erweist. Zivilgesellschaftliche Organisationen wie „Mehr Demokratie e.V.“ setzen sich mit erheblichem Aufwand seit Jahrzehnten für die verfassungsrechtliche Verankerung von Volksbegehren und Volksentscheiden auf allen politischen Ebenen ein, auch als verfahrenstechnische Alternative gegenüber den klientelistischen Verkrustungen und Deformationen der repräsentativ-parlamentarischen Demokratie. Doch was in anderen Ländern üblich ist – es sei an die Referenden zur EU-Verfassung erinnert – wird in Deutschland abgelehnt.

Dabei sind diese Instrumente ein wichtiges Instrument, um der Politikverdrossenheit entgegen zu wirken. Wie Rainer Rilling mittels einer empirischen Bestandsaufnahme aufzeigte, sind Volks- und Bürgerbegehren auf Landes- und kommunaler Ebene aufgrund verfahrenstechnischer Auflagen keinesfalls Instrumente, die leicht zu handhaben sind. Im Gegenteil: Es bedarf gewaltiger Kraftanstrengungen, sowohl in organisatorischer wie in finanzieller Hinsicht, um die drei Stufen von der Zulassung über das Volksbegehren bis hin zum rechtsverbindlichen Volksentscheid zu bewältigen. Gerade deshalb besteht die Gefahr, dass letztendlich nur große, etablierte Organisationen den Aufwand auf sich nehmen und dann trotz Größe und vorhandener Logistik scheitern.

Unter Berücksichtigung des zivilgesellschaftlichen Kraftaufwands, den Volksbegehren und Volksentscheide erfordern und der Leichtigkeit, mit der Privatisierung, Deregulierung und Liberalisierung über die Köpfe der Betroffenen hinweg durchgesetzt werden, stellt sich die Frage nach effizienteren Möglichkeiten einer „widerständigen“ Partizipation. Ein Blick in die Schweiz zeigt, dass dort die direkte Demokratie mit dem Instrument von fakultativen und obligatorischen Referenden die Bürger von dem hohen verfahrenstechnischen Aufwand entlastet. Referenden sehen vor, dass zu bestimmten Entscheidungen, insbesondere ab einer festgelegten finanziellen Größe der Staat eine Volksbefragung durchführen muss. Hinsichtlich neoliberaler Privatisierungspolitik wäre es beispielsweise naheliegend, durch die verfassungsrechtliche Verankerung eines Anti-Privatisierungsreferendums dem verantwortungslosen Ausverkauf öffentlichen Vermögens Einhalt zu bieten. Im Einzelnen würde das bedeuten, dass bei jeder geplanten Privatisierung oder Teilprivatisierung (so genannte „Öffentlich-Private-Partnerschaft“) die Bundesregierung, Landesregierung oder Kommunalverwaltung eine verbindliche Abstimmung durchführen müsste. Der Vorteil dieses Instruments der direkten Demokratie liegt auf der Hand: Nicht die Bürger tragen für die Durchführung die Last, sondern der Staat. Gleichzeitig würden die Bürger in den demokratischen Entscheidungsprozess inhaltlich einbezogen, was auch der zunehmenden Politikverdrossenheit entgegenwirken könnte.

Wie bereits angedeutet, legt die gegenwärtige Regierungspraxis wie die Einbindung der Individuen in eine apolitische Konsumkultur, die massenmedial durch ein entsprechendes Berieselungsangebot an seichter Unterhaltungskost die kognitiv- intellektuelle Regression bzw. Gleichschaltung erst ermöglicht, die Vermutung nahe, dass Politikverdrossenheit und sinkende Wahlbeteiligung politisch gewollt sind und nicht als zufälliges Begleitprodukt billigend in Kauf genommen werden. Die Rechnung ist einfach: Je mehr Bürger sich von der Kompliziertheit politischer und ökonomischer Zusammenhänge abschrecken lassen und sich ins apolitische Schneckenhaus zurückziehen, umso besser für diejenigen, die dadurch ungestört an der neoliberalen “Modernisierung” weiter arbeiten.

Um dieses neoliberale Kalkül zu durchkreuzen, wäre die Einführung einer Wahlpflicht zwingend erforderlich. Die Distanz Vieler zu diesem Vorschlag spiegelt weniger ein liberal nicht mehr zeitgemäßes Freiheitsverständnis wieder als die systematische Ausblendung dieses Themas in der öffentlichen Berichterstattung und damit auch im öffentlichen Bewusstsein. Beispielsweise wird in den üblichen Sonntagsumfragen “Wie würden Sie heute wählen, wenn heute Bundestagswahlen stattfinden würden” nie das Ergebnis der Wahlbeteiligung einbezogen, obwohl die Zahl von Nichtwählern in beängstigendem Maße zugenommen hat. Diese (demokratiefeindliche) Tabuisierung verwundert umso mehr, als in zahlreichen europäischen Nachbarstaaten eine Wahlpflicht nicht nur verankert ist, sondern Verstöße sogar mit Geldstrafen geahndet werden. In der idealtypischen Betrachtung geht von der Einführung einer Wahlpflicht eine höhere Integrationswirkung aus. Wenn die Wahlpflicht für alle ein konstitutives Systemmerkmal ist, müssen die politisch Verantwortlichen sich auch um alle bemühen – auch wenn dem Bemühen nur wahlstrategische Gesichtspunkte zu Grunde liegen.

Andere Überlegungen zur Problematik der sinkenden Wahlbeteiligung wie beispielsweise die Zahl der Parlamentssitze an die Wahlbeteiligung zu koppeln, oder die Höhe der Diäten und Ministerialgehälter von der Wahlbeteiligung abhängig zu machen, zäumen das Pferd von hinten auf. Allerdings können auch unter den Bedingungen einer allgemeinen Wahlpflicht Überlegungen zu einer leistungsgerechten Regelung der Diätenbezüge gekoppelt werden an die Zahl der Wähler, die bewußt einen “weißen” Zettel abgegeben und ungültig gewählt haben. Es sei hier an die wunderbare politische Parabel “Die Stadt der Sehenden” des portugiesischen Schriftstellers und Literatur-Nobelpreisträgers Jose Saramago erinnert, der das Protestpotenzial des Wahlstreiks in den Mittelpunkt seines Romans stellt.

Weitergehende Instrumente der partizipativ-emanzipatorischen Mitwirkungen wie beispielsweise Bürgerhaushalte, die in einer millionenstarken Metropole wie Porto Allegro erfolgreich durchgeführt werden, oder transparent geführte öffentliche Unternehmen wie der Wasserversorger in Cochabamba (Bolivien), können hier als weitere Beispiele für eine gelungene emanzipatorische Partizipation leider nur am Rand erwähnt werden. Auch der beklagenswerte Tatbestand, dass Transparenz nicht zu den konstitutiven Merkmalen der meisten westlichen Demokratien und schon gar nicht der Bundesrepublikanischen gezählt werden kann, ist ein Konstruktionsfehler, der sich beseitigen lassen würde, vorausgesetzt politischer Wille wäre vorhanden.

Auch die Stichworte “Informationsfreiheitsgesetz”, „Parteienfinanzierung“ wie eine dringend gebotene Verbesserung des Insider-Schutzes (“Whistleblower”) weisen auf weitere Bereiche mit progressivem Transformationspotenzial hin, in denen die neoliberale Dominanz ökonomischer Interessen offensiv zu Fall gebracht werden kann.


Von der verfahrenstechnischen Emanzipation und Partizipation zu einer gelebten Solidarität im Alltag

Während die bisherigen Überlegungen darauf ausgerichtet waren, verfahrenstechnische Instrumente vorzustellen, um die emanzipatorische Partizipation zu verbessern, so soll abschließend der Frage nachgegangen werden, wie Solidarität in einer globalisierten Welt nach Möglichkeit von klein auf als wichtiges Wahrnehmungs- und Verhaltensprinzip erlernt werden kann. Die Welt solidarisch wahrzunehmen, bedeutet, die Fähigkeit, die eigenen Interessen zurückzustellen und sich sowohl anderen Menschen als auch seiner Umwelt mitfühlend und unterstützend zuzuwenden. In einer Gesellschaftsstruktur, in der die narzisstische Eigenliebe ihren Ausdruck am deutlichsten in der Ellbogenmentalität findet wie in der von Fromm beschriebenen unbeständigen, wechselhaften Beziehungsunfähigkeit des Marketing-Charakters, droht dem solidarischen Charakterzug das entwicklungspsychologische Aus. Um dem entgegenzuwirken, sollten die Schulen ihre Möglichkeiten als prägende Sozialisationsinstanzen nutzen. In Krisenzeiten wird gerne an die Bildungsbereitschaft des Einzelnen appelliert. Gleichzeitig wird eine Bildungsoffensive nach der anderen gestartet, Internetanschlüsse für alle gefordert und überwiegend die technokratische Infrastruktur in den Mittelpunkt gestellt.

Die neoliberale Zuspitzung findet sich schließlich in Vorschlägen der Bertelsmann-Stiftung, die das Fach Wirtschaft (vermutlich mit dem Schwerpunkt Betriebswirtschaft und Anlagenberatung) als Schulfach einführen und das jugendliche Gehirn mit ihren marktdarwinistischen Ansichten indoktrinieren bzw. programmieren wollen. Dass es auch anders gehen muss, liegt auf der Hand: Über Sozialpatenschaften gegenüber gleichaltrigen Kindern, die in den ärmsten Ländern leben und mittels Umweltpatenschaften gegenüber vom Aussterben bedrohten Arten könnte eine unmittelbar gelebte soziale wie ökologische Solidarität als fester Bestandteil in die Alltagskultur unserer Schulen integriert werden. Die Heranführung könnte zunächst über Schul- und Klassenpatenschaften erfolgen, wobei die Zielsetzung wäre, dass jeder Schüler am Ende seiner Schulzeit für (mindestens) ein Kind eine Patenschaft übernommen hat und sich für vom Aussterben bedrohte Tier- sowie Pflanzenarten mehrere Patengemeinschaften gegründet haben. Wichtig ist die Loslösung einer temporären Projektbefristung hin zu einer dauerhaften Verantwortung.


Ausblick: Zur Realisierung von Notwendigem

Es liegt in der Natur gesellschaftlicher Kritik begründet, dass nicht nur Fragen nach Alternativen, sondern auch nach der Umsetzung und Verwirklichung beantwortet werden wollen. Eine bescheidene Auswahl an alternativen Vorschlägen zur Transformation neoliberaler Strukturen ist vorgestellt worden. Es bleibt die Frage, wie es um das Umsetzungspotenzial bestellt ist. Die banal-triviale Antwort, dass Alternativen zu den herrschenden Gesellschaftsverhältnissen nur durchsetzbar sind, wenn sich die Machtverhältnisse bzw. gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse ändern, hätte vor dem Hintergrund der hier nur kurz skizzierten neoliberalen Hegemonie in nahezu allen Gesellschaftsfeldern eine pessimistische Einschätzung zur Folge.

 


Zweckoptimistisch ließe sich dem entgegenhalten, dass die Zeit für die Notwendigkeit gesellschaftlicher Veränderungen arbeitet und solange an der neoliberalen Verwertungslogik festgehalten wird, weitere Krisen die unausweichliche Folge sind. Vor dem Hintergrund dieser „realitätstüchtigen“ Einschätzung sind alle politisch wachen Geister gut beraten, sich vorzubereiten, um Antworten zu geben, wie eine Gesellschaft in ihren teilsystemischen Funktionalitäten konkret strukturiert, organisiert und gestaltet sein müsste, damit ein emanzipatorisches, solidarisches, ökologisches und repressionsfreies Leben ermöglicht wird, ein Leben, das alle Menschen dazu befähigt, die biophilen, lebensbejahenden Potenziale in ihrer Vielfalt und Buntheit zum Nutzen aller zu entwickeln.

Damit diese Fähigkeiten zum kritischen wie zukunftsfähigem Denken erhalten bleiben, ist es wichtig, sich weder von den herrschenden Machtkonstellationen noch vom gegenwärtigen Zeitgeist beeindrucken zu lassen, sondern die eigenen Ressourcen zu entwickeln, um in selbstreflexiver, kritischer Mündigkeit eigene interdisziplinäre Netzwerke aufzubauen, zu pflegen und sie in ihrer politischen Handlungsfähigkeit zu erweitern: Kritische Selbstbehauptung, soziale Interaktionsfähigkeit und die Entwicklung politischer Interventionsfähigkeit im Sinn der Durchsetzung anti-neoliberaler Gestaltungsansprüche sind die wesentlichen Voraussetzungen, um auch nach dem Übergang vom Neoliberalismus zum Post- Neoliberalismus selbstbewusst Präsenz zeigen zu können. Dass die „Gesellschaft für Psychohistorie und Politische Psychologie e.V.“ diese Voraussetzungen bietet, beweist ihre Geschichte wie ihre befruchtenden, weiterführenden Diskurs-Angebote.


Thomas Rudek



Quelle:  Der von Thomas Rudek verfasste Artikel „Wege aus einer kranken Gesellschaft“ erschien vormals in:

Nielsen, B. / Kurth, W. / Reiß, H. J. (Hg.):  Psychologie der Finanzkrise. Jahrbuch für Psychohistorische Forschung 10 (2009) (Mattes, Heidelberg 2009), S. 123–152. - weiter

Mein Dank an Thomas Rudek für die Freigabe zur Veröffentlichung. Die oben geposteten Textausschnitte sind aus dem Jahr 2009, haben aber nichts von ihrer Aktualität verloren. Eher kann man sagen, dass sie aktueller denn je sind. T. Rudek ist bekannt als einer der Initiatoren der Berliner Wasserbürger.


Kontakt zu Thomas Rudek:  info@berliner-wasserbuerger.de

Kurz vorgestellt – Wer sind die Wasserbürger?weiterlesen

Die vollständige Fassung inkl. Literaturnachweisen: Wege aus einer kranken Gesellschaft als im Anhang

 

Foto: Erich Fromm 1975 / Photograph: Müller-May. © Deutsche Verlagsanstalt. Dank an Dr. Rainer Funk für die Freigabe.

Diverse Bildbearbeitung: Wilfried Kahrs / QPress

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Franz Witsch
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Verbunden: 18.07.2013 - 17:22
Neoliberalismus vs. Keynesianismus


Neoliberalismus vs. Keynesianismus

Wege aus einer kranken Gesellschaft können nicht gefunden werden, wenn die Kritik an unserem Wirtschaftssystem, dem Kapitalismus, unzureichend ist - nicht zum Kern unseres Wirtschaftssystems vordringt mit dem Ziel seiner Überwindung.

Für mich deutet sich das wirtschaftsanalytische Defizit dadurch an, dass Rudek den Begriff "neoliberal" weniger analytisch denn mehr als Kampfbegriff gegen ausgemachte Feinde der Menschlichkeit verwendet, auch wenn die Unmenschlichkeit der herrschenden Eliten für mich außer Frage steht.

Auch wenn Rudek die wachsende Diskrepanz zwischen Realwirtschaft und spekulativer Finanzwirtschaft richtig herausarbeitet (das machen übrigens auch seine neoliberalen Gegenspieler), so verwendet er den Begriff "neoliberal" dennoch nicht zureichend analytisch. Täte man das, so würde man, glaube ich, zum Ergebnis kommen können, dass es zwischen "mehr Schulden" (Erhöhung der Diskrepanz) und "Sparen" (Zurückfahren der Diskrepanz), also zwischen Keynesianismus und Neoliberalismus im Kern keinen Unterschied gibt.

Das schließt ein, dass sich der Keynesianismus in den letzten 50 Jahren vollständig durchgesetzt hat, auch wenn alle Welt der Meinung ist, der Neoliberalismus habe sich durchgesetzt. Eine Gespensterdebatte an der Sache (einer eingehenderen Systemkritik) vorbei. Rudeks Text lässt meines Erachtens nicht erkennen, dass er sich dieser Debatte zu entziehen vermag, zumal er die Wesensgleichheit zwischen "mehr Schulden" und "Sparen" für mich nicht erkennbar thematisiert. Vielleicht macht er es ja in der ausführlichen Version des Textes, die ja oben dankenswerterweise als Pdf-Download angehängt ist.

Jedenfalls habe ich um dieses Problem herum einiges in meinen Büchern geschrieben, welche demnächst hier im Kritischen Netzwerk ausführlich vorgestellt werden.

Die Politisierung des Bürgers, 1.Teil: Zum Begriff der Teilhabe

'Die Politisierung des Bürgers' ist bemüht, dem Paradoxon einer Entpolitisierung bei um sich greifender Armut auf die Spur zu kommen, indem sie einmal mehr das Subjekt, resp. den einzelnen Bürger ins Zentrum des Interesses rückt, ohne ihn - wie traditionell üblich - auf einen Sockel zu heben. Dort ist er nicht als ein der Analyse zugänglicher sozialer Sachverhalt begreifbar. An einer zureichenden Analyse ist die herrschende Politik freilich nicht interessiert, gedeiht diese doch als Geschäft am besten auf dem Rücken eines entpolitisierten Bürgers.

Verlag: Books On Demand (Januar 2009) - ISBN 978-3-8370-4369-3

Die Politisierung des Bürgers, 2.Teil: Mehrwert und Moral

Der zweite Teil führt den ersten weiter im Bemühen, das Verhältnis von Moral und Ökonomie zu entziffern - zumal im Kontext einer Theorie der Gefühle, ist jenes Verhältnis doch hochgradig emotional besetzt. Indes liegt es im Kapitalismus im Mehrwertzwang verborgen; dieser treibt das Subjekt in die Atomisierung, der es mit Gefühlen auf Gegenstände der Verheißung zu entrinnen sucht. Dieser einer Analyse zugängliche Sachverhalt findet in der veröffentlichten Meinung wie in der Sozialtheorie keine zureichende Würdigung. Sie wäre aber die wesentliche Voraussetzung einer wirksamen antikapitalistischen Politik, die auf die Abschaffung des Kapitalismus zielen muss und nicht, wie von Keynesianern und der PDL betrieben, auf seine Fortführung im veränderten Gewand; was die Zerstörung überlebenswichtiger sozialer wie ökonomischer Strukturen zusätzlich beschleunigt.

Verlag: Books On Demand (Dezember 2012) - ISBN-13: 978-3-8482-5273-2

Die Politisierung des Bürgers, 3.Teil: Vom Gefühl zur Moral

Die beschleunigte Zerstörung ökonomischer wie sozialer Strukturen liegt, wie im zweiten Teil untersucht, in der wachsenden Unfähigkeit des Subjekts, Mehrwert zu erzeugen, begründet, die wiederum seine emotionalen und moralischen Fähigkeiten begrenzt. Der dritte Teil bemüht sich um die Folgen: die emotional-moralischen Modalitäten der Zerstörung. In diesen ist das Subjekt gehalten, Zerstörungen aktiv zu begleiten, mehr noch, zu exekutieren in Anlehnung eines sozialen Sachverhalts, den Hannah Arendt die Banalität des Bösen genannt hat: Das Subjekt fühlt sich unbeteiligt, gar unschuldig, zurecht, denn es gibt einen Weg vom Gefühl zur Moral, den zu beschreiten das Gefühl nicht umhinkommt. Allerdings ist die moralische Verantwortung des Subjekts in dem Maße rekonstruierbar wie es im Kontext seiner (Re-)Sozialisierung gelingt, die Moral der heutigen Gesellschaft im Innenleben als krank freizulegen.

Verlag: Books On Demand (Februar 2013) - ISBN-13: 978-3-8482-5231-2

Die Politisierung des Bürgers, 4.Teil: Theorie der Gefühle

Nachdem es im dritten Teil um die emotional-moralischen Modalitäten der Zerstörung sozialer Strukturen sowie um die psychosozialen Bedingungen einer Rekonstruktion der moralischen Verantwortung des Subjekts ging, ist der vierte Teil bemüht zu zeigen, dass und auf welche Weise Gefühle eine tragende Rolle im Hinblick auf eine sozialverträgliche Ausbildung sozialer wie ökonomischer Strukturen spielen; sie spielen genau dann eine tragende Rolle, wenn es dem Subjekt (1.) gelingt, Gefühle als Ressourcen der Verständigung zu begreifen, wenn (2.) die Externalisierung des Gefühls nicht nachhaltig scheitert: der externe Objektbezug des Gefühls gewahrt bleibt, wenn (3.) negative Gefühle nicht ausgegrenzt werden aus Verständigungsbemühungen, und wenn (4.) - bezugnehmend auf den zweiten Teil - die Mehrwertfähigkeit des Subjekts nicht mehr als das entscheidende Kriterium seiner sozialen Existenz gilt.

Verlag: Books On Demand (Juli 2013) - ISBN-13: 978-3-7322-4461-4

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Peter Weber
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Verbunden: 23.09.2010 - 20:09
Der Weg von einer kranken zu einer gesunden Gesellschaft

 

Hindernisse auf dem Weg von einer „kranken“ zu einer „gesunden“ Gesellschaft:

die Märchen von der Alternativlosigkeit und Systemrelevanz

Wenn es um Fragen der Problemlösung und Wege zu einer besseren Gesellschaft geht, werden die Menschen mit Pauschalitäten zugeschüttet und mit einer Vielzahl von Lösungsvorschlägen und Verhaltensempfehlungen konfrontiert, von denen der einzelne die Effektivität, die Nützlichkeit oder Schädlichkeit meist gar nicht abschätzen kann. Es herrscht heillose Verwirrung und Desinformation, weil keine schlüssigen interdisziplinäre Konzepte vorgelegt werden, die den Zusammenhang sowie Ursache und Wirkung aller Komponenten und Entscheidungen darstellen. Zudem wird die freiwillige individualistische Teilhabe an derartigem Verhalten zu sehr betont, so daß die gesamtgesellschaftliche Verantwortung und Verpflichtung jedes Einzelnen zu kurz kommt. Die Botschaften,  denen wir Glauben schenken sollen, enthalten stets fundamentalistische Thesen wie die Gebote der Alternativlosigkeit und Systemrelevanz, die uns bei den passenden Gelegenheiten aufgetischt werden. Es gilt nun, diesen Märchen zu Leibe zu rücken.

Thomas Rudek drückt diesen Zustand in seinem klugen Artikel „Wege aus einer kranken Gesellschaft - Schritte zur Transformation in eine solidarische, repressionsfreie und ökologische Gesellschaft“ folgendermaßen aus:

[quote=Thomas Rudek]

Die appellative, psychologische Kanalisierung der Wahrnehmung auf individuelle Handlungsansätze ohne eine systemisch verpflichtende Verankerung für alle Gesellschaftsmitglieder wird die herrschende Dominanz neoliberaler Verwertung nicht gefährden!

[/quote]

Er bezieht sich dabei auf das gleichnamige Buch von Erich Fromm "Wege aus einer kranken Gesellschaft". In dieser Buchveröffentlichung sowie "Pathologie der Normalität" setzt sich Erich Fromm schon Mitte des letzten Jahrhunders mit den pathologischen gesellschaftlichen Verhältnissen in den USA auseinander, die dazu führen, daß die Menschen die ihnen servierten und medial aufbereiteten Informationen und Geschehnisse als alternativlos gegeben hinnahmen. Der alltägliche Irrsinn wurde auf diese Weise als ganz normaler Zustand akzeptiert. Im obigen Zitat von Thomas Rudek kommt über den fehlenden Bewußtseinszustand des Bürgers auch schon eine weitere gravierende Hemmschwelle bei der Überwindung unseres ungesunden Wirtschafts- und Gesellschaftssystems zur Sprache: Die unangefochtene und beherrschende Machtstellung der Kapitaleigner und ihrer Interessenvertreter in Politik, Wissenschaft und Medien sowie der von ihnen mit allen Mitteln verteidigten radikalen Marktwirtschaft. Ich will entsprechenden der Argumentierung und Gliederung von Rudeks Artikel meine eigenen Gedankengänge zum Thema einzubauen:

  • Die Normalität des herkömmlichen Denkens sowie praktizierter gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und politischer Gepflogenheiten als gefährlicher Irrweg

Der Religion des Neoliberalismus ist mittlerweile fast die gesamte Welt hörig – dem Konsum und Wohlstand opfern wir freiwillig unsere Seelen: Ein faustischer Handel, der uns teuer zu stehen kommt. Wir setzen nicht nur unsere psychische und physische Gesundheit aufs Spiel, nein, wir vernichten damit die Existenz von Millionen von Menschen, untergraben unsere eigene und beschädigen die einzige Welt, die wir haben. Besonders in den Zeiten des Kalten Krieges und auch heute noch wird der Kommunismus als das größte Übel der Menschheit dämonisiert. Zugegebenermaßen war der real existierende Kommunismus im Ostblock größtenteils wirklich eine Geißel der Menschheit, der es aber erfreulicherweise nicht gelungen ist, die ganze Welt zu erobern. Heute stehen wir vor einem viel größeren Dilemma, denn der Kapitalismus hat sich als Seuche global ausgebreitet – und die Infizierung schreitet rasend schnell voran: Keine Gesellschaft und kaum ein Individuum bleibt von ihm verschont. Das Tragische daran ist, daß bisher noch kein wirklich wirksamer Immunstoff gefunden wurde bzw. keine Bereitschaft zu einer weltumfassenden Behandlung vorhanden ist. Thomas Rudek formuliert eines der Hauptübel des Kapitalismus und Neoliberalismus in diesem Zitat:

[quote=Thomas Rudek]

Neoliberale Politik wird fest mit den Begriffen „Liberalisierung, Privatisierung, Deregulierung“ verbunden. Dieser neoliberale Dreiklang erweckt den Eindruck, dass die Propagandisten überwiegend ökonomische Ziele mit einem rationalen System verfolgen, von dem angeblich alle profitieren sollen, was sich sprachlich in der Erhard-Formel „Wohlstand für alle“ bis heute niederschlägt.

[/quote]

Daß Liberalisierung, Privatisierung und Deregulierung gemäß dem alten Adam Smith und seiner moderneren Nachfolger wie Friedrich August Hayek oder Milton Friedman für die Massen nach wie vor die Erfolgsgarantien für allgemeinen Wohlstand bedeuten, ist auf die allgegenwärtige Manipulation und Indoktrination durch politische Propaganda, die Ideologisierung maßgebender Teile der Wirtschafts- und Volkswirtschaft sowie die unkritische Rolle der Mainstream-Medien zurückzuführen. Die politischen Eliten bauen dabei bei ihrer Beratung auf die lobbyistisch beeinflußte „Experten“, die ich Einflüsterer nenne.

Das ist ein Hauptgrund dafür, daß die handelnden Politiker sich in ihren Entscheidungen von praxisfremden und bürgerfernen Prinzipien leiten lassen und nicht auf praktische Erfahrungen aufbauen, die die globalen Zusammenhänge und gegenseitigen Abhängigkeiten der Geschehnisse sowie Entscheidungen berücksichtigen. Die meisten einflußreichen Politiker haben sich auf diese Weise zu realitätsfeindlichen und lernunfähigen Wesen entwickelt. Und der Masse der Bevölkerung ergeht es analog dazu, denn auch diese vertraut eher der Gewohnheit als der Ratio. Unterbewußte Ängste führen zu übersteigertem Sicherheitsbedürfnis und verleiten dazu, Gewohnheiten beizubehalten, selbst wenn sie in den Abgrund führen. Krebsartiges Wachstum schreckt nicht einmal mehr ab, sondern es wird vom sedierten homo consumens als unvermeidbar, ungefährlich und notwendig angesehen. Der alltägliche Wahnsinn wird als Normalität hingenommen, aus Furcht vor dem Risiko von Verhaltensänderungen. Der Ausspruch von Jürgen Habermas, den Rudek zitiert hat, trifft den Kern des Problems, wenn er von einem „sozialdarwinistischen Potenzial des Marktfundamentalismus“ spricht.

  • Technologie und Fortschritt als neuer Götze mit Allmachtsgewalt sowie  zweckgebundene funktionale Bildung als Ersatz für soziale Kompetenz

Technologischer Fortschritt ist zu einem Begriff geworden, der tabuisiert wird und nicht in Zweifel gestellt werden darf. Wie in der Bibel der Messias zum Hoffnungsträger avanciert ist, so wird uns heutzutage der technische Fortschritt als Allheilmittel für sämtliche vom Kapitalismus verursachten Krankheiten angepriesen. In Verbindung mit einer Form von Pseudo-Ökologie hat sich ein fundamentalistisch anmutender naiver Glaube an das technisch Machbare herausgebildet. Dieser zu einer Sucht mutierte irrationale Glaube reduziert uns zu Konsumabhängigen, die meinen, daß sie ausgestattet mit dem Feigenblatt eines weiter gesteigerten Konsums von Techno-Öko-Produkten zum Retter des Planeten befördert empor steigen. Alte Konsumgewohnheiten können guten Gewissens beibehalten werden und lassen die Notwendigkeit von Reduzierung des Konsums und Einsparung von Energie- bzw. Rohstoffressourcen vergessen. Auf diese Weise entsteht die Illusion von einer heilen Welt, an der es nichts zu verbessern gibt!

Die Bildung wird in diesem Kontext zu einem Vehikel umprogrammiert, das den Zugang zur heilen Welt und ungebremstem Wachstum und Wohlstand garantiert. Bildungsförderung wird in aller Munde geführt und steht in den Parteiprogrammen aller Parteien an oberster Stelle, wobei uns eingeredet wird, daß mit Bildung sämtliche Arbeitsplatzprobleme gelöst werden könnten. Solange jedoch Bildungsförderung nicht einher geht mit einer Sozialpolitik, die ihren Namen verdient, wirkt sie nur einseitig und individualistisch. Vor allem schafft Bildung alleine noch keine Arbeitsplätze – sie verschärft letztendlich nur noch die Konkurrenzsituation unter den verbliebenen lukrativen Jobs. Die Durchschnittlichen, die Unbegabteren und die Hauptschüler bleiben auf der Strecke. Es darf auch nicht übersehen werden, daß der Trend zur Zeit in die Richtung Elitenförderung abgeht und die Chancengerechtigkeit für sozial Schwächere sich ständig verschlechtern. Darüber hinaus haben sich die politischen Versprechungen hinsichtlich Bildungsförderung bisher als reine Enten erwiesen, denn geschehen ist nicht viel. Für Banken- und Eurorettung wurden die Geldschleusen jedoch bereitwillig und ohne jegliches Zögern geöffnet.

Ein anderes Grundsatzproblem der Bildung ist ihre fortschreitende Verwarenförmigung und zweckentfremdete nutzenorientierte Ausrichtung auf ökonomische Verwertung. Ich habe einen schönen Aufsatz über die Thematik „Verwarenförmigung der Bildung“ von Prof. Dr. Armin Bernhard gefunden, den ich wärmstens zur Lektüre empfehle. Kinder, Schüler und Studenten werden getrimmt auf wirtschaftlichen Erfolg in der neoliberalen Leistungsgesellschaft, damit sie sich mit Ellbogenmentalität durchsetzen können. Dabei werden geisteswissenschaftliche Disziplinen, die mit denen kein Profit zu machen ist, vernachlässigt. Die humanistische und soziale Bildung sowie die charakterliche Formung kommen unter die Räder – Wilhelm von Humboldt dreht sich sicher bereits in seinem Grabe um. Wir erziehen uns Roboter, die nur noch als Mittel zum Zweck – eben zum homo oeconomicus – taugen. Wir erschaffen uns auf diese Weise auf reine Zweckausübung reduzierte formatierte Menschen.

  • Die Arbeit in einseitiger auf Gelderwerb ausgerichteter Interpretation als ein Angst- und Repressionsfaktor

Der traditionelle Arbeitsbegriff bedarf einer völlig neuen Interpretation. Statt der Einteilung in nützliche bezahlte Arbeit und ökonomisch wertlose „Freizeitbeschäftigung“ sollten wir Arbeit in sinnvolle und sinnlose Beschäftigung umdeuten. Außerdem gibt es bezahlte und unbezahlte Beschäftigungen, die den Ausübenden fordern und in denen  sie ihre Fähigkeiten beweisen können und Tätigkeiten, die anöden und den Betroffenen demotivieren.

Unter den Arten der Beschäftigung existieren solche, die der Allgemeinheit keinen Nutzen bringen oder ihr sogar schaden und solche, die sinnvoll sind und dem Leben der Menschen zugutekommen. Besonders bei der bezahlten Arbeit (und hier wiederum bei der extrem gut besoldeten) fällt auf, daß sich nach näherem Hinschauen dahinter sehr viel überflüssige Produktion und Dienstleistung verbirgt, die die Menschheit wirklich nicht braucht und die als Krönung noch zur Umweltzerstörung beiträgt. Hingegen sind gerade schlecht oder gar nicht bezahlte Tätigkeiten wie ehrenamtliche Arbeit oder Kindererziehung äußerst nützlich für die Gesellschaft, die ohne sie zusammenbrechen würde. Hier muß politisch angesetzt werden, damit dieses sozial produktive Tun auch entsprechend finanziell gewürdigt wird und das ihm gebührende gesellschaftliche Ansehen erhält.

Den wesentlichen Sinn des Lebens im Arbeiten um seiner selbst zu suchen, ist ebenfalls nicht zielführend – jedenfalls nicht für eine dem Wesen des Menschen entsprechende Lebensgestaltung. Diese Denkweise eines Schmalspurlebens haben wir geschichtlich gesehen stark der protestantischen Ethik zu verdanken, die das Aufkommen des Kapitalismus begünstigt hat. Daß der Mensch sinnvolle Arbeit oder Tätigkeit benötigt, steht außer Frage. Aber damit ist nicht ausgesagt, daß es eine bezahlte nach der bisherigen Tradition sein muß. Freizeit und Muße gehört jedoch genauso zum natürlichen Bedürfnis des Menschen, der dieses heute größtenteils falsch versteht und diese wertvolle Zeit mit Oberflächlichkeiten oder sinnlosem Aktivismus verbringt oder sie zu destruktiver Berieselung mißbraucht.

Die neue indoktrinierte Scheuklappen-Bildungselite aber hat die Zeichen der Zeit erkannt und tritt bereitwillig an, um ihre Haut auf dem Arbeitsmarkt zu verkaufen. Der Arbeitnehmer wird durch diesen Vermarktungszwang, dem sich viele auch freiwillig unterwerfen, zum Handelsobjekt degradiert, so als ob er eine Kartoffel auf dem Wochenmarkt wäre. Der Mensch besitzt nur noch einen Warenwert in dem Sinne, wie er dem Unternehmer nützlich erscheint, um seinen Profit zu steigern. Da der Mensch nur seine Arbeitskraft anzubieten hat, befindet er sich auf dem Nachfrage-/Angebotsmarkt gegenüber dem Arbeitgeber am kürzeren Hebel, ist erpreßbar und leicht auszubeuten.

Erich Fromm hat die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, sozialen und individuellen Entwicklungen, die zu diesem Ergebnis geführt haben, am Trend in den USA schon sehr früh erkannt und hat dies in seiner Gesellschaftscharakter-Theorie ausgedrückt:

„Betrachten wir den Gesellschafts-Charakter im Hinblick auf seine Funktion im Gesellschaftsprozeß, so müssen wir von der Feststellung ausgehen, die wir hinsichtlich seiner Funktion für den einzelnen Menschen machten: daß nämlich der Mensch, indem er sich den gesellschaftlichen Bedingungen anpaßt, eben jene Charakterzüge entwickelt, auf Grund derer er so handeln möchte, wie er handeln muß. ..“ Die Energien des Menschen würden zu Produktivkräften, „die für das Funktionieren eben dieser Gesellschaft unentbehrlich ist“. .. „Kurz, der Gesellschafts-Charakter internalisiert äußere Notwendigkeiten und spannt auf diese Weise die menschliche Energie für die Aufgaben eines bestimmten ökonomischen und gesellschaftlichen Systems ein.“

Der Gesellschaftscharakter ist der Gegenpart des Individualcharakters, die sie wechselseitig bedingen. Es ist der Verdienst von Erich Fromm, daß er diese Zusammenhänge und Abhängigkeiten erforscht hat und die bis dahin bestehende Trennung der Wissenschaftsdisziplinen Soziologie und Psychologie aufgehoben hat. Teil und Ergebnis des Gesellschaftscharakters ist der von Erich Fromm bereits in den 40er Jahren des letzten Jahrhunderts herausgearbeitete Marketingcharakter, der genau das oben geschilderte wiederspiegelt. Die Rolle des Protestantismus in der Entwicklung der Charakterstruktur des modernen Menschen sowie in der Ausbildung der Industrialisierung und des Kapitalismus hat Erich Fromm genau beobachtet. In seinem wegweisenden Buch „Die Furcht vor der Freiheit“ schreibt er dazu folgendes:

„Der Protestantismus war die Reaktion auf die Bedürfnisse angsterfüllter, entwurzelter und isolierter Menschen, die sich in einer neuen Welt orientieren und eine Beziehung zu ihr finden mußten. Die neue Charakterstruktur, die sich aus den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen ergab und die durch die religiösen Doktrinen noch intensiviert wurde, spielte dann bei der weiteren gesellschaftlichen und ökonomischen Entwicklung eine wichtige Rolle. Die in dieser Charakterstruktur begründeten Eigenschaften waren ein Zwang zur Arbeit, ein leidenschaftlicher Sparsinn, die Bereitschaft, sein ganzes Leben einer außerpersönlichen Macht zu weihen, Askese und ein zwanghaftes Pflichtgefühl – Charakterzüge, welche in der kapitalistischen Gesellschaft zu Produktivkräften wurden und ohne die die moderne wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung undenkbar wäre.

Es waren dies die spezifischen Formen, in welche die menschliche Energie gegossen wurde und in denen sie zu einer der Produktivkräfte im gesellschaftlichen Prozeß wurde. Wenn man sich diesen neuentstandenen Charakterzügen entsprechend verhielt, so war das von den wirtschaftlichen Notwendigkeiten aus gesehen von Vorteil. Außerdem war es psychologisch befriedigend, weil es den Bedürfnissen und den Ängsten dieser neuen Art von Persönlichkeit entsprach. Allgemeiner gesagt bedeutet das, daß der gesellschaftliche Prozeß, dadurch daß er die Lebensweise des einzelnen – das heißt seine Beziehung zu anderen und zur Arbeit – bestimmt, seine Charakterstruktur formt …“

„Liebe deinen Nächsten wie dich selbst." (Lev 19,18). Diese Forderung der Bibel hat der Protestantismus zumindest am Beginn seiner Geschichte nicht verstanden. Deshalb verurteilten sowohl Luther und insbesondere Calvin die Eigenliebe, die eine Grundvorausetzung für eine sinnvolle und zufriedene menschliche Existenz darstellt, als Sünde. Sie unterlagen dem grundlegenden Irrtum, sie mit Narzißmus zu verwechseln. In diesem Zusammenhang zitiere ich nun aus Erich Fromms Buch „Den Menschen verstehen - Psychoanalyse und Ethik“ eine Passage:

„Diese von Calvin und Luther vertretene Auffassung hatte einen ungeheuren Einfluß auf die Entwicklung der modernen westlichen Gesellschaft. Sie gaben damit die Grundlagen für eine Einstellung, die das Glück des Menschen nicht als Lebenszweck betrachtet. Der Mensch wird zum Mittel und zum Gehilfen von Zwecken, die jenseits seine selbst liegen: eines allmächtigen Gottes oder nicht weniger mächtiger verweltlichter Autoritäten und Normen, wie Staat, Wirtschaft, Erfolg."

Der Mensch hat sich – ohne wesentliche Gegenwehr – zu einem Wirtschaftsobjekt verwursten lassen und seine Arbeitskraft zum Spielball der ökonomischen Interessen verkommen lassen. Diese Tendenz hat sich seitdem noch verstärkt und sich zur erdrückenden Normalität auf dem gesamten Globus ausgewachsen.

Bezahlte Arbeit ist abhängige Arbeit und kann als Repressionsfaktor ausgenutzt werden – da beißt die Maus keinen Faden ab! Daß dies nicht nur eine Möglichkeitsform ist, dürfte jeder schon aus eigener Erfahrung und am eigenen Leib erlebt haben. Ich persönlich bin froh, daß ich in meiner Situation als Rentner endlich frei und unabhängig bin und meinen Alltag kreativ entsprechend meinen Neigungen und Möglichkeiten gestalten kann. Der Mensch kann nur dann seine ihm innewohnenden Potentiale und Kräfte voll entfalten, wenn ihm Freiraum gewährt wird. Nun kann natürlich nicht jeder gleich in die Rente gehen und sich optimal verwirklichen.

Um den Menschen die Existenzangst zu nehmen, braucht er Sicherheit und Zukunftsperspektiven. Wer aus welchen Gründen auch immer nicht erwerbsfähig sein kann oder will, muß trotzdem aus Gründen der Menschlichkeit mit dem Nötigsten versorgt werden. Wenn man Anspruch auf die Verwirklichung von christlichen oder humanistischen Grundprinzipien erhebt, dann muß man jedem eine durch die Geburt verliehene Existenzsicherung zugestehen. Menschen, die nicht körperlich krank sind oder psychisch deformiert sind (z. B. durch ihre soziale Lage und Repressionen) besitzen von Geburt an den ureigenen Trieb, tätig zu sein und etwas zu bewirken. Dies tun sie sogar, und dann sogar besonders gerne, wenn sie keine Belohnung dafür erhalten – man beobachte in diesem Zusammenhang einmal das Verhalten kleiner Kinder, die noch nicht durch Erwachsene und die Leistungsgesellschaft verdorben und verbogen sind. Trotzdem ist die Lüge von der angeborenen Faulheit der Menschen nicht auszumerzen. Sie paßt wohl besonders gut zu einem Stammtischniveau.

Deshalb plädiere ich für Regelungen wie angemessenen gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohn, der seinen Namen verdient und/oder ein Grundeinkommen, von dem es viele voneinander abweichende Variationen und auch realistische Vorschläge gibt. Diese an dieser Stelle durchzudiskutieren, ist jedoch nicht meine Absicht. Mir ist klar, auf welche Widerstände derartige Vorhaben treffen. Das gleiche gilt für das Plädoyer von Thomas Rudek für mehr Teilhabe des Arbeitnehmers und Realisierung einer Sozialpartnerschaft, bei der Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf Augenhöhe kommunizieren. Dies halte ich unter den gegebenen Voraussetzungen für reines Wunschdenken, denn die Spielregeln der brutalen Marktgesellschaft laufen dem entgegen. Solange diejenigen die Macht besitzen, die sie derzeit innehaben, und der von ihnen verteidigte Kapitalismus mit seinen Motoren Konsum, Wachstumszwang und Profitgier regiert, haben wir null Chance auf Verwirklichung dieser hehren Postulate.

  • Mittel und Wege gegen Verarmungstendenzen

Es ist eine Tatsache, daß die Verteilungsungerechtigkeiten weltweit aufgrund der verheerenden Wirkungen des Kapitalismus immer mehr zunehmen. Dies ist von den politischen und Geldeliten dieser Welt so geplant und gewollt. Diejenigen, die die sich übe  ausbreitende Armut beklagen und diese mit Schönheitspflästerchen behandeln wollen, sind entweder naiv oder zynisch. Extreme Armut und extremer Reichtum bedingen sich gegenseitig – das eine wäre ohne das andere nicht faktisch.

Dabei haben wir es in diesem Kontext mit einem außerordentlichen Paradoxon zu tun: Wie ist die gewollte Verarmung breiter Bevölkerungsschichten und das Abbröckeln des Mittelstandes mit dem damit zwangsläufig verbundenen Konsumrückgang zu vereinbaren? Denn der Kapitalismus lebt vom Konsum, nicht nur einfach vom Konsum, sondern vom expotenzial steigenden Konsum und dem Wachstumswahn. Wer soll denn zukünftig das System füttern, wenn breite Bevölkerungskreise ausfallen? Wahrscheinlich hofft man auf die aufstrebenden Mittelschichten in Asien, aber auch dort ist das Ende der Fahnenstange bald in Sicht. Die Reichen können nicht noch mehr konsumieren – man kann sich nur einmal satt essen und gleichzeitig nur ein Auto fahren, auf einer Luxusjacht dösen oder einen Privatjet fliegen. Mit Milliarden zu spekulieren, bringt die Wirtschaft nicht in Schwung. Folglich scheint sich das System auf die Dauer selbst zu erledigen.

Als Gegenmittel gegen die aktuellen Verarmungstendenzen empfiehlt uns Thomas Rudek eine „armutsindexierte Inflationsanpassung“. Jeder weiß, daß die Inflationsstatistiken geschönt sind, der zugrunde liegende Warenkorb bei weitem nicht den Realitäten von Normal- oder Geringverdienern entspricht. Trotzdem werden die Märchen von Preiserhöhungsraten von unter 2 % ständig von der Politik und den angepaßten Medien verbreitet, ohne daß eine öffentliche Gegenwehr erfolgt. Wer wie ich seit Jahrzehnten selbst einkauft, der weiß aus Erfahrung, daß Preiserhöhungen z. B. im Lebensmittelbereich jährlich mindestens bei 10 % angesiedelt sind – von anderen Faktoren wie Energie und Miete gar nicht zu reden.

Wenn diese Anpassung von Löhnen, Renten (zumindest die im Niedrigsektor), bei Hartz IV und anderen Sozialleistungen tatsächlich einen Effekt haben sollte, dann müßten die Erhöhungen jährlich im zweistelligen Bereich angesiedelt sein. Eine solche Forderung wagt niemand auszusprechen – noch nicht einmal 3 % sind durchsetzbar! Es ist meiner Meinung nach müßig, ernsthaft in Erwägung zu ziehen, daß man sich unter den herrschenden Verhältnissen mit solchen Maßnahmen durchsetzt. Geschweige denn, daß man glaubt, daß mit einem faulen Kompromiß in dieser Richtung eine Umkehr der Verarmungstrends zu realisieren sei. Wie eine Fata Morgana handelt es sich um ein reines Trugbild.

  • Die absurde Logik ideologischer Alternativlosigkeit und Systemrelevanz

Diesen Ansatzpunkt hat Thomas Rudek sehr gut erkannt. Ganz oben auf der Rangliste der neoliberalen Sprechblasen stehen die Begriffe „Alternativlosigkeit“ und „Systemrelevanz“. Unsere Superkanzlerin operiert gerne mit diesen Zuschlaghämmern, um den Bürgern die klare Sicht auf sinnvoll Machbares zu versperren. Ich muß mich immer wieder über die Dreistigkeit der Politiker und die naive Gläubigkeit der Bevölkerung wundern,  die sich total verdummen läßt. Wer auf diese Lügen vertraut, der glaubt auch an den Osterhasen.

Kein anderer Zusammenhang entlarvt die neoliberale Masche vom optimalen Funktionieren des Marktes zum Wohle aller wie das Beharren auf Systemrelevanz von bestimmten Unternehmen und Banken. Das gleiche gilt für die unverschämten Behauptungen, daß Entscheidungen, die das System zementieren, das wenigen nutzt, und die der Allgemeinheit Schaden zufügen, keine Alternativen zulassen. Ein solches Verhalten ist zutiefst antidemokratisch – mit anderen Worten diktatorisch ausgerichtet. Anscheinend hat das politische und parlamentarische Personal nur noch eine einzige Direktive: Das Festhalten der demokratischen Fassade, damit sie nicht umkippt!

Als Kompromiß könnte ich mich sogar mit einem Kapitalismus anfreunden, bei dem die Gesetze des freien Marktes ungehindert gelten. Das hieße aber im Klartext, daß es keine ausschließliche Sozialisierung von Kosten und eine Privatisierung von Gewinnen geben darf. Unternehmen oder Banken, die sich verkalkuliert oder verzockt haben, müssen dies auf eigenes Risiko tun und dürfen nicht aus öffentlichen Mitteln unterstützt werden und darauf hoffen, als „systemrelevant“ eingestuft zu werden. Was die Konzerne und Banken fordern und was die Regierung gehorsam  praktiziert, ist das genaue Gegenteil von freier Marktwirtschaft. Es handelt sich dabei um nichts anderes als um die ansonsten verpönte sozialistische Planwirtschaft und praktizieren DDR-Sozialismus. Das ist auch kein Wunder bei dieser Bundeskanzlerin mit dunkler Vergangenheit und SED-Vorleben.

  • Eurokrise und globale Währungsreform

Ich bin kein Wirtschaftswissenschaftler und kein Experte auf dem Gebiet des Geldwesens, sondern nur ein einfacher Laie. Aber ich versuche, die großen Zusammenhänge zu erkennen, mir klar zu machen, was wem nutzt oder schadet und mache mir einen Reim darauf. Jeder einigermaßen interessierte und intelligente Mensch ist dazu ebenfalls in der Lage. Uns wird ständig vorgegaukelt, daß ein einfacher Bürger die komplexen politischen und wirtschaftlichen Korrelationen nicht begreifen könne und es dazu eines Fachwissens auf akademischer Basis bedarf. Mit dieser Strategie sollen wir vom Nachdenken abgehalten werden und uns ein blindes Vertrauen auf die Politik und ihre ehrenwerten Berater zulegen, was einer Entmündigung gleichkommt.

Bei näherem Hinsehen erkennen wir jedoch, daß die meisten der sogenannten Experten entweder nur auf praxisfremder Grundlage argumentieren oder sie schon vorab von den Lobbyisten gekauft sind. Deshalb werden auch die nötigen Schritte zu zukunftsweisenden Reformen wie die Einführung einer Weltwirtschafts- und Finanzordnung, die sich vorrangig an den ökologischen Grenzen des Wachstums sowie den Bedürfnissen der Realwirtschaft und der breiten Mehrheit der Bevölkerung orientieren, nicht einmal diskutiert – geschweige denn in Angriff genommen.

Ich kann Thomas Rudek in seinem Vorschlag beipflichten, daß nur eine globale Währungsreform die Voraussetzung für eine gerechtere und ausgeglichene Weltwirtschaft sowie die Lösung der Eurokrise und anderer Währungsprobleme bietet. Er kritisiert zu Recht, daß die Diskussion über eine solche einschneidende, aber sinnvolle Maßnahme, als Tabu behandelt wird. Am Beispiel der Eurokrise kann jeder eindeutig erkennen, wo der Hase im Pfeffer liegt. Aufgrund der wirtschaftlichen Übermacht und Exportstärke von Ländern wie Deutschland haben die strukturschwachen süd- und osteuropäischen EU-Nationen überhaupt keine Chance, auf die Beine zu kommen. Die einzige Möglichkeit, sich zu wehren und ihre Wirtschaft zu schützen, würde sich ergeben, wenn sie wieder eigene Entscheidungen über Auf- und Abwertung ihrer nationalen Währungen treffen könnten. Diese Maßnahmen verhindert jedoch die einheitliche Euro-Währung, die die potenten Staaten eindeutig begünstigt. Das ist auch der Grund dafür, weshalb bei den deutschen wirtschaftsnahen Parteien keine Sympathie für eine grundlegende Euroreform vorhanden ist. Eine globale Währungsreform hingegen ist totale Zukunftsmusik, ja geradezu eine Utopie, wenn auch eine vernünftige. Diese wäre  ein zweckmäßiger Ansatz, um Ungerechtigkeiten im Welthandel, in der produzierenden Wirtschaft sowie im Bank- und Kreditwesen abzubauen.

Allerdings verstehe ich nicht ganz, wie man es mit Hilfe dieser globalen Währungsreform erreichen will, daß die externen Kosten bei der Produktion von Waren und der Bereitstellung von Dienstleistungen in die Angebotspreise Eingang finden. Damit sind sämtlich ökologischen Kosten oder Schäden gemeint, die durch wirtschaftliche Tätigkeiten entstehen und die bisher meist der Allgemeinheit aufgebürdet oder einfach verantwortungslos der Nachwelt überlassen werden. Tatsächlich wäre dies eines der relevantesten Projekte zur Verhinderung künftiger maßloser Ausbeutung der Umwelt, weil man durch die Einbeziehung dieser externen Kosten in die Preiskalkulation einen unübertrefflichen Regulierungsmechanismus schaffen würde. Dieser ist mir bisher nur bekannt unter dem Begriff „ökologische Steuerreform“. Ich wüßte auch nicht, wie man dieses Unterfangen anders als durch die Änderung von Steuergesetzen in Verbindung mit rigorosen Umweltauflagen bezwecken könnte. Wie dieses Vorhaben in Beziehung zu einer Währungsreform stehen soll, ist mir nicht ersichtlich.

  • Dezentralisierung und Regionalisierung als Modell zur Gesundung der Wirtschaftsstrukturen sowie unseres Lebens

Bereits 1973 hat Ernst Friedrich Schumacher in seinem Buch „Small Is Beautiful“ die Rückkehr zu einem überschaubaren und menschlichen Maß proklamiert. Aber seine Warnungen haben nicht gefruchtet. Stattdessen ist der Gigantismus ausgebrochen: Unter dem Vorwand von Synergiebestrebungen, Rationalisierung, Produktivitätsverbesserungen und Kostenminimierung wurde jahrzehntelang auf Biegen und Brechen konzentriert, zusammengelegt oder stillgelegt. Die Effektivität vieler dieser wahnwitzigen übers Knie gebrochenen Operationen ließ zu wünschen übrig. Ich gebe zu, daß es sicherlich auch für alle Beteiligten sinnvolle Kooperationen gab und gibt. Allerdings gingen die meisten zu Lasten der Beschäftigen und der Umwelt. Aus gewaltigen Produktivitätsfortschritten mit riesigen Kapazitätserweiterungen bei gleichzeitigem massivem Personalabbau resultierten enorme Gewinnsteigerungen und Dividendenausschüttungen, an denen die breite Bevölkerungsmehrheit keinen Anteil mehr hatte.

Es sind nicht nur die Arbeitsplatzverluste, die die  Bildung von Großkonzernen zur Folge hatte. Anfänglich in den Nachkriegsjahren in Zeiten des Wirtschaftsaufschwungs profitierten die Arbeitnehmer noch relativ von den Zugewinnen der Unternehmer. Aber seit den 90er Jahren gerät der Arbeitsmarkt gewaltig unter Druck, so daß die Arbeitnehmerrechte, die Arbeitsbedingungen und die Arbeitsentgelte unter Beschuß gerieten. Nicht minder schlimm ist die Zunahme des Stresses und die zunehmende Arbeitsteilung in immer größeren Produktionseinheiten, die den Arbeitnehmer in die Rolle eines kleinen Rädchens im Räderwerk reduziert, der keinen Überblick mehr über die Gesamtheit des Produktionsprozesses hat. Für eine Motivierung der Beschäftigten war diese Entwicklung abträglich – auch die traditionelle Identifikationsbildung mit dem Unternehmen ging in die Brüche. Neuerdings explodieren krankheitsbedingte Ausfälle von Arbeitnehmern aufgrund von Depressionen, Mobbing u. a. am Arbeitsplatz. Die dadurch verursachte verringerte Arbeitsmoral, Konzentration und Arbeitsqualität kann man gar nicht richtig in Form eines volkswirtschaftlichen Schadens quantifizieren.

Die Macht der Großunternehmen, Konzerne und Banken wuchs in den letzten Jahrzehnten in ungeahnte Größenordnungen. Die multinationalen Konzerne sind in der Lage, Staaten zu erpressen und haben ihre Lobbyisten in die Schaltstellen der politischen Macht eingeschleust. Die ausufernde Globalisierung gibt den Multis ungeahnte Möglichkeiten in die Hand, ihre Profite zu maximieren und ihre Kreativität bei der Steuervermeidung ist schon legendär. Die Nationalstaaten werden um die ihnen zustehenden Steuereinnahmen betrogen, die sie zur Finanzierung ihrer öffentlichen Aufgaben benötigen. Aber daran sind sie zum großen Teil selbst schuld, weil sie sich nicht auf eine einheitliche Steuerregelung einigen können und versuchen, sich gegeneinander wegen Standortversprechungen der Konzerne ausspielen.

Auch die Rücksichtslosigkeit in Sachen Umwelt hat bei Großkonzernen eine lange Tradition. Zugunsten von Gewinnvorteilen sind sie zu jeder Schandtat bereit. Sie versprechen, Umweltauflagen einzuhalten und halten sich nicht daran, sie beuten die Umwelt, den Boden, die Bodenschätze, die Meere rigoros aus, bis nichts mehr geht und eine Wüste zurückbleibt. Sie vergiften die Umwelt mit oder ohne Einhaltung von Grenzwerten, betrügen die Verbraucher und schädigen ohne schlechtes Gewissen deren Gesundheit. Sie sind skrupellos, wenn es um die Erreichung ihrer Ziele geht: die Vergrößerung ihrer Marktanteile, die Beherrschung der Politik und als oberste Maxime die wunderbare Gewinnvermehrung. Zu diesem Zweck gehen sie buchstäblich über Leichen.

Es gibt nur einen Weg, um diesem Teufelskreis zu entrinnen: der heißt Dezentralisierung und Regionalisierung der destruktiven Wirtschaftsstrukturen im Sinne von Schumachers Rückkehr zu einem überschaubaren und menschlichen Maß. Das bedeutet nicht, daß wir einen Rückfall in die Steinzeit unternehmen und den Industrialisierungsprozeß völlig umkehren müssen. Im Gegenteil – die Steinzeit steht uns bevor, wenn wir so weitermachen wie bisher. Das heißt auch nicht, daß wir auf jeden technischen Fortschritt verzichten müssen und jegliche Arbeitsteilung aufgeben. Nur unser waffentechnischer Aufwand könnte erheblich verringert werden – ich hätte in diesem Fall keine Bedenken, wenn wir wieder die Keule zur Hand nehmen, wenn es denn unbedingt sein muß. Aber diese Einsichten nutzen nicht viel gegen den unerbittlichen Widerstand der Besitzstandbewahrer, denen jedes Mittel recht ist, um den Status quo zu erhalten.

Wichtig ist dabei vor allem, daß wir bei all unserem Tun und Denken wieder zu einem gesunden Maß finden, das uns physisch und psychisch ins Gleichgewicht bringt und uns befähigt, uns aufs Wesentliche zu konzentrieren. Das Wesentliche ist unser Leben und das Gefühl, ihm einen Sinn zu verleihen. Dazu benötigen wir Zufriedenheit, Wohlbefinden und ein bißchen Glück. Zufriedenheit und Glück kann man gottseidank nicht kaufen – die gibt es umsonst bei entsprechender Einstellung. Lassen wir uns nicht von der überall gegenwärtigen Werbung in die Irre führen. Denn: Werbung führt auf dem direkten Weg zur Erschaffung von garantierter Unzufriedenheit! Das ist die Logik des ungehemmten Konsums, der niemals ein Ende kennt und das Unglücklichsein bezweckt.

  • Die Unfähigkeit oder Unwilligkeit der vom Neoliberalismus infizierten Entscheidungsträger zu radikalen Lösungsansätzen

Eine Binsenweisheit mag zwar trivial sein, aber sie trifft meist den Kern einer Sache. So verhält es sich auch mit dem Sprichwort: „Die Frösche legen ihren Sumpf nicht selbst trocken.“ So ist es auch kein Wunder, daß unsere Eliten und Entscheidungsträger, die vom vorherrschenden System profitieren oder von ihm abhängig sind, unfähig und/oder nicht willens zu radikalen Lösungsansätzen sind, die die Situation der Allgemeinheit optimieren könnten. Es entspricht einfach nicht ihrer Interessenlage, das Gemeinwohl zu fördern.

Thomas Rudek hat folgerichtig eine der Schlüsselstrategien der neoliberalen Fundamentalisten erkannt. Es handelt sich um den Schlachtplan der Rückdrängung des Staates.  Verharmlosende und euphemisierende Bezeichnungen für dieses Großprojekt sind „Staatsverschlankung“, „Deregulierung“ und „Privatisierung“. Damit soll alles optimaler gelingen, denn die neoliberalen Gutmenschen haben ja nur unser Wohl im Sinn. Sie sind der Ansicht, daß die Wirtschaft alles besser kann als der Staat, weshalb er auch entmachtet werden soll. Mächtige und finanzstarke Interessenverbände sind als Maulwürfe tätig, um dem Staat das Wasser abzugraben. Die gebetsmühlenartigen Forderungen der FDP nach Steuerermäßigungen entsprechen genau dieser Absicht, denn ein Staat mit verringerten Steuereinnahmen wird  handlungs- und regulierungsunfähig und kann die im Grundgesetz verankerten Aufgaben nicht mehr erfüllen.

Die Folge ist eine wachsende Staatsverdrossenheit der einfältigen Bürger, die den marktradikalen Rattenfängern danach erst recht ins Netz gehen. Wenn auch noch der Staat, sprich die ihn repräsentierenden Politiker, in die von der Wirtschaft gestellte Falle laufen, sich bei gleichzeitiger Steuereintreibungs-Zurückhaltung wiederholt als Retter von Banken oder großzügiger Rettungsschirm-Verteiler noch tiefer in die Schulden treiben zu lassen, dann ist die Stunde der Geier gekommen. An dieser Stelle ist der Zeitpunkt der totalen Machtübernahme des Staates durch die Wirtschaft angesagt – dann gibt es kein Zurück mehr. Rudek trifft den Nagel auf den Kopf, wenn er fragt: „Der Staatsbankrott als Endziel neoliberaler Marktfundamentalisten?“ Sicherheitshalber hat er noch ein Fragezeichen gesetzt, das ich lieber durch ein Ausrufezeichen ersetzen möchte.

  • Durch Systemkontrolle und Indoktrination zum Diktat aller wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Bereiche durch die Ökonomi

Dieser Aspekt behandelt ein weiteres Strategiekonzept im Hinblick auf die Machtübernahme durch die neoliberalen Marktkräfte. Diese Kräfte machen sich unser Modell der repräsentativen Demokratie und der Gewaltenteilung zunutze, indem sie es unterwandern, aushöhlen und deren Vertreter indoktrinieren. Sie können bei Verfolgung dieses Plans immer noch behaupten, daß sie auf einer demokratischen Basis operieren. So vertuschen sie die Unterwanderung geschickt und lassen den Bürger im Glauben, die demokratische Welt sei noch in Ordnung.

Darauf aufbauend haben sie die Gelegenheit, das effektive Steuerungsinstrument, die Informationsverarbeitung und –Verbreitung in die Hand zu bekommen. Die Mainstream-Medien sind dabei äußerst hilfreiche Spießgesellen bei diesem Unterfangen der  feindlichen Machtübernahme. Die Lobbyismus-Krake ist ebenfalls erfolgreich installiert und kontrolliert im Vorfeld bereits sämtliche politischen Vorhaben und bringt sie auf neoliberale Linie. Organisationen wie die Bertelsmann-Stiftung oder die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM), die allerdings mit Sozialem nicht viel am Hut hat, leisten ebenfalls ihren zerstörerischen Beitrag. Dazu stoßen die einflußreichen Wirtschaftsberatungsgesellschaften wie

  • McKinsey & Company Inc.
  • Boston Consulting Group GmbH
  • Roland Berger Strategy Consultants GmbH
  • KPMG
  • PricewaterhouseCoopers,

die als Handlanger fungieren und dabei ordentlich Kohle einsacken. Die obige Auflistung der Komplizen ist  in der Reihenfolge ihrer Konzernumsätze aufgestellt. Den Rest erledigen die unzähligen von den Lobbyisten eingekauften Judas-Experten, die bei unseren Politikern ein und aus gehen dürfen. Sie alle arbeiten einem gemeinsamen Ziel: Der gesellschaftlichen Durchsetzung des Primats der Ökonomie gegenüber allen anderen gesellschaftlichen Teilbereichen, wie es Rudek ausdrückt.

  • Praktisch umsetzbare direktdemokratische Verfahren zur Verhinderung des Ausverkaufs des Staates

Um den Totalausverkauf des Staates noch zu verhindern, setzt Thomas Rudek auf das Pferd von direktdemokratischen Strukturen. Es ist sicher richtig, daß das Prozedere von Volksentscheiden in Deutschland aufwändig und langwierig ist – es sind z. B. Stolpersteine wie z. B. Quoren eingebaut. Im Grundgesetz ist für zwei Fälle ein obligatorischer Volksentscheid vorgesehen. Erstens bei einer Neugliederung des Bundesgebietes nach Art. 29 GG und zweitens bei der Ablösung des Grundgesetzes durch eine Verfassung (Art. 146 GG). In den Ländern existieren unterschiedliche Regelungen, wobei die Vorgehensweisen dort Volksinitiative oder Volksbegehren genannt werden. Jedenfalls wäre es zu begrüßen, wenn Optionen aus der Palette der Direktdemokratie auf allen subsidiären Ebenen ausgebaut und die Durchführung erleichtert würde. Erschwerend kommt in der Praxis stets hinzu, daß die Maschinerie der propagandistische Manipulation der Bürger gut organisiert ist und hervorragend funktioniert, was dazu führt, daß der Wähler bei der Abstimmung doch wieder die Meinung der Obrigkeit zum Ausdruck und zur Wirkung bringt (siehe Stuttgart 21). Eine andere Variante, um Wahlen eine volksnähere Durchschlagskraft zu beschaffen, wäre die Einführung einer zwingenden Wahlpflicht. Diese ist jedoch sehr umstritten und hat auch ihre Tücken. Ich zitiere nochmals Thomas Rudek mit seiner logischen Schlußfolgerung:

[quote=Thomas Rudek]

„Wie bereits angedeutet, legt die gegenwärtige Regierungspraxis wie die Einbindung der Individuen in eine apolitische Konsumkultur, die massenmedial durch ein entsprechendes Berieselungsangebot an seichter Unterhaltungskost die kognitiv- intellektuelle Regression bzw. Gleichschaltung erst ermöglicht, die Vermutung nahe, dass Politikverdrossenheit und sinkende Wahlbeteiligung politisch gewollt sind und nicht als zufälliges Begleitprodukt billigend in Kauf genommen werden.“

[/quote]

Wer eins und eins zusammenzählen kann, dem kann nicht entgehen, daß die Entpolitisierung, Ohnmachtshaltung und Gleichgültigkeit der Menschen auf einer bewußt herbeigeführten Abschreckung beruht. Umso mehr sich die Bürger aus ihrer Verantwortung und Mitwirkung zurückziehen, umso leichteres Spiel haben „die da oben“, ihren Marsch in eine wirtschaftsfeudale Postdemokratie fortzusetzen. Sämtliche gesellschaftspolitischen, innen- und auch außenpolitischen Informationen, die direkt durch Vertreter der Politik oder mittels der Medien an die Öffentlichkeit gelangen, sind gesteuert, gefiltert oder zensiert. Die Bevölkerung wird desinformiert und gezielt an der Nase herumgeführt. Die Wirkung bleibt nicht aus, denn nur selbstbewußte Menschen mit der Bereitschaft zum Hinterfragen und der nötigen Zivilcourage sind überhaupt dazu fähig, die verbreiteten Unwahrheiten und Widersprüchlichkeiten zu erkennen und Widerstand zu leisten.

Es ist erschreckend, mit welcher Chuzpe, Hemmungslosigkeit und Leichtfertigkeit die herrschende Politik immer wieder Privatisierungs- und Deregulierungsmaßnahmen ohne demokratische Rückendeckung durchboxt. Eine Art und Weise in die Tat umzusetzen, die dieser Willkür Schranken setzt, benennt Rudek elegant „widerständige Partizipation“. Dies ist allerdings zunächst nur ein schönes Wort, das erst einmal durch eine verfassungsrechtliche Regelung wie ein „Anti-Privatisierungs-Referendum“ durchgesetzt werden müßte. Doch so weit, daß die Mehrheiten in den Parlamenten eine solche rechtstaatlich angemessene Prozedur genehmigen, sind wir noch lange nicht.

  • Solidarität als übergeordnetes Wahrnehmungs- und Verhaltensprinzip

Das Prinzip der Solidarität spielt in vielen Beiträgen des Kritischen Netzwerks eine herausragende Rolle. Die Solidarität ist ein wertvolles Gut – in der christlichen Schreibweise kann man sie getrost mit Nächstenliebe übersetzen -, das in einer Welt des Narzißmus, der Egoismen, des Rechtes des Stärkeren, des Konsums und der Bereicherung auf Kosten anderer keinen Platz mehr hat. Wenn es uns nicht gelingt, dieses Bewußtsein als Wahrnehmungs- und Verhaltensprinzip wieder zu reaktivieren, dann haben wir nicht die geringste Chance, eine Wende herbei zu führen.

Ich beziehe mich wieder einmal auf Thomas Rudek, der vorschlägt, in der Bildungspolitik anzusetzen und die Schulen wieder verstärkt als prägende Sozialisierungsinstanzen aufzuwerten. Nichts gegen Internet und die damit verbundenen technischen und informativen Gelegenheiten, die bei positiv-selektiver Nutzung sogar einen Segen darstellen. In der Praxis jedoch spielt die Technokratie und ein naiver technologischer Glaube die tragende Rolle, der sich die wenigsten, gerade der Jüngeren, entziehen können.

Dem muß entgegengewirkt werden, indem den Versuchen vehement entgegen gesteuert wird, in Schulen und Bildungseinrichtungen ideologisch untermauerte Lerninhalte zu installieren und die Heranwachsenden bereits zu ökonomisch funktionierenden Robotern zu deformieren. Stattdessen sollte das Schulfach Solidarität als Hauptfach installiert werden, ohne dessen erfolgreicher Absolvierung niemand einen Abschluß erhalten kann. Solidarität hat viele Facetten, die sich z. B. auf den rücksichtsvollen Umgang mit den Mitmenschen - nicht nur in der direkten Umgebung - auf Konsumverhalten, auf kollegiales Verhalten am Arbeitsplatz, auf bewußtes Freizeitverhalten, auf schonende Behandlung und Auswahl der Ressourcen usw. bezieht. Nur wenn diese Werte wieder Eingang in den persönlichen Alltag finden und anstelle der üblichen Perversionen zur Normalität werden, hat die (Menschen-)Welt eine Zukunft. Bis dahin haben wir noch einen langen Weg vor uns, aber um dies überhaupt zu erreichen, muß der Hebel in der Persönlichkeitsentwicklung des Menschen so früh wie möglich angesetzt werden.

  • Individuelle Persönlichkeitsentwicklung und aktive Interaktion als Voraussetzung zur Überwindung der herrschenden Ideologie

Das letzte Kapitel „Solidarität“ geht nahtlos in dieses Über, so daß die beiden eigentlich nicht zu trennen sind. In diesem Zusammenhang kann ich Euch nur raten, sich einmal in unseren äußerst gehaltvollen Beitrag von Franz Witsch mit dem Titel „Behaviorismus und strukturelle Gewalt“ zu vertiefen. Er bietet eine hervorragende Ergänzung zum Text von Thomas Rudek und meinen Kommentaren. Ein weiterer Autor soll in dieser Kohärenz erwähnt werden: Dr. Rainer Funk mit seiner Buchveröffentlichung „Der entgrenzte Mensch“. Zitat aus dem Klappentext:


„Wir leben in einer Welt der Entgrenzung: Entfernungen, die vor wenigen Jahrzehnten noch Tagesreisen bedeuteten, legen wir heute in Stunden zurück. Informationen, die früher mühsam zu erlangen waren, sind heute auf Knopfdruck zugänglich. Regeln und Konventionen, die für unsere Eltern noch Gesetz waren, sind jetzt Gegenstand freier Vereinbarung. Was bisher angesichts der Begrenzbarkeit der Wirklichkeit unmöglich schien, wird durch Simulation und Virtualisierung Realität. Warum also nicht auch die Grenzen unserer Persönlichkeit, die Begrenztheit unseres Denkens, Wollens und Fühlens beseitigen? Das gegenwärtige Entgrenzungsstreben zielt auf ein Leben ohne jede Vorgabe, Maßgabe und Berücksichtigung von Grenzen.“

Wir glauben in einer Welt der grenzenlosen Freiheit zu leben, in der wir alles bewerkstelligen können, was wir wollen und uns vorstellen. Aber man hat uns quasi unter Drogen gesetzt, so daß wir meinen, wir hätten sämtliche Wahlfreiheiten, obwohl uns die Alternativen bereits im Unterbewußtsein als fremdbestimmte Doktrinen implantiert wurden. Daher leben wir in einer ständigen Illusion und merken nicht, daß wir unsere Pseudofreiheit durch gefährliche Abhängigkeiten eingehandelt haben. Entgrenzungen, die die Grenzen der menschlichen Wesensart und der ureigenen Identität beseitigen, haben für die Persönlichkeitsentwicklung destruktive Folgen.

Letztendlich stehen wir vor der Sisyphos-Aufgabe, die uns die seit den Kindertagen in Dauerberieselung eingepflanzten Konditionieren vom Unterbewußtsein ins rationale Bewußtsein zu verschieben und sie dann mit konsequenter Überzeugungskraft zu überwinden. Dies ist jedoch leichter gesagt als getan und ein Generationenprozeß, bei dem wir nicht sicher sein können, ob er gelingt.

Genau wie ich kann auch Thomas Rudek kein Ei des Kolumbus anbieten. Im Fazit einer Abhandlung über die Möglichkeiten einer Umkehr der gesellschaftlichen Verhältnisse und des individuellen Denkens kommen wir alle an den gleichen Punkt, an dem man eigentlich resignierend aufgeben müßte. Die realen Machtgegebenheiten in dieser Welt verfestigen den menschenfeindlichen Radikalkapitalismus und fördern sozialdarwinistisches Gedankengut. Eigentlich ist dagegen nur mit einer gewaltsamen Revolution anzukommen, denn freiwillig werden die privilegierten politischen und wirtschaftlichen Eliten ihre Bastionen niemals räumen.

Welche Alternativen bieten sich uns denn dann noch an? Die Egoismen überwinden und sich von Einzelkämpfern zu vernetzten Einheiten als Gegenmacht zu positionieren? Aber auf welche Weise – und sind wir eigentlich nicht zu wenige, um ein wirsames Gegengewicht zu bilden? Dann bleibt nur noch die Hoffnung, die ja bekanntlich zuletzt stirbt und der unbeugsame Wille zum Weitermachen und nicht Aufgeben. Ganz zum Schluß haben wir ja noch den rationalen Trost, daß das herrschende System nach der Logik der Mathematik, Physik und Ökonomie von selbst wie ein Kartenhaus in sich zusammenfällt. Das ist nur eine Frage der Zeit – aber der Vorgang des Zusammenfalls läuft eher in Zeitlupe ab und nicht plötzlich. Vielleicht bietet die Erkenntnis, daß wir uns auf dem „rechten Weg“ befinden und  ethische und moralische Prinzipien auf unserer Seite sind, eine weitere Unterstützung.

Wenn wir kurz vor der Verzweiflung stehen und unsere Bemühungen nichts fruchten, die Welt auch nur ein kleines bißchen zum Guten zu verändern, dann sollten wir uns daran erinnern, daß wir doch etwas bewirken können: nämlich bei uns vor und hinter unserer eigenen Haustür. Vor kurzem sah ich einen Spielfilm, aus dem ich mich an einen Dialog entsinnen kann, der lautete: „Wir haben versucht, die Welt zu verändern, aber wir haben nur uns selbst verändert.“ Das ist allerdings schon gewaltig viel und viel mehr als gar nichts, so daß man darauf stolz sein könnte. Überlegen wir doch einmal, was wir in uns an Potenzial verspüren: Kreativität, Fähigkeit zur Selbstreflexion und Kritik, Selbstbewußtsein, Selbstbehauptungswillen, Kommunikationsfähigkeit, Liebesfähigkeit, Freiheitsliebe und Mut zum Leben, der uns in die Lage versetzt, Widerständen zu begegnen. Bei jedem von uns ist sicher die eine oder andere Eigenschaft mehr oder weniger ausgeprägt vorhanden. Wir haben den freien Willen, daran zu arbeiten, diese in uns wohnenden Fähigkeiten und Möglichkeiten weiter zu entwickeln und freizusetzen. Packen wir’s an!

MfG Peter A. Weber

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