Wie soll man mit dem iranischen Genius umgehen?

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Wie soll man mit dem iranischen Genius umgehen?
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Wie soll man mit dem iranischen Genius umgehen?

von Eric S. Margolis

In der in Lausanne in der Schweiz zwischen dem Iran und fünf Mächten unter der Führung der Vereinigten Staaten von Amerika erzielten Vereinbarung geht es angeblich um atomare Einsatzmöglichkeiten. In Wirklichkeit geht es nicht um Atomwaffen, die der Iran derzeit nicht besitzt, sondern um die potenzielle geopolitische Macht des Iran.

Der Iran, ein Land mit 80,8 Millionen Einwohnern, war durch von den Vereinigten Staaten von Amerika angeführte Sanktionen die ganze Zeit über eingeschränkt wie der sprichwörtliche Geist in der Flasche, seit die Islamischen Revolution 1979 das korrupte Regime Schah Pahlavis stürzte. Der Schah war aufgeputzt worden, um der Hauptvollstrecker für die USA im Golf zu sein.

Über ein Dutzend amerikanische Versuche, die islamische Regierung in Teheran zu stürzen, sind daneben gegangen. Washington griff zu Sabotage und wirtschaftlicher Kriegsführung, versuchte die Hauptexportgüter des Iran Erdöl und Erdgas zu drosseln, sein Bankensystem entgleisen zu lassen und Importe aller Art von Maschinen bis zu Vitaminen zu verhindern.

Die Vereinigten Staaten von Amerika und Israel haben die extremistische Gruppierung Volksmudschahedin benutzt, um iranische Regierungsvertreter und Wissenschafter zu ermorden.

Es besteht kein Zweifel, dass diese wirtschaftliche Belagerung des Westens den Iran dazu brachte, größere Zugeständnisse bezüglich seines Kernenergieprogramms zu machen, das einen großen Stellenwert hat für nationalen Stolz und Prestige, weil es den Durchbruch schaffte in dem, was Großayatollah Ali Khamenei als die „Rückständigkeit“ bezeichnete, die der muslimischen Welt von den Mächten des Westens auferlegt worden war, um sie schwach und unterwürfig zu halten.

Wie Kuba, ein weiterer Staat, der sich lange gegen Washington zur Wehr setzte, fand der Iran den Preis für Unabhängigkeit und Eigeninteresse zu schwer zu ertragen. Wie im Fall von Saddams Irak führten die von den USA angeführten Sanktionen dazu, dass sein Militär zusammenrostete und seine Erdölexporte schmerzlich abfielen.
 

Israels sorgenvolle Warnungen vor der angeblichen atomaren „Bedrohung” durch den Iran wurden nicht einmal von seinen eigenen Geheimdiensten oder denen der Vereinigten Staaten von Amerika geglaubt, aber das unerbittliche Getrommel von antiiranischer Hasspropaganda überzeugte viele in Nordamerika und sogar im besser informierten Europa, dass der Iran eine drohende Gefahr ist.

Was Israel wirklich fürchtete, war nicht die nicht existierende atomare Bedrohung durch den Iran, sondern vielmehr dessen anhaltende Unterstützung für die belagerten Palästinenser. Der Iran wurde das letzte Land im Mittleren Osten, das die Schaffung eines palästinensischen Staates voll unterstützte. Die arabischen Staaten, die gegen Israel waren, wurden ruhiggestellt: Syrien, Libyen und der Irak durch Krieg gebrochen und auseinandergerissen, Ägypten und Jordanien mit großen Bestechungsgeldern gekauft. Die Saudis haben sich insgeheim selbst mit Israel verbündet. Es war also nur mehr der Iran übrig, der sich für Palästina einsetzte.

Das ist der Grund dafür, dass Israel dermaßen entschlossene Anstrengungen unternahm, um die USA in einen Krieg mit dem Iran zu stoßen. Nachdem die kläglichen arabischen Staaten weitgehend zerstört oder geschmiert waren, wäre Israels Anspruch auf die besetzte West Bank und den Golan unbestritten.

Für die Vereinigten Staaten von Amerika jedoch sieht das geostrategische Kalkül etwas anders aus. Die iranische Revolution im Jahr 1979 forderte grundlegend Amerikas Imperium im Mittleren Osten heraus – ich bezeichne das als das American Raj nach der Art, in der das britische Imperium Indien beherrscht hat.

Washingtons politisch-strategische Architektur des Mittleren Ostens war gebaut auf feudale und brutale Militärregimes. Seit 1945 lief es so, dass die feudalen Erdölstaaten zu günstigen Grundpreisen lieferten im Austausch gegen militärischen und politischen Schutz durch die Vereinigten Staaten von Amerika. Zusätzlich verpflichteten sich die arabischen Erdölmonarchien, große Mengen von amerikanischen Waffen von Firmen in bestimmten Staaten zu kaufen, von denen sie keine Ahnung hatten, wie man sie effektiv einsetzte. Der jüngste Handel belief sich auf Waffen aus den USA im Wert von $46 Milliarden für die Saudis.

Washingtons Raj im Mittleren Osten bildet einen der nachhaltigen Pfeiler der globalen Macht Amerikas. Obwohl Amerika Jahr für Jahr weniger Erdöl aus dem Mittleren Osten verbraucht, verschafft ihm die Kontrolle über den Fluss des Erdöls nach Europa, Japan, China und in die anderen Bereiche der asiatischen Wirtschaft einen großen strategischen Vorteil. Japan wie Deutschland erinnern sich lebhaft daran, dass sie den Zweiten Weltkrieg aufgrund des Mangels an Öl verloren haben.
 

Die iranische Revolution 1979 bedrohte dieses althergekommene Arrangement aufs schwerste. Der Iran forderte, dass seine arabischen Nachbarn den Geboten des Islam nachkommen müssten, den Reichtum zu teilen, seine Zurschaustellung zu vermeiden, bescheiden zu leben und für die Bedürftigen zu sorgen – kurz gesagt das genaue Gegenteil der großspurigen Saudis und Araber am Golf.  

Der Iran ging mit gutem Beispiel voran, indem er in ausgedehnte soziale Programme und Bildung investierte. Natürlich war die Herausforderung des Iran, den Reichtum zu teilen, ein Dorn im Auge der Ölmonarchen und ihrer amerikanischen Patrone. Schon 1980 verlief ein undeklarierter Konflikt durch die muslimische Welt zwischen den Saudis und dem Iran – und dieser wütet auch heute noch, wie wir seit neuestem auch am expandierenden Krieg gegen den Jemen sehen.

Es war US-Politik, die ansteckenden problematischen Iraner isoliert und getrennt zu halten, in der Art wie es die reaktionären Mächte Europas am Ende des 18. Jahrhundert mit dem revolutionären Frankreich machten. Während Washington die angebliche nukleare Bedrohung durch den Iran als Grund angab, war das Sanktionenregime in Wirklichkeit darauf gerichtet, die iranische Wirtschaft verheerend zu schwächen und dadurch den Sturz der islamischen Regierung und deren Ersatz durch zahme iranische Exilanten aus Beverley Hills herbeizuführen.
 

Zum Pech für die imperialen US-Politikmacher machte das gefährliche Chaos, das sie im Irak und in Syrien geschaffen hatten, eine Zusammenarbeit mit dem Iran nötig, um den Deckel auf diesem brodelnden Kochtopf zu halten. Das bedeutet Aufhebung der Sanktionen gegen Teheran und zulassen, dass seine Wirtschaft wieder zurück ins Leben kommen kann.

Daher das Abkommen von Lausanne. Teheran jedoch traut Washington nicht, sich an die Vereinbarung zu halten. Großayatollah Khamenei versicherte letzte Woche, es werde kein Abkommen geben, wenn die Sanktionen gegen den Iran nicht „umgehend“ aufgehoben werden. Vielen Iranern schien klar zu sein, dass Washington keine Absicht hatte, die wichtigen Sanktionen aufzuheben, sondern nur langsam bei relativ unwichtigen nachzugeben.

Washington steht vor einem bedeutenden Dilemma in Sachen Isolierung des Iran. Wenn Sanktionen substantiell aufgehoben werden, wird der Iran die Erdöl- und Erdgasexporte hinauffahren und damit beginnen, seine industrielle Basis und veralteten militärischen Kräfte wieder aufzubauen. Europa, Russland, China und Indien sind allesamt eifrig darauf aus, die Geschäfte mit dem Iran wieder aufzunehmen.

Die Aufhebung der Sanktionen wird also den Iran stärken und zu einer größeren politischen Gefahr für Amerikas Satrapen im Mittleren Osten machen, die den persischen Geist zurück in der Flasche haben wollen. Behauptungen, dass Staaten im Mittleren Osten wie Ägypten, Saudiarabien und die Vereinigten Arabischen Emirate ein atomares Wettrüsten befürchten, sind unberechtigt. Mit Ausnahme von Ägypten und Jordanien liegen alle Tür an Tür mit dem Iran. Atomwaffen haben in derlei beengten Verhältnissen keinen Nutzen. Die Ägypter brauchen Nahrungsmittel, keine Atomwaffen.

Israel und seine Anhänger, die erfolgreich einen großen Teil des Kongresses der Vereinigten Staaten von Amerika gekauft haben, bleiben entschlossen, das nukleare Abkommen zum Scheitern zu bringen. Es gibt so viele mögliche Fallgruben, dass es sehr schwierig sein wird, eine effektive nachhaltige Vereinbarung zu erreichen. Der Iran liegt nicht daneben, wenn er skeptisch ist.

Eric S. Margolis

: Bitte um Beachtung der Lesetipps und der 4 angehängten -Texte weiter unten!!


   
Quelle:  erschienen auf > www.ericmargolis.com > Artikel

Die Weiterverbreitung der Texte auf dieser Website ist durchaus erwünscht. In diesem Fall bitte die Angabe der Webadresse www.antikrieg.com nicht zu vergessen! Die deutsche Übersetzung wurde dort freundlicherweise von Klaus Madersbacher / A zur Verfügung gestellt.

► Informationen über den Autor Eric S. Margolis - weiterlesen (engl.)

Lesetipp zum Thema Iran:

Eindrücke und Erkenntnisse von einer Reise in die Islamische Republik Iran, an der u.a. die Kölner Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann als Teilnehmer einer Gruppe von deutschen Intellektuellen und Journalisten im April 2012 teilgenommen haben. Der als 6-teilge Reisebericht bietet Einblicke in eine interessantes Land und seine Kultur.

Zu dem dieser Reisegruppe überraschenden Empfang beim ehemaligen Präsident Mahmoud Ahmadinedschad haben sich bereits die Gegner Irans in Deutschland ausgelassen. Leider hatten die Teilnehmer viel zu wenig Gelegenheit, ihm Fragen zu stellen und ein Gespräch mit ihm zu führen, da die Zeit für diese Zusammenkunft zu knapp bemessen war. Auftreten und Körpersprache des Präsidenten zeugten von natürlicher Selbstsicherheit bei gleichzeitiger Zurückhaltung und Bescheidenheit. Ahmadinedschad berechtigten Ausführungen gegen die USA, die durch Wirtschaftssanktionen und militärische Drohungen Iran eigentlich den Krieg erklärt haben, waren nicht von Hass oder Zorn geprägt.

Herzlichen Dank an die beiden Autoren Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann von arbeiterfotografie.de für den Text, die Fotos und die freundliche Freigabe zur Weiterveröffentlichung.


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Bild- und Grafikquellen:

1. Der Iran (vollständig Islamische Republik Iran), veraltet auch als Persien bezeichnet, ist ein Staat in Vorderasien (Westasien). Mit derzeit rund 80,8 Millionen Einwohnern und einer Fläche von 1.648.195 Quadratkilometern zählt er zu den 20 bevölkerungsreichsten und größten Staaten der Erde. Das Land war bis 1979 eine konstitutionelle Monarchie, seit der Islamischen Revolution im selben Jahr bezeichnet es sich als Islamische Republik.

Foto: harrystaab. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung 2.0 Generic (CC BY 2.0).

2. "WAR ON IRAN" Karikatur von Carlos Latuff, einem "Politischen Karikaturist", geboren November 1968 in Rio de Janeiro, Brazil. Quelle: Wikimedia Commons. Dieses Werk wurde von seinem Urheber Carlos Latuff als gemeinfrei veröffentlicht. Dies gilt weltweit. Carlos Latuff (eigentlich Carlos Henrique Latuff de Souza) gewährt jedem das bedingungslose Recht, dieses Werk für jedweden Zweck zu nutzen, es sei denn, Bedingungen sind gesetzlich erforderlich. Sein Blog > latuffcartoons.wordpress.com

3. Die Kontrolle über den Fluss des Erdöls nach Europa, Japan, China und in die anderen Bereiche der asiatischen Wirtschaft brachten den USA einen großen strategischen Vorteil. Karikatur von Carlos Latuff, einem "Politischen Karikaturist", geboren November 1968 in Rio de Janeiro, Brazil. Quelle: Wikimedia Commons. Dieses Werk wurde von seinem Urheber Carlos Latuff als gemeinfrei veröffentlicht. Dies gilt weltweit. Carlos Latuff (eigentlich Carlos Henrique Latuff de Souza) gewährt jedem das bedingungslose Recht, dieses Werk für jedweden Zweck zu nutzen, es sei denn, Bedingungen sind gesetzlich erforderlich. Sein Blog > latuffcartoons.wordpress.com

Die Aussage Henry Kissingers aus den 70ern "Control oil and you control nations, control food and you control the people." wurde in die Karikatur nachträglich von WiKa eingearbeitet. (⇒ Quelle für das Zitat).

4. Teheran ist die Hauptstadt des Iran und der gleichnamigen Provinz. Im administrativen Stadtgebiet leben knapp 8 Millionen Menschen (laut offizieller Volkszählung von 2006), in der Metropolregion werden rund 15 Millionen Einwohner geschätzt. Eine offizielle Statistik von 2011 geht jedoch von nur 12,2 Millionen Menschen aus, eine zuverlässige Volkszählung ist für 2016 geplant. Als Industrie- und Handelsstadt mit Universitäten, Hochschulen, Bibliotheken und Museen ist Teheran ein bedeutendes Wirtschafts-, Wissenschafts- und Kulturzentrum sowie ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt des Landes.

Foto: Mohammad F. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.0 Generic (CC BY-NC-SA 2.0)

5. US-Imperialismus und geopolitischen Interessen kennen keine Grenzen. Die Vereinigten Staaten haben in mehr als 150 Staaten Soldaten stationiert. Karikatur gezeichnet von Carlos Latuff, einem "Politischen Karikaturist", geboren November 1968 in Rio de Janeiro, Brazil. Carlos Latuff (eigentlich Carlos Henrique Latuff de Souza) gewährt jedem das bedingungslose Recht, seine Werk für jedweden Zweck zu nutzen, es sei denn, Bedingungen sind gesetzlich erforderlich. Sein Blog > latuffcartoons.wordpress.com