Süddeutsche Zeitung fordert „Abschreckung gegen Russland“

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Süddeutsche Zeitung fordert „Abschreckung gegen Russland“
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Süddeutsche Zeitung fordert „Abschreckung gegen Russland

von Johannes Stern | wsws.org

Vor dem NATO-Gipfel in Warschau Anfang Juli werden die Stimmen der professionellen Kriegstreiber in den deutschen Leitmedien wieder lauter. Sie unterstützen die NATO-Aufrüstung in Osteuropa und fordern ein hartes Vorgehen gegen Russland.

Ein typisches Beispiel dafür ist der gestrige Leitartikel der Süddeutschen Zeitung mit dem Titel „NATO - zurück zur Abschreckung“ von Daniel Brössler. Zusammen mit seinem Kollegen Stefan Kornelius gehört er zu den Redakteuren des Blatts, die seit dem Beginn der Ukraine-Krise aggressiv gegen Russland hetzen und das Gift des Militarismus verbreiten.
 

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Brösslers Kommentar gipfelt in der Aussage, dass die NATO „im Osten mit einem Gegenspieler rechnen“ müsse, „der auf die Erosion des Westens baut“. Das Militärbündnis müsse „sich darauf einstellen, in Zukunft getestet zu werden. Ob es dann bestehen wird, hängt nicht zuletzt davon ab, wie es sich jetzt vorbereitet.Mit anderen Worten: die NATO muss in Osteuropa massiv aufrüsten und sich auf einen möglichen Krieg gegen Russland vorbereiten, den sie auch gewinnen kann!

Brössler schreibt: „Vergangenheit ist jene NATO, die sich in den mehr als zwei Jahrzehnten nach dem Kalten Krieg ihre Aufgaben abseits des Bündnisgebietes gesucht hat. Ihren wichtigsten Job findet sie nun wieder an den eigenen Grenzen. Als Ergebnis des Warschauer Gipfels steht schon jetzt fest, dass Soldaten der NATO – wenn auch in bescheidener Zahl – die Streitkräfte in Polen und den drei baltischen Staaten verstärken werden.

Der gewaltige NATO-Aufmarsch in Osteuropa unter massiver deutscher Beteiligung geht Brössler offenbar nicht weit genug. Den baltischen Staaten sei zwar „wieder und wieder … versichert worden, was sich aus Artikel 5 des Nordatlantikvertrages ergibt: der Beistand im Fall eines russischen Angriffs“. Dem stehe jedoch „bislang die militärische Wirklichkeit gegenüber. Die vom Rest des NATO-Gebiets leicht abtrennbaren baltischen Staaten wären im Ernstfall kaum zu verteidigen.

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Entwicklung der NATO: konsequente, provokative Osterweiterung in Richtung Russland

Karte mit den derzeitigen Mitgliedschaften europäischer Staaten in der NATO. Nichteuropäische NATO-Gebiete wie die Vereinigten Staaten, Kanada, Grönland (autonomer Teilstaat des Königreichs Dänemark) und Französisch-Guayana (Überseedepartement und -region Frankreichs) sind auf der Karte nicht enthalten. Separatistische Staaten, die von der Mehrheit der NATO-Mitglieder nicht anerkannt werden, sind ebenfalls nicht abgebildet. (Stand 4. April 2023)

NATO-31-April-2023-Osterweiterung-Ostausdehnung-Aggressionspolitik-Russland-Russenhass-Nordatlantikvertrag-Geostrategie-Kritisches-Netzwerk

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Europakarte, welche Mitgliedschaften in EU und NATO zeigt.

EU_27_NATO_31_2023_Europaeische_Union_NATO_Ostausdehnung_Osterweiterung_Russland_Russophobie_Aggressionspolitik_Geopolitik_Kritisches-Netzwerk

Europakarte, welche die 27 EU- und 29 NATO-Mitgliedsländer (ohne USA/Kanada!!) zeigt. - Stand April 2023
 
   Nur Mitglied der EU.    Nur Mitglied der NATO.    Mitglied von beiden.

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Brössler unterstützt die von der NATO geplante „rotierende Entsendung von ein paar Hundert Soldaten in jeden baltischen Staat und nach Polen“, spricht sich aber gegen den polnischen Vorschlag aus, die NATO-Russland-Akte zu „verwerfen“. Dies wäre „verantwortungslos“. Die Allianz müsse sich vielmehr auf eine „Doppelstrategie aus dosierter Abschreckung und gezielter Kommunikation“ verständigen.

Brössler ist als NATO- und EU-Korrespondent der Süddeutschen Zeitung mit den Debatten vertraut, die westliche Politiker und Militärs hinter dem Rücken der Bevölkerung führen. Erst am Dienstag dieser Woche zitierte er in seinem Artikel „Sehnsucht nach der Abschreckung“ aus einem aktuellen Strategiepapier mit dem Titel „Closing Nato's Baltic Gap“ („Die baltische Lücke der Nato schließen“, Report als  im Anhang). Auch dort heißt es: „Abschreckung muss sich auf Kommunikation stützen.

Das Papier, das der ehemalige Führer der US-Streitkräfte in Europa (SACEUR) und Oberbefehlshaber der NATO-Streitkräfte im Kosovokrieg, Wesley Clark, der ehemalige Oberbefehlshaber des "Allied Joined Force Command" der NATO in Brunssum (JFC Brunssum), Egon Ramms, und andere hochrangige Militärs verfasst haben, liest sich wie eine Blaupause für einen Krieg gegen Russland.

Die Allianz muss dringend handeln, um die Abschreckung in den baltischen NATO-Staaten zu verstärken, wo die Allianz am verwundbarsten ist“, zitierte Brössler das Papier und erklärt: „Als besonderes Problem beschreiben sie die militärische Übermacht Russlands in der Region im Allgemeinen und die ‚Suwalki-Lücke‘ [die enge Landverbindung zwischen Polen und Litauen nahe des polnischen Grenzorts Suwalki] im Besonderen. Die nach der Krim-Annexion geschaffene Speerspitze (VJTF) sei weder schnell noch groß genug, um möglicherweise eingeschlossenen baltischen Staaten zur Hilfe zu kommen. Nötig sei eine glaubwürdige Präsenz vor Ort.

Brössler verschweigt, dass Clark, Ramm und ihre Mitautoren im Rahmen einer „effektiven Abschreckungsstrategie“ nicht nur für die weitere Aufrüstung konventioneller Streitkräfte in Osteuropa plädieren, sondern auch für eine „Verstärkung“ im Bereich der Nuklearwaffen und der Cyberabwehr.

Die World Socialist Web Site verglich das Papier in einem früheren Artikel mit den detaillierten Kriegsplänen, welche die Generäle der imperialistischen Mächte vor dem Ersten Weltkrieg entwarfen. Clark, Ramm und Co. schreiben: „Die NATO muss Russland signalisieren, dass es im Fall einer Aggression gegen einen NATO-Verbündeten keine Einschränkungen für die Allianz gibt. Sie wird Russland in allen Bereichen und auch in geographischer Hinsicht umfassend herausfordern.

Brössler ist sich bewusst darüber, dass diese Vorbereitungen auf einen erneuten „totalen Krieg“ gegen Russland auf breiten Widerstand stoßen. Er erwähnt das „Misstrauen bei Bürgern der Mitgliedstaaten“, die „fragen, ob das [gemeint ist die Aufrüstung der NATO im Osten] die Gefahr eines Krieges nicht erhöht“. Die Frage sei „berechtigt, sollte aber immer auch mit einer Frage nach den Absichten Russlands verbunden sein“. Schließlich verschwinde „eine Gefahr [...] nicht durchs Wegschauen.

Brössler versucht, die Kriegsvorbereitungen der NATO zu rechtfertigen. Er schreibt: „Ein paar Tatsachen: Russland ist 2014 in ein Nachbarland einmarschiert und hat ein Teil von dessen Staatsgebiet annektiert. Präsident Wladimir Putin hat Russland zur Schutzmacht der Russen außerhalb der Grenzen des russischen Staates erklärt. Trotz wirtschaftlicher Schwierigkeiten investiert Russland große Summen in neue Waffen und die Modernisierung der Armee. Russische Jets riskieren in waghalsigen Manövern Zwischenfälle mit Flugzeugen und Schiffen der NATO.

Dann fügt er zynisch hinzu: „Nichts davon bedeutet zwangsläufig, dass Russland eines Tages die Grenzen eines NATO-Staates verletzen wird“. Betrachte man „die Fakten aber insgesamt, so verbieten sie sehr wohl eine blinde Zuversicht, dass Russland es unter keinen Umständen tun wird“.

Brössler spricht von „Tatsachen“ und „Fakten“. Werfen wir also einen kurzen Blick darauf. Putin ist ein reaktionärer, nationalistischer Vertreter der russischen Oligarchie. Im Ukraine-Konflikt ist aber nicht er der Aggressor, sondern die westlichen Mächte. Bevor Russland die Krim „annektiert“[1] hat, haben Berlin und Washington in enger Zusammenarbeit mit faschistischen Kräften einen Putsch gegen den ukrainischen Präsidenten Wiktor Janukowitsch organisiert, nachdem sich dieser geweigert hatte, das Assoziierungsabkommen mit der EU zu unterzeichnen.
 

Nun unterstützen sie das Regime des Oligarchen Petro Poroschenko, das einen blutigen Bürgerkrieg in der Ostukraine führt, eng mit der NATO zusammenarbeitet und Russland politisch und militärisch herausfordert. Seit dem NATO-Gipfel in Wales rüstet das Militärbündnis in Ost-Europa massiv auf und provoziert damit regelrecht einen Zusammenstoß mit dem russischen Militär, der sich leicht zu einem atomaren Krieg zwischen den Großmächten ausweiten kann.

Seit der Auflösung der Sowjetunion vor 25 Jahren kreist die NATO Russland systematisch ein, wobei vor allem die USA das Ziel verfolgten, das Land politisch und militärisch zu unterwerfen. Mit ihrer Unterstützung für den Putsch in der Ukraine ist auch die deutsche Außenpolitik auf den Kurs der Konfrontation mit Russland eingeschwenkt. Ausgerechnet 75 Jahre nach dem Überfall der Nazis auf die Sowjetunion herrscht in weiten Teilen der deutschen Eliten wieder eine aggressive, anti-russische Kriegsstimmung.

So verlangt der politische Redakteur der Welt, Richard Herzinger, in einem Kommentar ernsthaft, den „russischen Bajonetten“ und „Aggressoren“ im von Moskau „geraubten Territorium“ entgegenzutreten. „Im eigenen Interesse“ sei „es für Europa höchste Zeit, der Ukraine in ihrem Abwehrkampf gegen die russischen Invasoren viel entschiedener den Rücken zu stärken.

Aus der Feder eines deutschen Journalisten rufen solche Forderungen dunkle Assoziationen wach. Als die deutsche Wehrmacht im Sommer 1941 in die Sowjetukraine einfiel, strahlten die Sender Donau, Breslau und Krakau täglich um 11:15 Uhr einen Aufruf „An die Völker der Sowjetunion“ aus. Darin hieß es:

Ukrainisches Volk! Die große Stunde ist gekommen; die von dir ersehnte Zeit ist angebrochen! Die unbesiegbare deutsche Armee ist auf Befehl ihres Führers Adolf Hitler in dein Territorium einmarschiert, um dir zu helfen, die Ketten der jüdisch-bolschewistischen Unterjochung zu sprengen.

Herzinger und Brössler sind, wie die meisten anderen prominenten Kriegstreiber in Politik und Medien, keine Nazis. Aber abgesehen vom Antisemitismus steht ihre Propaganda in deren Tradition. Auch die Nazis versuchten ihren von langer Hand geplanten Vernichtungskrieg im Osten, dem mindestens 27 Millionen Sowjetbürger zum Opfer fielen, als „Verteidigungskrieg“ und „Befreiungskrieg“ zu verkaufen.

Johannes Stern

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[1] Anmerkung ADMIN Helmut Schnug:

Der Beitritt der Krim in die Russische Föderation war keine „Annexion“. „Annexion“ hätte bedeutet, daß eine von außen erzwungene Eingliederung erfolgt wäre. Fakt ist, daß der Austritt aus der Ukraine durch eine deutliche Mehrheit der auf der Krim lebenden Bevölkerung und ein freiwilliger Beitritt in die Russische Föderation per Referendum entschieden wurde. Zwei intern. Wahlbeobachter haben mir die rechtmäßige Durchführung des Wahlprozederes bestätigt. 

Konflikte um die Ukraine, die zu dem heutigen Bürgerkrieg führten, haben keineswegs erst mit dem Beitritt der Krim in die russische Föderation begonnen, sondern vielmehr, wenn wir uns auf die neuere Geschichte beschränken wollen, mit den nach dem Zerfall der Sowjetunion entwickelten Strategien der USA, formuliert u.a. durch Zbigniew Brzeziński zur Festigung und zum Ausbau der den USA damit zugefallenen Weltherrschaft. Darin spielt das Herausbrechen der Ukraine aus dem Russischen Einflussbereich eine zentrale Rolle, um Russland so zu schwächen, dass es als eurasische Macht nie wieder zum Rivalen für die USA werden könne.

"Zur Auseinandersetzung um die Krim" hier weiterlesen. Ebenso ein wichtiger Artikel in der FAZ mit dem Titel: "Die Krim und das Völkerrecht - Kühle Ironie der Geschichte." von Dr. Reinhard Merkel, Professor für Staatsrecht und Rechtsphilosophie - weiter.

Interview mit Prof. Dr. Reinhard Merkel: Die Krim, die Ostukraine und das Völkerrecht: (Dauer 16:22 Min.)


Quelle:  WSWS.org > WSWS.org/de > Artikel vom 20.05.2016. Dank an Redakteur Ludwig Niethammer für die Freigabe zur Veröffentlichung.

Bild- und Grafikquellen:

1. Russophobes Kriegstreiber-Hetzblatt Süddeutsche Zeitung (SZ). Die Flagge der Russländischen Föderation als Karte. Autor: Aivazovsky. Quelle: Wikimedia Commons. Der Urheberrechtsinhaber der Originalflagge veröffentlicht es als gemeinfrei. Dies gilt weltweit. Der Urheber des Luftschiff-Fotos mit der Aufschrift "Süddeutsche Zeitung" ist FelixRo. Quelle: Wikimedia Commons. Diese Datei ist unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung 3.0 nicht portiert“ lizenziert. Die technische Umgestaltung- und Bearbeitung ist eine Ko-Produktion von Wilfried Kahrs / QPress.de und Helmut Schnug. Das neu entstandene Werk darf bei Nennung aller zuvor genannten Details unter CC BY 3.0 weiterverbreitet werden.

2. Historische Entwicklung der NATO - konsequente Osterweiterung in Richtung Russland. Karte erstellt: User: Patrick Neil, basierend auf der Ausgangsversion >> Image:EU1976-1995.svg by glentamara. Quelle: Wikimedia Commons. Diese Datei ist unter der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Unported (CC BY-SA 3.0) lizenziert. Die ursprüngliche Karte wurde aktualisiert: Montenegro wurde als 29. NATO-Mitgliedsstaat am 6. Juni 2017 in den Angriffspakt aufgenommen wurde, Nordmazedonien ist seit dem 27. März 2020 als 30. Staat Mitglied der NATO. Am 4. April 2023 wurde Finnland als 31. Staat ebenfalls NATO-Mitglied. Schweden steht als Beobachter auf der Warteliste und wird bald folgen.

3. Europakarte, welche die 27 EU- und 29 NATO-Mitgliedsländer zeigt. (ohne USA/Kanada). Urheber: Joebloggsy. Quelle: Wikimedia Commons. Aktualisierte Version vom 04. April 2023. Der Urheberrechtsinhaber dieses Werkes veröffentlicht es als gemeinfrei. Kein Urheberrecht. Dies gilt weltweit.

4. Karte der Baltischen Staaten und ihrer Flaggen. Von oben nach unten: Estland, Lettland, Litauen. Urheber: Lokal_Profil. Quelle: Wikimedia Commons. Diese Datei ist unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.5 generisch“ (US-amerikanisch) lizenziert (CC BY-SA 2.5).

5. Versteigerung der Ukraine durch Putsch und perfider Umbau politischer Machtverhältnisse. Karikatur gezeichnet von Carlos Latuff, einem "Politischen Karikaturist", geboren November 1968 in Rio de Janeiro, Brazil. Carlos Latuff (eigentlich Carlos Henrique Latuff de Souza) gewährt jedem das bedingungslose Recht, seine Werk für jedweden Zweck zu nutzen, es sei denn, Bedingungen sind gesetzlich erforderlich. Sein Blog > latuffcartoons.wordpress.com

6. US officials urge Ukraine Government to cooperate with the oppositions, after opposition leaders have demanded constitutional change that would seriously curtail presidential powers. Cartoon: Mohammad Kargar, Iran. Quelle: Nasim Intern. News Agency http://en.nasimonline.ir/

7. "Was lernen wir aus dem 1. August 1914? DER RUSSE IST UNSER FEIND!" Aktionskünstler Günter Wangerin protestiert als Bundespräsident Gauck verkleidet. Aktionstag in München: 100 Jahre I. Weltkrieg, 75. Jahre II.. Weltkrieg. 15 Jahre Angriffskrieg gegen Jugoslawien. Foto: © H. Heller.