Idealerweise ein Neutrum?
von Maria Wölflingseder, Wien / Aus Streifzüge 2020-78
Zur Zeit arbeiten die Behörden und Universitäten akribisch daran, Geschlechtergerechtigkeit herzustellen. Die gesamte Verwaltungssprache soll geschlechtsneutral werden. Aus „Vater“ und „Mutter“ wird „Elternteil 1“ und „Elternteil 2“. Aus „Rednerpult“ „Redepult“, aus „Teilnehmerlisten“ „Teilnahmelisten“, aus „Ansprechpartner“ „der oder die Auskunft gibt“.
Die neutralisierende Sprachakrobatik schreckt auch vor „Lieb* Studierend*“ nicht zurück. Je mehr Sternderln [Sternchen; H.S.], desto weniger Diskriminierung? Schade nur, dass die Sternderln, Binnen-Is, Unterstriche und all die anderen Fuzerl-Fetische nicht gegen die tatsächlichen Diskriminierungen helfen.
Gegen die Armut, die immer mehr (alleinerziehende) Mütter [und auch Väter; H.S.], Kinder und Frauen über 60 bedroht! Oder gegen die ökonomischen Verhältnisse, die Studentinnen veranlasst, sich von Sugar-Daddys [und natürlich auch Sugar-Mamas; H.S.], die im Internet angeboten werden, das Studium finanzieren zu lassen!
Was steckt hinter der Manie, Formulierungen, die das Geschlecht identifizieren, zu verbieten?
Manche meinen, der Wunsch nach einer „neutralen Geschlechtsidentität“ (d.h. weder Mann noch Frau!) zeige sich auch an den in den USA immer häufigeren Unisex-Vornamen. Geschlechtslose Wesen als Mittel gegen Diskriminierung? Oder ist Sex – sowohl das Geschlecht als auch die sexuelle Kommunikation – heute überflüssig, ja kontra-produktiv?
Hinderlich im nerven- und zeitraubenden Alltag? Bildungssprachlich bezeichnet Neutrum auch jemanden, der keinerlei erotische Ausstrahlung hat.
Aber manche läuten ohnehin schon das Ende des Anthropozäns ein und sehen im Anbruch des „Novozäns“ (James Lovelock) die letzte Chance für unseren Planeten. Für den im neuen Zeitalter der Hyperintelligenz lebenden Cyborg wird die geschlechtliche Identität im herkömmlichen Sinn kaum mehr eine Rolle spielen. Fällt uns der Abschied vom Menschsein leichter, wenn wir zuvor neutralisiert werden und zur Sache mutieren?
PS: Das Wort „neutralisieren“ wird auch synonym dafür gebraucht, einen Gewalttäter zu töten.
PPS: Mich verwundert, dass noch niemand auf die Idee gekommen ist, mit weiblichen Hormonen gegen „toxische Männlichkeit“ vorzugehen.
Dr. phil. Maria Wölflingseder, geb. 1958 in Salzburg, seit 1977 in Wien.
► Quelle: Erstveröffentlicht am 21. Juni 2020 in Streifzüge 2020-78 >> Artikel. "Streifzüge - Magazinierte Transformationslust" ist eine Publikation des Vereins für gesellschaftliche Transformationskunde in Wien. Verbreitung: COPYLEFT. „Jede Wiedergabe, Vervielfältigung und Verbreitung der Publikationen in Streifzüge ist im Sinne der Bereicherung des allgemeinen geistigen Lebens erwünscht." (Kritischer Kreis. Verein für gesellschaftliche Transformationskunde, Wien.).
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1. Männinnen: Eigentlich darf man Fräulein nicht mehr sagen. Man darf nicht mal mehr „man“ sagen, sondern man soll sich geschlechtsneutral ausdrücken, so was mit man/frau/divers. Aber darauf ist gepfiffen. Grafikbearbeitung. Wilfried Kahrs (WiKa).
2. Der Begriff Cyborg (eingedeutscht auch Kyborg) bezeichnet ein Mischwesen aus lebendigem Organismus und Maschine. Zumeist werden damit Menschen beschrieben, deren Körper dauerhaft durch künstliche Bauteile ergänzt werden. Der Name ist ein Akronym, abgeleitet vom englischen cybernetic organism („kybernetischer Organismus“). Da Cyborgs technisch veränderte biologische Lebensformen sind, sollten sie nicht mit Androiden oder anderen Robotern verwechselt werden. Für den im neuen Zeitalter der Hyperintelligenz lebenden Cyborg wird die geschlechtliche Identität im herkömmlichen Sinn kaum mehr eine Rolle spielen. Fällt uns der Abschied vom Menschsein leichter, wenn wir zuvor neutralisiert werden und zur Sache mutieren?
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