Zuchtfleischproduktion
Kulinarische Perversitäten aus Frankensteins Horror-Shop
Wie muss man sich das Fleisch der Zukunft vorstellen? Im niederländischen Kerkrade [4] fand vom 11.10.2016 bis 11. Juni 2017 eine Ausstellung statt, die alles sprengte, was wir uns vorstellen können: „Meat the Future“. 30 Zuchtfleischgerichte wurden dem Besucher vorgestellt - ein Horrortrip der besonderen Art!
Die Aussichten scheinen ziemlich trübe zu sein: Wenn die Weltbevölkerung auf 9 Milliarden Menschen anwächst, dann gibt es nur noch Reis, Bohnen und Algenburger – so die Kassandra-Rufe der in den Startlöchern steckenden Zuchtfleischindustrie. Und diese ist fleißig dabei, mit Hilfe von Stammzellen und Bioreaktoren Fleisch aus der Retorte zu zaubern. Menschen, die sich die Fleischerzeugung mit Hilfe von Bioreaktoren ausdenken, tun dies sicherlich nur deswegen, weil sie dafür bezahlt werden. Immerhin wird die Stammzellenforschung staatlicherseits gefördert. Dass es zu solchen Fehlentwicklungen kommt, ist nur mit unserem fehlerhaften Geldsystem erklärbar.
Die Botschaft der Zuchtfleischindustrie lautet:
• Zuchtfleisch aus dem Bio-Reaktor ist eine tierfreundliche Alternative.
• Es gibt keine Tierquälerei, keine Massentierhaltung und auch keine Gülleprobleme mehr.
• Die Technologie bei der Herstellung von Zuchtfleisch ist soweit, dass in einem Labor gewachsener Hamburger bereits gebraten und verzehrt wurde
• Fleisch aus dem Bio-Reaktor ist nachhaltig
• Kein Nahrungsmittelmangel mehr
• Wie denn sonst soll die Nachfrage nach Fleisch bei ansteigender Bevölkerungszahl zukünftig bedient werden?
Mal Hand aufs Herz, sind dies nicht Argumente, um die Bedenken von Seiten der Ethiker auszuräumen?
Es war ein großer Ausstellungsraum im niederländischen CUBE DESIGN MUSEUM [5], bei dem an den Wänden die Geschichte des Fleischkonsums und den heutigen Auswirkungen dargestellt wurden. Der Raum wirkte wie ein Vorraum einer Leichenhalle, die Strahler waren auf die Ausstellungstische gerichtet und es war totenstill. Der junge Mann von der Museumsaufsicht war mit dem Fotografieren einverstanden und sehr diskutierfreudig.
Was auf den Tischen präsentiert wurde, sprengte alle meine Vorstellungen. Ab und zu wurde mir flau im Magen. Zum Glück gab es keinerlei Gerüche, sonst hätte ich den Durchgang nicht geschafft. Mir stehen heute noch die Haare zu Berge, wenn ich an das Gesehene denke!
Im Wechselbad der Gefühle betrachtete ich die neuesten Kreationen aus Frankensteins Horror-Shop: Hergestellt aus Tausenden einzelnen Stücken gezüchteter Muskelmasse wurde ein Zuchtfleischhamburger präsentiert, Produktionskosten: 250.000 Euro – mit folgender kulinarischer Bewertung (sic!): „Fleisch schmeckt noch ein bisschen trocken…“
„Post-Burger“ genannt nach Prof. Mark Post (Biomediziner von der Uni Maastricht)
Der große Klumpen „Urzuchtfleisch“, also Fleisch aus Stammzellen monatelang im Bioreaktor gezüchtet, bekam das Geschmacksprofil „schwarzer Trüffel bis Eichenholz“ verliehen. Dieser Fleischklumpen, präsentiert auf einem dekorativen Holzbrett, zeigte im Innern weiße Linien, die an Fett- und Sehneneinlagerungen im Fleisch erinnern. Trotzdem irgendwie unnatürlich.
Urzuchtfleisch
Bei der Fleisch- und Wurstplatte, „kultiviert“ im Edelstahl-Bio-Reaktor bekam ich richtige Ekelgefühle. Diese konnten auch nicht mit dem Hinweis, dass dazu ein lokal gebrautes Bier passend wäre, unterdrückt werden.
Fleischzucht Typ „Carney Tapas“
Ravioli von Bresse, gefüllt mit Putenstückchen, Putenstückchen aus einem niederländischen Labor, mit dem Qualitätsmerkmal „ganz frisch“ gezüchtet, wurde auf dem nächsten Tisch offeriert.
Putenstückchen aus niederländischem Labor – frisch gezüchtet
Den Labor-Perlen, Kaviar oder Tapiokabällchen [6] ähnlich, natürlich aus gezüchtetem tierischen Fett, werden einen „nussigen Geschmack, ähnlich eines guten italienischen Lardos“ bescheinigt.
Laborperlen mit „delikater“ Struktur
Für die Fisch-Liebhaber wurde ein transparentes Sashimi [7] (Sashimi = japanisches Fischgericht mit Meeresfrüchten), vorgestellt. Alles aus dem Bioreaktor.
Gezüchteter Thunfisch
Natürlich durften auch Produkte aus den Stammzellen des Schweins nicht fehlen. Echte Salami-Würste aus dem Labor. Grauenvoll auch das „Fleisch-Obst“. Das „gestrickte Steak“. Es wurde immer abstruser.
Aus Stammzellen vom „Spenderschwein“
Was aber dann zum Schluss zu sehen war, sprengte dann wirklich alle Vorstellungen. Als besondere Attraktion wurde das „Berühmte Klötzchen“ offeriert mit folgender Prospekt-Beschreibung:
„Vergessen Sie Unterschriften und Poster an der Wand… Zeigen Sie Ihrem Idol, dass Sie ein echter Fan sind, der ihn oder sie zum Fressen gern hat. Diese berühmten Klötzchen bestehen aus Stammzellen von Berühmtheiten… Lady Gaga, Usain Bolt oder Einstein gefällig? Serviert werden die Promis als köstliche Leckerbissen, getaucht in eine einfache Glasur aus Whisky. Ein süchtig machendes Gericht…“
Wie bitte? Wir sollen also Produkte serviert bekommen, von Personen, die wir kennen?
Klötzchen aus Stammzellen von Lady Gaga, Usain Bolt und Albert Einstein
Diese Perversion konnte dann nur noch mit dem „Liebesmedaillon“ getoppt werden: Züchte mich selbst!
Es handelt sich bei dem „Liebesmedaillon“ um einen persönlichen Bioreaktor, den man wie einen Anhänger zwischen den Schlüsselbeinen trägt: Nach drei Monaten wird in dem Bioreaktor ein kleines, aus den eigenen Zellen gezüchtetes Medaillon wachsen, bestehend aus Muskelgewebe, das durch die eigene Blutzufuhr genährt wurde.
Hier soll es sich um eine moderne und charmante Version des uralten Rituals des Kannibalismus handeln. Im Prospekt zu der Ausstellung wurde dazu geschrieben: „Servieren Sie Ihrem oder Ihrer Geliebten bei einem intimen, romantischen Diner ein Stück ihres eigenen Leibs. Poesie oder Horror?“ Was für eine Frage! Wer denkt sich so etwas „Krankes“ eigentlich aus? Sind wir von allen guten Geistern verlassen?
Ist es vorstellbar, dass so etwas überhaupt angerührt, geschweige denn gegessen wird? Nur: Warum sollten diejenigen, die heute schon nicht danach fragen, was sie sich einverleiben, nicht auf Ravioli mit Putenstückchen aus dem Labor hereinfallen? Da es kaum Beschränkungen mehr gibt, der Nahrungsmittelindustrie in irgendeiner Form Einhalt zu gebieten, warum sollte ausgerechnet jetzt der Gesetzgeber reagieren? Dem Fast-Food-Junkie kann doch heute schon der größte Dreck angedreht werden. Die Hauptsache ist doch für ihn, dass es erschwinglich ist und dass es schmeckt.
Zuchtfleischerzeugung ist die Antwort – aber was war eigentlich die Frage? Brauchen wir bei der heutigen Eiweißmast, die für viele gesundheitliche Beeinträchtigungen steht, noch weitere technische Lösungen, damit diese aufrecht erhalten bleiben kann?
In dem Bericht „Mit Fleisch, aber ohne Tier: Burger aus Stammzellen“ (Rhein-Zeitung v. 21.02.2012) wird angesprochen, wie synthetisches Fleisch vor dem Verderben bewahrt werden soll: Antibiotika und andere Chemikalien.
Die Forschungsergebnisse des deutschen Bakteriologen Prof. Werner Kollath (auch bekannt als Pionier der Vollwerternährung), die Erfahrungen von Dr. Max Otto Bruker (Infos siehe weiter unten!), dem dänischen Arzt u. Ernährungsforscher Mikkel Hindhede [8] und dem Facharzt für Innere Medizin Prof. Lothar Wendt [9], (bekannt als Spezialist für Eiweißspeicherkrankheiten [10]), zeigen doch, dass das Eiweißproblem längst gelöst ist – auch wenn diese fortschrittlichen Ergebnisse aus wirtschaftlichen Gründen vorsätzlich unter dem Deckel gehalten werden: Pflanzliches Eiweiß ist dem tierischen Eiweiß überlegen. Die Überlegungen, die bestehende Tiereiweißmast durch Laborfleisch zu erhöhen, gehen in die falsche Richtung. Zuchtfleischerzeugung aus dem Bio-Reaktor.
NEIN DANKE!
Marie-Luise Volk.
► Quelle: Artikel erstveröffentlicht am 2. Juli 2017 auf meinem Blog esgehtanders.de >> Artikel [11].
► Fleisch aus der Retorte | Projekt Zukunft (Dauer 3:18 Min)
Der Niederländer Prof. Mark Post ist davon überzeugt, dass Steaks in Zukunft aus dem Labor kommen werden. Der Professor für Biomedizin an der Universität Maastricht ist Spezialist für Gewebekultur. Seine Idee: So wie man aus Stammzellen künstliche Herzklappen oder künstliche Haut für Unfallopfer herstellen kann, so könnte man auch Stücke von Rind- oder Schweinefleisch produzieren.
► Bild- und Grafikquellen:
1. Kultiviertes Rindmuskelfleisch (ital.: muscolo bovino colticato), also synthetisches Fleisch (ital.: carne sintetica; engl. cultured meat). In-vitro-Fleisch [12] (von lateinisch [13] in vitro [14] ‚im Glas‘), auch kultiviertes Fleisch, umgangssprachlich Laborfleisch, ist das Ergebnis von Gewebezüchtung [15] mit dem Ziel, Fleisch zum menschlichen Verzehr im industriellen Maßstab synthetisch herzustellen. Die Erzeugung von In-vitro-Fleisch basiert auf den Methoden der Zellkultur [16], insbesondere auf den Methoden der Gewebezüchtung wie die 3D-Zellkultur [17] und das Tissue Engineering [18]. Foto: Fabrice de Nola, an Italian-Belgian artist and producer from Palermo / Sizilien >> http://www.denola.net/ . Quelle: Flickr [19]. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.0 Generic (CC BY-SA 2.0 [20]).
2. - 11. Urheber dieser Fotos: Marie-Luise Volk. Weiterverbreitung für nicht-kommerzielle Zwecke nur mit vollständiger Namens- und Quellenangabe "Marie-Luise Volk, Gamlen / esgehtanders.de" erlaubt!
12. Cover "Die Deckung des Eiweißbedarfs"; Kleinschrift Nr. 22; für 50 Cent zu beziehen im Emu-Verlag, Lahnstein >> https://emu-verlag.de/ [21] . In dieser Kleinschrift wird dargelegt, das die Angst vor ungenügender Deckung des Eiweißbedarfs unberechtigt ist, falls genügend unerhitzte Pflanzenkost in form von Getreide, Blatt– und Wurzelgemüse und Obst genossen wird. Autor: Dr. med. Max Otto. Bruker.
Dr. Max Otto Bruker (* 16. November 1909 in Reutlingen; † 6. Januar 2001 in Lahnstein) war ein deutscher Sachbuchautor, Arzt und Politiker. Er war ein Verfechter der Vollwerternährung [22], für die er einen eigenen Ansatz erarbeitete („vitalstoffreiche Vollwertkost“).
Bruker leitete von 1974 bis 1977 als Chefarzt die psychosomatische Abteilung der Klinik am Burggraben in Bad Salzuflen. Von 1977 bis 1991 war er ärztlicher Leiter der Klinik Lahnhöhe in Lahnstein bei Koblenz und hielt in seinem angrenzenden Gesundheitszentrum Lahnhöhe eine für die Öffentlichkeit zugängliche Sprechstunde mit dem Namen „Ärztlicher Rat aus ganzheitlicher Sicht“ ab. Bruker starb 91-jährig, erst ein Jahr zuvor hatte er sich in den Ruhestand begeben. Seine Bücher erreichten eine Auflage von über vier Millionen.