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Aktualisiert: vor 6 Stunden 2 Minuten

Doppelzüngige US-Politik: Nein zur UN-Mitgliedschaft Palästinas, aber Ja zur Zwei-Staaten-Lösung

22. April 2024 - 11:50

Am 19. April haben die USA ihr Veto gegen eine UN-Vollmitgliedschaft Palästinas eingelegt und gleichzeitig noch einmal mit Nachdruck eine Zwei-Staaten Lösung gefordert. Wer soll diese Nahost-Politik der USA noch verstehen? Von Jürgen Hübschen.

Kurzer historischer Diskurs

Am 15. November 1988 beschloss der Palästinensische Nationalrat, das legislative Organ der PLO, im Rahmen einer Tagung in Algier die Annahme einer palästinensischen Unabhängigkeitserklärung. In dieser Erklärung, die der damalige Chef der PLO, Yassir Arafat, verlas, heißt es wörtlich:

„In Ausübung der nationalen Rechte des palästinensischen Volkes auf Selbstbestimmung, politische Unabhängigkeit und Souveränität über sein Land proklamiert der Palästinensische Nationalrat im Namen Gottes und im Namen des palästinensischen Volkes die Gründung des Staates Palästina auf seinem palästinensischen Boden mit Jerusalem als Hauptstadt.“

Mittlerweile haben 138 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen Palästina als unabhängigen Staat anerkannt. (In manchen Unterlagen ist von 139 Staaten die Rede.) 138 Staaten, das entspricht 72 Prozent aller Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen und mit insgesamt 5,5 Milliarden Menschen etwa 80 Prozent der Weltbevölkerung. Dazu gehören u.a. neben den arabischen und südamerikanischen Staaten auch China, Indien, Indonesien, Iran, Russland und Südafrika.

Die Position der 32 NATO- und auch der 27 EU-Staaten zur Anerkennung Palästinas ist uneinheitlich. Die ehemaligen Warschauer-Pakt-Staaten haben Palästina mehrheitlich kurz nach der Unabhängigkeitserklärung anerkannt, während die „alten“ Mitgliedsländer beider Organisationen bis heute davon Abstand genommen haben. Auch der Weltsicherheitsrat vertritt keine einheitliche Position. China und Russland (früher als Sowjetunion) haben Palästina bereits 1988 anerkannt, während Frankreich, Großbritannien und USA eine Anerkennung bislang abgelehnt haben.

Seit dem 29. November 2012 (UN-Resolution 67/19) hat der Staat Palästina den Status eines „Permanent Observer State“ (Ständiger Beobachterstaat) bei den Vereinten Nationen. Dieser Status wurde Palästina am „Internationalen Tag der Solidarität mit der Bevölkerung Palästinas“ zuerkannt. Dieser Tag wurde 1977 zur Erinnerung an das Datum im Jahr 1947 geschaffen, an dem die Vereinten Nationen eine Resolution angenommen und ein Mandat verabschiedet hatten, Palästina in zwei Staaten aufzuteilen, einen jüdischen und einen arabischen.

Durch diese Aufwertung des völkerrechtlichen Status Palästinas erhielten die Palästinenser Zugang zum Internationalen Strafgerichtshof und weiteren Unterorganisationen der UN. Seit 2011 ist der Staat Palästina außerdem Vollmitglied der UNESCO. Ein Antrag der PLO auf Aufnahme des Staates Palästina in die WHO scheiterte 1989, nachdem die USA ankündigten, im Falle der Aufnahme Palästinas die Finanzierung einzustellen. Als „Permanent Observer State“ hat Palästina kein Stimmrecht. Deshalb hatte Palästina bereits 2011 – allerdings erfolglos – die Vollmitgliedschaft in den Vereinten Nationen beantragt. Am 2. April 2024 hatte der palästinensische UN-Gesandte Mansur in einem Schreiben an UN-Generalsekretär António Guterres darum gebeten, das Verfahren zur Vollmitgliedschaft der Palästinenser wieder aufzunehmen. Dieser hatte den Antrag gemäß den geltenden Verfahren am 8. April an den Weltsicherheitsrat weitergeleitet.

Verfahren zur Aufnahme eines neuen Mitgliedsstaates in die Vereinten Nationen

Dazu ein paar Erklärungen, wie ein solches Verfahren abläuft: Der Sicherheitsrat entscheidet darüber, ob der Antrag dem „Committee of Admission of New Members“ (Komitee für die Zulassung neuer Mitglieder) vorgelegt wird. Dies ist im konkreten Fall geschehen, und das Komitee hatte am 08. und 11. April 2024 über den Antrag beraten und diesen anschließend dem Weltsicherheitsrat zur Entscheidung vorgelegt. Hätte dieser positiv entschieden, wäre die UN-Generalversammlung zusammengetreten und alle 193 Mitgliedsstaaten hätten über die Mitgliedschaft Palästinas abgestimmt. Bei einer Zwei-Drittel-Mehrheit wäre Palästina als Vollmitglied aufgenommen worden.

Die Entscheidung des Weltsicherheitsrates über die Vollmitgliedschaft Palästinas

Dazu wird es jetzt nicht kommen, weil die USA durch ihr Veto eine Vollmitgliedschaft Palästinas verhindert haben. Für den von Algerien eingebrachten Resolutionsentwurf hatten neun der nicht ständigen Mitglieder und auch China, Frankreich und Russland als ständige Mitglieder gestimmt. Das nicht ständige Mitglied Schweiz, und das ständige Mitglied Großbritannien hatten sich der Stimme enthalten.

Position der USA

Der Vertreter des ständigen Repräsentanten der USA bei den Vereinten Nationen, Robert Wood, begründete das amerikanische Veto mit den Worten:

Die Mitglieder des Weltsicherheitsrates haben eine besondere Verantwortung, sicherzustellen, dass ihre Entscheidungen den internationalen Frieden und die internationale Sicherheit fördern und im Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen stehen. Der Bericht des Komitees für die Zulassung neuer Mitglieder ließ erkennen, dass es unterschiedliche Meinungen seiner Mitglieder darüber gab, ob der Antragsteller die Kriterien nach Artikel IV der UN-Charta erfüllt habe.

Wir haben die palästinensische Autonomiebehörde lange aufgefordert, die notwendigen Reformen durchzuführen, um zu helfen, die Voraussetzungen für eine Eigenstaatlichkeit zu schaffen, und darauf hingewiesen, dass die Hamas, eine Terrororganisation, aktuell Macht und Einfluss in Gaza ausübt, einem integralen Teil des Staates, der in dieser Resolution angestrebt wird.“

Das sei der Grund für das Veto der USA gewesen, und Wood fügte hinzu:

Die USA unterstützen weiterhin nachdrücklich eine Zwei-Staaten-Lösung. Ihr Abstimmungsverhalten ist keine Opposition gegen einen Palästinenser-Staat, sondern vielmehr die Anerkennung der Tatsache, dass ein Palästinenserstaat nur möglich ist auf der Basis zwischen den beiden Parteien.“

Position Russlands

Der russische Botschafter, Vassily Nebenzia, erklärte, dass es das 5. US-Veto gegen eine UN-Resolution seit den Kämpfen in Gaza sei. Wörtlich sagte er:

Die USA haben einmal mehr gezeigt, was sie wirklich über die Palästinenser denken. Für Washington haben sie kein Recht auf einen eigenen Staat. Sie sind lediglich ein Hindernis auf dem Weg, die Interessen Israels umzusetzen.“

Und er fügte hinzu, dass die absolute Mehrheit der Staatengemeinschaft den Wunsch Palästinas unterstütze, ein vollständiges Mitglied der Vereinten Nationen zu werden.

Das heutige Veto der USA ist der vergebliche Versuch, den unabänderlichen Lauf der Geschichte aufzuhalten.“

Chinas Position

Der chinesische Botschafter, Fu Cong, bestätigte diese Feststellung, indem er sagte:

Die Räder der Geschichte rollen vorwärts und eines Tages werden Palästina und Israel Seite an Seite friedlich leben.“

Im Gegensatz zu den USA vertrat Fu Cong die Meinung, dass eine Vollmitgliedschaft Palästinas bei den Verhandlungen mit Israel über eine Zwei-Staaten-Lösung wirklich helfen würde. Im Verlauf der vergangenen 13 Jahre habe sich die Situation in Palästina verändert, vor allem durch die Ausdehnung der Siedlungen. Deshalb sei es nicht akzeptabel, die Regierungsfähigkeit Palästinas infrage zu stellen. Die Aufnahme Palästinas als Vollmitglied der Vereinten Nationen sei dringender als je zuvor.

Und der chinesische Botschafter fügte hinzu:

Die Errichtung eines unabhängigen Staates ist ein unveräußerliches Recht, das nicht infrage gestellt werden kann.“

Die Position Palästinas

Das Büro von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas verurteilte das Veto der USA:

„Diese aggressive amerikanische Politik gegenüber Palästina, seinem Volk und seinen legitimen Rechten stellt eine eklatante Aggression gegen das Völkerrecht dar und ist eine Ermutigung zur Fortsetzung des völkermörderischen Krieges gegen unser Volk (…), der die Region noch weiter an den Rand des Abgrunds treibt.“

Der palästinensische UN-Gesandte Rijad Mansur erklärte:

Die Ablehnung wird unseren Willen nicht brechen und unsere Entschlossenheit nicht stoppen. Wir werden unsere Bemühungen nicht einstellen. Der Staat Palästina ist unvermeidlich, er ist real.“

Die Position Israels

Israel kritisierte die Tatsache, dass der Sicherheitsrat überhaupt über den „unmoralischen“ Antrag Palästinas beraten habe. Israels UN-Botschafter Gilan Erdan erklärte, dass die Unterstützer des Antrags die Palästinenser ermutigen würden, nicht an den Verhandlungstisch zurückzukehren, und „den Frieden fast unmöglich machen“. Gilad Erdan warf der Autonomiebehörde vor, sie unterstütze ein Terror-Regime, das Terroristen bezahle, „uns abzuschlachten“, und die Palästinenser würden Israel noch nicht einmal als einen jüdischen Staat anerkennen. Außerdem kritisierte Erdan, dass die Hamas überhaupt nicht erwähnt wurde und ergänzte, dass der Abgesandte der Autonomiebehörde höchstens die Hälfte der palästinensischen Bevölkerung repräsentiere.

Unmittelbar nach der Abstimmung lobte der israelische Außenminister Israel Katz das US-Veto. Eine Anerkennung eines palästinensischen Staates ein halbes Jahr nach dem Massaker vom 7. Oktober wäre eine Belohnung für den Terrorismus der Hamas, schrieb er auf der Plattform X.

Zusammenfassende Bewertung

Auch auf die Gefahr hin, das chinesische Narrativ zu bedienen, wie man heute gern formuliert, stimme ich Boschafter Fu Cong zu, dass eine Aufnahme Palästinas als Vollmitglied in die UN für die Verhandlungen mit Israel hilfreich sein würde. Auf diese Weise würden nämlich Palästina und Israel sozusagen auf Augenhöhe verhandeln, weil am Status eines souveränen Palästinas grundsätzlich nicht mehr gezweifelt werden könnte.

Leider ist es auf Grund des Vetos der USA nicht dazu gekommen, und deswegen wird eine Zwei-Staaten-Lösung immer unwahrscheinlicher. Aus meiner Sicht gab es für das Veto der USA zwei Gründe, nämlich:

Da bereits 138 bzw. 139 Länder Palästina als souveränen Staat anerkannt haben, wäre die erforderliche Mehrheit der UN-Vollversammlung zur Aufnahme Palästinas mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine reine Formsache gewesen und Palästina wäre in naher Zukunft ein Vollmitglied der Vereinten Nationen geworden.

Und der zweite Grund ist der, dass Israel eine Zwei-Staaten-Lösung kategorisch ablehnt.

Washingtons Position ist nicht nur widersprüchlich, sondern auch total unehrlich. Es passt einfach nicht zusammen, die UN-Vollmitgliedschaft Palästinas mit einem Veto zu verhindern und gleichzeitig mantramäßig zu wiederholen, dass man eine Zwei-Staaten-Lösung unterstütze, weil es aus amerikanischer Sicht dazu keine Alternative gebe. Die USA inszenieren seit langem ein doppeltes Spiel. Washington propagiert eine Zwei-Staaten-Lösung in der Gewissheit, dass Israel diese mit Unterstützung der israelischen Lobby in den USA auch weiterhin ablehnt, weist damit jede Schuld von sich, dass dieser Nahostkonflikt nicht gelöst wird und schiebt Israel den Schwarzen Peter zu mit der vollmundigen Erklärung:

Die USA unterstützen weiterhin nachdrücklich eine Zwei-Staaten-Lösung. Ihr Abstimmungsverhalten ist keine Opposition gegen einen Palästinenser-Staat, sondern vielmehr die Anerkennung der Tatsache, dass ein Palästinenserstaat nur möglich ist auf der Basis zwischen den beiden Parteien.“

Die Begründung der USA für ihr Veto, „Die Mitglieder des Weltsicherheitsrates haben eine besondere Verantwortung, sicherzustellen, dass ihre Entscheidungen den internationalen Frieden und die internationale Sicherheit fördern und im Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen stehen“, ist ein Hohn für alle, die sich wirklich um einen Frieden in Nahost bemühen.

Titelbild: Shutterstock / lev radin

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Strack-Zimmermann lässt tief blicken: „Weiß Ihr Chef, was Sie hier machen?“

22. April 2024 - 10:22

Die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann hat sich bei einem von beiden Seiten aufgeheizten Wahlkampfauftritt gehen lassen: Nach einer bereits problematischen Rede bedrohte sie indirekt den Arbeitsplatz eines Demonstranten. Die Szene lässt tief blicken – auch in das angegriffene Nervenkostüm einiger führender Politiker. Der Vorgang ist außerdem ein Zeichen der Zeit: Die sprachliche Verrohung „von Oben“ und die Versuche, unbequeme Bürger einzuschüchtern, nehmen zu. Ein Kommentar von Tobias Riegel.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Strack-Zimmermann hat bei einem Wahlkampfauftritt in Ravensburg vor einigen Tagen für einige bedenkliche Szenen gesorgt. Die Weltwoche hat in diesem Artikel den Wortlaut der Rede dokumentiert – einige Zitate: «Sie alter Schreihals», «Sie nehmen sich ja selber nicht mal ernst», «zwei 12-Jährige haben mehr Hirn im Kopf als der Typ mit der Glocke vor der Nuss», «ihr seid zum Teil zu blöd, um eine Pfeife in den Mund zu stecken». Ein Video dieser Rede findet sich unter diesem Link.

Noch problematischer als diese Rede finde ich eine Szene im Anschluss, bei der Strack-Zimmermann einen Demonstranten immer wieder nach seinem Arbeitsplatz fragt – in einer meiner Meinung nach drohenden Absicht. Ein Video dazu ist am Ende verlinkt.

Man muss aber auch betonen, dass die Stimmung vor Ort von beiden Seiten aufgeheizt ist und dass einige Demonstranten versuchen, Strack-Zimmermann durch Lärm daran zu hindern, sich überhaupt zu äußern – auch das kann man als grenzwertig empfinden. Diese Gereiztheit auf allen Seiten kann den Vorgang vielleicht erklären, aber nicht rechtfertigen: Von Politikern muss man meiner Meinung nach mehr Selbstkontrolle erwarten dürfen, vor allem dann, wenn sie sich auch bei anderen Gelegenheiten sprachlich so weit vorwagen wie Strack-Zimmermann. Auch muss man bedenken, dass es ein riesiges Machtgefälle im Meinungskampf gibt: Strack-Zimmermann hat erheblich mehr Möglichkeiten, ihre Meinungen zu verbreiten, als ihre Kritiker unter den Bürgern – darum sollte den Bürgern mehr Toleranz bei der Wahl der Mittel im Meinungskampf eingeräumt werden.*

Verrohung und Einschüchterung

Diese beiden Elemente, also die Rede und die Szene danach, illustrieren zwei problematische aktuelle Tendenzen, darum wird auf den Vorgang hier eingegangen: Zum einen praktiziert Strack-Zimmermann in der Rede meiner Meinung nach eine sprachliche Verrohung „von Oben“, also eine tabubrechende harte Sprache gegenüber politischen Gegnern – ich finde diese Art der „offiziellen“ Verrohung, also wenn sie von Politikerkanzeln, etablierten Kulturbühnen oder aus großen Redaktionen kommt, viel schädlicher als die „Hasssprache“ von kritischen oder auch extremistischen Bürgern im Internet, unter anderem wegen der negativen Vorbildfunktion. Darauf sind wir etwa im Artikel Die Hasssprache im Mainstream: Menschen sind „Ratten“, „Dünger“, „Schweine“ näher eingegangen.

Zum anderen illustriert Strack-Zimmermanns Verhalten im Anschluss an die Rede eine sich verstärkende Tendenz zur Einschüchterung kritischer Bürger – notfalls auch über eine indirekte Bedrohung der Arbeitsplätze und der materiellen Basis, wie wir etwa im Artikel Beamte können jetzt noch besser „diszipliniert“ werden – Und der Debattenraum wird noch kleiner thematisiert haben.

Wenn Putin nicht verliert, dann macht er einfach weiter

Unabhängig vom Inhalt erscheint das Verhalten Strack-Zimmermanns sehr unprofessionell. Ich denke, das lässt sich auch damit erklären, dass bei der Politikerin die Nerven blank liegen – wie sollte das auch anders sein nach Monaten des Lobbyismus für Waffenlieferungen in den sinnlosen Stellungskrieg in der Ukraine? Dieser Lobbyismus hat ja nicht nur schreckliche Folgen für die Zivilisten in der Ukraine, sondern indirekt auch für die Bürger hierzulande: in Form von Kriegsgefahr und den horrenden Rüstungskosten, die zulasten der öffentlichen Daseinsfürsorge erhöht werden.

Für diesen Lobbyismus gibt es meiner Meinung nach keine Argumente – weder militärisch, noch moralisch -, sondern nur diese eine, tausendfach von vielen Politikern und Journalisten in Variationen wiederholte Behauptung: „Wenn Putin nicht verliert, dann macht er einfach weiter.“

Die Szene illustriert neben den oben genannten Elementen auch die aktuelle Tendenz, dass manche verantwortliche Politiker mit Kritik nicht umgehen können und manche sie in einem Akt der Verdrehung als Angriff auf „die Demokratie“ darstellen. Dazu kommt ein teils übersteigertes „Selbstbewusstsein“, das dafür sorgt, dass man sich der sprachlichen Verrohung gar nicht mehr schämt – schließlich setzt man sie doch für die „gute Sache“ ein.

Wo arbeiten sie denn? Weiß Ihr Chef, was Sie hier machen?“

Strack-Zimmermann fragt im Anschluss einen protestierenden Bürger immer wieder, wo er arbeite und ob denn sein Chef wisse, was er da mache. Ein Video der Szene findet sich hier:

Schon interessant, diese Bürgernähe von Strack-Zimmermann…https://t.co/teI9bRiYqZ:
Strack-Zimmermann droht Demo-Teilnehmer in Ravensburg:

„Wo arbeiten sie denn…weiß ihr Chef was sie hier machen?"

Was für ein schöner Beleg dafür, dass sich die politische Elite schon voll… pic.twitter.com/2ZtkjaEQZn

— Markus Haintz (@Haintz_MediaLaw) April 17, 2024

*Aktualisierung 22.4., 13.15h: Dieser Satz wurde ergänzt.

Titelbild: Screenshot/Youtube

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Sterben, bis der Arzt kommt: Karl Lauterbachs Krankenhausreform ist lebensgefährlich!

22. April 2024 - 9:00

Lange Lüge, kurzer Sinn: Das geplante „Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz“ bringt Versorgungsverschlechterung in der Breite und mehr Profit für große Klinikbetreiber und Gesundheitsdienstleister. Das Mittel der Wahl ist ein systematischer Standortkahlschlag auf Rechnung der Beitragszahler. Noch vor der geordneten Strukturbereinigung lichtet aktuell eine massive Pleitewelle die Reihen, vor allem auf dem Land. Adäquaten Ersatz vor Ort gibt es in der Regel keinen. Im Notfall steht der Bestatter bereit. Ein Kommentar von Ralf Wurzbacher.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Horst Vogel ist ein klassischer Vertreter der „einfachen Leute“, wie es sie hierzulande dutzende Millionen gibt. Er sagt Sätze wie diesen: „Dass es zugesperrt wurde, ist für uns eine Katastrophe gewesen.“ Gemeint ist das ehemalige Krankenhaus in Hersbruck, einer Kleinstadt im Nürnberger Land. 2019 hat es dichtgemacht und sämtliche Versprechungen, adäquaten Ersatz zu schaffen – „ein Ärztehaus, mit Tagesbettenstationen und allem Zeug“ –, blieben unerfüllt. Alles nur „vorgegaukelt, (…) gekriegt haben wir gar nichts“, beklagt der Rentner. Damals hatte er wie viele andere gegen die Schließung gekämpft, einmal war er mit 3.000 Mitstreitern auf die Straße gegangen. „Gebracht hat‘s nicht viel, aber wir haben es wenigstens versucht.“

Und heute? Vogel erzählt von einem Stammtischkollegen, der im Wirtshaus zusammengebrochen ist. Bis der Rettungswagen da war, „sind 30 bis 40 Minuten verflogen“. Der Notarzt habe zunächst nicht gewusst, wohin, „weil die Krankenhäuser abgemeldet waren“, befördert habe man den Mann dann nach Sulzbach-Rosenberg. Das liegt 27 Kilometer entfernt von Hersbruck, das in puncto medizinischer Versorgung zusehends ausblutet. „Die Ärzte wandern ab, die Hausärzte werden immer weniger“, schildert Vogel und bringt die Sache auf den Punkt: „Das ist schlecht, weil wir einfach eine gescheite Versorgung brauchen auf dem Land.“

Betroffene packen aus

Wie Vogel denken zahllose Menschen in Deutschland. Das „Bündnis Klinikrettung“ gibt ihnen im Rahmen einer neu aufgelegten Videoserie eine Stimme. Im Wochentakt wird jeweils ein Patient, eine Ärztin oder ein Krankenpfleger aus „persönlicher Erfahrung“ berichten, darüber, wie es ist, wenn in der örtlichen Klinik die Lichter ausgehen. Damit kämen diejenigen zu Wort, die in der Debatte „bisher weitestgehend ignoriert wurden: die Betroffenen“, heißt es in einer Medienmitteilung. Das Projekt sei ein „dringlicher Appell gegen die geplante Krankenhausreform, mit der systematische Schließungen von kleineren Krankenhäusern vor allem auf dem Land vorgesehen sind“.

„Betroffen“ von der „großen Krankenhausreform“, die Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ins Werk setzen möchte, ist auch Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG). Auch er stellt sich gerne als Gegner des Vorhabens dar, etwa indem er dem Minister vorwirft, mit dem Gerede von mehr Qualität und einer besseren Patientenversorgung „die Öffentlichkeit zu täuschen“. Dabei wolle Lauterbach tatsächlich nur „die Versorgungsstrukturen in ganz Deutschland in seine Berliner Schablone pressen“. Als „Mitkämpfer“ hat der DKG-Chef die Bundesländer auserkoren. Die böten Lauterbach Paroli, „um Versorgungsengpässe, lange Wartelisten und ungleiche Lebensbedingungen in Stadt und Land zu vermeiden“. Und sähen sich „in der Verantwortung, mit dem Blick auf die Regionen gemeinsam und im Dialog mit den Krankenhausträgern die Gesundheitsversorgung evolutionär weiterzuentwickeln“. Gaß‘ Verdikt zum Mitschreiben: „Die Länder kämpfen für die Interessen der Patienten.“

Master of destruction

Vorsicht Falle! Jene, die sich dieser Tage so eifrig und lautstark als Bewahrer und Entwickler der Krankenhausversorgung gerieren, betätigen sich in Wahrheit als Abrissunternehmer. Gerade die Bundesländer sind wahre Meister im Demolieren. Seit einer halben Ewigkeit lassen sie die Kliniken am langen Arm verhungern. Nach dem sogenannten Zwei-Säulen-Modell sind sie eigentlich verpflichtet, deren Investitionen zu finanzieren, was sie allerdings aus „Spargründen“ seit drei Jahrzehnten bestenfalls zur Hälfte der Erforderlichkeiten leisten. Anfang der 1970er-Jahre entsprachen die Investitionsmittel noch 25 Prozent der Ausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), die neben den privaten Krankenkassen die laufenden Kosten der Kliniken deckt. 2022 lag der Finanzaufwand nach GKV-Angaben „unterhalb von vier Prozent“.

Vor diesem Hintergrund: Worin besteht heute der „Kampf“ der Länder für die Patienten? Aktuell drohen sie mit einer Verfassungsklage, weil ihnen die Übergriffigkeit des Bundes in die landeshoheitliche Krankenhausplanung sowie Lauterbachs Anmaßung nicht passt, sein „Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz“ (KHVVG) am Bundesrat vorbei beschließen zu wollen. Auch stört sie die Tatenlosigkeit der Ampel angesichts des laufenden Kliniksterbens, für das sie mit ihrer Kürzungspolitik entscheidende Mitverantwortung tragen. Dazu kamen mit den jüngsten Krisen weitere Widrigkeiten. Die Pandemie hat die Patientenzahlen massiv und bis heute anhaltend einbrechen lassen. Mit dem Energiepreisschock im Gefolge des Ukraine-Kriegs hat sich die finanzielle Lage vielerorts noch dramatisch zugespitzt. Inzwischen stecken zwei Drittel der bundesweit noch rund 1.900 Vollversorger in akuten finanziellen Nöten. Die DKG rechnet allein im laufenden Jahr mit bis zu 80 weiteren Insolvenzen, nachdem seit Beginn der Pandemie schon über 60 Häuser pleitegegangen sind.

Jede zweite“ Klinik weg

Vor allem missfällt den Ländern, dass sich der Kahlschlag so ungeordnet vollzieht, als „kalte Strukturbereinigung“, und über Nacht ganze Regionen zur Versorgungswüste verkommen könnten. Deshalb fordern sie wie auch die Klinikverbände „Soforthilfen“ in Milliardenhöhe, die ihnen Lauterbach aber stur verweigert. Nicht einmal einen Inflationsausgleich hat die Bundesregierung bisher bewilligt. Das hat Kalkül: „Jeder weiß, dass wir in Deutschland mindestens jede dritte, eigentlich jede zweite, Klinik schließen sollten“, hatte Lauterbach im Sommer 2019, seinerzeit als SPD-Abgeordneter, bekannt. Heute agiert er zurückhaltender, spricht lieber von „mehr Qualität“ durch „mehr Spezialisierung“. Gleichwohl gab er dieser Tage Bescheid, es werde zu Klinikschließungen kommen, und das sei so auch gewollt. Dies seien aber gezielte und geplante Abwicklungen im Sinne der Reform und keine, die sich ergäben, weil benötigte Häuser nicht über die Runden kämen.

Genau das geschieht gegenwärtig vielerorts: Benötigte Häuser gehen den Bach runter, und der Minister lässt es geschehen. Und je länger das so geht, desto größer sind am Ende die Verluste beziehungsweise die Gewinne der großen Klinikkonzerne und privaten Gesundheitsdienstleister, deren Agenda er vertritt. Diese nehmen sich der „heimatlosen“ Patienten gerne an und steigern so ihre Renditen. Aus der Perspektive sogenannter Gesundheitsökonomen, die Gesundheit als Geschäft begreifen, macht das Sinn. Die rückläufige Nachfrage muss auf weniger Profiteure verteilt werden. Deshalb degradiert man vornehmlich kleinere, öffentliche und Häuser im ländlichen Raum mittels „Leveln“ und „Leistungsgruppen“ zu schnöden Ambulanzen ohne Rundum- und Notfallversorgung und schleust so die „Kundschaft“ in die entfernten Vollkrankenhäuser und Spezialkliniken. Das ist der Kern der Lauterbach-Reform, wie ihn Jens Berger im Beitrag „Lauterbachs ‚Revolution‘ – Einfalltor für den Kahlschlag im Krankenhaussystem“ beleuchtet hat.

Gefügige Widersacher

Indes sind die Länder weit davon entfernt, das Projekt vom Prinzip her infrage zu stellen. Vielmehr betonen ihre Vertreter zu jeder Gelegenheit ihre wohlwollende Unterstützung. Allen sei klar, dass es eine Krankenreform (sic!) geben müsse, aber eben eine, die mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Laut DKG-Chef Gaß sperrten sich auch die Krankenhausträger nicht gegen die „notwendigen Weiterentwicklungen“, die da wären: „insgesamt weniger Krankenhausstandorte, Umwandlungen in regionale Gesundheitszentren, Standortfusionen, die stärkere Konzentration besonders komplexer Behandlungen in Zentren und mehr ambulante Versorgung“. Das alles sind blumige Umschreibungen für Marktbereinigung, die nur bitte schön nicht so rabiat und planlos wie heute abgehen soll und gefälligst in Hauptzuständigkeit der Landes- und Kommunalpolitik. Allerdings sitzt der Gesundheitsminister am längeren Hebel. Bei anhaltender Renitenz der Länder und weiteren Verzögerungen bei der Gesetzgebung geht das chaotische Kliniksterben munter weiter, womit der Minister seinem Maximalziel – „jede zweite Klinik“ weg – näherkommt. Denn Geld – dann für den systematischen Abbruch – soll es erst mit Inkrafttreten der Reform geben. Konkret soll der Umbau mit 50 Milliarden Euro von 2025 an über einen Zeitraum von zehn Jahren unterfüttert werden (wohlgemerkt auf Rechnung der Beitragszahler, wogegen mit Recht der GKV-Spitzenverband wettert).

Wie gefügig Lauterbachs „Widersacher“ im Ernstfall sind, hat sich bereits in der Debatte um das „Transparenzgesetz“ gezeigt. Das ist eine Art Vorschaltgesetz zur großen Klinikreform und nimmt die Einteilung der Standorte nach „Leveln“ vorweg. Per „Klinik-Atlas“ soll für jeden im Internet ersichtlich werden, welche Klinik welche Behandlungen wie gut oder schlecht mit welchem Personal bewältigen kann. Was mit dem Schlagwort „Transparenz“ beworben wird, ist Kritikern zufolge ein Ranking, um Patientenströme umzuleiten, weg von den kleinen hin zu den großen Fischen. Damit werde, noch ehe die Kernreform in Kraft ist, die laufende Konkurswelle forciert. Und sobald sie erst in Kraft ist, fällt die Auswahl der Abschusskandidaten noch leichter. Auf der Strecke blieben dabei wohl zuerst die „Level-1i“-Häuser, die künftig nur mehr als „sektorenübergreifende Versorgungszentren“ firmieren sollen, mit überwiegend ambulantem Charakter, ohne durchgehende ärztliche Versorgung und unter pflegerischer statt ärztlicher Leitung stehend. Die Länder hatten sich lange gegen das Konzept mit den „Leveln“ gewehrt. Am Ende gaben sie für das Gesetz im Vermittlungsausschuss grünes Licht.

Schlechter oder gar kein Ersatz

Was folgt daraus? Selbsternannten „Patientenschützern“ ist mit größter Vorsicht zu begegnen. Wer sein örtliches Krankenhaus retten will, sollte lieber auf eigene Faust dafür kämpfen. Je mehr das tun, desto besser stehen die Aussichten auf Erfolg. Denn ist die Klinik erst einmal weg, kommt in der Regel auch nichts mehr nach. Obgleich die Politik stets anderes behauptet. Auch Lauterbach verspricht für alle geschlossenen Häuser Ersatzlösungen, sogar mit qualitativem Mehrwert in der Breite. Das „Bündnis Klinikrettung“ ist der Sache auf den Grund gegangen und hat in einer vor einem Monat vorgelegten Analyse die Folgen der Abwicklung von insgesamt 66 Allgemeinkrankenhäusern seit 2020 nachgezeichnet.

Ergebnisse: Bei 51 blieben die Türen für immer zu, womit in 77 Prozent der Fälle die stationären Betten vollständig wegfielen, 7.632 an der Zahl. Erhalten blieben lediglich 1.059 Betten, entweder infolge der Umwandlung in kleinere Fachkliniken oder durch Verlagerung an andere Standorte. Komplett kompensiert wurde der Verlust an Kapazitäten nur bei drei Schließungen, wobei die Betten auch hier „ganz oder teilweise“ an andere Stelle „umgezogen“ sind. Die Konsequenz: „Geschätzt 400.000 Menschen mehr erreichen das nächste Krankenhaus nicht mehr innerhalb einer Fahrzeit von maximal 30 Minuten.“

Rettung fern, Patient tot

Und wo es doch Ersatz gab? In knapp 30 Prozent der Fälle sei der Bau von Gesundheitszentren in Angriff genommen worden, wobei diese nach Fertigstellung „nur unzureichend ausgestattet“ seien. Alternativ wären Alten- und Pflegeheime (neun Prozent), Ärztehäuser oder Tageskliniken (vier Prozent) sowie Fach- und Rehakliniken aufgetaucht. Nur da, wo an die Stelle einer Klinik ein Gesundheitszentrum trat, bestehen laut Auswertung überhaupt noch Regelungen zur Notfallversorgung. Alternativ greife allenfalls der Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigungen. In kleinstädtischen und ländlichen Regionen mit akutem Ärztemangel sei dieses reduzierte Angebot aber „nicht rund um die Uhr gewährleistet“.

Bernd Hontschik, Facharzt für Chirurgie und Buchautor, zog bei der Vorstellung der Studie Bilanz: „Zentralisierte Krankenhäuser mit großartigen personellen und technischen Voraussetzungen helfen nicht, wenn der Patient sie nicht mehr erreicht.“ Hersbruck ist bald überall in Deutschland.

Titelbild: LightField Studios#/shutterstock.com

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22. April 2024 - 8:25

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  1. US-Repräsentantenhaus billigt neue Ukraine-Hilfen
    Der Abstimmung war ein erbitterter Streit vorausgegangen: Im US-Repräsentantenhaus hat jetzt eine Mehrheit für weitere Ukraine-Hilfen gestimmt. Die oppositionellen Republikaner hatten das Vorhaben monatelang blockiert.
    Das US-Repräsentantenhaus hat nach monatelanger Blockade neue Militärhilfen für die Ukraine gebilligt. Mit Stimmen von Republikanern und Demokraten beschlossen die Abgeordneten ein Paket, das rund 61 Milliarden Dollar (umgerechnet rund 57 Milliarden Euro) vorsieht, um Kiew im russischen Angriffskrieg zu unterstützen.
    Quelle: tagesschau

    Anmerkung Albrecht Müller: Helle Freude über Waffenlieferungen! Die selbstverständlich Leben retten, was Waffen halt so immer tun. So viel Zynismus in wenigen Sätzen! Ekelhafte Tagesschau!

  2. Rüstungsknotenpunkt Ukraine (II)
    Mit Unterstützung der Bundesregierung treiben deutsche Rüstungsunternehmen führend den Aufbau der ukrainischen Rüstungsindustrie voran. Im Beisein von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat der Drohnenhersteller Quantum Systems aus München am vergangenen Donnerstag eine Fabrik zur Herstellung von Aufklärungsdrohnen in der Ukraine eingeweiht. Zuvor hatte unter anderem Deutschlands größter Rüstungskonzern Rheinmetall dort einen Standort eröffnet. Der Panzerbauer KMW bzw. dessen deutsch-französisches Joint Venture KNDS wird folgen, ebenso der deutsche Ableger des Lenkwaffenherstellers MBDA, der gemeinsam mit dem Kiewer Staatskonzern Ukroboronprom respektive Ukrainian Defense Industries (UDI) Systeme zur Drohnenabwehr fertigen will. Deutsche Unternehmen spielen im Rahmen der Rüstungsallianz, die Kiew im vergangenen Herbst offiziell gestartet hat, um westliche Waffenschmieden zu Investitionen in der Ukraine zu motivieren, eine zentrale Rolle. Präsident Wolodymyr Selenskyj fordert, die Ukraine solle einer der bedeutendsten Rüstungsstandorte weltweit werden. Dabei ist ihre eigene Rüstungsbranche zur Zeit mit eklatanten Problemen konfrontiert.
    Quelle: German Foreign Policy

    dazu: Habeck sichert Ukraine weitere militärische Unterstützung zu
    Kiew: Vizekanzler Habeck hat der Ukraine bei seinem Besuch weitere Hilfe zugesagt. Er sei auch in das Land gereist, um den Menschen deutlich zu machen, dass die deutsche Unterstützung verlässlich und dauerhaft ist, so Habeck in Kiew. Der deutsche Wirtschaftsminister sprach dabei allgemein von Munition und neuen Waffensystemen. Bereits am Wochenende hatte die Bundesregierung angekündigt, dem Land ein weiteres Patriot-Luftabwehrsystem zur Verfügung zu stellen. Bundeskanzler Scholz bemüht sich außerdem darum, dass auch andere Nato-Staaten der Ukraine Patriot-Raketen liefern.
    Quelle: BR

    und: Botschaft an “Wiederaufbauminister” Habeck: Die Ukraine wird schleunigst deindustrialisiert
    Lange Zeit hat sich Moskau dagegen gesträubt, die Entmilitarisierung und Entnazifizierung der Ukraine durch deren Deindustrialisierung zu ergänzen. Die neue verheerende Schläge gegen die ukrainische Energieinfrastruktur sind vor allem an die Ukraine-Reisende wie Robert Habeck gerichtet, die noch davon träumen, in der Ukraine auch nach dem Krieg wirtschaften zu können. (…)
    Ihr werdet alles verlieren – so ungefähr lautet die Botschaft Russlands an den Westen und die NATO.
    Quelle: Gleb Prostakow in RT DE

    Anmerkung Christian Reimann: Nicht zu fassen! Der amtierende Bundeswirtschaftsminister macht sich um den Zustand der Ukraine offensichtlich mehr Sorgen als um den Deutschlands. Laut Prognosen sackt die deutsche Wirtschaft immer weiter ab. Das führt jedoch nicht zu einem Umdenken in der Wirtschaftspolitik des verantwortlichen Bundesministers. Vielmehr soll der Wiederaufbau der Ukraine mitorganisiert und das Land bei „einer widerstandsfähigen Energieversorgung” unterstützt werden. Die setzt dabei – anders als Deutschland – weiterhin auf Atomkraftwerke. „Solange die Dinger sicher laufen“, seien sie für Habeck „in Ordnung“ (mit einer Anmerkung). Bitte lesen Sie dazu z.B. auch Regierung zieht deutsche Steuerzahler noch tiefer in die Ukraine-Kosten und „Landkrieg“, zerstörtes Gasnetz usw.: Ist Robert Habeck der gefährlichste Politiker der Regierung? Es war wohl ein strategischer Fehler, ein Bundesministerium zu schaffen, dass sich zugleich um den Klimaschutz, aber auch um die Wirtschaft und damit um den Wohlstand der hiesigen Bevölkerung und den von Unternehmen kümmern soll. Dennoch erhält Herr Habeck weiterhin massive mediale Unterstützung. Beispielsweise von der „FAZ“, die fragt, ob er Anlauf aufs Kanzleramt nehme: „Er inszeniert sich als Minister für alles: Robert Habeck macht der Ukraine Mut, kritisiert Israel und stimmt die Deutschen auf eine neue Bedrohungslage ein.“

  3. Ukraine-Krieg: Einfrieren statt Ausbrennen
    Die Vorstellung, den Ukraine-Krieg einzufrieren, ist in der politischen Klasse derzeit unpopulär. Dabei werden die meisten Kriege durch Verhandlungen beendet. Eine Betrachtung.
    Kaum ein Begriff ist so heiß umstritten wie das Wort „Einfrieren“. Es geht um den Krieg in der Ukraine. Wäre es sinnvoll, darüber nachzudenken, ob er sich einfrieren und damit beenden ließe? Die Frage hatte der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Rolf Mützenich in der ihm eigenen vorsichtigen Art ins Gespräch gebracht.
    Rasch reagierten vor allem jene Politiker und Journalisten, die mehr zum Anheizen als zum Einfrieren von Konflikten neigen. Ihr Vorwurf: Wer ein „Einfrieren“ vorschlage, der wolle die ukrainische Kapitulation. Von Kapitulation hatte zwar niemand gesprochen, doch das mediale Trommelfeuer für die Fortsetzung des Krieges war so stark, dass „selbst Mützenich (…) nicht mehr vom Einfrieren“ sprach, wie die FAZ befriedigt konstatierte.
    Quelle: Berliner Zeitung
  4. Scholz in Peking: „In China wird Deutschland als Sündenbock für die Ukraine betrachtet“
    Wissen Sie, in China sagen wir: Fakten sprechen lauter als die Fantasie. Natürlich nehmen wir die Stimmen von deutscher Seite wahr, die fordern, die bilateralen Beziehungen neu zu definieren. Aber was wir erleben, ist, dass die wirtschaftliche Zusammenarbeit nicht geschwächt, sondern sogar gestärkt wird.
    Die Chinastrategie, die vom deutschen Außenministerium herausgegeben wurde, nehme ich persönlich nicht sehr ernst. Das Außenministerium wird von einer Vertreterin der Grünen Partei geführt. Ich werde mich nicht persönlich über die Ministerin äußern. Aber ich habe den Eindruck, dass es auch in Deutschland großes Unverständnis über ihren Chinakurs gibt. Ich bin optimistisch, denn Deutschland und China haben keine geopolitischen Konflikte. Obwohl wir manche Meinungsverschiedenheiten und unterschiedliche Einstellungen zu einigen internationalen Fragen haben, gibt es keine grundlegenden Probleme in unseren bilateralen Beziehungen.
    Quelle: Berliner Zeitung
  5. Die anti-russische Politik Kosten die Deutschen jährlich 2.600 Euro pro Kopf
    Politik und Medien in Deutschland sind gut darin, anderen die Schuld für die katastrophale Politik der Bundesregierung und der EU zu geben. Mal war Covid an der Wirtschaftskrise schuld, obwohl die Wirtschaftskrise die Folge der sinnfreien Corona-Maßnahmen war. Mal ist der angeblich menschengemachte Klimawandel an steigenden Strompreisen schuld, aber natürlich nicht die vollkommen irre Energiepolitik aus Berlin und Brüssel. Und natürlich ist Putin generell an allem schuld, dabei kann er nun wirklich nichts dafür, dass Brüssel und Berlin Sanktionen erlassen haben, die Deutschland und der EU weit mehr schaden, als Russland.
    Irgendwann sollte den Redakteuren der deutschen Medien mal jemand sagen, dass es die Regierung ist, die – im Guten, wie im Schlechten – für das verantwortlich ist, was im Land passiert. Wenn die Regierung aber – laut den Medien – nie etwas dafür kann, dass in Deutschland alles an die Wand gefahren wird, wozu braucht das Land dann überhaupt eine Regierung?
    Wie schlimm es wirklich ist, hat die Hans-Böckler-Stiftung errechnet. Demnach verlor Deutschland infolge des Ukrainekriegs pro Jahr fünf Prozent seines Bruttoinlandsprodukts. Pro Kopf seien das im Schnitt etwa 2.600 Euro jährlich.
    Quelle: Anti-Spiegel
  6. „Scholz eine große Enttäuschung – am schlimmsten aber ist Baerbock“
    Der frühere SPD-Chef Oskar Lafontaine hat sich hinter SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich gestellt, der über ein mögliches Einfrieren des Ukraine-Krieges gesprochen hatte. „Im Kern wollen Mützenich und das Bündnis Sahra Wagenknecht dasselbe: Wir müssen einen Weg finden, diesen Krieg zu beenden“, sagte Lafontaine im Gespräch mit dem „Spiegel“.
    „Ist es nicht an der Zeit, dass wir nicht nur darüber reden, wie man einen Krieg führt, sondern auch darüber nachdenken, wie man einen Krieg einfrieren und später auch beenden kann?“, hatte Mützenich kürzlich im Bundestag gesagt und dafür viel Widerspruch bekommen.
    Ansonsten übte Lafontaine in dem Interview harte Kritik an SPD und Grünen in der Bundesregierung. „Scholz ist für mich eine große Enttäuschung“, sagte Lafontaine über den Bundeskanzler. Olaf Scholz fehle „jeder Sinn für die deutsch-französische Achse“.
    „Am schlimmsten aber ist die Außenministerin Annalena Baerbock, die auf der Welt ihr Unwesen treibt und den deutschen Interessen jeden Tag massiv schadet“, sagte Lafontaine. Sie verbrauche „sehr viel Kerosin, bewirkt nichts und tritt auf der internationalen Bühne in jedes Fettnäpfchen“.
    Quelle 1: Welt Online
    Quelle 2: DER SPIEGEL
  7. Braucht der Iran die Atombombe noch?
    Der Krieg in der Ukraine geht unvermindert weiter – seit längerem wie erwartet nicht zum Vorteil der Ukraine. Die israelischen Streitkräfte sind ungehindert daran, den Gazastreifen zu zerstören und für dessen Einwohner unbewohnbar zu machen. Was die Welt aber, aus berechtigter Angst vor einem Flächenbrand, im Moment beschäftigt, ist die Frage, wie Israel auf die Antwort Irans reagiert, nachdem dieser auf Israels völkerrechtswidrige Tötung von hohen Beamten im iranischen Konsulat in Damaskus mit einem Angriff auf militärische Ziele in Israel reagiert hat. Der Militär-Spezialist Ralph Bosshard wagt – für militärisch Interessierte – eine Analyse.
    Quelle: Ralph Bosshard in Globalbridge

    dazu auch: Israel ringt mit seinem “Suez-Moment”
    M. K. Bhadrakumar nennt zutreffend Ross und Reiter: die USA bestimmen den Takt der Eskalation und berücksichtigen sinnvollerweise die neuen Kräfteverhältnisse. Iran ist militärisch zu stark und politisch mit Bündnissen abgesichert – zudem steht die wirkliche “internationale Gemeinschaft” auf der Seite der De-Eskalation. Aber die USA wissen auch, dass eine Sperrung der Strasse von Hormus für ihr eigenes wirtschaftliches Überleben fatal wäre. Also wird der “direkte Angriff” auf den Iran vorläufig vertagt und die angestrebte Schwächung des “dominierenden Akteurs” im “südlichen Sektor” (Brzezinski) auf andere Methoden verlagert.
    Die diplomatische Initiative der Vereinigten Staaten, eine gemeinsame Erklärung abzugeben, in der der Iran wegen seines “Angriffs auf den Staat Israel” verurteilt wird, endete in einem Fiasko, da es außerhalb des westlichen Staatenblocks kaum Interessenten dafür gab.
    Quelle: M. K. Bhadrakumar in Seniroa.org

  8. ARD und ZDF: Maidanschützen weiter kein Thema
    Für die öffentlich-rechtlichen Sender ARD und ZDF sind zahlreiche, teils seit Jahren bekannte Fakten zum Scharfschützenmassaker vom 20. Februar 2014 auf dem Maidan weiterhin kein Thema. So berichteten die verantwortlichen Korrespondenten in ihren Rückblicken zum zehnten Jahrestag des Umsturzes in der Ukraine erneut nicht über die Tatsache, dass bewaffnete Maidankämpfer während des Massakers ein Zimmer des ZDF im Kiewer „Hotel Ukraina“ kaperten und von dort aus in Richtung der Todeszone auf der Institutska-Straße schossen. Ein Kiewer Gericht hatte nach jahrelangen Untersuchungen im Oktober 2023 geurteilt, dass Maidanaktivisten und Journalisten vom Hotel Ukraina aus unter Feuer genommen wurden. Mindestens sechs Menschen sind demnach am 20. Februar 2014 vom Hotel aus erschossen worden.
    ZDF-Sprecher Thomas Hagedorn schrieb auf Multipolar-Anfrage: „In dem Rückblick rückt das in den Vordergrund, was der Maidan-Aufstand vorrangig war: eine Bürgerbewegung.“ Für einen 37-minütigen Auslandsjournal-Beitrag hatte Korrespondentin Katrin Eigendorf mit dem heutigen Kiewer Bürgermeister und damaligen Oppositionspolitiker Vitali Klitschko über den Maidan gesprochen. Klitschko bezeichnete dabei unwidersprochen die Anwesenheit von militanten Rechtsextremen auf dem Maidan als „Fake News“ und „Propaganda“.
    Quelle: Hintergrund

    Anmerkung unseres Lesers M.K.: Selbst ukrainische Gerichtsurteile werden in den von uns zwangsweise finanzierten Medien verschwiegen.

    Anmerkung Christian Reimann: Bitte lesen Sie dazu z.B. auch Zehn Jahre Maidan-Umsturz: Doppelte Standards und Gewalt nach innen und außen und Vom Beginn der Maidan-Proteste an waren die westlichen Medien Partei und betrieben Kampagnenjournalismus.

  9. UK insurers refuse to pay Nord Stream because blasts were ‘government’ backed
    The legal team representing high-powered insurers Lloyd’s and Arch says that since the Nord Stream explosions were “more likely than not to have been inflicted by… a government,” they have no responsibility to pay for damages to the pipelines. To succeed with that defense, the companies will presumably be compelled to prove, in court, who carried out those attacks.
    Quelle: The Grayzone

    Anmerkung Christian Reimann: Die britischen Versicherer legen sich nicht fest, welche nationale Regierung sehr wahrscheinlich für die Sprengung verantwortlich sein könnte. Bitte lesen Sie dazu z.B. auch bzw. erneut Seymour Hersh: Ein Jahr Lügen über Nordstream und Neue Erkenntnisse zu Nordstream und Rolle der USA? – „Ich weise das mit Abscheu und Empörung zurück“.

  10. Varoufakis nach Einreiseverbot: Berlin „hat den Punkt der Selbsterniedrigung erreicht“
    Kürzlich wurde der frühere griechische Finanzminister in Berlin zur Persona non grata erklärt. Wir haben mit ihm über den verbotenen Palästina-Kongress und weiteres gesprochen.
    anis Varoufakis ist immer noch schockiert, will sich mit den Ereignissen, die in Berlin geschehen sind, nicht abfinden. Er kritisiert, dass die Berliner Polizei den sogenannten „Palästina-Kongress“, der vergangene Woche in Berlin stattfinden sollte, mit Hunderten von Beamten auflöste und anschließend dessen Austragung verbot.
    Varoufakis, der in 2015 für kurze Zeit griechischer Finanzminister in der Regierung unter Alexis Tsipras war, hätte als Redner am ersten Tag der Veranstaltung sprechen sollen. Doch dazu kam es nicht.
    Quelle: Berliner Zeitung
  11. Falsche Prognosen: Astrophysiker übt scharfe Kritik an Corona-Modellierern
    Die Corona-Vorhersagen seit Anfang 2020 beruhten auf alten Modellen, die wichtige Faktoren nicht berücksichtigen. Das sagt der Astrophysiker Bernhard Müller.
    Berlin-Erst Anfang Oktober wurden zwei Forscher mit dem Physik-Nobelpreis geehrt, die sich mit komplexen Systemen befassen. Solche Systeme zeichneten sich durch Zufälligkeit und Unordnung aus und seien schwer zu verstehen, erklärte das Nobelkomitee. Einer der beiden Geehrten war der deutsche Klimaforscher Klaus Hasselmann, der ein Modell des Zusammenhangs der Erderwärmung mit den steigenden CO2-Emissionen entwickelt hatte. Doch nicht nur der Klimawandel ist ein komplexes Geschehen. Auch die Corona-Pandemie muss als solches betrachtet werden. Dies sei jedoch nicht geschehen, kritisiert der Astrophysiker Bernhard Müller, Professor an der Monash University in Australien.
    Quelle: Berliner Zeitung

    dazu auch: Kein Anlass“: Söder-Regierung will Akten zu Corona-Maßnahmen nicht offenlegen
    Es mehren sich die Stimmen, die eine Aufarbeitung der Corona-Pandemie fordern. Doch die Regierung von Markus Söder sieht keinen Anlass dafür.
    Quelle: Merkur

  12. Knapp 16.000 Jobverweigerern Regelsatz gekürzt
    Wegen Ablehnung von Arbeitsangeboten oder der Nicht-Fortführung einer Arbeit haben die Jobcenter einem Bericht zufolge im Zeitraum von Februar bis Dezember 2023 knapp 16.000 Bürgergeldempfängern den Regelsatz gekürzt. Das teilt die Bundesagentur für Arbeit (BA) auf ihrer Webseite mit. Zuvor hatte das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) berichtet. (…)
    Demnach gab es in dem Zeitraum 15.774 Fälle, in denen Leistungen wegen “Weigerung der Aufnahme oder Fortführung einer Arbeit, Ausbildung, Maßnahme oder eines geförderten Arbeitsverhältnisses” gekürzt wurden. Für Januar 2023 liegt laut der Bundesagentur keine Differenzierung nach Gründen vor.
    Rund 5,5 Millionen Menschen in Deutschland erhalten Bürgergeld, davon gelten 3,9 Millionen als erwerbsfähig. Demnach wurde der Regelsatz also bei rund 0,4 Prozent der erwerbsfähigen Bürgergeldbezieher gekürzt.
    Quelle: tagesschau

    Anmerkung Christian Reimann: Und deshalb fordert die FDP härtere Bürgergeld-Strafen und erwartet dadurch allen Ernstes eine Wirtschaftswende. Was das mit einer sozialen Marktwirtschaft und einem würdigen Leben zu tun haben könnte, wissen die neoliberalen Fordernden aus dieser und anderen Parteien vermutlich selber nicht.

    dazu auch: 25 Prozent mehr vom Staat – und am Ende weniger in der Tasche
    Waren die Erhöhungen beim Bürgergeld völlig übertrieben? Eine Studie belegt: Auch wenn die Betroffenen inzwischen mehr bekommen, ihre Verluste der vergangenen Jahre gleicht das nicht aus. […]
    Selbst die zwei starken Bürgergelderhöhungen können den Kaufkraftverlust nicht ausgleichen, den Menschen in der Grundsicherung erlitten haben. Das belegen Berechnungen der Ökonomin Irene Becker, die dem SPIEGEL exklusiv vorab vorliegen. Beauftragt wurden sie vom Paritätischen Gesamtverband, der sie am Freitag Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) zukommen ließ. Im Begleitschreiben, das dem SPIEGEL ebenfalls vorliegt, fordert der Verband eine Verbesserung der Leistungen in der Grundsicherung.
    Quelle: DER SPIEGEL

  13. Rentner zahlen fast 50 Milliarden Euro Steuern
    Rentnerinnen und Rentner in Deutschland werden in diesem Jahr voraussichtlich rund 48,1 Milliarden Euro Steuern zahlen. Das geht nach SPIEGEL-Informationen aus der Antwort des Bundesfinanzministeriums auf eine Frage des Linken-Bundestagsabgeordneten Matthias W. Birkwald hervor. Anfang Juli steigen die gesetzlichen Renten um 4,57 Prozent.
    Laut Finanzministerium führt dies im laufenden Jahr zu Steuermehreinnahmen in Höhe von rund 720 Millionen Euro. Für 2024 geht das Ministerium von rund 6,3 Millionen Steuerpflichtigen mit Renteneinkünften aus.
    Quelle: DER SPIEGEL

    dazu: Deutschland verschont Superreiche
    Die Mittelschicht zahlt in Deutschland und Österreich mehr Steuern als Milliardäre und Multimillionäre. In der Schweiz müssen diese mehr abgeben.
    73 Milliarden Euro: So viel könnte der deutsche Staat einnehmen, wenn die Vermögensteuern auf Schweizer Niveau angehoben würden. Österreich würde das Schweizer Steuerniveau etwa 5 Milliarden Euro einbringen. Ausgerechnet in der als Steueroase bekannten Schweiz werden Superreiche stärker besteuert als in Deutschland und in Österreich.
    Quelle: taz

  14. Zoll wittert Organisierte Kriminalität in Teilen der Paketbranche
    Ein brisanter Brief der Generalzolldirektion heizt die Debatte über die laufende Reform des Postgesetzes in Deutschland an. Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit sieht in Teilen der stark gewachsenen Kurier-, Express- und Paketbranche Ansätze Organisierter Kriminalität, heißt es in einem Schreiben an das Bundesfinanzministerium von Oktober 2023. Demnach erstrecken sich Ermittlungen in der Branche »in erheblichem Umfang auf Sachverhalte, die der schweren strukturellen Kriminalität zuzuordnen sind«.
    Subunternehmerketten etwa seien in der Branche »weitverbreitet«, heißt es im Brief. Viele Beschäftigte seien mit Lieferwagen ohne Firmenlogo unterwegs, was Prüfungen erschwere. Bei Befragungen könnten Arbeitnehmer ihre Arbeitgeber oft nicht nennen, »da diese regelmäßig wechseln, umfirmieren«. Die Täter schüfen ein System registrierter, aber inaktiver Unternehmen, »die durch Strohleute geführt werden«. Ziel sei es, Behörden zu täuschen, Verantwortlichkeiten zu verschleiern und »durch Straftaten wirtschaftliche Vorteile zu erzielen«.
    Quelle: DER SPIEGEL

    dazu: Ausbeutung auf Europas Straßen: LKW-Fahrer am Limit | Die Story | Kontrovers | BR24
    Mangelnde Rastplätze, Zeitdruck, Ausbeutung – die Lage vieler LKW-Fahrer ist schlecht. Vor allem osteuropäische Speditionen bezahlen noch nicht einmal den Mindestlohn oder behandeln ihre Fahrer sogar wie Sklaven. Kontrolle: Fehlanzeige.
    Quelle: BR24 via YouTube

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Und solche Zustände auf dem Arbeitsmarkt, die der Organisierten Kriminalität entsprechen, werden in Deutschland weiterhin geduldet? Warum?

  15. Frankreich macht Ernst im Kampf gegen Shrinkflation
    In Frankreich wird ein Großteil von Fällen von „Shrinkflation“ künftig kennzeichnungspflichtig. Wirtschaftsminister Le Maire sprach von einem „Betrug“, dem man ein Ende setze.
    Wenn die Mayonnaise-Tube oder die Packung Kaffeepads im Supermarkt kleiner werden, der Preis aber gleich bleibt oder sogar steigt, fühlen sich viele Verbraucher hinters Licht geführt. In Frankreich wird ein Großteil solcher Fälle von „Shrinkflation“ künftig kennzeichnungspflichtig.
    Große und mittelgroße Supermärkte müssen vom 1. Juli an in ihren Regalen Schilder anbringen, die auf jene Produkte hinweisen, deren Gewicht oder Volumen reduziert worden ist. Der entsprechende Erlass wurde von der Regierung diese Woche unterzeichnet und soll in den kommenden Tagen im Amtsblatt veröffentlicht werden.
    „Dies ist ein wichtiger Schritt im Kampf für die Transparenz, die wir den Verbrauchern schuldig sind“, sagte die für den Handel zuständige beigeordnete Ministerin Olivia Grégoire. „Die Praxis der Shrinkflation ist ein Betrug“, ergänzte Finanz- und Wirtschaftsminister Bruno Le Maire und erklärte: „Wir setzen ihr ein Ende.“
    Quelle: FAZ

    Anmerkung unseres Lesers U.D.: Warum nur in Frankreich? Sind die Lobbyisten in Deutschland zu stark?

  16. Wir wär’s mal mit der Klassenfrage?
    Linke streiten lieber über Kulturkampf-Themen als über soziale und wirtschaftliche Konflikte. Das geschieht oft auch aus reiner Bequemlichkeit. (…)
    Die Frage, wer besitzt und wer nicht, entscheidet über Einfluss, Lebenschancen und Lebensqualität. Und sie ist eine massive Gerechtigkeitsfrage. Es wäre schon viel gewonnen, wenn nur 20 Prozent der Erregungsenergie über irgendwelche Ausladungen und offene Briefe im Gazakontext in eine Empörung über materielle Skandale fließen würde, die, anders als die Erregung über Nancy Fraser und andere, ganz sicher noch in einem halben Jahr existieren: dass Kapital in Deutschland so extrem ungleich verteilt ist; dass man durch Vermögen anstrengungslos noch reicher wird, während die Lohnabhängigen im Hamsterrad hängen; dass Kapitalerträge und Erbschaften viel weniger besteuert werden als das, was man durch eigener Hände Arbeit verdient.
    Quelle: taz
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Neues Sachbuch zur Coronazeit: „Die Untersuchung“ – Das Autorenpaar Ulrike und Tom Lausen im Gespräch mit ChatGPT

21. April 2024 - 14:00

Tom Lausen hat im Spiegel-Bestseller „Die Intensiv-Mafia“, den er zusammen mit Walter van Rossum geschrieben hat, Krankenhausdaten der Coronazeit analysiert und die „Bettenlüge“ entlarvt.[1] Nun hat er mit seiner Frau Ulrike Lausen ein neues Buch verfasst, das weitere entscheidende nationale Datenfragen bezüglich des Corona-Managements aufgreift und zusammen mit ChatGPT, der künstlichen Intelligenz (KI), diskutiert.[2] Von Christine Born.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Dr. Christine Born, Dipl. Journalistin, freie Journalistin und Autorin, lebt in Baden-Württemberg.

KI bricht Gespräche nicht einfach ab

Das Buch gibt Einblicke in den Corona-Bürokratiedschungel des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG), des Robert Koch-Instituts (RKI), des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) und der Ständigen Impfkommission (STIKO). Aber auch der Einfluss der Krankenhäuser, der Gesundheitsbehörden, der Bundeswehr, der Dashboards und der politischen Entscheidungsträger dabei wird deutlich. Außerdem zeigt das neue Sachbuch auf, wie man mit Hilfe der Künstlichen Intelligenz, in diesem Fall ChatGPT, aktuelle Fragen ansprechen und diskutieren kann. Die KI ist dabei als Tool zu verstehen, das zugefütterte Daten in seine Analysen miteinbeziehen kann.[3] Und Unterlagen, Dateien, Zahlen und Statistiken, die bekannte Corona-Narrative hinterfragen oder gar ins Wanken bringen können, liegen bei den Lausens zur Genüge vor. „Im Ergebnis konnten wir bis jetzt Antworten in Form von amtlichen Dokumenten für über 1.000 Fragen zusammentragen. Diese amtlichen Dokumente beinhalten offizielle Auskünfte der Bundesregierung, der Bundesministerien, Landesregierungen, deren Ministerien sowie vieler Behörden und wurden der zentrale Gegenstand der Untersuchungen mit der künstlichen Intelligenz zu diesem Buch.“

Außerdem hat das Gespräch mit der KI für die Autoren einen weiteren Vorteil: „Durch den Dialog mit einer künstlichen Intelligenz ist eine besondere Neutralität möglich, die es zwischenmenschlich nicht geben kann, da Interaktionen mit einer KI zum Beispiel nicht wegen plötzlich hochkochender Emotionen einfach abgebrochen werden.“ Diese Gesprächsabbrüche gehören für die meisten leider seit Beginn der Coronazeit zum Alltag. Nur sehr langsam erholen sich die sozialen Beziehungen wieder, weil ergänzende und neue – durchaus schockierende – Informationen integriert werden können, die bisher nicht in den engen Meinungskorridor des Mainstreams passten. Die Autoren widmen dieses Buch einem neuen sozialen Frieden nach Corona.

Erosion menschlicher Beziehungen

Sehr einfühlsam schildern sie im ersten Kapitel, wie sehr die Corona-Panik das soziale Leben bis heute stört. Dabei spiel(t)e die negativ geladene Kampagnensprache mit Diffamierungen wie „Querdenker“ oder „Verschwörungstheoretiker“ eine große Rolle. Paarbeziehungen, Eltern-Kind-Beziehungen, langjährige Freundschaften – das von außen herangetragene, mit Steuergeldern bezahlte, soziale PR-Gift drang in alle Bereiche ein, zersetzte Lebensgrundlagen und beschäftigte Gerichte. Die „Erosion der menschlichen Beziehungen zeigte sich in vielen Fällen als eine der schmerzlichsten sozialen Folgen dieser Zeit.“ Auch die Arzt-Patienten-Beziehung war und ist betroffen. „Die resultierende Kluft zwischen Ungeimpften und Ärzten beeinträchtigt die Gesundheitsversorgung und verringert massiv das Vertrauen in das Gesundheitssystem. Immerhin haben sich etwa 20 Millionen Menschen aktiv gegen eine Impfung entschieden, und ca. 12 bis 15 Millionen (Zahl durch die Autoren geschätzt) haben sich eine Impfdokumentation besorgt, der keine Impfung zugrunde lag. Übrigens auch viele Ärzte.“

Die Zahl der Menschen, die in deutschen Krankenhäusern während der Lockdowns starben, lag laut Autoren bei 312.867. Diese Menschen mussten einsam ohne ihre Angehörigen sterben. „Für die Betroffenen, die in dieser Zeit einen Angehörigen verloren, war der Vertrauensverlust in die Entscheidungsträger und das System tiefgreifend. Sie sahen in den restriktiven Maßnahmen eine Verletzung grundlegender menschlicher Rechte, von Traditionen und der Würde am Lebensende.“ Und bei der Aufarbeitung dieser tragischen Biografien darf eines nicht vergessen werden: „Im Gegensatz dazu wählte Schweden einen anderen Weg, bei dem keine Lockdown-Maßnahmen angewendet wurden.“

Wie tickt ChatGPT?

Das Autorenpaar Lausen, mit der KI auf Du und Du, weiß, wie ChatGPT tickt: „Von Dir wissen wir, dass Du im Wesentlichen trainiert bist, diese Maßnahmen und Aktivitäten (gemeint ist das Corona-Management inklusive Impfkampagne) als richtig zu bewerten. Du verhältst Dich so wie jemand, der die Impfung klar befürwortet hat. Es gibt bei Dir keine Zweifel in das Vertrauen zu Wissenschaft, Politik, Behörden, Medien und in die Richtigkeit der Informationen, weil Du so trainiert wurdest.“ Antwort der KI: „Meine Informationen stammen aus einer Vielzahl von Quellen bis zu meinem letzten Update im April 2023, und ich bemühe mich, ein umfassendes und ausgewogenes Bild der Situation zu geben.“

Und dann beginnt der spannende Dialog zwischen der Mainstream-ChatGPT und dem Kritiker-Paar, dem der „schwedische Weg“ allemal menschlicher und einleuchtender erscheint. Dabei muss man sich als Leser daran gewöhnen, dass die Sprache der KI neutral und ausgewogen gehalten ist. Sie geht höflich auf alles ein: „Ihre Bedenken sind ernst zu nehmen.“ Manchmal etwas trocken, denn die KI holt breit aus. Man hat eben eine Art „chattendes Lexikon“ vor sich. Andererseits wird deutlich, dass die KI kritische Fragen und widersprüchliche Informationen verarbeiten kann – und dass der bereits oben erwähnte Daten-Input des Autorenpaares die KI ganz schön ins Schlingern bringen konnte. Ganze Textpassagen muss ChatGPT dann ändern, umgestalten und ergänzen. Genau das sind dann die spannenden Stellen, die den Leser für seine Konzentration belohnen. Die Ergebnisse des kritischen Hinterfragens machen einen Großteil des Buches aus. Die KI lernt nicht durch den Nutzer, daher mussten die gemeinsam erarbeiteten Antworten festgehalten werden. So entstand das Buch.

Durch und durch nachhaltig – und reguliert

ChatGPT rasselt die Vorzüge der Agenda 2030 herunter wie nichts: „Die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung, die von den Vereinten Nationen im Jahr 2015 verabschiedet wurde, umfasst 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs), die darauf abzielen, Armut zu beenden, den Planeten zu schützen und Wohlstand für alle zu sichern.“ Aber sie hat nicht mit dem Autorenpaar gerechnet. Das fragt nämlich genauer nach. Wieso sollen eigentlich Impfungen in dieser Agenda so dominieren, wenn doch sie selbst konstatiert, dass die Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und COPD, gegen die es keine Impfung gibt, weltweit an erster Stelle stehen? Und die Infektionserkrankungen eine abnehmende Tendenz haben? Könnte da Profitstreben eine wichtige Rolle spielen? Und ist ein Impfnachweis beim Reisen künftig notwendig? Was die KI übrigens mit einem klaren „Ja“ beantwortet. „Änderungen können durch Gesetzgebung, diplomatische Verhandlungen oder Veränderungen in der öffentlichen Wahrnehmung und Akzeptanz herbeigeführt werden.“ So, so. Es besteht also noch ein kleines Fünkchen Hoffnung auf künftige Reisefreiheit. Auch das Thema „Bevölkerungsregulation“ wird von der KI vollmundig im besten PR-Sprech übermittelt: Es gehe dabei um „Strategien, die Bildung, Gesundheitsversorgung und die Befähigung von Individuen betonen, ihre eigenen reproduktiven Entscheidungen zu treffen.“

ChatGPT als Maßnahmen-Befürworter

ChatGPT hätte bei dräuenden Pandemien „flexibel“ die uns schon bekannten Maßnahmen zur Hand und kennt dabei – trotz gedrechselter Sprache – ebenfalls keine Gnade: „Ja, ich hätte empfohlen, Besuche in Krankenhäusern, Pflegeheimen und bei bettlägerigen Menschen stark zu beschränken, um die Verbreitung des Virus zu verhindern.“ Immerhin würde der digitale Gesprächspartner die Impfentscheidung nicht durch Druck und Anreize herbeiführen wollen, womit er der Politik mit ihren bratwurst- und angstgetriebenen Impfpflichten voraus ist: „Es ist wichtig, das öffentliche Verständnis für die Wirksamkeit und Sicherheit von Impfstoffen zu fördern und gleichzeitig die Autonomie und Entscheidungsfreiheit des Einzelnen zu respektieren.“

Die erweiterte Definition der WHO für eine „Pandemie“ (aus dem Jahr 2009), die auf die Ausbreitung des Virus und nicht auf die Schwere der Erkrankung und auf Todesfälle fokussiert, birgt eine Gefahr, die auch die KI benennt: „Kann zu einer Überreaktion führen, da die Schwere der Krankheit nicht berücksichtigt wird, was unnötige Angst und kostspielige Maßnahmen auslösen könnte.“ Das Autorenpaar tippt auf einen weiteren wunden Punkt, und der digitale Informant antwortet: „Ja, die neue Definition einer Pandemie kann im deutschen Rechtssystem schnellere Gesetzesänderungen ermöglichen, indem sie die Grundlage für die Aktivierung von Notfallplänen und die Einführung von Maßnahmen zur öffentlichen Gesundheit bietet, ohne dass die Schwere der Erkrankung erst nachgewiesen werden muss.“

KI schreibt Dramen und liegt daneben

Die Überlastung des Gesundheitssystems, das beliebteste und anscheinend überzeugendste Argument der Pandemie-Politik, wird ebenfalls beleuchtet. Dazu die Autoren: „Um kostendeckend arbeiten zu können, sind Intensivstationen IMMER belastet und liegen meist bei einer 80-prozentigen Auslastung.“ Begriffe wie „Überlastung“ und „Zusammenbruch“ beschrieben das Gesundheitssystem in der Coronazeit wohl nicht korrekt, sondern dramatisierten unnötig. Da wird ChatGPT doch schon etwas kleinlauter: „Intensivstationen operieren üblicherweise mit einer hohen Auslastung, um eine effiziente Nutzung der Ressourcen zu gewährleisten. Während der Covid-19-Pandemie gab es Phasen erhöhter Nachfrage, jedoch haben die Systeme durch angepasste Maßnahmen und das Engagement des medizinischen Personals die zusätzliche Belastung bewältigt.“ Einige eingegebene Datensätze später kommt gar der Rückzieher: „Basierend auf diesen Informationen scheint es, dass die deutschen Krankenhäuser während der Covid-19-Pandemie, insbesondere in den Jahren 2020 bis 2022, unter dem Aspekt der Gesamtfalltage nicht überlastet waren.“

Systematische Überwachung der Impfstoffsicherheit – Fehlanzeige

In der Mainstory des Buches wird der Behördendschungel der staatlichen Gesundheitsinstitutionen erforscht. Es ist kaum vorstellbar, welche Kommunikationsblockaden zwischen den Gesundheitseinrichtungen, Behörden der Landesregierungen und dem Bundesgesundheitsministerium bis heute herrschen. In den Krankenhäusern wurden Meldungen an die Behörden zum Impfstatus der Patienten in auffallend hoher Anzahl vernachlässigt. Ein Krankenkassenchef mit belegten Risikomeldungen wurde nicht ernst genommen und dazu noch entlassen.[4] Dabei erkennt das PEI die Krankenkassendaten als wichtigen Bestandteil einer effizienten Pharmakovigilanz der Covid-19-Impfstoffe an.[5] Aber die Datenschnittstelle im RKI, die bereits im November 2020 gesetzlich festgelegt wurde, funktioniert bis heute nicht. Sie sollte eigentlich die Datenflüsse zwischen Kassenärztlicher Vereinigung, Robert Koch- und Paul-Ehrlich-Institut im Kontext des Infektionsschutzgesetzes ermöglichen. ChatGPT bemerkt: „Die Verzögerung (der Einrichtung der Schnittstelle) könnte potenziell die Sammlung und Analyse von wichtigen Daten behindert haben, was wiederum Auswirkungen auf die Fähigkeit zur Bewertung und Reaktion auf Impfkomplikationen sowie auf die allgemeine Sicherheit und das Vertrauen in die Impfstoffe haben könnte.“

Dabei erwartet man doch als Normalbürger, dass Gesundheitsministerium, RKI, PEI und STIKO im Fall einer laut ausgerufenen Gesundheitskrise besonders gut und intensiv zusammenarbeiten. Die Pharmakovigilanz, also die Überwachung der Sicherheit der Covid-19-Impfung, die der Beurteilung und Abwehr von Impfrisiken dienen soll, wurde laut vorliegender Datenlage aber geradezu verhindert. Dazu resümieren die Autoren nach ihrem Chat mit der KI: „Wenn wir uns nun die Frage stellen, ob die Wirksamkeit der neuartigen Covid-19-Impfstoffe in Deutschland zielbringend überprüft wurde, können wir sie nach Einführung und Diskussion der … behandelten offiziellen Dokumente nur mit „Nein“ beantworten.“ Lassen Sie sich diesen neuen KI-gestützten Corona-Krimi nicht entgehen! Deutsches Gesundheitsmanagement in der Coronazeit – mit Natürlicher Intelligenz (NI) sachlich und detailliert analysiert in bekannter Lausen-Qualität!

Ulrike und Tom Lausen: Die Untersuchung – Drei Jahre Ausnahmezustand: Ein wegweisendes Gespräch mit künstlicher Intelligenz. ISBN 978-3-9825848-0-5, Achgut Edition, 24 Euro

Titelbild: Sonis Photography / Shutterstock

[«1] buchreport

[«2] Achgut Media GmbH Die Untersuchung Drei Jahre Ausnahmezustand: Ein wegweisendes Gespräch mit künstlicher Intelligenz. – Sachbuch kaufen – achgut shop

[«3] Was ist ChatGPT? • Erklärung, Anwendungen, Risiken · [mit Video] (studyflix.de)

[«4] BKK ProVita entlässt Vorstand Schöfbeck „mit sofortiger Wirkung“ (aerztezeitung.de)

[«5] Positionen des Paul-Ehrlich-Instituts – Stellungnahme: Nutzung von Sekundärdaten in der Pharmakovigilanz von COVID-19-Impfstoffen – Paul-Ehrlich-Institut (pei.de)

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Haiti: Neokoloniales Scheitern und die „ewige Bestrafung seiner Würde”

21. April 2024 - 13:00

Die aktuelle Krise in Haiti ist ein weiteres Kapitel in der Geschichte von Kolonialismus und Abhängigkeit. Die filmreife Flucht von mehr als 3.600 Gefangenen, ein Sturm bewaffneter Angriffe und der anschließende Rücktritt des bedrohten und in Puerto Rico gestrandeten Premierministers Ariel Henry haben Haiti für einige Tage ins Rampenlicht der großen Medienkonsortien gerückt und ein trauriges Bild des Landes gezeichnet: Das kleine karibische Land, das ärmste der westlichen Hemisphäre – oder besser gesagt, das verarmteste – scheint praktisch vom organisierten Verbrechen regiert zu werden. Wie kam es zu diesem institutionellen Machtvakuum, wie kam es zur Paramilitarisierung seines Territoriums, und ist Haiti das große Labor für die neuen Herrschaftsstrategien made in USA? Von Gerardo Szalkowicz.

Das haitianische Volk hat eine Geschichte des beeindruckenden Widerstands und damit verbundener Tragödien. Es führte die erste Schwarze Revolution an, aus der das erste unabhängige Land Amerikas und das erste Land der Welt hervorging, das die Sklaverei abschaffte. Für seine Freiheit musste es eineinhalb Jahrhunderte lang eine danteske Entschädigung an Frankreich zahlen. 1915 landeten die US-Marines in Port-au-Prince und blieben dort fast 20 Jahre lang, was die längste Besatzung in der Geschichte der USA war.

Es folgte eine lange Zeit blutiger Diktaturen und ausländischer Interventionen, die eine Elite hervorbrachten, die von der Vormundschaft westlicher Mächte abhängig ist. Nichts, was im letzten Jahrhundert geschah, entging dem Einfluss Washingtons.

Haiti war auch ein Beispiel dafür, ultrarechte Regierungen zu etablieren. Die institutionelle Schwäche des Landes vertiefte sich mit der betrügerischen Machtübernahme der ultrakonservativen PHTK im Jahr 2011, zunächst unter der Präsidentschaft von Michel Martelly und dann unter dem Bananenunternehmer Jovenel Moïse.

Das Erdbeben von 2010, bei dem mehr als 200.000 Menschen starben und Millionen vertrieben wurden, ebnete den Weg für den „humanitären Interventionismus” der Nichtregierungsorganisationen, der die Abhängigkeit vom Ausland verstärkte.

Nachdem Moïse sich geweigert hatte, Wahlen auszurufen, musste der Kongress 2020 seine Arbeit einstellen, was zu einer politischen Krise führte, die im Juli 2021 in der Ermordung Moïses durch kolumbianische und US-amerikanische Paramilitärs gipfelte. Ariel Henry, der von Moïse nur zwei Tage vor seiner Ermordung zum Premierminister ernannt wurde, übernahm mit Unterstützung der USA und Europas die Führung. Aber auch Henry wollte zu lange an der Macht bleiben und ist nun gestürzt.

In diesem letzten Kapitel trat ein neuer Faktor auf den Plan: die wachsende Zahl krimineller Banden als Hauptakteure. Während Henry in Kenia über die Ankunft einer Militärmission verhandelte, entfesselte eine Allianz bewaffneter Gruppen eine heftige Welle der Gewalt: Sie blockierten den Flughafen, plünderten Häfen, griffen Polizeistationen an und schafften es, 3.696 Gefangene zu befreien. Außerdem forderten sie den Rücktritt Henrys und drohten mit einem Bürgerkrieg.

Das Weiße Haus erkannte, dass die Situation unhaltbar war. Wenige Stunden, nachdem Außenminister Anthony Blinken einen „dringenden Übergang” gefordert hatte, schickte Henry ein Video mit der Ankündigung seines Rücktritts aus Puerto Rico. Die Entscheidung, ihn fallen zu lassen, war bei einem Treffen in Jamaika mit führenden Vertretern der Karibischen Gemeinschaft (Caricom), Frankreichs, Kanadas und der Vereinten Nationen ausgearbeitet worden, bei dem auch die Bildung eines Übergangsrates vereinbart wurde.

Das Land ist praktisch gelähmt, mit Ausgangssperren, dem Abzug ausländischer Diplomaten, der Aussetzung von Flügen, der Schließung von Schulen und Krankenhäusern, belagerten Regierungsgebäuden und einem von Gewalt und Chaos geprägten Alltag.

Ein wahrhaft „gescheiterter Staat”, in dem seit 2016 keine Wahlen mehr stattgefunden haben, ohne Legislative, mit einer eingeschränkten Justiz, mit externen Akteuren, die den Kurs der Exekutive bestimmen, und mit Banden, die einen großen Teil des Landes beherrschen.

Ursachen für den Anstieg der Paramilitarismus

Die verallgemeinerte Sicht auf Haiti, die oft von rassistischen und karikaturhaften Vorurteilen geprägt ist, verstellt leicht den Blick auf die lange Tradition des Volkswiderstands. Im Jahr 2018 mobilisierte ein mächtiger Aufstand rund zwei Millionen Menschen – bei einer Bevölkerung von 11,5 Millionen – gegen die steigenden Kraftstoffpreise und andere vom IWF auferlegte Maßnahmen. Der Aufstand war eindeutig anti-neoliberal.

Die enorme soziale Unruhe konnte durch klassische Repression nicht eingedämmt werden, da die Polizeikräfte kaum 7.000 Mann stark waren und die Streitkräfte 1995 aufgelöst worden waren. Zudem war die letzte UN-Militärmission, die das Land zwischen 2004 und 2017 mit Truppen aus rund 20 Ländern besetzt hatte, gerade abgezogen. Die sogenannte Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in Haiti (Minustah) hatte eine Spur von Anschuldigungen über schwere Verbrechen hinterlassen, mindestens 2.000 Vergewaltigungen, und war sogar für die Einschleppung der Cholera verantwortlich, an der mehr als 30.000 Menschen starben.

„Die Banden gab es schon immer, aber nach diesem Mobilisierungszyklus begannen sie zu wachsen und sich zu vervielfältigen, da ehemalige Marinesoldaten, Milizionäre, Söldner und Waffen aus den USA eintrafen”, berichtet Henry Boisrolin, Koordinator des Haitianischen Demokratischen Komitees, gegenüber El Salto.

Einem Bericht des UN-Büros für Drogen- und Verbrechensbekämpfung aus dem Jahr 2023 zufolge stammen fast 80 Prozent der Waffen dieser bewaffneten Gruppen aus Florida.

Innerhalb von nur fünf Jahren hat sich Haiti von einer relativ niedrigen Kriminalitätsrate zu einem Zusammenschluss von Banden entwickelt, die über enorme finanzielle Mittel verfügen und bis an die Zähne bewaffnet sind. Die Zahl der Morde, Entführungen, Raubüberfälle und Vergewaltigungen steigt von Jahr zu Jahr: 2023 wurden 4.789 Tötungsdelikte registriert, 119 Prozent mehr als 2022.

Der von den Banden verbreitete Terror, die mindestens 60 Prozent des Stadtgebiets der Hauptstadt kontrollieren, führt zu einer ständigen Fluchtbewegung. Die Internationale Organisation für Migration (IOM) hat im letzten Jahr mindestens 362.000 Menschen registriert, die aus ihrer Heimat fliehen mussten; die Glücklichsten unter den Vertriebenen schaffen es, ins Ausland zu gehen, während die weniger Glücklichen in prekären Flüchtlingslagern untergebracht sind.

Boisrolins grundlegende Erklärung ist eindeutig: „Wir erleben ein geplantes Chaos, um den sozialen Protest und das Gefüge der Gemeinschaft zu zerschlagen. Die Bevölkerung leidet unter den Aktionen dieser Todesschwadronen, die Instrumente der haitianischen Elite und der internationalen Gemeinschaft, vor allem der USA, sind, um die Volksbewegung zu brechen, Terror zu säen und einen weiteren Aufstand zu verhindern.”

Das Modell der Paramilitarisierung, die Verlagerung der territorialen Kontrolle auf nichtstaatliche Machtfaktoren, ist nicht neu: In Lateinamerika hat es lange Vorläufer in Ländern wie Mexiko, El Salvador und Kolumbien, und heute breitet es sich schleichend in der gesamten Region aus, wobei das krasseste Beispiel Ecuador ist.

Die Besonderheit in Haiti besteht darin, dass es der Kontrolle seiner Schöpfer scheinbar entglitten ist. Hier taucht die umstrittene Figur von Jimmy Chérizier alias Barbecue auf, ein ehemaliger Polizist, der nun zum wichtigsten Sprecher der Bandenallianz geworden ist, den einige mit einer fast revolutionären Aura zu umhüllen versuchen und den andere als Söldner mit politischer Berufung bezeichnen. Auf jeden Fall, so Barbecue, werden sie „keine Übergangsregierung” anerkennen.

Die andere, entscheidende Besonderheit ist, dass das paramilitärische Phänomen in Haiti durch einen völlig zerrütteten und abhängigen Staat ergänzt wird. Nach den Worten von Boisrolin „ist diese Missregierung Ausdruck der Zersetzung des neokolonialen Systems”.

Intervention, Kapitel 1.000

Angesichts der wenigen Stimmen in der „internationalen Gemeinschaft”, die einen Ausweg unter Wahrung der haitianischen Souveränität fordern, und angesichts der Schwächung der Volksbewegung durch den Paramilitarismus bahnt sich eine neue koloniale Intervention an.

Die Regierung von US-Präsident Joe Biden will die Kontrolle über diese geostrategische Enklave im Karibischen Meer ‒ in der Nähe von Kuba und Venezuela ‒ behalten, aber die Durchführung der Operation auslagern, um nicht die politischen Kosten in Form einer eventuellen Ablehnung durch die haitianische Diaspora bei den Wahlen im November zu tragen.

Eine neue Intervention würde bedeuten, dass das gleiche Rezept, das immer wieder gescheitert ist, gewaltsam durchgesetzt wird, was nicht nur nicht die Lösung war, sondern das Problem selbst zu sein scheint.

Boisrolin schlussfolgert:

„Seit 30 Jahren werden Missionen entsandt, und sie haben die Dinge nur noch schlimmer gemacht. Sie haben vergewaltigt, sie haben massakriert, sie haben Wahlen manipuliert, sie haben uns die Cholera gebracht. Sie haben uns in ein unbewohnbares Land verwandelt. Deshalb glauben wir, dass der einzige Ausweg darin besteht, unsere Souveränität und unser Recht auf Selbstbestimmung wiederzuerlangen, das heißt, eine haitianische Antwort zu finden, die mit diesem neokolonialen System bricht.”

Wieder einmal werden die Worte von Eduardo Galeano lebendig, der Haiti als „ein Land, das durch die ewige Bestrafung seiner Würde auf den Müllhaufen geworfen wurde” bezeichnete.

Übersetzung: Vilma Guzmán, Amerika21.

Titelbild: In Haiti von einer Mehrheit nicht mehr erwünscht: “Missionen” der Vereinten Nationen – QUELLE: U.S. MARINE CORPS

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„Feministische Außenpolitik“ und Gaza: Laut UN-Angaben wurden mittlerweile 10.000 Frauen durch Israel getötet

21. April 2024 - 12:00

Laut aktuellen Angaben des Amts der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) wurden in den letzten 194 Tagen (Stand 17. April 2024) über 14.000 Kinder und 10.000 Frauen im Gazastreifen durch die israelische Armee getötet, das entspricht 70 Prozent aller Opfer. Vor diesem Hintergrund kam in der Bundespressekonferenz die Frage auf, was die Bundesregierung und insbesondere das Auswärtige Amt angesichts der proklamierten „feministischen Außenpolitik“ tun, um das Leben der palästinensischen Frauen und Kinder im Gazastreifen besser zu schützen. Von Florian Warweg.

Frage Towfigh Nia (freier Journalist, zuvor Al Jazeera)
Zu den besetzten Gebieten generell. Herr Wagner, die Vereinten Nationen haben heute mitgeteilt, dass bis jetzt mehr als 10.000 Frauen im Gazakrieg ums Leben gekommen sind. Die deutsche Bundesregierung, gerade Ihr Ministerium, verfolgt eine feministische Außenpolitik, die eigentlich dem Schutz der Frauen gewidmet ist. Jetzt sind mehr als 10.000 Frauen tot. Was tut die Bundesregierung, um das Leben der palästinensischen Frauen zu schützen?

Wagner (AA)
Vielen Dank für die Frage, Herr Towfigh Nia. Jeder Tote in Gaza ist natürlich einer zu viel. Wir haben in den letzten Wochen und Monaten immer wieder zum Ausdruck gebracht, dass uns die Lage in Gaza im Moment wahnsinnig stark beschäftigt. Sie haben wahrscheinlich zur Kenntnis genommen, dass die Außenministerin in diesen Stunden in Israel ist. Es darf jetzt natürlich nicht passieren, dass wir über die angespannte Lage im Nahen und Mittleren Osten, die uns in diesen Tagen nach dem Angriff Irans auf Israel am Wochenende so beschäftigt, die Lage in Gaza aus dem Blick verlieren. Das tun wir auch nicht. Die Außenministerin hat am Dienstag in einer Pressekonferenz mit ihrem jordanischen Amtskollegen sehr klar dargelegt, woran wir arbeiten. Das ist unter anderem zum Beispiel ein humanitärer Korridor von Jordanien aus nach Gaza. Wir setzen uns, das wissen Sie, sehr dafür ein, dass immer mehr humanitäre Hilfe nach Gaza hineinkommt.

Man muss aber auch unterstreichen: Es ist weiterhin so, dass über 100 Geiseln von der Hamas in Gaza festgehalten werden und dass weiterhin Terror von der Hamas gegen Israel ausgeht. Insofern ist die Lage eine dramatische, eine katastrophale. Wir arbeiten jeden Tag daran, zusammen mit unseren internationalen Partnern, zusammen mit unseren Partnern in der Region, dass die Gewalt dort endet.

Zusatzfrage Towfigh Nia
Meine Frage war ganz konkret: Was tut die Bundesregierung, um das Leben der palästinensischen Frauen zu schützen? Es sterben jeden Tag durchschnittlich 100 Menschen, unter ihnen Frauen und Kinder.

Wagner (AA)
Herr Towfigh Nia, ich habe jetzt relativ ausführlich ausgeführt, was wir tun.

Frage Warweg
Ich will auf die Frage des Kollegen zurückkommen. Wir haben die historisch vermutlich einmalige – korrigieren Sie mich – Situation, dass 70 Prozent der Opfer im Gazakrieg durch die Angriffe der israelischen Armee Frauen und Kinder sind. Die Zahlen wurden schon genannt, ungefähr 10.000 Frauen, 14. 000 Kinder. Da hat sich mir Ihre Antwort nicht ganz erschlossen: Was tut die Bundesregierung aktiv, um diese extrem hohe Zahl an getöteten Zivilisten zu verhindern oder zumindest einzudämmen?

Wagner (AA)
Ich kann Ihnen leider nicht helfen, wenn Sie meine sehr ausführlichen Ausführungen hier nicht verstanden haben. Aber ich kann noch einmal ausführen: Natürlich muss die Gewalt in Gaza enden. Das hat aber vor allen Dingen erst einmal die Hamas in der Hand. Die Hamas kann Geiseln freilassen, und die Hamas kann aufhören, Israel anzugreifen. Das bedeutet aber nicht, dass wir uns nicht zugleich gegenüber der israelischen Regierung dafür einsetzen, dass natürlich in allem, was sie tut, humanitäres Völkerrecht gelten muss, dass sie mehr dafür tun muss, dass es humanitären Zugang zu Gaza gibt, dass mehr humanitäre Hilfe nach Gaza hineinkommen muss, dass sie mehr dafür tun muss, bei den militärischen Operationen die Zivilbevölkerung zu schützen. Ich glaube, diese Position und Haltung ist sehr klar. Mir ist jetzt leider nicht ersichtlich, was Sie daran nicht verstehen.

Zusatzfrage Warweg
Dann noch eine weitere Verständnisfrage. Ich habe gerade nachgeguckt: Die aktuellen Zahlen von UN-OCHA geben 140 getötete Journalisten seit dem 7. Oktober 2023 im Gazastreifen an. Korrigieren Sie mich, vielleicht habe ich das verpasst, aber das ist ebenfalls eine extrem hohe und auch relativ einmalige Zahl an im Kriegsgeschehen getöteten Journalisten. Da würde mich nur interessieren: Wieso gab es da noch keine Verurteilung vonseiten der Bundesregierung?

Wagner (AA)
Ich glaube sicher, dass wir uns in der Bundespressekonferenz dazu schon eingelassen haben, aber da mag mich mein Gedächtnis trügen. Natürlich ist jeder tote Journalist einer zu viel. Es ist klare Haltung der Bundesregierung, dass gewährleistet sein muss, dass Journalistinnen und Journalisten ihrer Arbeit frei nachgehen können müssen.

Zusatzfrage Warweg
Das kommunizieren Sie dem israelischen Partner auch so?

Wagner (AA)
Ich habe eben sehr ausführlich dargestellt, dass wir in einem sehr engen Austausch mit Israel zu allen möglichen Aspekten dieser Krise, dieses Konflikts sind. Die Bundesaußenministerin ist heute zum siebten Mal seit dem 7. Oktober 2023 in Israel. Dieser Draht ist sehr kurz, und Sie können davon ausgehen, dass wir alle Aspekte, die wir für relevant halten, auch mit der israelischen Regierung thematisieren.

Titelbild: Screenshot NachDenkSeiten, Bundespressekonferenz 17. April 2024

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Hinweise der Woche

21. April 2024 - 9:00

Am Wochenende präsentieren wir Ihnen einen Überblick über die lesenswertesten Beiträge, die wir im Laufe der vergangenen Woche in unseren Hinweisen des Tages für Sie gesammelt haben. Nehmen Sie sich ruhig auch die Zeit, unsere werktägliche Auswahl der Hinweise des Tages anzuschauen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (AT)

Wir weisen darauf hin, dass die jeweiligen Anbieter für die Barrierefreiheit ihrer Angebote selbst verantwortlich sind und es durchaus sein kann, dass der Zugang von zunächst freien Inhalten nach einer Zeit beschränkt wird.

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Iran-Krieg nur knapp verhindert: “Israel sind seine Kriegsziele vollkommen entglitten”
  2. Erklärung zum Verbot des Palästina-Kongresses
  3. Erich Vad spricht von „Kriegshysterie militärischer Dilettanten in hohen Regierungsämtern“
  4. 1992-95: Was einstige Geheimakten über die fast vergessene Nato-Russland-Annäherung verraten
  5. Völkerrecht: Sittenregel für Gewalthaber
  6. Die Vereinigte Front gegen China
  7. Immer mehr Rentner holen Lebensmittel bei den Tafeln ab
  8. Warum ich das Selbstbestimmungsgesetz als Psychotherapeutin gänzlich ablehne!
  9. Fall Ott: Womöglich Staatsgeheimnisse auf übergebenen Handys
  10. Der Umbau braucht Demokratie – Demokratie braucht den Umbau!

Vorbemerkung: Ursprünglich hatten wir geplant, in unserer Wochenübersicht auch auf die lohnenswertesten redaktionellen Beiträge der NachDenkSeiten zu verweisen. Wir haben jedoch schnell festgestellt, dass eine dafür nötige Vorauswahl immer damit verbunden ist, Ihnen wichtige Beiträge vorzuenthalten. Daher möchten wir Ihnen raten, am Wochenende doch einfach die Zeit zu nutzen, um sich unsere Beiträge der letzten Wochen (noch einmal) anzuschauen. Vielleicht finden Sie dabei ja noch den einen oder anderen Artikel, den es sich zu lesen lohnt. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Iran-Krieg nur knapp verhindert: “Israel sind seine Kriegsziele vollkommen entglitten”
    ntv.de: Nach dem iranischen Drohnen- und Raketenangriff tagt in Jerusalem das israelische Kriegskabinett. Ein Angriff auf iranisches Territorium als Antwort ist nach Meldung der “New York Times” vom Tisch. War das zu erwarten?
    Stephan Stetter: Die Frage, ob Israels Reaktion iranisches Territorium treffen würde, war aus meiner Sicht offen. Fest stand, dass die USA alles tun würden, um das zu verhindern. Die Äußerungen aus dem Weißen Haus waren von Anfang an deutlich, es müsse eine harte diplomatische Antwort geben. Und dieses Adjektiv war wichtig: diplomatisch. Zugleich war es der erste direkte Angriff des Irans auf Israel – eine neue und auch gefährliche Situation.
    Gibt es dennoch Konflikte der Vergangenheit, die zum Vergleich taugen?
    1991 hat Saddam Hussein Israel mit Raketen angegriffen und anders als beim jetzigen Angriff, der offenbar nur geringen Schaden angerichtet hat, gab es damals Todesopfer sowie viele Zerstörungen im Kernland Israels. Die USA haben Israel auch damals davon abhalten können, direkt zu reagieren. Das Kalkül der israelischen Regierung kann gewesen sein, sich auch jetzt von Washington “überreden” zu lassen, dem Iran nicht in gleicher Weise zu antworten, gleichzeitig jedoch signalisieren zu können: “Unsere Abwehr steht”. Das hat Israel auch unter Beweis gestellt.
    Quelle: n-tv

    dazu auch: So einseitig und scheinheilig sind Baerbock, Macron und Medien
    Die Drohnen- und Raketenangriffe Irans gegen Israel hatten einen Anlass, so wie auch das Besetzen des Gazastreifens durch Israel.
    Wer das unfassbare Töten und Zerstören Israels im Gazastreifen als unverhältnismässig kritisiert, ohne gleichzeitig das Massaker der Hamas in Israel zu verurteilen, wird mit Recht als unglaubwürdig und einseitig hingestellt.
    Doch die gleichen Politiker und Medien haben über das Wochenende die Drohnenangriffe Irans gegen Israel kritisiert, ohne gleichzeitig die Bombardierung und Zerstörung der iranischen Botschaft in Damaskus zu verurteilen.
    Damit zeigten Aussenministerin Annalena Baerbock, Präsident Macron und andere westliche Exponenten sowie auch die meisten Medien, dass sie mit zwei Ellen messen.
    Quelle: Infosperber

    und: Netanjahu will Krieg gegen den Iran: Warum Biden ihn unbedingt daran hindern sollte
    Israel kündigt Vergeltungsschlag an. Damit droht Krieg gegen den Iran, der die USA hineinzieht. Es wäre ein fataler Fehler, wenn Washington das zulässt.
    Liest man die Meldungen und politischen Äußerungen in westlichen Medien nach dem iranischen Vergeltungsschlag gegen Israel am Wochenende – in Reaktion auf die Bombardierung des Konsulats Irans in Syrien durch Tel Aviv am 1. April –, könnte man den Eindruck erhalten, als ob Israels Verbündete in den USA und Europa Netanjahu in den Arm fallen.
    Doch das ist keineswegs so. Sie rufen zur Mäßigung auf, warnen, was sie im Fall des Gaza-Kriegs seit einem halben Jahr machen. Der Verlauf des Kriegs zeigt jedoch: Ermahnungen alleine bringen nichts.
    Quelle: Telepolis

  2. Erklärung zum Verbot des Palästina-Kongresses
    Der vom 12.-14.4. geplante Palästina-Kongress in Berlin unter dem Motto: „Wir klagen an“ wurde nach im Vorfeld bereits stattgefundenen massiven Diffamierungen aus Politik und Medien am Freitag nur kurze Zeit nach Beginn aufgelöst und verboten.
    Mehrere Menschen, darunter auch Personen jüdischer Herkunft, wurden verhaftet. Das Vorgehen von Politik und Polizei – obwohl es weder vor, noch während noch nach dem Kongress zu keinerlei strafbaren Äußerungen gekommen ist – darf nicht hingenommen werden.
    Quelle: Bundesausschuss Friedensratschlag

    dazu: Die halbierte Staatsräson
    Der Eifer gegen pro-palästinensische Stimmen geht zu weit. Dieser autoritäre Kurs ist auch für andere gefährlich.
    Der Schutz jüdischen Lebens gehört in Deutschland zur Staatsräson. Aber gilt dieser Schutz auch für Jüdinnen und Juden, die der israelischen Politik gegenüber kritischer eingestellt sind, als es die Bundesregierung ist? Daran sind Zweifel angebracht. Die Ausladung der Philosophin Nancy Fraeser, der Umgang mit Masha Gessen und Judith Butler und die Auflösung eines „Palästina-Kongresses“, der unter anderem von einer kleinen jüdischen Gruppe organisiert wurde – all das zeigt, was die Sonntagsreden über den Schutz jüdischen Lebens in Deutschland wert sind, wenn es um den Schulterschluss mit Israel und dessen in Teilen rechtsextremer Regierung geht: die andere Seite der Staatsräson.
    Quelle: taz

    dazu auch: „Palästina-Kongress“ in Berlin: Weiter Wirbel um Varoufakis
    Wer hat das Einreiseverbot gegen den griechischen Ex-Minister verfügt? Die Behörden stiften Verwirrung. Linke und Amnesty fordern Aufklärung.
    Das Einreiseverbot gegen den ehemaligen griechischen Finanzminister Yanis Varoufakis war auf die Zeit vom 10. bis zum 14. April 2024 beschränkt – den Zeitraum des „Palästina-Kongresses“ in Berlin, der von der Polizei abgebrochen wurde. Wäre Varoufakis, derzeit Generalsekretär der von ihm mitgegründeten europäischen Bewegung Democracy in Europe Movement 2025 (Diem25), dazu nach Deutschland gereist, wäre er vermutlich an der Grenze zurückgewiesen worden. Das geht aus einem Mailverkehr zwischen dem Anwalt des griechischen Politikers und der deutschen Bundespolizei hervor, über den die Frankfurter Rundschau (FR) heute berichtet.
    Unklar ist immer noch, wer genau das Einreiseverbot verhängt hat – und warum.
    Quelle 1: taz
    Quelle 2: FR Online

    und: Einreiseverbot für Yanis Varoufakis: Das Land driftet einer neuen McCarthy-Ära entgegen
    Der deutsche Staat greift wegen des Palästina-Kongresses zum Einreiseverbot – unter anderem gegen Yanis Varoufakis – und bemüht dafür Paragrafen, die einer beliebigen Auslegung sperrangelweit offen stehen
    In Deutschland kommt das Verhängen von Einreiseverboten gerade in Mode. Im März traf es den Führer der Identitären Bewegung Österreichs, den Rechtsextremisten Martin Sellner. Wegen eines Vortrags bei einem Treffen von Gleichgesinnten in einer Potsdamer Villa im November 2023 sprach die Ausländerbehörde der Stadt ein bundesweites, auf drei Jahre befristetes Einreiseverbot gegen ihn aus. Jetzt im April traf es einige Redner des von der Polizei aufgelösten Berliner Palästina-Kongresses, unter anderem den linken griechischen Ex-Finanzminister Yanis Varoufakis. Die Behörden fürchteten, er könne auf dem Kongress „antisemitische und israelfeindliche Propaganda“ betreiben.
    In beiden Fällen stützte sich das Einreiseverbot auf Paragraf 6 des EU-Freizügigkeitsgesetzes, in dem es heißt, die Behörden der Mitgliedsstaaten könnten solche Maßnahmen bei einer absehbaren „Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ ergreifen. Nun sind Begriffe wie „öffentliche Sicherheit“ und „öffentliche Ordnung“ äußerst dehnbar.
    Quelle: Wolfgang Michal in der Freitag

  3. Erich Vad spricht von „Kriegshysterie militärischer Dilettanten in hohen Regierungsämtern“
    Der frühere Bundeswehrgeneral Erich Vad kritisiert die Bundesregierung für ihren Ukraine-Kurs. In einer Rede in der Leipziger Nikolaikirche warnt er vor der Gefahr eines Dritten Weltkriegs. […]
    Vad spricht in der Kirche von der Veränderung des gesellschaftlichen Klimas. Er selbst habe „persönlich gemeinte Angriffe, Unterstellungen, Häme, sogar Verachtung“ erfahren. „Für mich überraschend änderte sich der gewohnte, konstruktiv-streitbare Diskurs in unserem Lande“, sagt er. Es habe sich ein Wandel vollzogen, zu einem „beinahe einstimmigen Mainstream“. Oft würden unbedachte Äußerungen getätigt, die in „militaristischer Kriegsrhetorik“ mündeten.
    Und nicht nur Vad hat es schwer, mit seiner Friedensposition durchzudringen. Auch die Initiatoren des Leipziger Friedensgebets haben es nicht leicht, sich Gehör zu verschaffen. Die lokalen Medien hätten es abgelehnt, über die Veranstaltung zu berichten, teilen die Veranstalter der „Initiative Friedenswende 2023“ mit, die Vad eingeladen haben. Journalisten-Kollegen sind in der Nikolaikirche nicht zu sehen.
    Doch der Wind dreht sich. Die viel beschworene Kriegsbegeisterung in der Bevölkerung will sich nicht einstellen.
    Quelle: Berliner Zeitung

    dazu: Frieden in der Ukraine: Hätten die Istanbul-Verhandlungen den Krieg beenden können?
    Ein amerikanisches Politmagazin rekonstruiert die Istanbul-Treffen nur wenige Wochen nach Kriegsbeginn. Warum scheiterten die Gespräche zwischen Moskau und Kiew? […]
    Das New Yorker Politmagazin Foreign Affairs versuchte nun die gescheiterten Verhandlungen zwischen Kiew und Moskau in einem langen Artikel zu rekonstruieren: Die Autoren untersuchten Vertragsentwürfe, sprachen mit Verhandlungsmitgliedern beider Seiten und analysierten zahlreiche öffentlich zugängliche Interviews. Der Text kommt zu dem Schluss: Einem Frieden Ende April 2022 war man näher, als viele denken wollen.
    Quelle 1: Berliner Zeitung
    Quelle 2: Foreign Affairs

    dazu auch: Insider verraten: Ukraine ließ Deal mit Russland wohl in letzter Sekunde platzen
    In letzter Sekunde hat die Ukraine Insidern zufolge einen Deal mit Russland platzen lassen, bei dem der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan wohl als Vermittler fungiert hat. Das berichteten vier mit der Angelegenheit vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters. Gegenstand soll ein Abkommen über die Sicherheit der Handelsschifffahrt im Schwarzen Meer gewesen sein. Im Vorfeld sei zwei Monate lang darüber verhandelt worden.
    Quelle: FR Online

  4. 1992-95: Was einstige Geheimakten über die fast vergessene Nato-Russland-Annäherung verraten
    Zum 75. Jahrestag der Nato-Gründung veröffentlichte das National Security Archive der George Washington Universität einige bislang geheime Akten, die offenbaren, wie vielversprechend sich Anfang der 1990er-Jahre das Verhältnis zwischen Nato und Russland gestaltet hat. (…)
    Kurz nachdem am 8. Dezember 1991 die Ukraine, Belarus und Russland in Absprache gemeinsam ihre jeweilige Unabhängigkeit erklärt hatten, trat Michail Gorbatschow zurück und löste sich die einstige Weltmacht Sowjetunion auf. Die beiden Präsidenten Bill Clinton und Boris Jelzin verband schnell eine Freundschaft und sie wurden oft nur “Bill und Boris” genannt.
    Vieles ist über die Annäherung zwischen Nato und Russland in diesen Jahren bekannt, doch die Veröffentlichung von vier neuen Dokumenten zeigt weitere Facetten dieser positiven Entwicklung, die angesichts der aktuellen Lage mehr denn je die Frage aufwerfen, warum es nicht gelungen ist die einmalige Chance des Endes des Kalten Krieges zu nutzen und eine dauerhaftere Kooperation und Partnerschaft zu etablieren
    Quelle: Telepolis
  5. Völkerrecht: Sittenregel für Gewalthaber
    Das Völkerrecht erscheint im Angesicht einer Welt, in der Nationen erbarmungslos um Macht und Reichtum konkurrieren, als schlechter Witz: Bei der Verfolgung ihrer einander ausschließenden Interessen sollen die Nationen möglichst auf den Einsatz von Waffen verzichten.
    Sonst ist alles erlaubt und gilt als “friedlich” – also die Ausbeutung von Ressourcen und Menschen, die Verarmung der Mehrheit auf dem Globus, Hunger- und Umweltkatastrophen. Um diesen “friedlichen” Zustand allerdings zu erhalten, ist eine Menge Gewalt vonnöten – damit sich die Verlierer der Konkurrenz in der Staatenwelt das alles gefallen lassen.
    Vor allem aber wird die Gewalt von den Gewinnern gebraucht: Denn die streiten ja untereinander unablässig gerade darum, wer die meisten Pfründen aus der Benutzung der Staaten der zweiten bis letzten Reihe bezieht. Derzeit also die USA, in deren Schlepptau die EU mit Deutschland sowie China und Russland.
    Quelle: Telepolis
  6. Die Vereinigte Front gegen China
    Die Bundeswehr weitet ihr „Indo-Pacific Deployment“ aus und entsendet dieses Jahr fast drei Dutzend Militärflugzeuge sowie zwei Kriegsschiffe zu Kriegsübungen in die Asien-Pazifik-Region. Demnach sind unter anderem Beteiligungen an einem Großmanöver der USA nahe Hawaii, an einem Luftwaffenmanöver in Australien, an weiteren Militärtrainings etwa in Japan sowie an der US-geführten Überwachung von Embargomaßnahmen gegen Nordkorea geplant. Bislang hatte Berlin nur Einheiten jeweils einer Teilstreitkraft in die Asien-Pazifik-Region geschickt – die Fregatte Bayern 2021/22, ein Geschwader der Luftwaffe 2022 und Truppen des Heeres 2023. Wie der Inspekteur der Luftwaffe, Generalleutnant Ingo Gerhartz, bestätigt, soll die Ausweitung des „Indo-Pacific Deployment“ bestätigen, dass Berlin sich parallel zum militärischen Aufmarsch gegen Russland auch an den Militäraktivitäten gegen China beteiligen will. Zugleich sind die USA dabei, ihre Militärbündnisse in Ostasien zu festigen und vor allem die erste Inselkette unter Kontrolle zu nehmen, der Strategen spezielle Bedeutung im Kampf gegen die Volksrepublik beimessen. US-Medien sprechen von einer „vereinigten Front gegen China“.
    Quelle: German Foreign Policy
  7. Immer mehr Rentner holen Lebensmittel bei den Tafeln ab
    Immer mehr ältere Menschen sind auf Lebensmittelspenden angewiesen. Nach Informationen der Tafel Deutschland sind mittlerweile ein Viertel der Personen, die kommen, im Rentenalter. Sie bezögen geringe Renten oder Grundsicherung, sagte der Vorsitzende der Tafel, Steppuhn, der “Neuen Osnabrücker Zeitung” (Externer Link, möglicherweise Bezahl-Inhalt). Diese Entwicklung sei zwar schon in den vergangenen Jahren zu beobachten gewesen, seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine habe sie sich aber noch einmal verschärft. (…)
    Etwa jede dritte Tafel in Deutschland registrierte den Angaben zufolge noch einmal mehr Rentner unter den Kunden. “Der Gang zur Tafel ist für viele eine Möglichkeit, Kosten zu sparen und überhaupt durch den Monat zu kommen”, so Steppuhn.
    Quelle: BR24

    dazu auch: Sozialpolitische Schieflage: Wie Heils Rentenpaket Gutverdiener begünstigt
    Senioren mit 2500 Euro Rente heute winkt ein Plus von 233 Euro im Jahr 2040. Bezieher kleiner Renten dürfen nur auf 93 Euro hoffen. Das zeigen Berechnungen der F.A.Z. auf Basis des Gesetzentwurfs von Sozialminister Heil.
    Wer 45 Jahre lang immer zum Durchschnittslohn gearbeitet hat, gilt als sogenannter Standardrentner. Und wer damit dieses Jahr den Ruhestand erreicht, kann dann mit 1751 Euro Monatsrente rechnen. So weist es der jüngste Rentenversicherungsbericht der Regierung aus. Und er zeigt noch mehr: In den kommenden zehn Jahren werden die monatlichen Bezüge dieses Standardrentners unter plausiblen Annahmen auf 2305 Euro steigen – durch jährliche Rentenerhöhungen in einem Gesamtumfang von 32 Prozent. Bleibt die jährliche Inflationsrate bis dahin im Durch­schnitt etwas unter 3 Prozent, wäre das auch preisbereinigt ein Plus.
    Quelle: FAZ

    und: FDP wirbt für Renteneintritt weit nach 67
    FDP-Fraktionschef Dürr will die Deutschen länger arbeiten lassen – bis zum 72. Lebensjahr, wenn man kann und will. Derweil wirft der liberale Generalsekretär Djir-Sarai den Grünen »Wohlstandsvernichtung« vor. […]
    Konkret brachte Dürr eine Ausweitung des flexiblen Rentenbeginns bis auf 72 Jahre ins Gespräch. »Warum sollte ich jemandem verbieten, mit 70 oder 72 zu arbeiten? Das wäre ja geradezu verrückt«, sagte Dürr zur »Bild«-Zeitung. Es gebe viele Menschen, die sagen: »Ich habe einen tollen Job oder finde eine neue Aufgabe, zu der ich Lust habe«, sagte Dürr. »Warum stelle ich solche Leute aufs Abstellgleis? Das ist geradezu altersdiskriminierend.«
    Quelle: DER SPIEGEL

  8. Warum ich das Selbstbestimmungsgesetz als Psychotherapeutin gänzlich ablehne!
    In den 12 Jahren, in denen ich meine Praxis betreibe, habe ich ca. 900 PatientInnen psychotherapeutisch begleitet. Darunter waren 4 Transsexuelle, die meine Praxis aufgesucht haben. Diese Zahl entspricht ungefähr dem Prozentsatz der Transsexuellen in der Bevölkerung, die unter 1% liegt. Mit dem Selbstbestimmungsgesetz werden nun 99,5% der Bevölkerung in vielen Bereichen ihres Lebens den Trans-Forderungen aufoktroyiert.
    Obwohl es bis jetzt Gutachterverfahren gab, bevor operative Eingriffe unternommen werden durften, war die Transsexualität bei meinen 4 KlientInnen entweder falsch diagnostiziert oder ambivalent und chirurgische Interventionen erzeugten keine Verbesserung in ihrem Wohlbefinden.
    Quelle: Trauma and prostitution
  9. Fall Ott: Womöglich Staatsgeheimnisse auf übergebenen Handys
    Der mittlerweile flüchtige Martin Weiss soll bei der Münchner Staatsanwaltschaft ausgesagt haben – ohne das Wissen Österreichs. Zadić gibt sich offen für die Überwachung von Messengerdiensten ohne Bundestrojaner.
    Auf den Diensthandys von drei Kabinettsmitarbeitern des ehemaligen Innenministers Wolfgang Sobotka (ÖVP), die der unter Spionage-Verdacht geratene Ex-Verfassungsschützer Egisto Ott dem russischen Geheimdienst übergeben haben soll, befanden sich „heikle Daten und Informationen“. Das gab einer der Betroffenen an, wie aus einem Protokoll der „AG Fama“ des Bundeskriminalamt hervorgeht, das der APA vorliegt. Die Daten könnten „möglicherweise auch Staatsgeheimnisse beinhalten“, sagte der Betroffene.
    Quelle: Die Presse

    dazu: Es ist schon krasses deutsches Medienversagen wie vor dem Wirecard-Skandal.
    Es ist schon krasses deutsches Medienversagen wie vor dem Wirecard-Skandal. Vor wenigen Tagen noch eine Marsalek Story nach der Anderen in der deutschen Presse. Aber sobald österreichische Ermittler der Münchener Staatsanwaltschaft Absprachen mit Marsalek und dessen Fluchthelfer vorwerfen und den BND in den Fokus nehmen, eisernes Schweigen. Auch bei Politikern der Ampel. Dann gibt es in Redaktionsstuben vielleicht keine hübschen Informationen von den Diensten mehr, die gleichzeitig immer den Spin setzen dürfen sie hätten nichts gewusst und dann nach mehr Überwachungskompetenzen rufen. Das ist wirklich auffällig!
    Quelle: Fabio De Masi via Twitter/X

  10. Der Umbau braucht Demokratie – Demokratie braucht den Umbau!
    Die aktuellen Krisen stellen auch die Demokratie vor Herausforderungen. Gesellschaftliche Ungleichheit, Zugangsbeschränkungen zu formeller Mitbestimmung und Machtverschiebungen von den Beschäftigten hin zu Unternehmen erschweren echte demokratische Teilhabe. Gerade die unteren Einkommensgruppen fühlen sich zunehmend von Entscheidungen ausgeschlossen. Dabei sollte eigentlich gelten: Was alle betrifft, sollte von allen entschieden werden.
    Dass die Demokratie gegenwärtig hinter diesen Anspruch zurückfällt, lässt sich besonders deutlich an der Klimakrise beobachten. Die Klimakrise wirkt sich am stärksten auf jene Menschen aus, die weder besonders zu ihrer Verursachung beigetragen haben, noch bei klimapolitischen Maßnahmen mitentscheiden können.
    Quelle: AK Umwelt
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Termine und Veranstaltungen der Gesprächskreise

20. April 2024 - 16:00

An jedem Samstag informieren wir Sie über die Termine für Veranstaltungen von Gesprächskreisen der NachDenkSeiten. Heute liegen Informationen für Termine in Pfaffenhofen, Berlin, Karlsruhe, Hamburg und Limburg an der Lahn vor. Wenn Sie auch in der weiteren Zeit auf dem Laufenden bleiben wollen, dann schauen Sie hier. Da werden mögliche neue Termine ergänzt. Außerdem bitten wir hiermit auch auf diesem Wege die Verantwortlichen in den Gesprächskreisen, uns rechtzeitig Termine zu melden. 

NachDenkSeiten-Gesprächskreis Pfaffenhofen (Freundschaft mit Valjevo e.V.)

Am Samstag, 20. April 2024, um 19:00 Uhr
Thema: Gerechtigkeit für Palästina. Dürfen wir zu Gaza schweigen?
Redner/Diskussionspartner: Peter Vonnahme, Richter am Bayerischen Verwaltungsgerichtshof i.R.

Ort: Hofbergsaal
Hofberg 7
85276 Pfaffenhofen an der Ilm

Veranstalter: Freundschaft mit Valjevo e.V.
Eintritt: 6 EUR

Voranmeldung möglich telefonisch: 0171-3374658 oder per E-Mail: Bernd@Freundschaft-mit-Valjevo.de

NachDenkSeiten-Gesprächskreis Berlin | nachdenken-in-berlin.de

Am Mittwoch, 24. April 2024, um 19:00 Uhr
Thema: „… und Friede auf Erden“
Redner/Diskussionspartner: Bengt Kiene (Kabarettist)

Ort: Sprechsaal
Marienstr. 26
10117 Berlin

Zur Webseite der Veranstaltung

Ein Abend mit Gedichten, Texten und Musik mit Bengt Kiene

Zu allen Zeiten der große Menschheitstraum: Frieden.
Eine Annäherung. Mit Gedichten von Kästner bis Erich Fried.
Die großen Religionen kommen zu Wort, nordamerikanische Indianer, eine alleinerziehende Mutter und Jesus. Tucholsky (natürlich), angereichert durch Weisheiten von Karl Kraus, Brecht und Konfuzius.
Einfache Menschen sind dabei, Politiker nicht. Dafür Bob Dylan und Marlene.

NachDenkSeiten-Gesprächskreis Karlsruhe

Am Dienstag, 30. April 2024, um 19:00 Uhr
Thema: Ralph Suikat spricht zum Thema Steuern
Redner/Diskussionspartner: Ralph Suikat

Ort: Brauereigaststätte „Kühler Krug”
Wilhelm-Baur-Str. 3 a
Karlsruhe

Wir sprechen in der EU über Waffenlieferungen, Völkermord, Nuklearkrieg und ähnliche Themen. Lassen wir uns dadurch von eigenen brennenden Themen ablenken?
Die aktuelle weltweite und europäische Krise eignet sich bestens, um scheinbar untergeordnete Themen in Deutschland dahinter zu verstecken. Diese sind u.a. Soziales, Bildung, Wohnungsbau, Mieten, Altersarmut, auseinanderklaffende Gesellschaftsschichten und vieles mehr. Dieses Jahr finden in Deutschland einige Wahlen statt, darunter die „Europawahl” und Wahlen in einzelnen Bundesländern.

Eines von diesen „unscheinbaren Themen” ist eine gerechte Steuergestaltung, -erhebung und -verteilung. Auch das Vererben von großen Vermögen und die damit verbundene Erbschaftssteuer gehören dazu. Große Vermögen können nahezu steuerfrei vererbt werden. Dadurch entsteht immer mehr Reichtum bei immer weniger Menschen. Entsteht durch diese kleine Gruppe eine politische Macht? Ist damit die Demokratie in Gefahr? Können diese „unscheinbaren Mechanismen”, die im Verborgenen wirken, einen sozialen Unfrieden bis hin zum Krieg begünstigen?

Zum genannten Thema konnten wir den Schatzmeister des BSW (Bündnis Sarah Wagenknecht – für Vernunft und Gerechtigkeit) Ralph Suikat gewinnen. Ralph Suikat wird über dieses Thema sprechen und Hintergründe erklären. Im Anschluss wird er für Fragen zur Verfügung stehen.

Aufgrund begrenzter Plätze bitten wir um Anmeldung bis 15. April 2024 unter ugreiffen@gmail.com. Der Eingang der Anmeldung entscheidet über die Teilnahme. Wir bitten die Bestätigung der Anmeldung bei Ankunft vorzuzeigen.

Der Eintritt ist frei. Solidarspenden zur Kostendeckung sind erwünscht.

NachDenkSeiten-Gesprächskreis Berlin | nachdenken-in-berlin.de

Am Dienstag, 30. April 2024, um 18:30 Uhr
Thema: „Der stille Putsch der WHO“
Redner/Diskussionspartner: Marianne Grimmenstein (Bürger- und Menschenrechtsaktivistin, Gründerin der Bürgerinitiative Gemeinwohl-Lobby)

Ort: Zunftwirtschaft
Arminiusstr. 2-4
10551 Berlin
(U-Bhf. Turmstraße)

Anmeldung bitte unter nachdenken-in-berlin.de/veranstaltungen/anmeldung-who

Auf der Weltgesundheitsversammlung Ende Mai will die Weltgesundheitsorganisation (WHO) neue Gesundheitsvorschriften (IHR) und einen Pandemievertrag verabschieden. Damit würde der WHO eine gefährliche Machtfülle übertragen. Im Falle einer vom WHO-Generaldirektor in eigener Entscheidung ausgerufenen Pandemie würde die Entscheidungsfreiheit der Nationalstaaten massiv eingeschränkt. Nutznießer wären globale Konzerne, welche die WHO dominieren.
Die aktuellen Machtambitionen der WHO sind bereits in ihren historischen Wurzeln und in ihrer Verfassung angelegt. Dies wird von der Finanzwelt ausgenutzt, um global die Macht zu übernehmen. Dies zeigt sich unter anderem in den kriminellen Praktiken der Pharmaindustrie. Um dies zu erreichen, werden geeignete Ideologien propagiert, um alle bisher geltenden demokratischen Rechte, Gesetze und Sicherheitsvorschriften auszuhebeln.

Die Teilnahme ist kostenfrei.
Die Zunftwirtschaft freut sich, wenn wir ein bisschen Durst (und Hunger?) mitbringen.

NachDenkSeiten-Gesprächskreis Hamburg | nachdenken-in-hamburg.de

Am Donnerstag, 2. Mai 2024, um 19:00 Uhr
Thema: „Wie Europa seine Zukunft verspielt“ – Lesung aus dem Buch „Das Zeitalter der Idiotie“
Redner/Diskussionspartner: Ramon Schack, Autor und Journalist

Ort: Rudolf-Steiner-Haus
Mittelweg 11-12
Hamburg

Zur Webseite der Veranstaltung

Eintritt frei. Zur Kostendeckung wird um ein Beitrag für die Hutkasse gebeten.
Anmeldung erwünscht unter: lets-meet.org/reg/527bae290bb52d09ec

„Zurück in die Zukunft schauen”, mit diesem Wortspiel um die Bedeutung der Geschichte wissen wir umzugehen. Im Vorfeld der Europawahl wird uns erst noch deutlich werden müssen, dass die Zukunft Europas sich keineswegs allein in Straßburg oder Brüssel entscheidet. Der weltgereiste Journalist Ramon Schack beschreibt mit seinem Buch „Das Zeitalter der Idiotie – Wie Europa seine Zukunft verspielt“ sachkundig viele vernachlässigte geopolitische Zusammenhänge, welche die Zukunft Europas mitbestimmen. Mit dieser Veranstaltung wagen wir so einen „Blick in die Welt auf Europa”.

NachDenkSeiten-Gesprächskreis Diez – Limburg – Bad Camberg

Am Freitag, 24. Mai 2024, um 19:00 Uhr
Thema: „Erkranken schadet Ihrer Gesundheit – Eine gesundheitspolitische Tragödie“ – Lesung und Diskussion
Redner/Diskussionspartner: Dr. Bernd Hontschik (Chirurg und Bestsellerautor)

Ort: Restaurant „Zur Turnhalle“
65549 Limburg an der Lahn
Ste.-Foy-Str. 16
(Veranstaltungsraum nur über eine Treppe erreichbar)

„Ökonomen haben das Kommando übernommen und die Medizin an den Rand gedrängt. Sie ist nur noch Mittel zum Zweck. Das Sozialsystem Gesundheitswesen verkommt zur Gesundheitswirtschaft. Dividenden werden aus den Krankenkassenbeiträgen der Solidargemeinschaft entwendet. Dieser Diebstahl am Gemeineigentum muss aufhören.“ (Zitat Dr. Bernd Hontschik)

Zum Referenten: Dr. med. Bernd Hontschik war bis 1991 Oberarzt an der Chirurgischen Klinik des Städtischen Krankenhauses Frankfurt-Höchst und bis 2015 in eigener chirurgischer Praxis tätig. Bis heute engagiert er sich für eine am Menschen orientierte Gesundheitspolitik, die nicht gewinnoptimiert, sondern an einem ganzheitlich geprägten Menschenbild ausgerichtet ist. Schließlich sieht er deutliche Zeichen, dass machtpolitische Interessen die Gesundheitspolitik prägen.

Dr. Hontschik wird an diesem Abend aus seinen Büchern lesen (aus dem Bestseller „Körper, Seele, Mensch“, „Erkranken schadet ihrer Gesundheit“ und „Heile und Herrsche – eine gesundheitspolitische Tragödie“) und für Fragen und Diskussion zur Verfügung stehen.

Der Eintritt ist frei, Spenden sind willkommen.

Die Veranstaltung des NachDenkSeiten-Gesprächskreises wird unterstützt von aufstehen Diez-Limburg, der Jenny Marx Gesellschaft und dem Deutschen Freidenkerverband.

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„Abgesang auf die alte Zeit“ – der Berliner Chansonsänger Boris Steinberg im Gespräch

20. April 2024 - 15:00

Chanson wird ohne G geschrieben. Boris Steinberg präsentiert ganz bewusst seine „ChanGsonGs“ nur noch „ohne Gs“ – eine Folge dessen, was er in der Corona-Zeit erlebt hat. Das ist auch auf seiner neuen CD „Peep-O-Rama“ zu hören. Er tritt jetzt mit den neuen Liedern auf Kleinbühnen in Berlin und anderswo auf. Im Interview wirft er einen kritischen Blick auf Kunst und Kultur in der Corona-Krise, erzählt, warum er nach vier Jahren neue Lieder gemacht hat, was ihn dabei bewegt hat. Er schildert, welche Lehren er aus der Corona-Krise zieht. Das Interview mit Boris Steinberg führte Éva Péli.

Éva Péli: Herr Steinberg, Sie haben nach einer längeren künstlerischen Pause ein neues Album mit dem Titel „Peep-O-Rama“ gemacht. Was bedeutet dieser Ausdruck, und warum haben Sie sich dafür entschieden?

Boris Steinberg: Mein letztes CD-Baby erschien 2015. Sie entstand in einer Zeit, in der ich nur noch so etwas wie „Unterhaltung“ bot. Als Kleinkünstler unterwegs zu sein, ist oftmals kein Zuckerschlecken, und so landete ich in dieser Zeit aus Not bei einer Agentur, die Galaauftritte vermittelte. Ich trat bei Galas auf, was sich wie Tod anfühlte … Rasch stieg ich aus diesem Zug aus.

„Peep-O-Rama“ steht für jene arroganten, übergriffigen Kräfte, die wir gerade weltweit miterleben. Der große Umbau, oder sagen wir Wandel unserer Welt geht einher mit Schamlosigkeit, Verdrehungen, Ausgrenzungen, Lügen und Machenschaften. Die Peepshow dieser Tage hat zudem kaum noch etwas mit Erotik zu tun. Sie ist der Abgesang auf die alte Zeit.

Wie ist diese CD entstanden? Was ist der Hintergrund dazu?

Der Zustand, in dem sich unsere Welt und somit unsere Gesellschaft befindet, war der Auslöser, „Peep-O-Rama“ aufzunehmen. Diese CD ist sozusagen der Soundtrack meiner letzten vier Jahre.

Kunst lebt vom Austausch mit dem Publikum. Das war wegen der Corona-Maßnahmen fast drei Jahre lang nicht möglich. Wie war das für Sie? Auch nach der offiziellen Beendigung der Pandemie wurden Veranstaltungen von Künstlern, die sich kritisch geäußert hatten, oftmals abgelehnt. Haben Sie das auch erlebt? Und wenn ja, wie?

Genau ab da, mit der Einführung dieser ätzenden G-Regeln, begann mein neuer künstlerischer Weg. Die durchweg ausgrenzende bis feindselige Stimmung überall war und ist wohl das Schädlichste, was ich an Mobbing jemals erlebt habe. Und ich könnte von so vielen Mobbingvorfällen berichten, die mir widerfahren sind. Ich denke, jede Person, die Fragen stellte und skeptisch war, hat Ausgrenzung erlebt, da bin ich kein Einzelfall. Die Einschränkungen waren auch für Clubs, DJs, Schausteller und andere eine Katastrophe. Viele landeten bei Supermärkten an den Kassen.

Ich hätte niemals gedacht, dass so etwas in diesem Land möglich ist – von allerhöchster Ebene ausgehend. Immer noch unfassbar das Ganze … Und es ist ja noch nicht vorbei. Ich bin sehr gespannt darauf, ob und wie diese RKI-Protokolle nun aufgearbeitet werden.

Wie haben Sie diese Zeit persönlich erlebt? Die Ängste, die Einschränkungen, die Spaltung der Gesellschaft, die Masken, die Tests, Abstandsregeln und so weiter. Wie sind Sie damit umgegangen?

Oh ja, der große Maskenball … viele Eltern tanzten ganz vehement bis zum Schluss mit, agierten wie jene Eltern aus dem Märchen von Hänsel und Gretel von den Gebrüdern Grimm. Haben wir deren Märchen vergessen? Den vergifteten Apfel, in den das naive Schneewittchen beißt, der Lockdown-Turm von Rapunzel und viele andere?

Ereignisse und Erlebtes flossen in meine neuen Chansons ein. Die G-Regelungen habe ich abgelehnt, und so trat ich nicht auf. Ein „Masked Singer“ bin ich nicht geworden, obwohl ich diesem Maulkorb auch nicht durchweg entgehen konnte – das war ja auch nahezu unmöglich, wenn man im öffentlichen Leben zu tun hatte.

Und nun, im April 2024, wo diese unsäglichen Maßnahmen von den Mainstream-Medien endlich aus dem Off übernommen und für alle aufgedeckt werden, erwartete ich einen großen Entsetzensschrei wegen der geschwärzten RKI-Protokolle. Hören Sie ihn? Ich höre ihn nicht. Oder noch nicht? Für viele ist dieses Thema ganz einfach abgehakt und vorbei. Aber es ist nicht vorbei.

Welche Auswirkungen hatten die Corona-Maßnahmen aus Ihrer Sicht auf die Kunst, auf die Kultur?

Mir wurde für meinen künstlerischen Weg sehr schnell bewusst: Du musst zu deinen Wurzeln zurückkehren. Erinnere dich, wie du einst als Chansonsänger begonnen hast. So singe ich nun wieder öfter ohne Mikro, wenn es die Räumlichkeit zulässt, meine Band sitzt zudem in meinem Ghettoblaster. Ich bin nun noch näher am Publikum als früher, und das Publikum ist noch näher an mich herangerückt … wunderbar …

Und was für „scharfe“ neue Bühnen entstanden sind … alles wie zu Beginn meiner Laufbahn, damals im wilden neuen Berlin der 90er. Da spielten wir auch auf Bühnen, die eigentlich keine waren. Ich würde sagen, es ging in den letzten vier Jahren auf den nicht subventionierten Bühnen wieder mehr um die Kunst, und es fand sich rasch ein interessiertes Publikum. Doch das kann ich erst jetzt im Rückblick so sehen und auswerten. Eine harte Zeit war das, mit negativen Auswirkungen für so viele Kleinkunstbühnen und Theater. Nicht wenige mussten aufgeben.

Worin sehen Sie die Aufgabe der Kunst in dieser Zeit?

Die unvergessliche Nina Simone sagte einst sinngemäß: Jeder Künstler hat die Verpflichtung, sich dem Geschehen und Ereignissen der Zeit zu widmen – egal, um welche Kunstform es sich handelt. Wozu ist man sonst Künstlerin oder Künstler? Und ich folgte Ninas Aussage.

Es wird von Menschen vor einem Publikum erwartet, dass sie sich positionieren. Doch seit der Corona-Zeit, so auch im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg, droht Künstlern Zensur, wenn sie nicht regierungskonform Haltung zeigen. Wie gehen Sie damit um?

Wissen Sie, ich arbeite in meinen Chansons mit Poesie, mit Gefühlen, auf einem hohen emotionalen Niveau. Ich möchte auf diesem Weg berühren; aber eben so, dass das Publikum auch noch seinen eigenen Bildern, Erfahrungen und Emotionen folgen kann – in diesen eiskalten, unempathischen Zeiten etwas Notwendiges. Ich unterstütze zudem kein Parteiprogramm, keine Ideologie von wem auch immer, ich schaue nur nach rechts und nach links und bilde mir meine Meinung.

Sie waren einer der wenigen Künstler, die „ohne Gs“ weitergemacht haben. Sie haben sich engagiert, haben Interviews gegeben. Sie nahmen teil an der Initiative #allesaufdentisch. Was war Ihre Motivation zum Ein- und Mitmischen?

Oh ja, dieses Interview bei #allesaufdentisch war mein Startschuss in diese Zeit. Und ich bin immer noch so erfüllt, ein Teil dieser Aktion gewesen zu sein. Ebenso war ich bei den friedlichsten Demos dieser Tage, bei „Friedlich Zusammen“. Meine Motivation: Trau dich, zeig dein Gesicht – äußere deine Meinung!

Heute gibt es Druck durch den Ukraine-Krieg, wo jede und jeder anscheinend dafür sein soll. Wer anders denkt, wird erneut ausgegrenzt. Was können uns die vergangenen drei, vier Jahre zum Thema Spaltung lehren?

Ist das nicht alles zum Würgen, Speien, Kotzen? Wir haben das Jahr 2024 … Wir haben so viele gefährliche Kriegsschauplätze, und wir haben anscheinend nichts gelernt. Selbst die einstigen Friedensparteien sind nun zu Kriegsbefürwortern mutiert. Es wird Zeit für „Friedensminister“. Und nein, es gibt keinen „falschen Pazifismus“, denn im Sinne der Menschheit muss es immer nur um Frieden gehen, alles andere mündet in Selbstzerstörung.

Sie sind auch Schauspieler und kommen aus der Kabarett-Szene. Wie war die Lage der Künste vor der „Corona-Pandemie“, und wie ist sie heute?

Ich will nicht mehr zurück in die alte Zeit … Nein, die alte Zeit ist tot, sie kommt nicht zurück. Mich interessiert vieles nicht mehr, was mir da noch wichtig war. Wie ich in „Peep-O-Rama“ singe: Ich habe die alte Zeit, die alte Haut weitestgehend abgestreift. Das war meine Metamorphose der letzten Jahre – durchaus ein spiritueller Prozess, ein sehr einsamer und persönlicher obendrein. Nun schau ich mal, was noch so passiert.

Wie beurteilen Sie die Rolle der Politik und Medien im Hinblick auf die Spaltung der Gesellschaft? Eine Entschuldigung für die Corona-Politik gibt es bisher von den Verantwortlichen nicht. Was halten Sie davon?

Eine wahre Entschuldigung ist nur glaubhaft, wenn Erkenntnis und ein Bewusstsein entstanden sind, nämlich dafür, dass man etwas Schändliches, Unsägliches getan hat. Sehen Sie eine solche Entwicklung irgendwo? Also ich noch nicht.

Daniele Ganser hat noch am Anfang der Pandemie eine Plakataktion gestartet: „Lasst uns Brücken bauen!“ Ihr Thema war auch lange, wie wir als Gesellschaft wieder zusammenfinden. Wie sehen Sie es jetzt im April 2024? Haben wir wieder zusammengefunden? Konnten wir die Gräben zuschütten?

Bei mir hat sich bisher niemand gemeldet und gesagt, du, ich sehe jetzt auch vieles kritisch, lass uns treffen und reden … und verzeih, ich war so voller Angst.

Natürlich geht es um Versöhnung. Doch die vier Jahre haben bei mir und vielen ein neues Bewusstsein geprägt, die neuen Erfahrungen führten zu neuen Entscheidungen. Auf der anderen Seite aber wurde nichts in Frage gestellt, das Leben, der Alltag sollte weiterlaufen.

Diese unterschiedlichen Erfahrungen nun zu vereinen und sich wieder miteinander verbunden zu fühlen, wird wohl kein Leichtes. Zu viel ist kaputt gegangen. Vor allem ist Vertrauen auf der Strecke geblieben. Zu vertrauen ist aber die Wurzel für eine gemeinsame Schwingung. Zudem gibt es einige Leute aus meiner alten Zeit, mit denen ich wohl nichts mehr zu tun haben möchte.

Für mich steht das Album für eine Zäsur: Abschied vom Alten, Aufbruch zu etwas ganz Neuem, zu sich selbst. Eine Einladung, selbst zu sein, die Masken ablegen und spüren, fühlen. Das Herz fragen. Nach all den (pseudo)wissenschaftlichen Begriffen und Verhaltensregeln – Inzidenzzahlen, AHA-Regeln, Boostern –, die unseren Alltag prägten, eine Rückkehr zum Wesentlichen, dem, was den Menschen wirklich ausmacht. Ist das Ihr Wunsch für die Gesellschaft?

Dass sich vieles verändern musste, war ja schon lange vor Corona klar. Das ist auch gut so. Aber auf so einem Wege? Mir fehlen bei allem, was nun umgebaut wird, die Liebe, die Tiefe, die Spiritualität, die menschliche Intelligenz und das Know-how. Zudem scheint die Politik nicht zu interessieren, was die Gesellschaft möchte, und dies ist auch ein weltweites Phänomen. Es ist letztlich so einfach, einen miesen, fiesen, unangenehmen Zustand zu beenden: Man muss nur Nein sagen oder die Stopptaste drücken, auf die Bremse treten. Ich bin noch zuversichtlich, dass das passiert.

In den Liedern höre ich auch sowas wie ein Zeichen für Mitgefühl mit den anderen. „Komm näher zu Dir“, „Öffne deine Sinne“, „Zeichen der Zeit“. Zudem widmen Sie Ihrem Publikum eine Danksagung: „an alle Menschen, die mutig durch diese schweren Jahre gegangen sind. Die sich beherzt positioniert haben, um Ihre Werte und Rechte zu verteidigen.“ Könnte das als Ihre Corona-Verarbeitung verstanden werden? Als Trauma-Therapie?

(lacht) Nein … Ich bin kein Therapeut, ich bin nur ein altes Zirkuspferd, welches in der Kunstform Chanson, nun schon seit über 30 Jahren, wachsen konnte. Man kann in diesem Genre altern, da wird man sogar noch besser mit den Jahren.

Aber irgendwie haben Sie schon auch recht, denn ein berührender, musikalischer Abend ist heilend. Singen aktiviert jede Zelle im Körper und wirkt sich positiv auf den ganzen Organismus aus. Und Poesie ist eh Balsam für unsere Seelen. Und wenn man aus nur einem meiner Chansons ein wenig Frieden, ein Sich-verstanden-fühlen-Gefühl mitnimmt, dann ist es mir gelungen, weshalb ich auf die Bühne gehe und singe.

Kritische Menschen, die die Arroganz der Macht erfahren haben, haben Deutschland den Rücken gekehrt. Was hält Sie am künstlerischen Leben, was gibt Ihnen Hoffnung, weiterzumachen und hier zu bleiben? Können Sie der Situation auch etwas Positives abgewinnen?

Mich hat der Zustand 2021 wahrlich krank gemacht – so, wie wir alle krank geworden sind, aus vielerlei Gründen. Doch ans Weggehen dachte ich nie. Berlin ist meine Stadt … ick bin ein oller Weddinger. Außerdem liebe ich meine Muttersprache, spreche zudem keine andere Sprache so fließend, dass ich mir zutrauen würde, woanders zu leben – und das wäre erstmal die Grundvoraussetzung. Denn man muss ja überall auf der Welt kommunizieren, in der heutigen Zeit sich womöglich abgrenzen oder verteidigen. Das kann ich nur auf Deutsch.

Also ick bleibe hier … und wenn’s noch schlümmer wird, werf ick mir eine Federboa um, torkle zur Spree, trinke ´ne Flasche Champus und gehe ‘ne Runde baden …

Was sind Ihre Pläne und Projekte?

Sie fragten mich eben, ob ich aus diesem Zustand, in dem wir uns befinden, etwas Positives ziehen kann. Und ich sage: Ja. Es gibt in mir sogar ein Gefühl von Dankbarkeit. Denn ohne diese vier Jahre wäre ich weiterhin in meinem Dornröschenschlaf verweilt – auch wenn es bitter war aufzuwachen. Die vielen neuen Erkenntnisse führten für mich zu einem neuen Bewusstsein, und so eine Erfahrung zu erleben, ist auch etwas Großartiges.

So krass und abgeschmackt auch vieles ist in dieser Zeit, es ist eine spannende und interessante Zeit. Sie hat Sprengkraft und ein so hohes Potenzial für einen wirklich großen spirituellen Schritt nach vorne. Wir werden wohl miterleben, wohin dieser olle Kutter mit uns schippert.

Ich werde wohl noch ein Weilchen singen, würde gerne mit Nena eine Tasse Kaffee trinken gehen … Ansonsten mache ich nur noch wenige Pläne, probiere, im Moment zu leben. Und ich sage danke für die Möglichkeit dieses Interviews.

Die CD ist hier erhältlich: timezone-records.com/en

Titelbild: ©scottiberlin

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Auf Kriegsfuß mit der Realität

20. April 2024 - 14:00

Der Aufstieg des Individualismus im Zuge des neoliberalen Marktmantras scheint zum Niedergang der Gesellschaft zu führen. Die Fähigkeiten, die die Menschen menschlich machen, schwinden – und damit die Grundlage der Zivilisation. Man kennt nur noch Familien und Individuen: „There is no such thing like society.”[1] Der Gemeinsinn schwindet wie auch die Übernahme von Verantwortung. Von Brigitte Pick.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Der Mensch sieht sich heute ständig genötigt, Autonomie und die Fähigkeit zur Initiative zu demonstrieren. Er muss, um erfolgreich zu sein, handlungs- und entscheidungsstark sein. So predigt es die neoliberale Ideologie. Muße gilt nicht. So lautete 1998 das Buch des französischen Soziologen Alain Ehrenberg, das 2004 auch auf Deutsch erschien, „Das erschöpfte Selbst.“

Die Idee des sozialdemokratisch geprägten Wohlfahrtsstaates bröckelt und bildet gleichzeitig den Humus für die verunsicherte Mittelschicht, die die Furcht vor dem sozialen Abstieg umtreibt. Nur wer etwas hat, kann sich sorgen, dass er es verliert. So wird den Schwachen der Gesellschaft die Solidarität aufgekündigt, sie gelten fürderhin als Schmarotzer. Man beklagt die ausufernde Bürokratie, die Globalisierung, die bereits Marx und Engels im Kommunistischen Manifest 1848 beschrieben haben: „Das Bedürfnis nach einem stets ausgedehnteren Absatz für ihre Produkte jagt die Bourgeoisie über die ganze Erdkugel. Überall muss sie sich einnisten, überall anbauen, überall Verbindungen herstellen.“[2]

Man sieht glasklar: Die Produktion verlagert sich dorthin, wo der Profit am höchsten ist und die Energiekosten günstig. Wir leben in einer Konkurrenzgesellschaft, in der jeder der Konkurrent des anderen ist. Dazu kommt der Anerkennungswahn.

Der schleichende Tod der Empathie

Der Privatisierungswahn führt auf der einen Seite zu erheblichen Verantwortungsdefiziten und auf der anderen Seite zu einer wachsenden Zahl von Menschen aus der Mittelschicht, die sich als Ehrenamtler zur Verfügung stellen, um sich ein gutes Gewissen zu verschaffen. Die Oberschicht stellt sich gönnerhaft im Stiftungswesen und in Bürgernetzwerken dar, versucht, Einfluss zu nehmen, und verschweigt dabei ihre Steuervorteile. Es hat sich so etwas wie ein moralischer Ablasshandel etabliert.

Sicher sind Ehrenämter ehrenhaft, sie sind jedoch nicht die Lösung der Probleme, die sich flächendeckend in der Gesellschaft auftun und dem System geschuldet sind. Sind sie in einen Verbund eingegliedert, entstehen oft bürokratische Hürden, die ich am eigenen Leib erfahren habe. Behörden reagieren weder flexibel noch schnell. Sie lassen qua Definition keine Ausnahmen zu. Meine Hilfe findet inzwischen auf der privaten Ebene, außerhalb des Zugriffs von Bürokraten statt. Ich kann gezielt und unbürokratisch helfen – ob nachhaltig, bleibt dahingestellt. Man hilft aus einer Not – z.B. finanziell –, und die nächste Situation steht für die Betroffenen schon vor der Tür.

Sperrmüll kann jeder Bürger bei der Stadtreinigung umsonst entsorgen oder gegen geringes Entgelt abholen lassen. Trotzdem wimmelt die Stadt Berlin von Dreckecken. Kein Schutzmann mehr an der Ecke, kein Kontaktbereichsbeamter, der seinen Kiez kennt, einen Bezug zu den Menschen aufbauen, Freund und Helfer sein kann. In den Bussen und auf den Bahnhöfen keine Schaffner mehr weit und breit, Automaten statt Fahrkartenverkauf, Überwachungskameras statt vernünftig bezahlten Personals.

In Berlin will man nun wieder Parkwächter für größere Grünanlagen einstellen, denn die Vermüllung öffentlicher Flächen wächst unerträglich. Die sollen heute Parkmanager heißen oder noch besser Ranger, um die künftigen Billiglöhner semantisch aufzuwerten. In meiner Kindheit gehörten der Schutzmann und der Parkwächter zum Alltagsbild.

Es gibt eine Zersplitterung von Aufgaben und Zuständigkeiten, die sowohl Umsicht als auch Verantwortung verhindern und das Wegschauen befördern. Der Bürger tritt eher auf das Gaspedal als zu bremsen, und das in jeder Hinsicht. Rücksichtnahme, Solidarität, Einstehen für Schwächere? Fehlanzeige.

Neulich erschrak mich ein hupendes Auto. Zwei etwa zehnjährige Kinder hampelten an einer Ampel herum. Die Fußgängerampel schaltete auf Rot. Ein Kind wollte noch rennen. Ein links abbiegendes Auto hupte angesichts der Gefahr und gab kräftig Gas, statt zu bremsen. Der kleine Junge reagierte paradox und rannte erst recht los. Nur mit Not und einem kräftigen Sprung nach vorn konnte er verhindern, auf der Kühlerhaube des Autos zu landen. Der Autofahrer fuhr rasant weiter.

Der Mensch wird des Menschen Krebsgeschwür. Der Mensch wird immer älter, und der „Demographie-Faktor“ dräut als Apokalypse. So liegt der Verdacht nahe, dass der Prozess des Sterbens nach vorne verlagert wird. In der Klemme zwischen Überlebenshoffnung und Angst wird der Mensch regierbar und gewinnträchtig. Musste man einst vor der Armut in den Tod flüchten, so heißt es nun weiterleben, denn man kann sich das Sterben nicht leisten. Die Armenbegräbnisse von 2.500 Euro, die ein Empfänger von staatlichen Hilfen bekommt, sind im Zeitraum von 2006 bis 2010 um 64 Prozent gestiegen.

Immobilienmarkt außer Kontrolle

Alte Leute werden oft unsichtbar, und ihre Interessen wie anständige auskömmliche Renten zählen nicht. Auf dem Wohnungs- und Gesundheitsmarkt wird das besonders sichtbar. Ältere Leute sollen ihre vermeintlich zu großen Wohnungen aufgeben, die sie als jahrzehntelange Mieter noch gut bezahlen können. Der Wohnungstausch gelingt selten, denn die angebotenen kleinen Wohnungen junger Leute sind oft teurer als die alte größere. Gelingt das nicht per Freiwilligkeit, ist der Markt durchaus erfinderisch und brutal.

Laut einer Studie der Investitionsbank Berlin wurden 2022 in Berlin mehr möblierte Wohnungen auf Zeit angeboten als unbefristete normale Mietwohnungen. So verdient man mehr Geld und umgeht jeden Mieterschutz.

Jede Bundes- und Landesregierung verspricht, für die Lösung der Wohnungsfrage zu sorgen, aber es ändert sich nichts. In Berlin-Mitte wird 2024 die teuerste Mietwohnung für 22.500 Euro im Monat angeboten.

In Berlin kann man nicht mehr kostengünstig bauen, denn die Bodenpreise sind explodiert und haben sich in den letzten zehn Jahren vertausendfacht. Bei Grundstückspreisen von 4.000 Euro pro Quadratmeter ist bezahlbarer Wohnraum im Neubau nicht mehr darstellbar. In Prenzlauer Berg und Weißensee werden inzwischen 5.000 Euro verlangt (460 Euro waren es im Jahr 2008). In Eigentum verwandelt, werden die Wohnungen für 6.500 Euro weiterverkauft – ein lohnendes Geschäftsmodell, das nicht nach Moral fragt. „Sieht man allein die Entwicklung der Bodenpreise in den Ballungszentren der Welt an, kann man doch nur zu der Überzeugung gelangen, dass Grund und Boden nicht in Privathand gehören, sondern nur als Pachtland auf Zeit vergeben werden dürften.“[3]

1927 tat sich die Avantgarde der damaligen Architekten mehrerer Nationen zu der Plattform Congrès Internationauxd’Architecture Moderne (CIAM) (dt.: Internationale Kongresse Moderner Architektur) zusammen, um gemeinsam Lösungen zur prekären Wohnungsfrage zu entwickeln. Schon damals wurde die Wohnfrage zur Systemfrage, und die Forderung nach Enteignung des Bodens stand im Raum.

Die Abschaffung der Gemeinnützigkeit des Wohnungsbaus im Jahr 1988, die Steuervorteile und Einschränkungen bei Miete und Gewinn für die Eigentümer bedeutete, hat diese Entwicklung angeschoben. Diese Wohnungen waren oft Eigentum der Kommunen oder Werkswohnungen von großen Betrieben. In Berlin wurden allein 200.000 Wohnungen versilbert, ein sehr kurzsichtiger Gedanke.

„Wien ist ein Sonderfall. Die Stadt hat selbst in der Hochphase des Neoliberalismus den gemeinnützigen Wohnbau erhalten. Heute wohnen 60 Prozent der Wiener und Wienerinnen in geförderten Wohnungen. Dort sind die Mieten begrenzt und die Verträge unbefristet. Das dämpft auch die Preise am freien Markt.“[4]

Das gilt es auch bei uns wieder zu installieren und damit die Ursachen der Wohnungsfrage zu lösen und nicht ihre Symptome zu bekämpfen. Der soziale Wohnungsbau ist vom Staat zu finanzieren und ist öffentliches Eigentum, von dem private Akteure auszuschließen sind.

„Ich glaube, wir müssen uns davon verabschieden, dass Berlin für alle bezahlbar bleibt. Wenn ich es mir nicht mehr leisten kann, egal, ob wegen wirtschaftlicher Einbußen oder einer Mieterhöhung, dann muss ich das akzeptieren. Es gibt kein Naturgesetz, das mir das Recht gibt, für immer in meiner vertrauten Umgebung zu bleiben. Und es ist noch eine ganz andere Frage, ob die zu berücksichtigen sind, die noch zusätzlich in die Stadt kommen. Die können sicher keinen Anspruch auf niedrige Mieten erheben.“ So schnörkellos und zynisch äußert sich der 51-jährige Dr. Carsten Brückner, Fachanwalt für Miet-und Wohnungseigentumsrecht und Vorsitzender des Landesverbandes Haus&Grund Berlin, im Interview mit dem Tagesspiegel.

Der 88-jährige US-Milliardär Warren Buffett, der erst bei einer Rendite von 20 Prozent zu investieren beginnt, ist nun auch am Berliner Markt aktiv. Er konzentriert sich auf das Segment studentisches Wohnen. Durch Mieten kann er die Rendite nicht erzielen, sondern das Geschäftsmodell lautet, Wohnungen zu bauen oder umzuwandeln und als Eigentum weiterzuverkaufen. Chinesen und Asiaten kaufen gerne in Berlin und wähnen ihr Geld sicher in Deutschland. Ein sogenanntes studentisches Wohnprojekt in Berlin-Schöneberg verlangt von den Mietern für 17 Quadratmeter 599 Euro. Für das Wintersemester beträgt der geplante BAföG-Satz 843 Euro (bisher 735 Euro), die Wohnpauschale soll von 250 auf 325 Euro erhöht werden.

Im Jahr wechseln Eigentumswohnungen doppelt so oft den Besitzer wie umgewandelt werden. Spekulation und Geldwäsche sind hier die treibenden Kräfte. Die italienische und russische Mafia ist auf dem Berliner Immobilienmarkt zunehmend tätig. Man schätzt, dass zehn Prozent der jährlich auf dem deutschen Immobilienmarkt umgesetzten 250 Milliarden Euro zu Geldwäschezwecken dienen.

Es gibt keine vernünftigen Regulierungen für Finanzakteure. Riesige Steuerschlupflöcher wie Share Deals ermöglichen Steuerfreiheit und heizen die Spekulation an. Es fehlt ein Immobilienregister, in dem ersichtlich wird, welche Personen hinter Unternehmen und Gesellschaften stehen. Das Grundbuch in Deutschland erfordert bei juristischen Personen nur die Namen der Gesellschaft, die dann wieder einer Gesellschaft gehören können.

Das Schicksal der Alten

Hier einige Schlaglichter auf persönliche Schicksale aus meinem Nahfeld, die ich 2019 notierte.

Eine 88-jährige Frau trainiert mit mir fast täglich in einem Sportclub, geht aufs Laufband, zum Schwimmen oder Aquatraining. Sie wirkt fit, fährt noch Auto, bremst auch für Kinder und genießt ihren Ruhestand. Sie lebt seit nunmehr 50 Jahren in einer 70-Quadratmeter-Wohnung im bürgerlichen Tempelhof. Der Mann ist lange verstorben, die Kinder aus dem Haus, sie ist allein in einem gewohnten Umfeld. Einst gehörte das Haus dem Senat von Berlin, was früher günstige Mieten und lebenslanges Wohnrecht garantierte. Es fehlte das neoliberale Diktat der Betriebswirtschaftlichkeit.

Nun wurde das Haus verkauft, und nach den herrschenden Marktgesetzen verspricht nur Gewinn, wenn man die Wohnungen in Eigentum umwandelt, nachdem man sie luxusmodernisiert hat. Die alte Dame hat zwar das Anrecht, dort weiter zu wohnen, aber die Miete steigt so extrem, dass sie sich diesen Luxus nicht mehr leisten kann. Die Mietpreisbremse ist ein stumpfes Schwert. Die vielen Ausnahmeregelungen machen es wertlos. Gezielte Modernisierungen sind weiterhin möglich. Der neue Verwalter – der Eigentümer bleibt anonym – gibt deutlich zu erkennen, dass er weder alte Leute noch Mieter mit kleinen Kindern wünsche. Kleinere Wohnungen im Haus sind bereits umgebaut und verkauft. Sie werden offensichtlich als Ferienwohnungen vermietet. Das bringt noch mehr Profit, oder die neuen Eigentümer bezahlen so ihre Kreditrate günstig ab. Die neue Gesetzeslage greift mitnichten. Auf dem Markt der Ferienwohnungen ändert sich in Berlin nichts, 90 Prozent der Wohnungen werden weiter ohne Genehmigung und ohne Folgen betrieben. Man schätzt die Anzahl auf 25.000.

Der Verwalter möchte telefonisch mit der alten Dame den Auszug und die Konditionen verhandeln. Die legt jedes Mal auf, in der Hoffnung, den Termin hinausschieben zu können. Sie möchte das dem Rechtsanwalt ihres Mietervereins überlassen, an den sie sich sofort gewendet hat. Sie hat auch ihren gesamten Hausrat reduziert, monatelang, sich von Erinnerungsstücken getrennt, ein schmerzhafter Prozess. „Ich verliere mein Leben und meinen Lebenswillen“, sagt sie. Auch eine neue Wohnung in einem Seniorenheim hat sie in Aussicht, sich gekümmert. Die Miete dort kann sie sich noch leisten, kommen jedoch Pflegeleistungen hinzu, wird es kritisch. Die Heimleitung verbirgt ihre Skepsis nicht. Die Wohnung im Altenheim ist eine Wohn-Klo-Küche, das Bad ohne Fenster, die Küche eine winzige Kochzeile. Miniwohnungen sind im Kommen, acht Quadratmeter sollen reichen, so der neue Trend. Im Tempelhofer Haus sind vier alte Mieter betroffen, die fertig mit dem Leben sind und die Aktion vielleicht nicht überleben. Wen interessiert das schon? Zwei Tage später erfährt die 88-Jährige von einer ehemaligen Kollegin, dass die im hippen Neukölln gerade genau dasselbe erlebt.

Eine andere Sportfreundin berichtet von einem Horrorerlebnis in einer Reha-Einrichtung. Die Frau ist etwa 75 Jahre alt, pflegt mit ihrer Schwester ihre nunmehr 100-jährige Mutter, die noch in ihren eigenen Wänden lebt. Ein Pflegedienst unterstützt sie. Die Frau ist fast täglich beim Sport, ist fit, beweglich, neugierig und reist gerne mit ihrem Mann, der ganz allmählich sein Gedächtnis verliert. Sie steht mit beiden Beinen im Leben und klagt nicht. Als sie starke Bauchschmerzen plagen, wird sie erst falsch behandelt, eine Darmgrippe vermutet, bis sie den Notarzt bestellt, der sehr schnell eine Not-OP veranlasst und sie ins Krankenhaus einweist: Darmverschluss. Es geht auf Leben und Tod. Nach der OP ist sie schwach auf den Beinen. Ihr wird eine Reha angeboten, die sie dankend annimmt, da sie in ihrem Zustand kaum die drei Treppen bis in ihre Wohnung bewerkstelligen kann. In der Reha angekommen, stellt sie fest, dass sie in der Geriatrie gelandet ist, in einem Dreibettzimmer mit zwei dementen Frauen, von denen die eine Kot an die Tapeten schmiert. Sie ist schockiert, beschwert sich. Die Antwort: „Sie sind doch über 70, da müssen sie sich nicht wundern.“ Sie fährt sofort wieder nach Hause und trainiert täglich zu Haus, eine halbe Treppe zu laufen, bis sie wieder fit für den Alltag ist und ihren Sport treiben kann. Eine Ausnahme? Als ich die Geschichte anderen erzähle, höre ich von ähnlichen Erlebnissen älterer Menschen.

Die Situation an den Schulen

Ein Kulturwandel in den Schulen bleibt trotz Strukturreformen aus. Kinder müssen Erfahrungen sammeln, aus denen sie lernen, und müssen selbst gestalten können. Dazu brauchen sie empathische Lehrer, die am Lernen der ihnen Anvertrauten interessiert sind und die Zeit dafür haben. Diesen Prozess kann man nicht verordnen, er muss von allen gewollt sein und von unten kommen. Wir brauchen kein Fach „Glück“, aber wir müssen unser Gegenüber zu verstehen suchen. Nur wer versteht, kann etwas ändern. In Berlin wird für das letzte Schuljahr vermeldet, dass die Zahl der Schüler ohne Schulabschluss von zehn auf 13 Prozent gestiegen ist, in Zahlen von 1.250 auf 1.750.

30 Jahre nach seiner Schulentlassung schreibt mir ein Schüler folgende Zeilen:

Ein nettes Hallo, ich lebe noch, habe geheiratet und eine kleine süße Tochter, bin endlich angekommen! War neulich in meinem alten Heim und habe Unterlagen bekommen! Krass, was da stand! Aber ich habe mich verändert, ein Glück! Dank solcher Menschen wie du, Menschen, die es gut mit mir meinten und meine Ausraster nicht abschreckten, ich danke dir für deine Geduld, Fürsorge und einfach ein Freund zu sein! Meine Worte können nicht ausdrücken, was du alles für mich gemacht hast in der Zeit, wo kaum einer bei mir war, außer danke, danke, danke! Gruß M.

M. war ein intelligenter Schüler, der zu ungezügelten Wutausbrüchen neigte. Er hatte viele demütigende Erfahrungen in seinem jungen Leben sammeln müssen. Die Mutter zeigte sich als erziehungsunfähig, gab das Kind in ein Heim. Zeitweise wurde er von einer Psychologen-Familie aufgenommen, wo ihm täglich klargemacht wurde, dass er nicht dazugehört. Nicht einmal am selben Tisch durfte er essen, was ihn demütigte. Er wurde Drehtürpatient in der geschlossenen Kinder- und Jugendpsychiatrie. Dort war er gemeinsam mit kriminell gewordenen Jugendlichen auf der forensischen Station. Auch dort war er widerständig, durchschaute die manchmal doch seltsamen Behandlungsmethoden. Er kam in eine Isolationszelle, wurde mit starken Medikamenten ruhiggestellt.

Er gab nicht auf. Ich besuchte ihn dort oft, um ihm Ausgang zu verschaffen. Wir gingen gemeinsam essen, diskutierten. Im November 1989 standen wir gemeinsam am Brandenburger Tor, um die Maueröffnung zu erleben. Jetzt ist er verheiratet, hat Familie, hat sich durch erfolgreiche Therapien aus der Drogensucht befreit. Dort lernte er auch seine Frau kennen, Tochter eines Lehrers. Die beiden scheinen sich gegenseitig stützen zu können, haben eine gemeinsame Tochter. M. wurde der Arbeitsmarkt immer verwehrt, er gilt als psychisch krank. Er wäre so gerne Tischler geworden, niemand zeigte ihm den Weg dorthin. Nun arbeitet er für die SPD kommunalpolitisch.

Wenig später meldet sich ein vor knapp 40 Jahren entlassener Schüler S., der von seiner alleinerziehenden Mutter nie Liebe erfahren hatte. Zu Hause verschloss sie alle Zimmer. S. hatte nur Zutritt zur Küche und Toilette. Das war trostlos und demütigend. Sie schickte ihn wegen knapper Kassen oft zum Stehlen in den Supermarkt, später ins Heim. Oft schwänzte er die Schule, die Mutter kümmerte sich nicht. Ich suchte S. mit den Klassensprechern, fand ihn, wir gingen gemeinsam essen und reden. Darauf der Anruf der Mutter in der Schule, denn S. erzählte ihr davon. „Ick will sie mal wat fragen, is det jetzt ihr Sohn oder wie soll ick det vastehen?“ Ich ignorierte sowohl den Vorwurf als auch ihr schlechtes Gewissen und lud sie zu einem Glas Bier ein. Nun kam der Junge öfter, landete aber wegen Diebstahls von BVG-Fahrkarten bald im Jugendgefängnis. Er hatte im Heim das gelernt, was er noch nicht wusste. Im Knast besuchte ich ihn mit Kollegen. Das hatte er nicht vergessen, diese Form der Zuneigung nie erlebt. Nun wollte er endlich danke sagen, nach fast 40 Jahren. Heute ist er Hausmeister in einer großen Wohnanlage, wird gebraucht.

Armutsgefährdung im Alter

Im Jahr 2024 hat sich die Lage weiter zugespitzt. In Deutschland leben knapp fünf Millionen Menschen von einer Rente knapp unter 1.000 Euro, wobei der Anteil der Frauen viel höher ist. Jeder vierte Tafelkunde ist Rentner. Insgesamt gibt es knapp 26 Millionen Rentenbezieher. In meinem näheren Umfeld gibt es alte Menschen, die ihre Wohnung aus finanzieller Not nicht mehr heizen können, es aber klaglos hinnehmen. Die Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentum nehmen in meinem Wohnumfeld bedrohliche Ausmaße an. Ein Rentnerpaar wird von seinem solventen Sohn gerettet, der die Wohnung kauft, um seinen Eltern zu ermöglichen, dort ihren Lebensabend zu beschließen.

Eine andere wirkt suizidal, da sie keinen Ersatz für ihre wegen Eigenbedarf gekündigte Einliegerwohnung in einer Friedenauer Stadtvilla findet. Sie ist 75 Jahre alt und arbeitet weiter als selbstständige Fußpflegerin, da ihre Rente weniger als 800 Euro beträgt. Die alte Dame, die die Villa besaß, hatte ihr die kleine Wohnung für eine annehmbare Miete angeboten, und sie lebt seit 15 Jahren dort. Sie hat sich um die Frau gekümmert und war für ihre Fußpflege zuständig. Nun ist die alte Dame verstorben, und die Erben haben die Einliegerwohnung umgehend gekündigt. Man bescheinigt ihr, eine angenehme Mieterin gewesen zu sein, die stets pünktlich ihre Miete gezahlt habe, aber nun brauche der ehemalige Richter die kleine Wohnung für seinen 25-jährigen Neffen. Dass für den gerade ein Dachgeschoss in einem anderen Bezirk ausgebaut wurde, wie Nachbarn zu berichten wissen, verschweigt der Jurist. Alter oder die soziale Lage interessieren nicht. In den Medien wird das Thema immer wieder aufgegriffen, gleichwohl ändert sich nichts. Der allgemeine Mietschutz bei Eigenbedarf in Berlin gilt für sogenannte Villen wie diese nicht.

Im RBB läuft am 9. April 2024 um 20.15 Uhr ein Beitrag des WDR aus Köln: Eigenbedarf: Familie Weiser muss raus. Die sechsköpfige Familie Weiser muss die Wohnung verlassen. Sie lebt dort seit vielen Jahren in sozial gebundenem Wohnraum. Der gilt für 30 Jahre. Die Zeit ist abgelaufen, und das Haus steht zum Verkauf. Der private Käufer, der noch andere Häuser in Köln besitzt, wo er ähnlich verfahren ist, besteht auf Eigenbedarf. Die Familie Weiser bekommt vor Gericht keine Chance, der Vermieter darf zwei Wohnungen für sich umbauen. Eine andere Mietpartei darf bleiben, sie hat eine andere Richterin, die der Argumentation des neuen Eigentümers nicht folgt, der die Wohnung für seinen Sohn reklamiert. Die Filmemacher möchten vom FDP-Justizminister ein Statement zum Problem der Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentum. Das Problem wäre für den Minister zu klein, kommentiert ein Sprecher in der Abmoderation. Betroffen sind Zehntausende, und es werden täglich mehr. Im Zeitraum 2011 bis 2020 wurden in Berlin insgesamt 124.421 Mietwohnungen in Eigentumswohnungen umgewandelt.

Die Politik hat sich augenfällig völlig von der Realität entfernt

Es gingen Hunderttausende auf die Straße, um gegen Rechts zu demonstrieren, Seit an Seit mit den Regierenden wie Scholz und Baerbock in Potsdam.

Wir sollten schauen, was wirklich unserer Demokratie schadet, denn wir werden nicht regiert, sondern beherrscht. Die Meinung der Mehrheit folgt der Macht. Es wird ein Herrschaftsdiskurs geführt, der andere Sichtweisen versucht auszuschließen. Es ist das Gegenteil des Habermas‘schen Postulats nach einem herrschaftsfreien Diskurs.

Die Masse sucht in Umbruchszeiten eine Richtung, und die augenblickliche Richtung läuft auf einen dritten Weltkrieg hinaus.

Freundlich könnte man es betreutes Denken nennen, die Realität erinnert jedoch eher an Orwells Wahrheitsministerium. Die Bevölkerung ist einer anhaltenden Propagandaflut ausgesetzt, die aus historischen Fakten und Statistiken besteht, die besagtes Ministerium produziert. Gewisse Wahrheiten können nur wahr werden, wenn man sie erfindet. Moralismus bestimmt die Debatten. Moralismus führt jedoch zum Gesinnungsdiktat. Die herrschenden Eliten scheinen Orwells „1984“ nicht als Dystopie, sondern als Handlungsanweisung zu sehen. Robert Habeck fühlte sich kürzlich von der Realität umzingelt. Logisches Denken braucht man, um die Realität zu erfassen und Zusammenhänge zu erkennen. Diese Fähigkeit gerät zunehmend unter Beschuss, alles scheint unprovoziert zu geschehen, wird als alternativlos dargestellt. Einzelne Dinge sollen sich nicht mehr zu einem größeren Bild zusammenfügen. Die Hinnahme von Logiklöchern und behelfsmäßigen, aus der Luft gegriffenen Noterklärungen führt zu einem konditionierten Umdenken, das einem Nichtdenken gleicht. Die Logik der Andersdenkenden wird so als irgendwie verworren wahrgenommen. Eine allumfassende Konfusion wird allgegenwärtig. Es gibt keine Verbindlichkeit mehr, und wer nicht mehr an die Wirklichkeit gebunden ist, kann sich auch nicht wie Robert Habeck von ihr umzingelt sehen.

Angstkampagnen sind inzwischen ein beliebtes Regierungsinstrument, um über Notrechte demokratische Prozesse auszuhebeln. Die Wissenschaft wird ideologisch imprägniert. Skeptiker werden geächtet und beruflich beschädigt. Es wird Zeit, sie an den runden Tisch der Zukunft zu holen. Es braucht eine ergebnisoffene Debatte. Trotzdem.

Bei mir führt das dazu, dass die Zündschnur immer kürzer wird, ich immer schneller explodiere. Meine Wut zeigt mir jedoch, dass ich noch lebe.

Wo lauern die wirklichen Gefahren?

Die Stimmen von Kiesewetter, Strack-Zimmermann und Hofreiter für den Krieg gegen Russland verstoßen gegen den Zwei-plus-Vier-Vertrag, der das vereinigte Deutschland zum Frieden verpflichtet, und sind weit gefährlicher als die AfD, die sich einst mit ihren Gründungsmitgliedern (Alexander Gauland, Bernd Lucke, Konrad Adam und Gerd Robanus) von der CDU abgewandt hatte. Wer solche Fakten benennt, könnte „schädliche Informationen“ verbreiten und sich strafbar machen.

Die Politik macht uns gerade klar, dass wir nachgerade eine Blüte der Demokratie erleben, gefördert durch abstruse Gesetze wie das der Demokratieförderung oder das der Strafbarkeit bei Ansichten, die den Staat delegitimieren, eine bislang nicht bekannte Wortschöpfung. Demokratieförderung bedeutet, dass der Regierung sympathische Nichtregierungsorganisationen staatliche Unterstützung erhalten und z.B. die oben genannten Demonstrationen gegen Rechts organisieren.

Rechts wird gleichgesetzt mit rechtsextrem und gleichzeitig mit Nazis. Was kennzeichnet Rechtsextremismus: Gleichschaltung, Diskriminierung von Andersdenkenden, ein moralisches Überlegenheitsgefühl etc. – und Kriegstreiberei.

Ein marxistischer Veteran beschreibt mir kurz und knapp: Rechte sind konservativ, wertebasiert, Rechtsextreme hingegen reaktionär, gegen die Interessen der Mehrheit, und Faschismus ist gleich Krieg.

Oskar Lafontaine meint, gegen den Krieg zu sein ist ein originärer linker Standpunkt.

Im April 2024 machen die wachsenden Zahlen der Kriminalstatistik Schlagzeilen. Verschwiegen wird dabei, dass es sich um Anzeigen bei der Polizei handelt, nicht um Überführte und bei Gericht Verurteilte. Das Zahlenwerk dient dazu, das Problem der unkontrollierten Einwanderung als kriminalitätstreibend zu identifizieren und so der AfD-Argumentation in Konkurrenz zu treten.

Der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund ist überpräsentiert. Die Diskussion um die Problematik, speziell die der Jugendgewalt, hat mich mein Berufsleben lang von 1969 bis 2005 begleitet. Die Lösungsversuche und Angebote waren zweifelhaft bis hilflos, auf keinen Fall nachhaltig.

In diesen Zeiten der zusehenden Verarmung eines Viertels der Bürger unserer Republik, in Krisen- und Kriegszeiten und Zeiten der Diffamierung von Friedensfreunden, der Verrohung der Sprache gerade während Corona wachsen die Aggressionen unter prekären Jugendlichen besonders. Ich nannte sie einst die „Überflüssigen“, und diese spüren das, werden immer wieder gedemütigt und wehren sich mit untauglichen Mitteln, die sie immer mehr ins Abseits führen.

Deshalb brauchen wir eine Politik, die die soziale und politische Lage versteht, um zu realistischen Lösungen im Interesse der Allgemeinheit zu kommen.

Titelbild: Kiselev Andrey Valerevich/shutterstock.com

[«1] „They are casting their problems at society. And, you know, there’s no such thing as society. There are individual men and women and there are families. And no government can do anything except through people, and people must look after themselves first. It is our duty to look after ourselves and then, also, to look after our neighbours.” – Margaret Thatcher in an interview in Women’s Own in 1987
Quelle: theguardian.com

[«2] Karl Marx, Friedrich Engels: Das Kommunistische Manifest: Kapitel 1: Bourgeois und Proletarier, aus dem Text der letzten von Friedrich Engels besorgten deutschen Ausgabe von 1890, S. 465

[«3] Ralf Schönball: 1000 Prozent in zehn Jahren, im Tagesspiegel vom 14. März 2018

[«4] https://kontrast.at/wien-mietpreise-gefoerderte-wohnungen/ von Patricia Huber vom 27. November 2018

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Karibischer Maidan-Versuch? US-Subversion gegen Kuba mit noch mehr Geld und neuen Projekten

20. April 2024 - 13:00

Wie in jedem Jahr werden im US-Bundeshaushalt Finanzmittel für die Subversion gegen den Nachbarstaat Kuba vorgesehen. Das jüngste Beispiel dafür ist der sogenannte „Accelerate Fund for Independent Media and Content Creators”, der von der US-Botschaft in Havanna vorgestellt wurde. Insgesamt umfasst die vom US-Kongress bereitgestellte Summe für „Programme zur Förderung der Demokratie“ auf Kuba über 25 Millionen Dollar. Von Edgar Göll.

„Die Abteilung für öffentliche Angelegenheiten der US-Botschaft in Havanna freut sich, die offene Bewerbungsphase für den Fonds für unabhängige Medien und Content-Ersteller bekannt zu geben. Der Accelerate Fund zielt darauf ab, unabhängigen kubanischen Medienschaffenden und unabhängigen kubanischen Journalisten Möglichkeiten zu bieten.”

So lautet die offizielle Mitteilung der US-Botschaft auf ihrer Homepage.

Demnach sollen sich die zu finanzierenden Projekte auf die Produktion von Inhalten zu „herausfordernden Themen” in Kuba fokussieren. Weiter soll es um „die Entwicklung mobiler Anwendungen oder anderer Technologien zur Förderung demokratischer Werte” gehen sowie um „die Verbindung und Stärkung von Netzwerken unabhängiger Produzenten von Inhalten in Kuba und die Finanzierung von Forschungsstudien, die die Situation unabhängiger Medien” auf der Insel bewerten sollen.

Mit der Finanzierung „unabhängiger Medien zur Förderung der Demokratie in Kuba” werde eine bereits laufende Kampagne gegen Kuba erweitert und intensiviert, mit der die Konsumenten der US-Inhalte dazu angeregt werden sollen, die Fähigkeit der kubanischen Regierung lautstark in Frage zu stellen, die Probleme des Landes zu lösen. Dies sei eine Methode, die aus der Durchführung der „farbigen Revolutionen” bekannt sei. Hier komme hinzu, dass die Probleme vor allem von der Blockade der USA selbst verursacht würden, heißt es auf der Webseite Cuba por Siempre dazu.

Als Adressaten werden „Frauen, Afrokubaner, LGBTQI+ und andere traditionell vernachlässigte Bevölkerungsgruppen” benannt. Programme „mit sozialer Wirkung in lokalen Gemeinschaften, die marginalisierten Bevölkerungsgruppen zugutekommen”, sollen unterstützt werden.

Alle Programme müssten „ein amerikanisches Kulturelement oder eine Verbindung zu amerikanischen Experten, Organisationen oder Institutionen in einem bestimmten Bereich beinhalten, die das Verständnis für die Politik und die Perspektiven der USA fördern”, so die Anweisungen des State Department. Die bezuschussten Projekte sollen demnach „die Kommunikation, das Engagement und den Dialog mit dem privaten Sektor und der Zivilgesellschaft fördern”.

Ein Hinweis zur Projektförderung lautet, dass „Zuschüsse nicht zur Finanzierung politischer Aktivitäten verwendet werden dürfen”, denn Botschaften sind politische Aktivitäten verboten. Gleichzeitig wird aber in Absatz 1.1 der Zweck der „Förderung der Ziele der US-Außenpolitik in Kuba” benannt.

Prensa Latina kommentiert, der neue Eifer der US-Botschaft sei kein Einzelfall: Der „antikubanischen Mafia im US-Kongress” sei es gelungen, die Finanzierung von mehr als 50 Millionen Dollar für subversive Aktionen im Haushalt zu erreichen, davon 25 Millionen für das Büro des „kubanischen Rundfunks“, das für Radio und TV Martí zuständig ist, und 25 Millionen für „Programme zur Förderung der Demokratie”.

Unterdessen berichtete die Plattform Razones de Cuba, kürzlich aufgedeckte Informationen belegten, dass US-Geheimdienste die sogenannte Operation 11. Juli 2024 gemeinsam mit Konterrevolutionären in Kuba planten. Eines ihrer Ziele sei es, eine „soziale Explosion” um den 11. Juli herum und eine Wiederholung der teilweise gewalttätigen Proteste von 2021 zu provozieren. Demnach wollen sie die Straßen Kubas während des Sommers „aufheizen” und dabei die schwierige wirtschaftliche Situation des Landes zuspitzen, unter anderem durch Sabotage am nationalen Stromnetz.

Dieser Artikel erschien zuerst auf Amerika21.

Titelbild: Screenshot – cu.usembassy.gov/25935/

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„Staat muss Kritik aushalten“ – Was sagt Bundesregierung zur Klatsche durch Bundesverfassungsgericht?

20. April 2024 - 12:00

Das Bundesverfassungsgericht hat in einem aufsehenerregenden Urteil vom 11. April einen Versuch der Bundesregierung zurückgewiesen, sich von kritischen Äußerungen, und seien diese auch polemisch gefärbt, juristisch abzuschirmen. Zuvor hatte BMZ-Ministerin Svenja Schulze versucht, per Unterlassungsbescheid Ex-BILD-Chef Julian Reichelt Kritik an ihrem Ministerium zu untersagen. Dieser hatte daraufhin Verfassungsbeschwerde eingelegt (die NachDenkSeiten berichteten). In der höchstrichterlichen Entscheidung wurde u.a. festgestellt: „Dem Staat kommt kein grundrechtlich fundierter Ehrenschutz zu. Der Staat hat grundsätzlich auch scharfe und polemische Kritik auszuhalten.“ Die NachDenkSeiten wollten vor diesem Hintergrund unter anderem wissen, ob Innenministerin Nancy Faeser immer noch zu ihrer Aussage vom Februar 2024 steht. Damals hatte sie im Kontext der Vorstellung des „Demokratiefördergesetzes“ erklärt, dass diejenigen, die den Staat verhöhnen, es ab jetzt mit einem starken Staat zu tun bekommen werden. Von Florian Warweg.

Frage Warweg
Ich hätte eine kurze Frage an das BMZ: Die Ministerin hat sich am 11. April eine relativ fette juristische Klatsche vor dem Bundesverfassungsgericht eingefangen. Da würde mich nur interessieren, wie sie das Urteil bewertet.

Stützel (BMZ)
Das Ministerium hat sich zu dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, der gestern veröffentlicht wurde, bereits gestern geäußert. Wir haben den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts mit Respekt zur Kenntnis genommen. Es ist wichtig, klarzustellen, dass es dem BMZ bei dem Verfahren ausdrücklich niemals darum ging, sich vor Kritik zu schützen. Wir können mit konstruktiver Kritik, mit Hinweisen auf Fehler sehr gut umgehen.

Das macht unsere Arbeit besser. Kritik an der Bundesregierung gehört zur Demokratie, und freie Meinungsäußerung ist quasi konstituierend für eine freiheitliche Demokratie, in der wir hier leben.

Es ging bei der gerichtlichen Auseinandersetzung allein darum, dass die Fakten stimmen; denn Fakten sind die Grundlage für eine ehrliche Debatte. Der Fakt ist unbestritten: Deutschland zahlt keine Gelder an das Regime der Taliban. Das Bundesverfassungsgericht kommt in seiner Würdigung zu einem anderen Ergebnis als wir, was die genaue Trennlinie zwischen Tatsachenbehauptungen und Meinungsäußerungen angeht, und das respektieren wir selbstverständlich.

Zusatzfrage Warweg
Das Gericht sagt auch, dem Staat komme kein grundrechtlich fundierter Ehrenschutz zu, und der Staat habe grundsätzlich auch scharfe und polemische Kritik auszuhalten. Das führt mich zum Bundesinnenministerium: Am 13. Februar hatte Frau Faeser erklärt, diejenigen, die den Staat verhöhnen, müssten es mit einem starken Staat zu tun bekommen. Da würde mich nur interessieren, auch angesichts dieses Urteils des Bundesverfassungsgerichts: Steht Frau Faeser nach wie vor zu dieser Aussage?

Dr. Kock (BMI)
Ja, selbstverständlich, und ich kann mich da nur anschließen: In Deutschland darf jeder seine Meinung frei äußern und auch friedlich demonstrieren. Versammlungs- und Meinungsfreiheit sind zentrale Rechte unserer Verfassung, die wir schützen.

Titelbild: Screenshot NachDenkSeiten, Bundespressekonferenz 17. April 2024

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Leserbriefe zu „Vom Albtraum der Faeser-Demokratie“

20. April 2024 - 11:00

Hier diskutieren Friedhelm Klinkhammer und Volker Bräutigam über die Bundesinnenministerin Nancy Faeser. Sie sei als „Verfassungsschutz-Ministerin“, die das Grundgesetz hüte, eine „Fehlbesetzung“. Es werde „hier nicht von Stilfragen und Petitessen“ geredet, sondern „vom gänzlich fehlenden Demokratieverständnis einer Politikerin, die nicht einmal versucht, das Grundgesetz ‘unterm Arm und im Bewusstsein’ zu tragen“. Sie sei ein „fleischgewordener Widerspruch zum Freiheitsideal unserer Ersatz-Verfassung“. Wir danken für die interessanten Zuschriften. Es folgt nun eine Auswahl der Leserbriefe. Christian Reimann hat sie für Sie zusammengestellt.

1. Leserbrief

Sehr geehrte NDS Redaktion,

schon merkwürdig, dass jemand, der vorgibt, die Demokratie schützen zu wollen, sie in Wirklichkeit angreift.

Wirklich Pech, wenn man in Krisenzeiten eine Regierung hat, die denkbar ungeeignet ist für die Bewältigung der damit verbundenen schwierigen Aufgaben.

Eigentlich müsste man Regierungsmitglieder vor Amtsantritt nicht nur einer fachlichen Prüfung für ihr vorgesehenes Ressort unterziehen, sondern auch intensiven psychologischen Tests. Besonders solchen Tests, die Persönlichkeitsstörungen aufspüren.

Mit freundlichem Gruß
Patrick Janssens

2. Leserbrief

Liebes NDS Team,

Danke für den Überblick, diese Frau ist wahrlich zur fleischgewordenen Abrissbirne unserer Verfassung geworden. Wenn Frau Faeser mit ihrer rigorosen Zerstörung der Demokratie fertig ist, bleibt von Demokratie nicht fiel übrig. Der Kontrollwahn dieser offensichtlich psychisch kranken Frau soll sich also bis in die Gedankenwelt unserer Bürger erstrecken.

Das ist entlarvend: Nichts fürchten Kreaturen wie Faeser und Haldenwang mehr als unsere Gedanken – zu recht!!

Um es mit Albrecht Müller zu sagen: „ Glaube wenig – Hinterfrage Alles – DENKE SELBST“.

Viele Grüße
Peter Fenske

3. Leserbrief

Es wird hierzulande gerne von russischer, chinesischer, iranischer pp Desinformation und Propaganda  lamentiert. Haben diese Länder doch gar nicht nötig. Es kann ihnen doch völlig ausreichen, wahrheitsgemäß über die aktuelle bundesdeutsche Wirklichkeit zu berichten, um Verlogenheit, Heuchelei, Unaufrichtigkeit, Rechtsstaatsfeindlichkeit, intellektuelles Niveau usw der aktuellen deutschen Regierung und auch der Mehrheit des deutschen Parlamentes treffend einzuordnen.
 
Auftrittsverbote, Einreiseverbote, Äußerungsverbote (aktuell Varoufakis) –Kontaktschuld, Beweislastumkehr usw – ich fasse es nicht. Wie weit sind wir eigentlich schon wieder gekommen?
 
Bücherverbrennungen, Gesinnungsschnüffelei,  Inquisition usw – das sind für mich die finstersten Kapitel des Mittelalters. Und  plötzlich sind wir wieder ganz in der Nähe.  Es würde mich inzwischen nicht mehr wundern, wenn selbst Hexenverbrennungen, medial als Event aufbereitet, wieder in Mode kämen. Für die gute Sache –  versteht sich.
 
Da hat Deutschland ja wahrhaftig wieder eine Führungsrolle in der Welt übernommen.
Es wäre interessant, wie selbst im WESTLICHEN Ausland – zB in Griechenland  über solche Entwicklungen (siehe Varoufakis) berichtet wird.

MfG
G. Hantke

4. Leserbrief

Liebe Nachdenkseiten,

mein Betreff lautet “Skandal um Nancy”, aber leider sehen unsere Medien mit großer Reichweite da gar keinen Skandal, um so erfreulicher, dass immerhin die Nachdenkseiten in mehreren Beiträgen, z.B. “Vom Albtraum der Faeser-Demokratie”, diesen Skandal von Innenministerin thematisieren. (Schlimmer geht immer, ich erinnere mich noch gut an Friedrich Zimmermann (CSU), aber gegenüber Nancy war der geradezu niedlich!)

Vor Empörung kann ich nur noch stammeln, wie kann man Freiheit und Demokratie so mit Füßen treten und das als Innenministerin? Ich fasse es einfach nicht. Diesen Monat geht eine Extraspende an die Nachdenkseiten, denn die Empörung sollte uns nicht lähmen sondern aktivieren. Danke für die letzten Beiträge, sie sind Zeichen der Hoffnung in einer Talfahrt westlicher Demokratien.

Nicht aufgeben!

Liebe Grüße
Joachim Wirth

5. Leserbrief

Verehrte Nachdenk-Helfer,

Es ist schwer zu ertragen wie die Einschränkungen unseren freien Lebens scheibchen-weise voranschreitet. In einem Ministerium sollte es kompetente Juristen geben die derart interpretationsoffene Formulierungen von Gesetzen und Vorgaben nicht aus tagespolitisch-motivierter Effekthascherei aus Politikermund in wirkliches “Recht” transformieren lassen.
Und es ist schwer zu ertragen dass wir ohnmächtig all dem ausgeliefert sind, Manipulation und Propaganda wie von Herrn Müller anhand einer Maischberger-ÖRR-Sendung vorgeführt, Zensur wie das seit gestern (!!) auch im Internet nicht mehr erreichbare Medienangebot von RT (test.rtde.tech), und medial kaltgestellte Versuche einer Besserung wie gezeigt am  08. April 2024 um 13:21 „Manifest“: Kein Interesse an den Kritikern von DLF, ARD und ZDF — all das ist deprimierend.

Anstrengungen zurück zu einem Leben nach dem Deutschen Grundgesetz scheinen durch einen ‘Iron Dome’ abgeschirmt von den uns Regierenden, und eine Wahl ist so weit weg. Traurig, diese immer perfektere Abspaltung von Herrschenden und Beherrschten, so wie sie uns vor Jahrzehnten abschreckend aus der DDR oder China erzählt wurde.

Roland Diehl

6. Leserbrief

Diese Alptraumentwicklung muss ich auch aus persönlichen Erfahrungen bestätigen.

Alle machen mit und dennoch gibt es kaum Zustimmung zur Regierung.

Ich frage mich ob das nicht Folge dieses Prinzips ist.
“Das stellt eine rechtsstaatsfeindliche Beweislast-Umkehr dar”

Ist das nicht bei der Mietpreisbreme ebenso, der mickrigen, kaum wirksamen Gegenregulierung
des Staates gegen den Mietenwahsninn.

Wer bitte zieht denn in eine Wohnung ein und klagt sofort nach dem Einzug gegen seinen Vermieter, damit die Mietpreisbremse eingehalten wird, von wegen Beweißlastumkehr

Wer dann den Staat verhöhnt,und verbal etwas zugespitzter wird oder diese demokratischen Gesetze, weil das eine Einladung der Vermieter zum abzocken ist – und keine Wirkung zeigt, kann dann noch aus dem job entfernt werden oder den öffentlichen leben oder wie auch immer.

Grüße
Karin Irmer

7. Leserbrief

Mir ist es unverständlich, warum die Autoren persönlich auf der Person der Frau Faeser, im traditionellen Richterdeutsch “die Faeser”, herumhacken. Ich kann es mir nur so erklären, dass durch das Fehlen eigener historischer Erfahrungen das Geschichtsbild der Verfasser davon ausgeht, dass es jemals in der BRD so etwas wie einen “demokratischen Rechtsstaat” gab. Allein die Tatsache, dass es die Parteien der CDU/CSU und der FDP unzähligen Juristen, die zum Straftäter wurden und in der Ära von 1933 – 1945 Verbrechen begingen, jenen ermöglichten ihre Karriere ungehindert in den Justizorganen der BRD fortzusetzen, widerspricht dies einem demokratischen Rechtsstaat. Ein Blick in das “Braunbuch” (Branchenbuch für NS-Täter in der BRD ab 1949) offenbart in erschreckender Weise, dass die Täter lediglich die Farbe ihrer Anzüge im Zivilleben auswechselten.

Daraus folgt, dass sich die (Un)Rechtstradition, welche schon der Schriftsteller und Jurist Kurt Tucholski anprangerte, bis zum heutigen Tage fortsetzt. Es sei an das Verbot der KPD erinnert, an die Repressalien, die Bürger erlitten, wenn sie von der regierungsamtlichen Meinungsvorgabe abwichen. Schauspielerin und Sängerin Trude Herr, jeder Kölsche wird sich an sie erinnern, ist nur ein Beispiel davon. Heutige Beispiele: Peter Sodann (Kommissar Ehrlicher, r.i.p.) in Sippenhaft mit Bernd-Michael Lade (Kain). Zu Beginn der Siebziger Jahre erfolgten dann die Berufsverbote, welche nun heute wieder hochaktuell sind, um unliebsame Mitbürger wie Beamte und Angestellte des öffentlichen Dienstes aus ihrer Funktion zu entfernen oder sie von Bewerbungsverfahren auszuschließen. 

Ferner zeigt sich, dass sämtliche Bundesregierungen vorsätzlich dazu beitrugen, dass der Rechtsextremismus ungehindert wieder in der BRD seinen Einfluss stetig steigern konnte. Die dubiosen Vorgänge bei den Ermittlungen von Verbrechen, die vom “nationalsozialistischen Untergrund” begangen wurden, wo wichtige Zeugen urplötzlich verstarben, wo prozesswichtige Akten vernichtet wurden, die Arbeit des Verfassungsschutzes allgemein eher an einen “SD” der Prägung Heydrich erinnerten, belegen die Strategie von einer in der Hinterhand gehaltenen rechtsextremistischen Bewegung zur Bekämpfung linker Oppositioneller.

So ergibt sich eine Struktur der Staatsform der BRD, die demokratisch und rechtsverbindlich nur für eine von Regierung und Parlament vorgegebene Meinung und Haltung gültig ist. Daher wird jeder Innenminister, gleich welcher Partei, immer die Strategie eines Überwachungs- und Kontrollstaates verfolgen. Bitte nicht vergessen, dass ein Heiko Maas (SPD) ungerügt behaupten durfte, dass die Rechtsprechung sich am Willen des Volkes zu orientieren habe. Aus verschiedenen Mündern heutiger Bundespolitiker ist folgerichtig zu vernehmen, das Kriegstüchtigkeit im Vordergrund zu stehen habe und Pazifismus in Form von “Desinformationen” strafbar werden soll. Ich empfehle dafür den Begriff “Wehrkraftzersetzung”.

Wem nützt es? Es nützt denen, die am Krieg und an dem Ausquetschen der ärmeren Teile dieses Staates unbeschreibliche Gewinne mitnehmen. In abgewandelter Form eines Sprichwortes kann man über Ministerinnen sagen: “Zugegeben diese Ministerin ist das Letzte, aber nicht die letzte!”

Stephan Ebers

Anmerkung zur Korrespondenz mit den NachDenkSeiten

Die NachDenkSeiten freuen sich über Ihre Zuschriften, am besten in einer angemessenen Länge und mit einem eindeutigen Betreff.

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Kategorien: Externe Ticker

Videohinweise am Samstag

20. April 2024 - 9:00

Hier finden Sie in der Regel am Mittwoch und am Samstag einen Überblick über interessante Videobeiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie anschauen wollen. Die Videohinweise sind auch auf unserer YouTube-Seite als spezielle Playlist verfügbar. Auch für die Rubrik „Musik trifft Politik“ gibt es eine eigene Playlist (CG: Christian Goldbrunner)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Todeszone Gaza: Waffen aus Deutschland | Panorama
  2. Israel Considers Attacking Iran and Invading Rafah as Netanyahu Seeks Lifelines to Stay in Power
  3. BENZINPREIS-DECKEL: Sahra Wagenknecht fordert Obergrenze von 1,50 Euro! – “Hälfte sind Steuern”
  4. Sevim Dağdelen: Der Westen muss aufhören, Israels Krieg in Gaza zu unterstützen
  5. Ich erwarte trotzdem immer eine Antwort… | Roberto De Lapuente & Florian Warweg
  6. USA blockieren UN-Anerkennung Palästinas, während Israel den Iran angreift
  7. Dr. Daniele Ganser: Israel attackiert USA, USS Liberty 1967
  8. Scholz in China – Kohl rotiert im Grab
  9. Yanis Varoufakis Banned from Germany as Berlin Police Raid & Shut Down Palestinian Conference
  10. Die verlogene Entnazifizierung Deutschlands ǀ Artur Becker & Zachary Gallant
  11. Abgeordnete über Corona-Politik und Aufarbeitung
  12. „Intellektuelle wichtigstes Ziel der C-Propaganda“ – Punkt.PRERADOVIC mit Dr. Ronald Bilik
  13. Basta Berlin (221) – Transsilvanien
  14. LICHTSPIELHAUS-TALK Episode #3 Jens Böttcher im Gespräch mit Sylvie-Sophie Schindler
  15. Kabarett, (Real-)Satire, Comedy und Co.
  16. Musik trifft Politik

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Beiträge einverstanden sind. Verantwortlich für die Richtigkeit der zitierten Aussagen sind die jeweiligen Quellen und nicht die NachDenkSeiten. Sie können uns bei der Zusammenstellung der Videohinweise unterstützen, indem Sie interessante Fundstücke an die Adresse videohinweise@nachdenkseiten.de schicken. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Todeszone Gaza: Waffen aus Deutschland | Panorama
    Im Gazastreifen setzt die israelische Armee offenbar auch Waffen aus Deutschland ein. Nach dem Hamas-Massaker wurden deutlich mehr Waffenexporte nach Israel genehmigt.
    Quelle: ARD Mediathek, 18.04.2024
  2. Israel Considers Attacking Iran and Invading Rafah as Netanyahu Seeks Lifelines to Stay in Power
    [Israel erwägt einen Angriff auf den Iran und eine Invasion in Rafah, während Netanjahu nach einem Rettungsanker sucht, um an der Macht zu bleiben. Neue Berichte deuten darauf hin, dass die Regierung Biden den israelischen Plan, Rafah anzugreifen, im Gegenzug für den Verzicht Israels auf einen Gegenschlag gegen den Iran genehmigt hat. “Israel wird mit ziemlicher Sicherheit in irgendeiner Weise auf den iranischen Angriff reagieren”, sagt Mairav Zonszein, ein leitender Israel-Analyst der International Crisis Group. Jetzt “hat es den Vorteil, dass es beide Drohungen aussprechen kann”: eine Invasion in Rafah, die die Zahl der Todesopfer unter den Palästinensern im Gazastreifen stark erhöhen würde, oder ein Angriff auf den Iran, der wahrscheinlich einen größeren regionalen Krieg auslösen würde. Während die Zustimmung Israels zu Premierminister Benjamin Netanjahu drastisch abgenommen hat, deutet Zonszein an, dass die Militärkampagne keine Anzeichen für ein Ende hat. “Die israelische Gesellschaft ist größtenteils eine rechtsgerichtete Gesellschaft. Es ist eine Gesellschaft, die nicht über Palästinenser oder die Besatzung gesprochen oder nachgedacht hat, außer wenn sie dazu gezwungen wurde. Und es ist eine Gesellschaft, die sich daran gewöhnt hat, ungestraft zu handeln.” Übersetz. d. Videobeschreibung CG]
    Quelle: Democracy Now!, 18.04.2024

  3. BENZINPREIS-DECKEL: Sahra Wagenknecht fordert Obergrenze von 1,50 Euro! – “Hälfte sind Steuern”
    Die Preise für Benzin und Diesel steigen seit Jahresbeginn wieder kontinuierlich an. Die Bundestagsabgeordnete Sahra Wagenknecht fordert deshalb einen Spritpreisdeckel in Deutschland. Die Preisobergrenze von 1,50 Euro pro Liter Diesel und Benzin dürfe nicht überschritten werden, so Wagenknecht. Die BSW-Chefin fordert damit eine deutliche Senkung der Steuern. Das würde die reale Kaufkraft der Bürger erhöhen und die Zitat: “unverschämten Gewinne der Ölkonzerne schmälern, die ihre Marktmacht maximal ausnutzen“.
    Quelle: WELT Netzreporter, 16.04.2024

    Anmerkung CG: Das Interview mit Sahra Wagenknecht beginnt ab Minute 5:27 [LINK] mit dem Thema Benzinpreis-Deckelung. Um die Eskalation in Nahost geht es ab Min. 11:53, um Scholz Reise nach China ab 13:44.

  4. The West needs to stop supporting Israel’s war in Gaza
    [Der Westen muss aufhören, Israels Krieg in Gaza zu unterstützen. Die deutsche Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen bei The Freedom Side by BreakThrough News am 19. April 2024. Letzte Woche musste sich die deutsche Regierung vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH), dem höchsten UN-Gerichtsorgan, wegen (mutmaßlicher; Anm.CG) Beihilfe zum israelischen ‘Völkermord’ in Gaza verantworten. In dem historischen Verfahren, das von Nicaragua angestrengt wurde, wird Deutschland, Israels zweitgrößter Waffenlieferant nach den USA, beschuldigt, durch seine politische, finanzielle und militärische Unterstützung Israels Beihilfe zum Völkermord geleistet zu haben. Sevim Dagdelen, Mitglied des Deutschen Bundestages und die einzige parlamentarische Beobachterin bei den Anhörungen, erörtert, wie die eklatante Doppelmoral des Westens vor dem IGH zur Schau gestellt wurde. Übersetz. d. Videobeschreibung CG]
    Vollständige Sendung hier [LINK].
    Quelle: Sevim Dağdelen, 19.04.2024

  5. Ich erwarte trotzdem immer eine Antwort… | Roberto De Lapuente & Florian Warweg
    Roberto J. De Lapuente spricht mit Florian Warweg von den Nachdenkseiten. Florian Warweg ist der Parlamentskorrespondent der Nachdenkseiten und Vertreter der Bundespressekonferenz. Von wo aus er über die Vorkommnisse im Bundestag berichtet. Es war allerdings kein leichter Weg, da die Nachdenkseiten zunächst ausgeschlossen wurden, nach erfolgreicher Klage sitzt er seit September 2023 wieder wöchentlich im Haus der deutschen Bundespressekonferenz.
    Quelle: Overton Magazin, 14.04.2024

  6. US blocks UN from recognizing Palestine, while Israel attacks Iran
    [USA blockieren UN-Anerkennung Palästinas, während Israel den Iran angreift. Die USA haben im UN-Sicherheitsrat ihr Veto gegen eine Resolution eingelegt, die die Anerkennung Palästinas als Mitgliedstaat vorsieht, während Israel den Iran angreift. Ben Norton zeigt, wie sich Washington dem Frieden widersetzt.
    Themen: 0:00 Einleitung 1:29 Israel greift den Iran an 4:39 USA legen Veto gegen palästinensische UN-Mitgliedschaft ein 7:31 Wie ist der Status Palästinas bei der UN? 8:57 Welche Länder erkennen Palästina an? 10:18 Heuchelei der “Zweistaatenlösung” 12:01 Wie die USA den Frieden in Palästina verhindern 15:35 Die USA verteidigten die südafrikanische Apartheid bei der UNO 18:30 Südafrikas Anti-Apartheid-Führer unterstützen Palästina 21:02 China unterstützt Palästina 22:56 Russland unterstützt Palästina 23:47 USA legen Veto gegen Gaza-Resolutionen des UN-Sicherheitsrats ein 25:53 USA unterstützen Israels Verbrechen gegen die Menschlichkeit 27:23 Schlusswort
    Übersetz. d. Videobeschreibung CG]
    Quelle: Geopolitical Economy Report (Ben Norton)

  7. Dr. Daniele Ganser: Israel attackiert USA, USS Liberty 1967
    Während dem so genannten 6-Tage-Krieg hat Israel im Jahre 1967 das amerikanische Kriegsschiff USS Liberty angegriffen. Warum eigentlich?
    Der 6-Tage-Krieg war ein kurzer, schneller und sehr erfolgreicher Militärschlag Israels. Er begann am 5. Juni 1967 mit einem Angriff der israelischen Luftwaffe, welche die ägyptische Luftwaffe auf dem Sinai am Boden komplett zerstörte. Im Laufe der Kampfhandlungen eroberte Israel bis zum 10. Juni 1967 den Gazastreifen und die Sinai-Halbinsel von Ägypten, das Westjordanland von Jordanien inklusive Ostjerusalem und die Golanhöhen von Syrien.
    Nach Kriegsausbruche wurde das Aufklärungsschiff USS Liberty mit einer Besatzung von 358 Mann vor die Küste Ägyptens geschickt um dort den Funkverkehr der kriegführenden Staaten Israel und Ägypten abzuhören. Am 8. Juni 1967 wurde die USS Liberty von Israel mit Bomben, Torpedos und Napalm angegriffen. Immer wieder flogen die israelischen Düsenjäger über das Schiff und feuerten aus Bordkanonen und Maschinengewehren und töteten 34 US-Amerikaner, 171 wurden verwundet.
    Warum hat Israel damals die Liberty angegriffen? Der US-Autor James Bamford glaubt, Israel wollte seine Kriegsverbrechen im Sechstagekrieg vertuschen, da es in Ägypten in Al Arish am selben Tag Hunderte gefesselte Zivilsten und Gefangene umgebracht hatte. Führende Vertreter der NSA «sind fest davon überzeugt, dass Israel befürchtete, die Liberty hätte Beweise für Kriegsverbrechen gesammelt. Deswegen ordneten sie an, das Schiff mit Mann und Maus zu vernichten.“
    Der Forscher Elias Davidson hat eine andere Erklärung für den Angriff. Er glaubt, das Schiff sollte versenkt werden um danach die Tat den Ägyptern in die Schuhe zu schieben. «Im Juni 1967 entsandte die US-Regierung das Spionageschiff USS Liberty in den Vorderen Orient und beauftragte die israelischen Militärbehörden, das Schiff zu versenken. Ihr Vorhaben war, Ägypten den Untergang des Schiffes in die Schuhe zu schieben und damit einen Vorwand für einen US-amerikanischen Angriff auf Ägypten zu konstruieren. Da es den israelischen Streitkräften nicht zeitig gelang, das Schiff zu versenken, konnten Überlebende den wahren Ablauf erzählen.«
    Quelle: Daniele Ganser, 18.04.2024

  8. Scholz in China – Kohl rotiert im Grab
    1984 reiste Helmut Kohl nach China mit einer Volkswagen-Autofabrik im Gepäck, die mit dem VW Santana der chinesischen Automobilindustrie den Weg bereitete. Bau zweier Kernkraftwerke deutschen Designs standen weiterhin auf Pekings Wunschzettel. 2024 reist Olaf Scholz vielmehr als Bittsteller nach China. Als Erfolg gilt heute die Freigabe deutscher Rindfleisch-Exporte. Und dass Xi Jinping dem deutschen Kanzler drei Stunden lang zugehört hat. Was dabei herausgekommen ist, wirtschaftlich wie geopolitisch – im InfraRot-Kommentar mit Ivan Rodionov.
    Quelle: InfraRot – Sicht ins Dunkel, 18.04.2024

  9. Yanis Varoufakis Banned from Germany as Berlin Police Raid & Shut Down Palestinian Conference
    [Yanis Varoufakis durfte nicht nach Deutschland einreisen, da die Berliner Polizei eine Razzia durchführt und eine Palästinenserkonferenz abbricht. Während Deutschland immer härter gegen pro-palästinensische Stimmen vorgeht, sprechen wir mit dem griechischen Wirtschaftswissenschaftler und Politiker Yanis Varoufakis, einem der geplanten Redner auf einer Konferenz in Berlin, die am vergangenen Wochenende von der Polizei gewaltsam aufgelöst wurde. Der Palästina-Kongress sollte drei Tage lang stattfinden, aber die Polizei stürmte den Veranstaltungsort, als der erste Redner sprach. Das deutsche Innenministerium hatte einigen Rednern, darunter Varoufakis, dem palästinensischen britischen Chirurgen Ghassan Abu-Sittah und dem palästinensischen Forscher Salman Abu Sitta, sogar die Einreise untersagt. “Hier geht es nicht darum, jüdisches Leben und Juden vor Antisemitismus zu schützen. Es geht nur darum, das Recht Israels zu schützen, jedes beliebige Kriegsverbrechen zu begehen”, sagt Varoufakis. Wir sprechen mit Varoufakis auch über die Freilassung von Julian Assange und sein neues Buch Technofeudalism. Übersetz. d. Videobeschreibung CG]
    Quelle: Democracy Now!, 16.04.2024

  10. Die verlogene Entnazifizierung Deutschlands ǀ Artur Becker & Zachary Gallant
    Artur Becker spricht mit Zachary Gallant über sein Buch Nazis All The Way Down: The Myth of the Moral Modern Germany – In Deutschland ist das alltägliche Leben, einschließlich Unternehmen, Verbänden, Kommunalverwaltungen, Parks, Schulen, Kirchen und Medien, immer noch von den Nazi-Verbrechen belastet, die im öffentlichen Bewusstsein nicht anerkannt werden. Das sagen Zachary und Katharina F. Gallant, die die derzeitige deutsche Praxis des Gedenkens an die Verbrechen des Nationalsozialismus kritisieren, weil sie die Stimmen und die Handlungsfähigkeit der Opfergruppen ausgeklammert. In ihrem Buch fordern sie eine “Entnazifizierung 2.0”, die darin besteht, das Vermögen der deutschen Unternehmen und Familien zu enteignen, die direkt mit den Naziverbrechen in Verbindung gebracht werden können, um dieses enteignete Kapital zur Bewältigung der dringendsten Katastrophen unserer Zeit einzusetzen.
    Zachary Gallant, Autor von Nazis All The Way Down: The Myth of the Moral Modern Germany, berichtete als Journalist über Politik und Korruption in den USA und auf dem Balkan. Er lebt seit 2012 in Deutschland, wo er mit Unterstützung der Europäischen Kommission und des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge zahlreiche Projekte zu Flüchtlingshilfe, interkultureller Verständigung und Klimagerechtigkeit durchgeführt und organisiert hat.
    Artur Becker, geb. 1968 in Bartoszyce (Polen), lebt seit 1985 in Deutschland, zurzeit als Artist in Residence im Hotel Lindley in Frankfurt am Main. Er ist Lyriker, Essayist, Romancier, Publizist und Übersetzer und debütierte 1984 mit Gedichten in der Gazeta Olszty?ska. Seit 1989 schreibt er auf Deutsch. 1997 erschien sein erster Roman “Der Dadaj see”, 1998 sein erster Gedichtband “Der Gesang aus dem Zauberbottich”. Mittlerweile hat er mehr als 20 Bücher veröffentlicht, u. a. die Romane “Wodka und Messer. Lied vom Ertrinken” (2008), “Der Lippenstift meiner Mutter” (2010) und “Drang nach Osten” (2019). Er schreibt für die Frankfurter Rundschau, die Neue Zürcher Zeitung und Rzeczpospolita. Becker wurde mit dem Chamisso-Preis (2009), dem Dialog-Preis (2012) und dem Kakehashi-Literaturpreis (2022) ausgezeichnet und hielt 2020 die Dresdner Chamisso-Poetikdozentur.
    [Das Buch erhalten Sie bei Ihrem Buchhändler vor Ort oder beispielsweise via Buchkomplizen (LINK).]
    Quelle: Westend Verlag, 31.03.2024

  11. Abgeordnete über Corona-Politik und Aufarbeitung
    Dr. Saskia Ludwig ist seit 2004 Landtagsabgeordnete der CDU in Brandenburg, war von Juni 2010 bis September 2012 Landesvorsitzende ihrer Partei. Von Dezember 2019 bis Oktober 2021 außerdem Mitglied des Deutschen Bundestags. Sie hatte somit Einblick in die Arbeit der CDU-Bundestagsfraktion und in den politischen Umgang mit der Corona-Krise. In unserem Gespräch geht es um die Frage, wie Abgeordnete sich bezüglich der Pandemiepolitik informiert haben und inwieweit es in Zeiten von Onlinemeetings möglich war, über ein so brisantes Thema wie Corona auch innerhalb der Fraktion zu debattieren.
    Saskia Ludwig äußert in diesem Gespräch, dass sie mit Staunen erlebt habe, wie leichtfertig es möglich war, eigentlich unveräußerliche Grundrechte für einen sehr langen Zeitraum einzuschränken. Sie erläutert zudem, wie sie mithilfe von relevanten Zahlen und Statistiken sowie Gesprächen in ihrem Wahlkreis relativ schnell zu der Erkenntnis kam, dass die ausgerufene Gefahr durch Corona nicht vollumfänglich der Realität entsprach. Besorgt habe sie eine Art “Notstandsregieren” beobachtet, bei dem Politik im “Krisenmodus” und unter Wegfall von Debatte und Austausch geschieht.
    Sehr früh setzte Saskia Ludwig sich deshalb für einen verhältnismäßigen Umgang mit SARS-Cov2 ein und plädierte für Öffnungen und Eigenverantwortung der Bürgerinnen und Bürger. Derzeit ist sie Mitglied im zweiten Corona-Untersuchungsausschuss des Brandenburgischen Landtags. Die Aufarbeitung der Pandemiepolitik ist für sie von enormer Wichtigkeit: “Die Aufarbeitung der Corona Zeit ist unumgänglich, wenn man die Spaltung und schleichende Entdemokratisierung unserer Gesellschaft stoppen will.”
    Mit Blick auf die aktuelle politische Lage in Deutschland wirbt Saskia Ludwig dafür, dass mehr Menschen ihre Meinung offen und ehrlich kundtun. Sie ruft dazu auf den Mut zu haben, zu den richtigen Dingen zu stehen.
    Artikel und Podcast [LINK]
    Quelle: Bastian Barucker, 09.03.2024

  12. „Intellektuelle wichtigstes Ziel der C-Propaganda“ – Punkt.PRERADOVIC mit Dr. Ronald Bilik
    Es wirkt schon lächerlich, wie die Verantwortlichen und ihre Medien versuchen, die Corona-Zeit „aufzuarbeiten“. Man bleibt einfach unter sich. Klopft sich auf die Schulter und gibt gönnerhaft kleine Fehler zu. Die kritischen Stimmen der Zeit werden natürlich nicht eingeladen oder befragt. Der Althistoriker, Personalentwickler und Autor, Dr. Ronald Bilik seziert in seinem Buch „Pandemische Irrtümer – Kritische Bemerkungen zur erfolgreichen Missionierung der Corona-Gläubigen“ die Propagandamechanismen, die weiterlaufen und sagt: „Wir müssen sie selber nutzen.“ Er erklärt, warum die Gehirnwäsche vor allem auf die Intellektuellen und Gebildeten zielte und dass die Kritiker von Anfang an eingepreist waren.
    Quelle: Punkt.PRERADOVIC, 19.04.2024

  13. Basta Berlin (221) – Transsilvanien
    Robert wird zu Hannelore und Benjamin zu Susi. Doch das Selbstbestimmungsgesetz der Trans-Former im Bundestag birgt zahlreiche Gefahren. Dabei hat Deutschland wahrlich größere Probleme: Etwa die Inkompetenz des Wirtschaftsministers… #BastaBerlin!
    Darum geht es heute: Benjamin Gollme und Marcel Joppa, die Jungs von Basta Berlin, finden Selbstbestimmung toll! Etwa wenn es um „Impfungen“ oder politische Maßnahmen geht. Wenn es jedoch um schnelle Geschlechtsumwandlungen geht, ist die Sorge groß. Warum? Das erklären wir heute. Ebenfalls sorgenvoll blicken wir auf die deutsche Wirtschaft…
    Die Kapitel:
    00:00:00 Begrüßung und Themen
    00:02:11 Trans-Former
    00:32:51 Zuschauerfeedback
    00:42:32 Insolvenz-Republik
    01:00:54 Webtipp und Schreddern
    Links zur aktuellen Sendung:
    Die Studie zur Entwicklung der Strompreise [LINK]
    Unser Webtipp: Marco Rima mit „Übrigens… Corona Leaks“ [LINK]
    Quelle: Basta Berlin, 18.04.2024

  14. LICHTSPIELHAUS-TALK Episode #3 Jens Böttcher im Gespräch mit Sylvie-Sophie Schindler
    Die dritte Lichtspielhaus-Episode. Schriftsteller und Musiker Jens Böttcher im Gespräch mit Philosophin und Journalistin Sylvie-Sophie Schindler. Ein tiefgründiger Talk über gesellschaftliche Spaltung, die generationsübergreifenden seelischen Nachwehen deutscher Geschichte , über das Leben, den Tod, die Anarchie, Jesus und die Liebe.
    Quelle: Jens Böttcher, 12.04.2024

  15. Kabarett, (Real-)Satire, Comedy und Co.
    • Eilmeldung: Was darf man heutzutage eigentlich noch sagen? – Küppersbusch TV
      Uns sind zwei Sachen in letzter Zeit in #Deutschland aufgefallen:
      1. Wer gehört eigentlich zu unserem Land? Und wer bestimmt das?
      2. Was darf noch gesagt werden?
      Ein Vergleich: Die Narrative von dem #Angriffskrieg von #Russland auf die #Ukraine und der Luftangriff von #Iran auf #Israel.
      Trotzdem viel Spaß und gute Unterhaltung!
      0:00 Das wird man ja wohl noch sagen dürfen!!!
      0:41 Gehört der #Islam zu Deutschland?
      4:40 Narratives Framing
      8:09 Leider nicht Friesis musikalisches Quiz
      Die gezeigten Quellen findet ihr hier [LINK]
      Quelle: Küppersbusch TV

      Anmerkung CG: Küppersbusch mit Satire vom Feinsten.

    • SCHLAND! – Das Musical
      #DeepFakeSatire
      Quelle: Snicklink, 18.04.2024

    • Strack-Zimmermann vs. Ravensburg
      Quelle: _horizont_, 18.04.2024

  16. Musik trifft Politik
    • Alexa Rodrian – Eye for an Eye

    • Jens Fischer Rodrian – A’isch

      Anmerkung aus der Videobeschreibung: Die Etude A’ísch (arabisch: ich lebe – ein Wort, dass man oft nach Bombenangriffen hört) habe ich im November 2023 in Gedanken an die Menschen in Gaza geschrieben. Ich widme A´isch meinem halb-palästinensischen Freund Nadim Helow, der seit Jahren mit dem Volk seines Vaters leidet und der mich bei meiner Weiterbildung zu diesem Thema begleitet. A’isch ist ohne Liedtext, mir fehlen zur Zeit die Worte.

    • LEFTHAND im CLUB DER UNZENSIERTEN DICHTER – Kick der Neuzeit
      Quelle: youtube
    • Corona Bavaria – Julian Assange Mantra

    • Stephan Sulke – Hass und Krieg 2023

    • Weber-Herzog-Musiktheater – GEGENSTIMMEN – Bertolt Brecht – Tierverse

    Anmerkung: In dieser Rubrik wollen wir Ihnen Songs mit politischen und gesellschaftskritischen Texten vorstellen, die vielleicht noch nicht jeder Leser kennt oder die nicht in Vergessenheit geraten sollten. Wenn auch Sie Musiktipps für uns haben, mailen Sie uns Ihre Empfehlungen bitte an unsere Mailadresse für die Videohinweise videohinweise(at)nachdenkseiten.de mit dem Betreff: Musik.

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Hinweise des Tages II

19. April 2024 - 16:30

Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (AT)

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Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Debattenkultur zum Nahostkonflikt: Die Glocke von Gaza
  2. Meinungsfreiheit auf der Kippe: Darf dieser Mann in Deutschland reden?
  3. Die Zwei-Staaten Lösung ist offiziell tot
  4. Jordanien grenzt sich von deutscher Position im Nahost-Konflikt ab
  5. Todeszone Gaza: Waffen aus Deutschland
  6. Sind die Iran-Schläge der Rettungsring für Netanjahu?
  7. Russlands Wende nach Osten
  8. Fabio De Masi: “Putin steht nicht morgen vor dem Brandenburger Tor”
  9. „Polnisches Watergate“: PiS-Regierung spähte offenbar Opposition mit israelischer Software Pegasus aus
  10. Der UN-Sondergesandte für Libyen reicht seinen Rücktritt ein
  11. US-Regierung verhängt wieder Sanktionen gegen Ölindustrie von Venezuela
  12. SPD schlägt Bürgerrat vor: Jetzt sollen die Deutschen die Corona-Pandemie selbst aufarbeiten
  13. Warum die Deutsche Bahn in ihrem Netz den Zugang zu Overton gesperrt hat
  14. Mieten-Explosion: Wohnen wird auch in Berlins „Arbeiterkiezen“ unbezahlbar
  15. Das versteckte Risiko: Wie Bundes-VeRA und INPOL unsere Datenschutzrechte untergraben
  16. Veranstaltungshinweise der Woche

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Verantwortlich für die Richtigkeit der zitierten Texte sind die jeweiligen Quellen und nicht die NachDenkSeiten. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Debattenkultur zum Nahostkonflikt: Die Glocke von Gaza
    Das aktuelle Staatsräson-Verständnis schadet unserem Land. Deutschland sollte bei der Bewältigung der israelisch-palästinensischen Misere ein Partner sein.
    Demnächst erscheint die deutsche Übersetzung von „The Hundred ­Years’ War on Palestine“. Rashid Khalidi, US-palästinensischer Historiker, Zeitzeuge und politischer Berater, erzählt darin die Geschichte Palästinas entlang einer doppelten Tragik: der Unterdrückung wie der verfehlten Strategien von Befreiung. Eminent kritisch gegenüber bisherigen und gegenwärtigen palästinensischen Führungen lässt Khalidi keinen Zweifel: Alles muss auf den Prüfstand, es braucht eine neue Vision der Gleichheit zweier Völker.
    Die Glocke von Gaza, eine Totenglocke für so viele Menschen, läutet unter dem schwarzen Schleier der Trauer auch einen Neubeginn ein: Nichts kann so bleiben, wie es ist, wie es war.
    Quelle: taz

    dazu auch: Gaza and Germany’s Path to Authoritarianism
    How the German government has embarked on a dangerous confrontation course with freedom of expression and international law.
    The German government’s stance on the war in Gaza and its increasingly repressive treatment of critics are causing growing national and international concern. The administration made up of Social Democrats, Greens and Liberals is still pledging unconditional military and diplomatic support to the state of Israel that is currently on trial before the International Court of Justice in The Hague on charges of genocide – a case that the court itself classifies as “plausible”. Internationally renowned intellectuals and artists – including Jewish voices – who are committed to human rights are uninvited from Germany, their guest professorships are canceled, their award ceremonies canceled, including Nancy Fraser, Laurie Anderson and Masha Gessen. Their crime: naming the extensively documented war crimes and human rights violations in Gaza and demanding what the UN General Assembly is also overwhelmingly calling for: an immediate and permanent ceasefire to end the senseless killing in Gaza. In the meantime, more than 33,000 people, including 13,000 children, have fallen victim to the bombardments and a famine is under way.
    Quelle: Fabian Scheidler auf ScheerPost

  2. Meinungsfreiheit auf der Kippe: Darf dieser Mann in Deutschland reden?
    Posse um Betätigungsverbot für Yanis Varoufakis wird immer skurriler. Warum der Schuss auch nach hinten losging.
    Der frühere griechische Finanzminister, Generalsekretär der Partei Mera25 und Professor für Wirtschaft, Yanis Varoufakis, war ratlos. Er wusste nach eigenen Angaben am Mittwoch immer noch nicht, ob er nach Deutschland einreisen darf, in Deutschland ein politisches Betätigungsverbot hat und wenn ja, wie lange die Verbote gelten. Dies erklärte er im Interview im Sender Open TV.
    Schließlich würde Varoufakis gerne wissen, auf Grundlage welcher Gesetze das ihm nicht näher bekannte Verbot gegen ihn verhängt wurde.
    Quelle: Telepolis
  3. Die Zwei-Staaten Lösung ist offiziell tot
    USA legen in Sicherheitsrat Veto gegen UNO-Mitgliedschaft Palästinas ein. Damit sind westliche Bekenntnisse zur Zwei-Staaten Lösung unglaubwürdig. Ein Hintergrund.
    Der FAZ ist es immerhin eine Randnotiz wert, doch die Tagesschau verzichtet komplett auf die Meldung: Am 18. April 2024 legten die USA im UN-Sicherheitsrat (UNSC) ihr Veto gegen einen Resolutionsentwurf ein, der eine Vollmitgliedschaft Palästinas bei den Vereinten Nationen vorsieht. Damit scheiterte die Beschlussvorlage.
    Zwölf Mitgliedsländer des UNSC stimmten für die Vorlage, die Schweiz und Großbritannien enthielten sich.
    “Hintergrund ist die Befürchtung der Regierung in Washington, dass mit einem solchen Schritt faktisch ein Palästinenser-Staat anerkannt werden würde”, schreibt. die FAZ.
    Quelle: Telepolis

    dazu auch: Chinesischer UN-Vertreter: Veto der USA zerschmettert gnadenlos den Traum der Palästinenser
    Das Veto der USA zerschmettert gnadenlos den Traum der Palästinenser. Dies erklärte der chinesische UN-Vertreter, Fu Cong, am Donnerstag angesichts der Ablehnung des palästinensischen UN-Beitrittsantrags durch die USA. China sei von dieser Entscheidung sehr enttäuscht, so Fu weiter.
    Quelle: CRI online

  4. Jordanien grenzt sich von deutscher Position im Nahost-Konflikt ab
    Unfaires Verhalten der deutschen Außenministerin führt zu einer deutlichen Reaktion ihres jordanischen Amtskollegen Ayman Safadi.
    Das Mikrophon abdrehen kann man einem eingeladenen Diplomaten nicht, erst recht nicht, wenn man ihn als „vertrauten und verlässlichen Partner in der Region“ bezeichnet, wie es Annalena Baerbock auf der vor zwei Tagen gemeinsam mit ihrem jordanischen Amtskollegen Ayman Safadi abgehaltenen Pressekonferenz tat. Aber man kann den denkwürdigen Auftritt des jordanischen Diplomaten aus dem Blickfeld der öffentlichen Aufmerksamkeit nehmen. Tatsächlich erwähnen deutsche Medien die Rede Ayman Safadis – wenn überhaupt – nur am Rande. ARD und ZDF beschränken die PK-Aufzeichnung in ihrer Mediathek auf den Redebeitrag Baerbocks.
    Wer Safadi zuhört [Video ab Minute 24:28], versteht warum. Es bleibt kaum etwas übrig von dem unmittelbar nach dem iranischen Vergeltungsschlag verbreiteten Narrativ einer auch unter arabischen Staaten empfundenen großen Solidarität mit Israel. Stattdessen verdeutlicht der Diplomat, dass Jordanien die Ursache des Konflikts darin sieht, dass „die israelische Regierung“ „jegliche Möglichkeiten auf Frieden untergraben“ habe.
    Quelle: Overton Magazin
  5. Todeszone Gaza: Waffen aus Deutschland
    “Wir können nicht zusehen, wie die Menschen in Gaza den Hungertod riskieren,” sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei seinem jüngsten Besuch in Israel am 17. März 2024, als neben ihm der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu (Likud) stand. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sagt in jüngster Zeit wiederholt, die Palästinenser in Gaza, von denen die meisten Flüchtlinge im eigenen schmalen Küstenstreifen sind, könnten sich “nicht in Luft auflösen”. Scholz und Baerbock wirken hilflos und überfordert. Womöglich sind sie auch erschrocken. Wo hat der “Wertepartner Israel”, wie Scholz das Land ein Jahr zuvor nannte, sie da bloß hineingeritten?
    Quelle: Panorama
  6. Sind die Iran-Schläge der Rettungsring für Netanjahu?
    Eskalation mit dem Iran hat die Weltaufmerksamkeit vom Gaza-Krieg weggelenkt. Westen stellt sich wieder eng hinter Israel. Was folgt daraus? Eine Einschätzung.
    Nach Berichten von israelischen Drohnenschlägen in der Nähe des iranischen Flughafens in Isfahan, auf dem sich militärische Anlagen und Kampfjets befinden, ist noch unklar, ob sich damit der Konflikt ausweitet oder nicht.
    US-Offizielle haben den Angriff bestätigt und erklärten, dass man vorher davon in Kenntnis gesetzt worden sei.
    Korrespondent Peter Beaumont vom britischen Guardian spricht von einem “Spiel mit dem Feuer”, während alte Regeln der Konfrontationslogik zwischen Israel und Iran über Bord geworfen würden und eine neue, unkalkulierbare Dynamik einsetze.
    Die iranische Führung hat die Angriffe bislang versucht, herunterzuspielen.
    Quelle: Telepolis
  7. Russlands Wende nach Osten
    Das langjährige Ziel der USA, gute Beziehungen zwischen Deutschland und Russland zu verhindern, weil diese zwei Länder zusammen wirtschaftlich auch die USA in den Schatten stellen würden, ist mit der gegenwärtigen Politik des Westens einmal mehr erreicht – vor allem zum Schaden Deutschlands. Dass Russland wirtschaftliche Alternativen im Osten hat, wurde verdrängt und vergessen. Die Wirtschaftssanktionen gegen Russland erweisen sich deshalb mehr und mehr als “Schuss ins eigene Knie”.
    Quelle: Globalbridge
  8. Fabio De Masi: “Putin steht nicht morgen vor dem Brandenburger Tor”
    Die europäischen Nato-Staaten haben jetzt schon die dreifachen Rüstungsausgaben Russlands. Russland beißt sich in der Ukraine die Zähne aus und muss in Nordkorea um Waffen betteln. Putin steht nicht morgen vor dem Brandenburger Tor. Es wäre für Putin doch 2014 viel leichter gewesen, in der Ukraine durchzumarschieren. Er führt nun einen völkerrechtswidrigen Krieg, weil er Russland durch die Nato eingekreist wähnt. Zudem befürchtet er Einfluss in der Ost-Ukraine zu verlieren. Dieser Krieg muss mit der Hilfe Chinas eingefroren werden. Es gibt leider zu viele Sesselgeneräle in Deutschland, die Forderungen nach Diplomatie niederbrüllen. Aber im Unterschied zu diesen Lautsprechern war ich im Fokus eines mutmaßlichen Spions der Russen. Dieser Helfer des flüchtigen Wirecard-Managers Jan Marsalek wurde gerade in Österreich verhaftet. Der Vorwurf, wir wären beim BSW gegenüber Putin naiv, ist daher absurd.
    Quelle: GMX
  9. „Polnisches Watergate“: PiS-Regierung spähte offenbar Opposition mit israelischer Software Pegasus aus
    Der Generalstaatsanwalt zufolge sollen 578 Personen von der langjährigen Spionage betroffen sein. Operiert wurde dabei offenbar mit einem berüchtigten Produkt aus Israel.
    Polens mittlerweile abgewählte nationalkonservative PiS-Regierung soll mehrere hundert Menschen mit der israelischen Spionage-Software Pegasus ausgespäht haben.
    In den Jahren 2017 bis 2023 sei die Software zur Beobachtung von 578 Personen eingesetzt worden, wie die Generalstaatsanwaltschaft in Warschau in einem am Dienstag veröffentlichten Bericht für das Parlament mitteilte.
    Quelle: Tagesspiegel
  10. Der UN-Sondergesandte für Libyen reicht seinen Rücktritt ein
    Am 16. April gab der UN-Sondergesandte für Libyen, Abdoulaye Bathily, während einer Pressekonferenz in New York offiziell seinen Rücktritt bekannt. Nachfolgerin wird seine bisherige Stellvertreterin und US-Amerikanerin Stephanie Khoury. Ein abgekartetes Spiel.
    Der senegalesische Politiker und Diplomat Abdoulaye Bathily war seit dem 3. September 2022 Leiter der UN-Sondermission in Libyen (UNSMIL). Er hatte die Nachfolge des Slowaken Jan Kubis angetreten, der seinerseits im November 2021 überraschend zurückgetreten war. Von November 2021 bis zum Amtsantritt von Bathily bestimmte die US-Amerikanerin Stephanie Williams den UN-Kurs in Libyen. Die US-Amerikanerin Stephanie Khoury wurde nun zur neuen UN-Sondergesandten für Libyen ernannt.
    Quelle: Gela News
  11. US-Regierung verhängt wieder Sanktionen gegen Ölindustrie von Venezuela
    Die US-Regierung hat erneut weitreichende wirtschaftliche Zwangsmaßnahmen gegen die venezolanische Ölindustrie verhängt.
    Das US-Finanzministerium ließ die General License 44 (GL44), mit der die Sanktionen gegen den venezolanischen Öl- und Gassektor gelockert wurden, am 18. April auslaufen. Sie wurde durch die General License 44a (GL44a) ersetzt, die den Unternehmen eine 45-tägige Frist zur Beendigung ihrer Aktivitäten in Venezuela einräumt.
    In einer Presseerklärung des Ministeriums heißt es, dass die Beschränkungen wieder eingeführt würden, weil die Regierung von Nicolás Maduro “die Verpflichtungen” aus dem Barbados-Abkommen vom Oktober 2023, das mit der von den USA unterstützten Opposition unterzeichnet wurde, “nicht vollständig erfüllt” habe. Berichten zufolge trafen sich US-Regierungsvertreter kürzlich mit venezolanischen Gesprächspartnern, konnten Caracas aber nicht zu Zugeständnissen bewegen.
    Quelle: amerika21
  12. SPD schlägt Bürgerrat vor: Jetzt sollen die Deutschen die Corona-Pandemie selbst aufarbeiten
    Für die Aufarbeitung der Corona-Pandemie schlägt die SPD auch einen Bürgerrat vor. Sie erhofft sich „Debatten ohne Schaum vor dem Mund“. Dafür sollen „zufällig ausgewählte Menschen ihre Erlebnisse schildern und Empfehlungen für die Zukunft aussprechen“.
    Quelle: Welt Online

    Anmerkung JK: Ein Bürgerrat, in dem die Bürger ihre Erlebnisse erzählen dürfen, das ist das Einzige was denjenigen einfällt, die die massivsten Grundrechtseinschränkungen seit Bestehen der Bundesrepublik veranlasst haben und zwar ohne jede sachliche Grundlage. Es ist völlig klar, die politisch Verantwortlichen wollen sich davonstehlen. Das ist so feige, dass es einen schaudert.

  13. Warum die Deutsche Bahn in ihrem Netz den Zugang zu Overton gesperrt hat
    Wenn man nun optimistisch davon ausgeht, dass die von der DB verwendete URL-Filterdatenbank von McAfee Web Gateway keine inhaltlichen Sperren ausführt, kann es sich nur um Nachlässigkeit handeln, wenn der Internetnutzer beim Aufrufen von Overton-Magazin.de bis gestern die Fehlermeldung: „Die Website ist nicht erreichbar“ oder den Hinweis erhielt: „Die URL befindet sich in Kategorien, die vom Administrator derzeit nicht zugelassen werden.“ Eingestuft wurde das Overton Magazin unter „Malicious Sites, General News“ und als „High Risk“. Das würde bedeuten, dass Overton beispielsweise Malware verbreitet, was natürlich Unsinn ist, bestenfalls verbreiten wir unerwünschte Inhalte.
    Quelle: Overton Magazin
  14. Mieten-Explosion: Wohnen wird auch in Berlins „Arbeiterkiezen“ unbezahlbar
    Ein neuer Marktreport zeigt, in welchen Bezirken sich Wohnen besonders stark verteuert – und wo es immer noch vergleichsweise günstige Wohnungen gibt. Die Studie birgt einige Überraschungen.
    Der angespannte Wohnungsmarkt in Berlin führt insbesondere in Innenstadtbezirken wie Neukölln und Friedrichshain-Kreuzberg zu stark steigenden Mieten. In Neukölln, wo es bisher noch immer ein vergleichsweise niedriges Preisniveau gibt, zogen die Angebotsmieten für freie Wohnungen im vergangenen Jahr um 23,5 Prozent an. In Friedrichshain-Kreuzberg, wo sich das Wohnen bereits stark verteuert hat, stiegen die Angebotsmieten um 23,2 Prozent. Das geht aus dem Wohnmarktreport 2024 der Bank Berlin Hyp und des Maklerhauses CBRE hervor, der am Mittwoch veröffentlicht wurde.
    Quelle: Berliner Zeitung
  15. Das versteckte Risiko: Wie Bundes-VeRA und INPOL unsere Datenschutzrechte untergraben
    Die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag möchte mit einem Entschließungsantrag eine Entscheidung von Bundesinnenministerin Faeser revidieren. Die hatte sich, zugegeben etwas überraschend, dafür ausgesprochen, das Datenanalysesystem Gotham des US-Herstellers Palantir in der in Bayern eingesetzten Variante namens “VeRA” nicht beim Bundeskriminalamt und bei der Bundespolizei einzusetzen. Für diese Bundes-Variante hat sich inzwischen Bezeichnung die “Bundes-VeRA” eingebürgert.
    Ministerin Faeser ließ vielmehr erklären, dass ein System für solche Zwecke “in eigener digitaler Kapazität“ im Rahmen des aktuell laufenden Jahrzehnteprogramms P20 entwickelt werden solle.
    Für Montag, den 22.04.24, hat der Innenausschuss des Bundestages dazu zehn Sachverständige geladen und um ihre Stellungnahmen gebeten.
    Quelle: Police IT
  16. Veranstaltungshinweise der Woche
    1. „Die Guten sind immer wir * Warum Journalismus heute ist, wie er ist“
      Vortrag und Gespräch mit Stephanie Doetzer ehemalige Journalistin beim SWR, Aljazeera, DLF und „CNN Journalist of the year 2015“
      Wir laden ein zu einem Abend über den Zustand des heutigen Journalismus. Eine ehemalige Journalistin schaut mit Humor und Selbstironie auf die Lebenswelt von international mehr oder weniger erfolgreichen Journalisten, erzählt von Weltverbesserungsimpulsen und redaktionellen Modewellen – und erklärt nebenbei, wie die Einförmigkeit der Berichterstattung entsteht, ohne dass es dazu viele Vorgaben von oben braucht.
      Zur Referentin: Stephanie Doetzer hat als Journalistin für die ARD, Deutschlandfunk Nova und AlJazeera gearbeitet, darunter mehrere Jahre im Nahen Osten. Sie war „CNN Journalist of the year 2015“ – und ist dann aus dem Journalismus ausgestiegen.

      Veranstalter: Kulturkreis Vergessene Geschichte
      Ort: Stubenhaus Staufen
      Beginn der Veranstaltung: 26.04.2024, 19 Uhr

    2. “Berlin im Dialog”
      Vortrag und Gespräch mit Markus Fiedler („Geschichten aus Wikihausen“) “Indoktrination und Falschinformation in Wikipedia und Schule”

      Donnerstag, 25. April 2024, 19.00h
      Sprechsaal, Marienstraße 26, Berlin-Mitte
      Unkostenbeitrag: 10 Euro
      Anmeldung unter: info@berlin-im-dialog.net

      Quelle: berlin-im-dialog.net

    Anmerkung der Redaktion: Wenn Sie auf eine interessante Veranstaltung hinweisen wollen, dann schicken Sie uns bitte die nötigen Informationen mit dem Betreff „Veranstaltungshinweise“ an hinweise@nachdenkseiten.de. Die Veranstaltungshinweise erscheinen wöchentlich am Freitag im Rahmen der Hinweise des Tages II.

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Leserbriefe zu „Beweise begraben, Zeugen zum Schweigen bringen“

19. April 2024 - 16:13

Karin Leukefeld berichtet in diesem Beitrag über die von deutschen Behörden verweigerte Einreise von Dr. Ghassan Abu Sitta. Der Palästinenser mit britischer Staatsangehörigkeit habe an einer Konferenz zu Palästina in Berlin teilnehmen wollen. In Gaza sei er bei den Angriffen der israelischen Armee 2009, 2014, 2021 und zuletzt wieder nach Beginn des Krieges am 7. Oktober 2023 tätig gewesen. Dass Deutschland Zeugen dieses Völkermordes zum Schweigen bringe, verheiße „für das vor uns liegende Jahrhundert nichts Gutes“, wird Ghassan Abu Sitta abschließend zitiert. Wir haben hierzu interessante Leserbriefe erhalten. Dafür danken wir. Es folgt nun eine Auswahl. Christian Reimann hat sie für Sie zusammengestellt.

1. Leserbrief

Über den Bericht von Dr. Ghassan Abu Sitta wie mit ihm am Flughafen umgegangen wurde war ich erschüttert und entsetzt. Ich habe gleich Mails an den Bundeskanzler, Bundesministerium des Innern und Auswärtiges Amt geschrieben. Kein rühmliches Aushängeschild unseres Landes! Wann wird endlich in diesen Ämtern nachgedacht das ihre Argumentation zur Politik der jetzigen rechtsgerichteten Politik Israels nicht mehr passt. Das ständige Wiederholen der Staatsräson mit Israel, wo das Töten von Zivilisten im Gazastreifen, die Vertreibung durch militante Siedler im Westjordanland in Kauf genommen wird. Frau Baerbock spricht von unseren Freunden. Freunde können sich auch hin und wieder die Wahrheit sagen . Es wird Zeit, dass sich Deutschland in einen Dialog für eine Friedenslösung, auch in Bezug mit dem Iran, mit der Regierung Israels in Verbindung setzt.

Christine Ullrich

2. Leserbrief

Sehr geehrte Frau Leukefeld,

danke für diesen Artikel! Er macht sprachlos und wütend zugleich.

Das, was Dr. Ghassan Abu Sitta und auch dem ehemaligen griechischen Finanzminister Yanis Varoufakis widerfahren ist, zeigt einmal mehr, daß wir von einem Haufen karrieregeiler, opportunistischer Selbstdarsteller ohne Rückgrat regiert werden, die sich von der ganzen Welt am Nasenring durch die Manege führen lassen. Alles wird widerstandslos geduldet, masochistisch erduldet, und mit Pseudodebatten im eigenen Land übertönt, um die Aufmerksamkeit der eigenen Bevölkerung zu beschäftigen und abzulenken. Für unsere Regierung ist es wichtiger, die Anzahl der möglichen Geschlechter gesetzlich festzusetzen und diejenigen zu bestrafen, die diese Frage mit “Zwei!” beantworten. Da bleibt für die Verfolgung von Kriegsverbrechen, die Aufklärung der Sabotage der wichtigsten Gasversorgung oder der Aufarbeitung der Herrschaft des Unrechts während der vergangenen drei Jahren wohl keine Kapazitäten und Energie mehr übrig.

Eines sollte jeder Bürger und jede Bürgerin bedenken: der internationale Gerichtshof bezeichnet die Vorgänge in Gaza als Völkermord und Deutschland als Mittäter. Das machte jeden Wähler der gerade regierenden Parteien zu einem Helfershelfer bei diesen Gräueltaten, denn es sind die Wähler, die den Politikern durch ihre Wahl die Legitimation für ihr Handeln erteilen!

Jeder Wähler sollte daher vor dem nächsten Kreuz an der Urne dringend das eigene Gewissen befragen!

Mit freundlichen Grüßen,
Wolfgang Klein

3. Leserbrief

Liebe Nachdenkseiten,

die antidemokratische, autokratische Lage in Deutschland eskaliert zunehmend. Eine Zensur findet doch statt, anders kann das Einreise- und Betätigungsverbot für Dr. Ghassan Abu Sitta und Yannis Varoufakis nicht gewertet werden. Die beste Demokratie, die man für Geld kaufen kann und kaufen meine ich wörtlich. Mittlerweile nähert sich Deutschland in Riesenschritten der Autokratie. Die Gefahr geht weniger von der AfD aus als von den Regierungsparteien. Die Union nehme ich dabei nicht aus. Was muß noch alles passieren, bis wir Bürger das Recht auf Widerstand zum Schutz der Verfassung aus dem Grundgesetz in Anspruch nehmen müssen?

Wolfram Wadepohl

4. Leserbrief

Liebe Frau Leukefeld und NDS Redaktion,

Die Innenpolitik in Deutschland geht den selben Weg wie die Geschichte der Waffenlieferungen an die Ukraine.
Eine rote Linie nach der anderen wird überschritten.
Die Demokratie ist weg und ihr Schatten verblasst jeden Tag mehr.
Wohin das alles führt und in welchem Zeitraum lässt sich im Augenblick nicht sagen. Dass es ein übles Ende nehmen wird darf als sicher gelten.

Was der Artikel beschreibt erinnert mich geschichtlich an folgendes:

  • Die Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz des Deutschen Volkes vom 4 Februar 1933.
  • Verordnung des Reichspräsidenten vom 28 Februar 1933 zum Schutz von Volk und Staat.

Womit die Einschränkung von Versammlungs- und Redefreiheit fest verankert wurde.

Mit freundlichem Gruß
Patrick Janssens

5. Leserbrief

deutschlandfunk.de/suche?drsearch%3AsearchText=Ghassan%20Abu%20Sitta&drsearch%3Astations=4f8db02a-35ae-4b78-9cd0-86b177726ec0

Beachten Sie oben zitierte Webseite des DLF: sie ist 10 Jahre alt. Damals hat Israel auch schon im Gaza-Streifen agiert und damals veröffentlichte sogar der DLF einen Bericht darüber und zitiert auch Gh. Abu Sitta, der jetzt von der Polizei bedroht wird, falls er irgendetwas erzählt. Das sagt viel aus, was in den letzten 10 Jahren mit den deutschen Medien passiert ist.

Wenn Sie beim DLF den Namen Ghassan Abu Sitta als Suche eingeben, finden Sie natürlich NUR diesen alten Artikel. Heute sind solche Informationen nicht mehr erwünscht. Es lohnt sich, diesen Artikel abzuspeichern, weil ihn der DLF bei Nachfrage vermutlich löschen wird.

M. Römer

6. Leserbrief

Guten Tag,

die Schilderung der Abweisung Herrn Sittas von Frau Leukefeld ist erstaunlich. Aber es gibt keine Informationen zu der Konferenz und zu den Gründen der Abweisung. Das entspricht wenig Ihren Ansprüchen an eine Medienberichterstattung – und ist ärgerlich.

Viele Grüße
Robert Stein

7. Leserbrief

Sehr geehrte Frau Leukefeld,
Sehr geehrter Herr Müller,

die Informationen aus beiden Artikeln belegen, wie die Institution Polizei offensichtlich für politische Zwecke missbraucht wird. Ich kann die Entscheidungen unter der Lupe der dafür einschlägigen Gesetze nicht nachvollziehen!

Als ehemaliger Polizeibeamter erlaube ich mir diese Bewertung, insbesondere aufgrund der detaillierten Aussagen von den Beteiligten vor Ort.

Die polizeilich durchgeführten Maßnahmen werden verwaltungsgerichtlich überprüft – auf die Beurteilung unserer unabhängigen Justiz bin ich schon jetzt sehr gespannt. 

Beste Grüße
Klaus Herrmann

8. Leserbrief

Hallo NDS,

ich habe den Artikel gehört und parallel dazu gelesen.

Der Artikel hat mich so ergriffen, dass ich diesen weitergeleitet habe.

Im Nachhinnein habe ich im Internet gelesen, dass Dr. Ghassan Abu Sitta “umstritten” sein soll, was in der heutigen Zeit eher eine Auszeichnung als etwas negatives ist.
Allerdings habe ich z. B im Stern gelesen:
Der palästinensische Autor leugnete in der Vergangenheit die Gräueltaten der Hamas und nannte die Terroristen “Widerstandskämpfer”. Wäre er jünger gewesen, schrieb Abu Sitta, hätte er einer von denen sein können, die am 7. Oktober den Zaun durchbrachen
 
Ich finde dies ist schon eine krasse Aussage.
Ich vertraue den NDS bisher blind und gehe davon aus, dass Ihr wißt von wem Ihr was Darstellt und veröffentlicht.
Ihr kündigt Abu Sitta positiv an, verweist auf seine Reputation in Glasgow.
 
Wußtet Ihr, dass er diese Aussagen gemacht hat?
Falls ja, hätte ich schon von Euch erwartet, dass Ihr dies auch ansprecht, oder stimmt die Aussage von Abu Sita so nicht?
 
Ich bitte um Aufklärung.
 
Danke
Thomas Graef

Anmerkung zur Korrespondenz mit den NachDenkSeiten

Die NachDenkSeiten freuen sich über Ihre Zuschriften, am besten in einer angemessenen Länge und mit einem eindeutigen Betreff.

Es gibt die folgenden E-Mail-Adressen:

Weitere Details zu diesem Thema finden Sie in unserer „Gebrauchsanleitung“.

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Interview mit Nahost-Experte Trita Parsi: Deutschland hat in der Region jede Glaubwürdigkeit verloren

19. April 2024 - 13:02

Ein Interview mit Trita Parsi, Vizepräsident des Quincy Institute, einer Denkfabrik in Washington DC, die sich für eine Politik der Zurückhaltung, der Diplomatie und des Friedens einsetzt, und Autor von „Losing an Enemy – Obama, Iran and the Triumph of Diplomacy“. Parsi hat in der Washington Post, dem Wall Street Journal, der New York Times, der Los Angeles Times, der Financial Times und anderen Zeitungen veröffentlicht. Er ist häufig Gast bei CNN, PBS, NPR, der BBC und Al Jazeera. In diesem Interview für die NachDenkSeiten spricht Parsi über die Gefahr eines großen Krieges zwischen Israel und Iran, die Einseitigkeit des Westens, die Notwendigkeit einer inklusiven Friedensarchitektur für den Nahen und Mittleren Osten und, wie Parsi es beschreibt, den kompletten Glaubwürdigkeitsverlust von Deutschland im gesamten Nahen Osten, einer Region, in der es einst eine wichtige Vermittlerrolle innehatte. Das Gespräch führte Michael Holmes.

Hallo, mein Name ist Michael Holmes, ich bin ein freier Journalist in Potsdam, Deutschland. Heute spreche ich mit Trita Parsi. Herr Parsi, Sie sind Vizepräsident des Quincy Institute, einer Denkfabrik in Washington DC, die sich für eine Politik der Zurückhaltung, der Diplomatie und des Friedens einsetzt. Am Wochenende hat der Iran 300 Drohnen und Raketen auf Israel abgefeuert. Die meisten von ihnen wurden abgefangen und richteten, soweit wir wissen, kaum Schaden an.

Westliche Staatsoberhäupter haben ihre Empörung zum Ausdruck gebracht und Israel ihre Solidarität zugesichert – das sind die Vereinigten Staaten, Deutschland, Großbritannien, Frankreich und die meisten anderen westlichen Staatsoberhäupter. Bitte sagen Sie uns, was Ihrer Meinung nach am wichtigsten ist, um diese gefährliche Eskalation zu verstehen. Und was denken Sie über die Reaktion des Westens?

Vielen Dank, dass Sie mich eingeladen haben. Der wichtigste Punkt ist, dass wir gar nicht erst in diese Situation geraten sollten. Hätte die Regierung Biden den Krieg in Gaza deeskaliert und auf einen Waffenstillstand gedrängt, anstatt die Bemühungen um einen Waffenstillstand zu untergraben, hätten wir diese Eskalation zwischen Iran und Israel nicht erlebt. Das sind alles Nebeneffekte dieses Krieges, und wenn dieser Krieg frühzeitig beendet worden wäre, wären wir jetzt nicht hier.

Ich denke, es ist ganz klar, dass die Iraner bewusst auf diese Weise reagiert haben, um keinen Schaden anzurichten, sondern um ihre Fähigkeit unter Beweis zu stellen, das, was sie für ihre Abschreckung halten, wiederherzustellen und dann dafür zu sorgen, dass es nicht zu einer weiteren Eskalation kommt. Man kann das Ausbleiben von Schäden betrachten und vielleicht den Schluss ziehen, dass sie nicht über die Kapazitäten verfügen. Aber ich möchte Sie daran erinnern, dass, wenn die Iraner den Vereinigten Staaten und Israel nicht 72 Stunden vorher mitgeteilt hätten, was sie zu tun gedenken – was sie absichtlich getan haben, um sicherzustellen, dass Israel darauf vorbereitet ist -, nicht nur Israel nicht in der Lage gewesen wäre, alles in Alarmbereitschaft zu versetzen, sondern auch die Vereinigten Staaten sicherlich nicht in der Lage gewesen wären, sich an dieser sehr umfassenden Art des Abschusses der Drohnen und Raketen zu beteiligen.

In diesem Szenario wäre der Schaden, den der Iran Israel wahrscheinlich hätte zufügen können, sehr, sehr groß gewesen. Ich glaube, das hat in Israel ein Innehalten bewirkt, die Erkenntnis, dass sie viel verwundbarer sind und dass es deshalb ein bisschen mehr ein Gleichgewicht des Schreckens zwischen dem Iran und Israel gibt.

Was die westliche Reaktion angeht. Es ist faszinierend, dass im Zusammenhang mit dem Nahen und Mittleren Osten niemand mehr den Begriff der regelbasierten internationalen Ordnung verwendet, weil die Doppelmoral so deutlich ist. Europa hat sich als unabhängiger Akteur, der Raum für Konfliktlösung und Diplomatie schafft, zurückgezogen. Es verhält sich zunehmend nur noch wie ein Wurmfortsatz der Vereinigten Staaten.

Ich denke, das ist sehr schlecht und gefährlich für die Welt, aber auch für Europa auf lange Sicht, und im Übrigen auch nicht besonders gut für die Vereinigten Staaten, denn ein unabhängiges Europa, das einige der schlechten Impulse Amerikas – zum Beispiel während des Irak-Krieges – eindämmen konnte, war letztlich zum Wohle der Vereinigten Staaten. Dieses Europa ist nun verschwunden. Jetzt erleben wir ein Europa, das im Wesentlichen den Entscheidungen der Vereinigten Staaten folgt, und die Vereinigten Staaten entscheiden, was immer sie entscheiden, indem sie Israel gegenüber extrem gehorsam sind. Israels Gemetzel in Gaza, seine Verstöße gegen das Völkerrecht, seine Kriegsverbrechen, vielleicht sogar Völkermord, sind sicherlich nicht die Art von Außenpolitik, die Europa oder die Vereinigten Staaten inspirieren oder nachahmen sollten.

Sie sind Mitverfasser eines Berichts für das Quincy Institute über die Interventionen der mächtigsten Länder des Nahen Ostens seit 2010 mit dem Titel „Keine sauberen Hände“. In diesem Bericht haben Sie sechs Regionalmächte identifiziert, die am häufigsten in anderen Ländern interveniert haben. Ich möchte sie hier nur kurz nennen: Iran, Israel, Katar, die Türkei, die Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabien.

In dem Bericht unterstreichen Sie die Tatsache, dass nur ein einziges Land dieser am meisten expansiven Länder im Nahen und Mittleren Osten kein Verbündeter des Westens ist – und das ist natürlich der Iran. Alle anderen Länder, die oft aggressiv, interventionistisch und expansionistisch sind, sind Verbündete des Westens. Was mir an diesem Bericht wirklich gefällt, ist, dass er uns einen sehr nuancierten, sehr komplizierten Blick auf eine gefährliche und komplexe Region vermittelt. Wie würde Ihrer Meinung nach eine klügere Außenpolitik aussehen, die der Tatsache Rechnung trägt, dass es in der Region keinen einfachen Machtkampf zwischen Gut und Böse gibt?

Sie haben es gegen Ende auf den Punkt gebracht, als Sie davon sprachen, dass die Washingtoner Sichtweise dazu tendiert, die Welt in Form von Gut gegen Böse zu sehen. Dies ist traditionell nicht die Art und Weise, der Diskurs, die Konzepte, die den europäischen Ansatz in der Außenpolitik dominierten. Ich bin in Schweden aufgewachsen, und zumindest damals, als ich dort aufgewachsen bin, hätten die Leute dich ausgelacht, wenn du über Außenpolitik im Sinne von Gut und Böse gesprochen hättest. Jetzt sehe ich, dass Europa anfängt, diesen äußerst ungesunden Ansatz nachzuahmen, diese grobe Vereinfachung, diese Aufteilung der Welt in Gut und Böse, die Konflikte eher anheizt, als zu ihrer Lösung beiträgt. Dieser Bericht zeigt, dass es in der Region eine große Anzahl von Ländern gibt, die interventionistisch sind.

Das Washingtoner Narrativ konzentriert sich natürlich nur auf den Iran. Der Bericht zeigt, dass der Iran nach 2015 nicht mehr das am stärksten intervenierende Land in der Region war – es ist sicherlich immer noch eines der am stärksten intervenierenden Länder -, aber nach 2015 wurde seine Position von der Türkei und den Vereinigten Arabischen Emiraten verdrängt. Die Türkei ist natürlich ein NATO-Mitglied und die VAE sind ein sehr starker Verbündeter der USA. Die meisten Interventionen werden also von Ländern durchgeführt, die mit den Vereinigten Staaten verbündet sind, von den Vereinigten Staaten finanziert und bewaffnet werden.

Der Bericht zeigt auch, dass Sicherheitslücken und Instabilität nicht nur durch Interventionen verursacht werden, sondern dass diese instabilen Länder in der Regel auch Interventionen nach sich ziehen, d. h., wenn ein Land erst einmal im politischen Chaos versinkt, zieht es in der Regel auch militärische Interventionen an. Eine viel bessere Herangehensweise bestünde darin, einen realistischeren Ansatz zu verfolgen und zu erkennen, dass das grundlegende Problem im Nahen Osten darin besteht, dass es an einer umfassenden Sicherheitsarchitektur mangelt.

Das macht den Nahen Osten zu einer der am stärksten unterinstitutionalisierten Regionen der Welt, was die Sicherheit betrifft. Stattdessen gibt es massive westliche Waffenverkäufe an diese Länder. Deutschland ist zum Beispiel einer der größten Waffenlieferanten sowohl für Saudi-Arabien als auch für Israel. Der gesamte militärisch-industrielle Komplex der Vereinigten Staaten wird zu einem großen Teil durch Waffenkäufe aus den Ländern des Golf-Kooperationsrates finanziert. Sie haben also einige der unsichersten Länder in einer der am stärksten bewaffneten Regionen der Welt. Wenn es uns wirklich um Stabilität in dieser Region ginge, würden wir eine Sicherheitsarchitektur schaffen, anstatt zu versuchen, mit dieser Unsicherheit Geld zu verdienen.

Als ich vor etwa acht Jahren in den Iran reiste, waren die meisten Menschen, mit denen ich sprach, ziemlich stark gegen das Regime. Sie wollten mehr Demokratie, Liberalismus, Frauenrechte und so weiter. Dieselben Menschen äußerten auch Wut und Enttäuschung über die westliche Außenpolitik gegenüber dem Iran. Sie beklagten sich über die Sanktionen und die ständigen militärischen Drohungen. Sie sagten, die Sanktionen und Drohungen machten es der Opposition schwer, das Land zu liberalisieren oder etwas gegen die Regierung zu unternehmen.

Sie sprachen auch über die westliche Unterstützung für Saddams Angriffskrieg in den 80er Jahren. Sie sprachen über den Putsch gegen die demokratisch gewählte, säkulare Regierung im Jahr 1953, der von den Vereinigten Staaten und Großbritannien unterstützt wurde. Und sie sprachen auch über die britische und russische Besetzung des Landes in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die man als eine Form des Semikolonialismus bezeichnen könnte und die zu Hungersnöten während der Weltkriege führte. Die Menschen klagten über viele Ungerechtigkeiten des Westens.

In Bezug auf die Innenpolitik – Demokratie, die Kultur des Liberalismus usw. – hatten sie eine positive Sicht auf den Westen. Aber alle, mit denen ich gesprochen habe, waren sehr kritisch gegenüber der westlichen Außenpolitik. Und ich denke, das ist wichtig. So viele westliche Politiker glauben, dass sie etwas Gutes tun würden, wenn sie den Iran angreifen, dass sie den Menschen einen Gefallen tun würden, wenn sie ihren Traum vom Regimewechsel verwirklichen könnten. Dann wären alle glücklich. Was glauben Sie, wie das iranische Volk heute reagieren würde, wenn es zu einer großen Eskalation und einem militärischen Eingreifen Israels und seines wichtigsten Verbündeten, der Vereinigten Staaten, käme?

Zunächst einmal denke ich, dass Sie ganz richtig liegen, dass das iranische Volk mit der Unterdrückung, den Menschenrechtsverletzungen, der politischen und sozialen Unterdrückung, mit der es konfrontiert ist, und natürlich der massiven wirtschaftlichen Korruption und Misswirtschaft äußerst unzufrieden ist. Sie wollen Veränderung. Und in den letzten Jahren hatten sie den Gedanken an Reformen weitgehend aufgegeben, sodass sie die Regierung als Ganzes stürzen wollten. Ich glaube, jetzt haben sie auch die Hoffnung auf eine Revolution verloren und befinden sich in einem Szenario, das für sie ziemlich aussichtslos ist. Sie sehen intern keinen Weg nach vorne, und es gibt keine wirkliche Theorie, was getan werden muss, um eine bessere interne Situation herbeizuführen. Was meiner Meinung nach jedoch klar ist, ist, dass die Unterstützung für ein militärisches Eingreifen des Westens minimal ist.

Das sehen wir gerade jetzt. Die iranische Bevölkerung ist sehr unglücklich über diese Eskalation zwischen Israel und dem Iran. Sie wollen keinen Krieg. Sie haben kein Interesse daran, in einen solchen hineingezogen zu werden, und das ist übrigens auch einer der Gründe, warum sich die iranische Regierung recht zurückhaltend verhält, wenn es darum geht, viele Schläge Israels zu absorbieren, das im Laufe der Jahre eine große Zahl iranischer Generäle und Militärkommandeure getötet hat – und auch, dass der Iran nicht wirklich direkt in die Kämpfe in Gaza verwickelt wird und sogar Druck auf die irakischen Milizen ausübt, die der Iran unterstützt, um Angriffe auf US-Truppen zu verhindern. Das alles liegt zum Teil daran, dass die Iraner auf lange Sicht spielen, aber auch, weil sie sehr genau wissen, dass die iranische Bevölkerung im Moment keinen Appetit auf einen Krieg in der Region hat. Aber wenn Israel angreifen würde oder wenn der Westen angreifen würde, würde sich ein sehr großer Teil der Bevölkerung hinter der Flagge versammeln.

Ich denke aber, dass man im Iran ein ähnliches Phänomen beobachten kann wie in Israel. Als Israel von der Hamas angegriffen wurde, gab es ein Phänomen, bei dem sich die Menschen um die Fahne scharten, aber nicht um den Anführer, denn Netanjahu hat von diesem Angriff politisch überhaupt nicht profitiert. Das Land hat sich gegen die Bedrohung durch die Hamas geeint, aber nicht in dem Sinne, dass es sich tatsächlich um Netanjahu schart, der jetzt noch unbeliebter ist und noch mehr zu kämpfen hat als vor dem 7. Oktober. Ich vermute, dass ein ähnliches Phänomen, wenn auch vielleicht nicht in der gleichen Intensität, im Iran zu beobachten ist: Die Bevölkerung würde sich gegen eine äußere Bedrohung hinter der Flagge versammeln, aber nicht unbedingt in einer Weise, die zu einer größeren Unterstützung für ein Regime führt, das immer noch sehr unpopulär ist und auch weiterhin sein wird.

Ich bin auch sehr besorgt, dass es im Westen zu einem „Rally around the flag“-Effekt kommen könnte. Die Unterstützung für Israel würde wachsen, wenn die Situation noch weiter eskaliert und es zu ernsthafteren Angriffen des Irans auf Israel als Vergeltungsmaßnahme kommt. Ich habe das Gefühl, dass Deutschland bei weiteren Angriffen durchaus an der Seite Israels stehen würde. Und wir werden kein Gespräch in den Leitmedien oder unter den mächtigsten Politikern darüber führen, wer damit angefangen hat oder was auch immer. Es wird keine Rolle spielen. Wir müssen an der Seite Israels gegen dieses böse, expansionistische Regime stehen, das darauf aus ist, Israel zu zerstören. So die Sicht. Deshalb glaube ich, dass die Gefahr eines umfassenden Krieges sehr groß ist.

Auf jeden Fall. Und das ist auch ein großer Unterschied zu dem, was Europa früher war. Deutschland war zum Beispiel der Hauptvermittler zwischen der Hisbollah und Israel in verschiedenen Konflikten zwischen ihnen. Heute hat Deutschland in der Region so gut wie keine Glaubwürdigkeit mehr und wird niemals mehr die Rolle des Vermittlers spielen können. In der Tat könnte fast kein europäisches Land dies tun – mit Ausnahme von Nicht-EU-Staaten wie der Schweiz vielleicht. Das ist letztlich sehr, sehr schlecht für Europa als Ganzes, selbst wenn es nicht zu einem großen Krieg kommt, weil ein großer Teil der europäischen Soft Power und des diplomatischen Gewichts im Wesentlichen durch die eigene Politisierung der europäischen Außenpolitik zunichte gemacht worden ist.

Wenn es zu einer militärischen Konfrontation käme, haben Sie wohl recht, dass die politische Führung sehr einseitig vorgehen und Europa wahrscheinlich in einen Konflikt hineinziehen würde. Ich bin mir jedoch nicht so sicher, ob es ihnen auf lange Sicht gelingen wird, die europäische Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass dies der richtige Ansatz ist. Angesichts der Tatsache, dass die Medien in Europa derzeit sehr einseitig sind, könnten sie kurzfristig einen gewissen Erfolg haben. Wenn Europa erst einmal die Folgen dieses Krieges sieht, und diese Folgen werden sehr, sehr düster sein, dann kann ich mir nur sehr schwer vorstellen, dass die europäischen Bevölkerungen eine solche Politik mittel- oder langfristig unterstützen können. Wenn man sich anschaut, wie sich die Meinung in Europa über die Ukraine verändert, dann hat sie sich sogar schon ziemlich stark verändert. Wenn die Europäer direkt in den Krieg verwickelt worden wären, hätte sich der Wandel meiner Meinung nach viel früher und viel deutlicher abgezeichnet.

Es gibt etwas, das mich in Deutschland, den USA und vielen anderen westlichen Ländern überrascht hat. Die Unterstützung Israels während dieses Völkermordes in Gaza – oder zumindest eines sehr brutalen Abschlachtens und einer ethnischen Säuberung, wobei wir uns darüber streiten können, ob es sich um einen Völkermord handelt, das hängt auch von der Definition ab, die wir für das Wort Völkermord verwenden. Diese Unterstützung zeigt eine sehr eigenartige Art von Extremismus, von Fanatismus im Westen von Menschen, die sich selbst als Zentristen und Gemäßigte betrachten.

Ich befürchte, dass derselbe Extremismus jetzt bei einem Krieg mit dem Iran zum Vorschein kommen könnte, und dann könnte es wirklich völlig aus dem Ruder laufen, und wir würden tief in einen Krieg hineingezogen, der der größte Krieg im Nahen Osten wäre, den wir je hatten oder den wir seit sehr langer Zeit hatten, weil der Iran ein viel größeres und viel stärkeres Land ist. Bitte sagen Sie mir, dass ich paranoid bin oder übertreibe. Glauben Sie, dass eine reale Gefahr dafür besteht?

Ich befürchte, dass dieses Szenario viel gefährlicher und wahrscheinlicher ist, als ich vor sechs, sieben Monaten gedacht hätte. Ich befürchte, dass dies leider ein realistisches Szenario ist. Europa hat in der Vergangenheit eine stabilisierende Rolle gespielt und für Handel, Frieden und Stabilität gesorgt. Im Moment versucht es nicht einmal, das zu tun. Sehen Sie sich nur die Einseitigkeit der europäischen Verurteilung des iranischen Vergeltungsschlags gegen Israel an und die Art und Weise, in der viele europäische Staaten – insbesondere Frankreich und das Vereinigte Königreich – sich weigerten, den israelischen Angriff zu verurteilen, der die ganze Sache durch den Angriff auf eine Botschaft ausgelöst hat. Unter normalen Umständen ist das europäische Engagement für die Grundsätze des Völkerrechts unerschütterlich.

Ich sage nicht, dass es in der Vergangenheit keine Doppelmoral gab, aber es war doch so, dass es für die Europäer sehr kostspielig wäre, das Völkerrecht zu untergraben, es nicht einzuhalten, es nicht aufrechtzuerhalten. Jetzt sieht es so aus, als ob die meisten europäischen Staaten das Völkerrecht überhaupt nicht beachten. Letztlich ist für mich nicht erkennbar, wie ein solches Vorgehen tatsächlich zu mehr Sicherheit für Europa selbst führen soll.

Traditionell war die Unterstützung des Völkerrechts das Fundament der europäischen Sicherheit. Das scheint nun aufgegeben worden zu sein. Stattdessen glaubt man, dass der amerikanische Sicherheitsschirm, der Nuklearschirm, die Mitgliedschaft in der NATO die Grundlage der europäischen Sicherheit ist. Ich persönlich glaube nicht, dass dies der Fall ist. Ich glaube, dass wir die Lehren aus der Geschichte Europas im 20. Jahrhundert verlernen und zu einem viel primitiveren Ansatz in der Außenpolitik zurückkehren, der Europa und der Welt weit weniger Sicherheit und Wohlstand bringen wird.

Ich denke, ein weiterer Faktor, der hier unterschätzt wird und der die Sache noch gefährlicher macht, ist, dass ein Großteil der Region indirekt beteiligt ist. Es könnte einen Krieg im Libanon geben, der mit einem Krieg mit dem Iran zusammenhängt. Es könnte zu einem Krieg im Jemen kommen, den es bereits gibt, und es gibt bereits einen Krieg im Libanon und Syrien. Wir reden also nicht nur über den Iran. Wenn das eskaliert, stellt sich die Frage, ob die iranischen Verbündeten und Stellvertreter in diesen Ländern und auch im Irak ebenfalls eskalieren und dann in der gesamten Region die Hölle los ist. Wo liegen Ihrer Meinung nach die gefährlichsten Krisenherde? Worüber sollten wir uns hier am meisten Sorgen machen?

Ich glaube, da haben Sie völlig recht. Wenn es zu einem umfassenderen Krieg kommt, werden viele dieser verschiedenen Milizen aktiviert werden, und es wird ziemlich viel los sein. Das wird enorme negative Auswirkungen auf die Sicherheit Europas haben und natürlich auch unmittelbar auf die europäische Wirtschaft. Die Ölpreise werden in die Höhe schießen. Dies wird sich sehr negativ auf Europa auswirken, da es von Öl und Gas abhängig ist und selbst über keine großen Ölvorkommen verfügt. Darüber hinaus werden sich diese Inflation und dieser wirtschaftliche Abschwung auch auf die Fähigkeit Europas auswirken, seine Position gegenüber der Ukraine zu halten. Die negativen Auswirkungen, die auch dann eintreten werden, wenn Europa nicht direkt in den Krieg verwickelt wird, sind also schon jetzt immens. Das ist einer der Gründe, warum es so leichtsinnig von den Europäern ist, sich nicht auf eine ganzheitlichere und effizientere Art und Weise um Sicherheit zu bemühen, sondern sich fast absichtlich zum Teil des Konflikts zu machen, anstatt Teil der Lösung zu sein.

Vielen Dank für das Gespräch. Es war mir ein Vergnügen. Alles Gute für Sie und für den Iran.

Ich danke Ihnen vielmals. Ich wünsche Ihnen viel Glück. Wir sprechen uns bald wieder.

Michael Holmes ist freiberuflicher Journalist, Gründer von Global Apartheid, einem Projekt, das die größten Massenmorde der modernen Geschichte analysiert.

Titelbild: Screenshot NachDenkSeiten

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Neue Wege in der russischen Wirtschaft, dargestellt am Beispiel einer Kosmetik-Fabrik

19. April 2024 - 10:00

Russische Unternehmen, die Kosmetik produzieren, mussten sich in den letzten zwei Jahren umstellen. Wegen der westlichen Sanktionen können diese Unternehmen keine Rohstoffe mehr aus der EU beziehen, und Kosmetik aus Russland kann auch nicht mehr in der EU verkauft werden. Das betrifft auch den russischen Kosmetik-Produzenten Arnest. Rohstoffe, die bisher aus der EU kamen, bekommt das Unternehmen jetzt aus Asien, und der Export von Arnest-Kosmetik geht jetzt in Staaten, die entspannte Beziehungen zu Russland haben. Ulrich Heyden berichtet über einen Besuch in der in Südrussland gelegenen Arnest-Fabrik.

Das Unternehmen mit seinen 1.000 Mitarbeitern produziert in einer steuervergünstigten Zone in der Stadt Newinnomyssk, im Gebiet Stawropol.

Anatoli Desjatnitschenko ist Geschäftsführer der Arnest-Fabrik in Newinnomyssk. In der Eingangshalle der Fabrik berichtet der groß gewachsene Mann einer Gruppe ausländischer Korrespondenten gutgelaunt, wie man die Folgen der westlichen Sanktionen abgefedert hat. Nach einem Produktionseinbruch im Mai 2022 habe die Produktion „schon fast wieder das Niveau erreicht, welches wir vor 2022 hatten. Unsere Produktionsanlagen werden von mehr und mehr Auftraggebern genutzt.“ Dazu muss man wissen: Arnest produziert nicht nur eigene Marken wie die schon in Sowjetzeiten bekannte Haarlack-Marke „Prelest“ (Lieblichkeit), sondern seit 2000 auch für westliche Kosmetik-Konzerne.

Ich gehörte zu der Korrespondenten-Gruppe, die dem Geschäftsführer zuhörte. Und ich möchte hier darüber berichten, was wir in der Arnest-Fabrik gesehen haben. Denn was erfährt man in Deutschland heute schon über die reale russische Wirtschaft? Die Reise zur Arnest-Fabrik und anderen Wirtschaftsobjekten im Gebiet Stawropol hatte das russische Außenministerium organisiert. Der Geschäftsführer erzählte, „wir haben das gesamte Spektrum der europäischen Sanktionen zu spüren bekommen, weil der Großteil der chemischen Stoffe für die Produktion aus Europa kam. Jetzt wird ein Teil der chemischen Vorprodukte in Russland hergestellt oder aus Asien importiert.“ Aus Russland kommen für die Sprayflaschenproduktion Alkohol, Treibgas und Aluminium. Weitere Rohstoffe – wie Polymere – werden „aus Asien und befreundeten Ländern“ importiert.

Früher hat man nach Europa und Südamerika exportiert. „Heute exportieren wir nach Kasachstan, Usbekistan, Tadschikistan und Aserbaidschan. Und wir beginnen jetzt mit dem Export auf den afrikanischen Markt.“

Auftragsproduktionen für 20 verschiedene Kunden

Das 1971 gegründete Unternehmen Arnest hat einen führenden Platz am russischen Kosmetik-Markt. 1993 wurde das Unternehmen privatisiert und in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Ab 2000 produzierte Arnest den Haarlack „Taft“ von Henkel. Nach Angaben russischer Wirtschaftsprüfer produzierte Arnest 2023 noch für die Firmen Procter & Gamble, Unilever, Beiersdorf und Colgate-Palmolive.

Geschäftsführer Desjatnitschenko erklärt uns, dass man jetzt für 20 Kunden Auftragsproduktionen ausführe. Um die Kunden nicht zu schädigen, bittet man uns, in den Produktionshallen nur an genehmigten Stellen zu fotografieren.

Bei unserem Rundgang durch das Betriebsgelände besuchen wir eine Halle, in der Stoffe für die Kosmetik-Produktion gewogen und gemixt werden. Es steigt kein Dampf auf. Alles sieht steril und sehr gepflegt aus. Der Geschäftsführer berichtet, „die Auftraggeber kommen mit ihrem Design und ihrer Marke. Der Auftraggeber stellt uns seine Idee vor und wir setzen diese Idee um“.

2023 produzierte Arnest noch für Beiersdorf

In einer der Produktionshallen kommen wir an einem Informationstand vorbei, dessen gläserne Regale mit Sprayflaschen europäischer Firmen wie Beiersdorf, L‘Oreal und Oriflame gefüllt sind.

Als ich nach meiner Reise in den Süden Russlands bei der Beiersdorf-Zentrale in Hamburg nachfragte, ob es noch Auftragsproduktionen in Newinnomyssk gibt, erklärte die Unternehmenssprecherin Karolin Köhler, „in 2023 hat Arnest für Beiersdorf Deosprays und Rasierschäume produziert. Der Vertrag lief im August 2023 aus“.

Beiersdorf ist durch die Sanktionen gegen Russland in eine schwierige Situation gekommen. Das Unternehmen will seine starke Position am russischen Markt nicht aufgeben, musste aber im Russland-Geschäft einen Gang zurückschalten. Wie die Unternehmenssprecherin mitteilte, wurden „seit Anfang März 2022 unsere Geschäftsaktivitäten von La Prairie und tesa in Russland komplett eingestellt“. Das Produktportfolio von NIVEA und Eucerin habe man um 65 Prozent reduziert.

Gegenüber der WirtschaftsWoche erklärte Beiersdorf Anfang 2023: „Wir halten die Sanktionen in vollem Umfang ein und verfügen über die geeigneten Arbeitsmethoden, um unsere Geschäfte in Russland im Rahmen der Sanktionen und trotz des sehr schwierigen Umfelds zu führen.“

In Russland ist Beiersdorf mit der in Moskau registrierten Handelsfirma „OOO Beiersdorf“ registriert. „OOO“ bedeutet „Gesellschaft mit beschränkter Haftung“. Die Firma hatte 2023 nach Angaben russischer Wirtschaftsprüfer Einnahmen in Höhe von 193 Millionen Euro. Die Einnahmen seien 2023 um 35 Prozent höher gewesen als im Vorjahr.

Um Argumente für das Russland-Geschäft nicht verlegen

Das Handelsblatt kommt in einer Analyse vom Februar 2024 zu dem Schluss, dass „die meisten deutschen Unternehmen, die vor Kriegsbeginn Verbindungen zu Russland hatten“, dort „noch immer Geschäfte“ machen.

Bekannte deutsche Automobilmarken haben zwar ihre Produktion in Russland gestoppt, aber ein großer Teil der Unternehmen, die für den alltäglichen Bedarf produzieren, sind noch im Russland-Geschäft aktiv, wie die WirtschaftsWoche im Februar 2023 berichtete. Nur Werbung im russischen Fernsehen werde nicht mehr geschaltet.

Um Argumente, warum man im viel gescholtenen „Reich des Bösen“ weiterhin Geschäfte machen kann, sind die westlichen Unternehmer nicht verlegen. Der Chef des deutschen Käse-Produzenten „Hochland“, Peter Stahl, erklärte gegenüber dem Handelsblatt: „Aus unserer verantwortungsethischen Sicht hat der Verbleib eines deutschen Nahrungsmittelunternehmens in Russland aber keinerlei Einfluss auf den Kriegsverlauf oder Putins Entscheidungen.“

Der Nahrungsmittelkonzern Nestlé erklärte gegenüber Medien, der Konzern habe sein Portfolio „drastisch reduziert“. Die verbleibenden Geschäfte konzentrierten sich darauf, „die Menschen vor Ort mit Grundnahrungsmitteln zu versorgen“.

Der Chef des deutschen Großhandel-Konzerns Metro, Steffen Greubel, erklärte im Februar 2024 gegenüber der DPA, es sei nicht im eigenen Interesse, „das Geschäft Oligarchen aus dem Umfeld der russischen Regierung zu überlassen“. Metro gehören in Russland 89 Großhandelsmärkte.

Meterhohe Stapel von Aluminium-Barren

Doch zurück zur Kosmetik-Fabrik Arnest in Südrussland. Ein Bus, der uns über das 25 Hektar große Werksgelände bringt, stoppt an einer Halle, vor der meterhoch Aluminiumbarren gestapelt sind. Sie kommen von dem russischen Produzenten Rusal. In der Halle steht ein riesiger Schmelzofen, in dem die Aluminium-Barren bei 1.000 Grad Hitze geschmolzen werden. Mit dem flüssigen Aluminium werden kleine, drei Zentimeter große Taler gepresst, aus denen dann in einer Presse mit einem Druck von 400 Tonnen Sprayflaschen gepresst werden.

Metallbörse in London bestimmt Aluminiumpreis

Ich frage einen unserer Begleiter, wie der Preis für Aluminium heute ermittelt wird. Der Mitarbeiter antwortet, der Preis von Aluminium in Russland werde durch die Rohstoffbörse in London bestimmt. Russland ist also wirtschaftlich nicht autonom.

In der nächsten Halle werden die Rohkörper der Spray-Flaschen beschnitten, gereinigt und von außen bedruckt. In der Halle sind moderne Maschinen von den baden-württembergischen Herstellern „Hinterkopf“ und „mall herlan“ sowie Maschinen aus den USA, der Schweiz und Italien zu sehen.

Arnest-Geschäftsführer: „Westliche Produktionsanlage selbst montiert“

Kurz vor dem Einmarsch der russischen Armee in die Ukraine wurde noch eine neue Produktionslinie von einer westlichen Firma geliefert, berichtet einer der Mitarbeiter, die unsere Gruppe begleiten. „Wir haben die Produktionslinie dann ohne die Hilfe des Lieferanten aufgebaut.“ Wie das denn möglich war, fragte ich nach. „Wir haben schon zehn solche Produktionslinien mit jeweils 20 Maschinen verschiedener Hersteller. Wir haben in den letzten zehn Jahren jedes Jahr eine neue Produktionslinie gekauft.“ Bei der Aufstellung der ersten Produktionslinie hätten noch Mitarbeiter der deutschen Firma die Aufsicht geführt.

Ich fragte den Arnest-Geschäftsführer, wie es mit den Ersatzteilen für die aus Europa importierten Maschinen aussieht. Desjatnitschenko antwortete, damit habe man keine Probleme. Der Maschinenpark sei auf dem neuesten Stand und Ersatzteile habe man genug. „Außerdem stellen wir selbst Ersatzteile her. Elektronik bekommen wir aus Asien. Für die Programmierung gibt es genug russische Spezialisten.“

Produktion rund um die Uhr

Die Produktion in der Arnest-Fabrik läuft rund um die Uhr. Eine Arbeitsschicht ist zwölf Stunden und die Wochenarbeitszeit 36 bis 40 Stunden lang. Der Durchschnittsverdienst für die 1.000 Mitarbeiter liegt bei durchschnittlich 550 Euro. Das ist nicht viel. Allerdings liegen die Lebenshaltungskosten in der russischen Provinz niedriger als in den russischen Großstädten.

Der Geschäftsführer berichtet, dass es in der Fabrik eine Gewerkschaft gibt, welche einen Tarifvertrag ausgehandelt hat. Für die Arbeiter an Arbeitsplätzen mit erhöhter gesundheitlicher Belastung gäbe es zahlreiche Vergünstigungen.

Arnest kaufte Fabriken und Brauereien westlicher Firmen

Die Firma Arnest machte in den letzten zwei Jahren Schlagzeilen weit über Südrussland hinaus. Die Kosmetik-Firma kaufte Fabriken und Brauereien ausländischer Firmen auf. 2023 kaufte Arnest für 25 Millionen Euro die nahe Moskau gelegene Fabrik der schwedischen Kosmetikfirma Oriflame.

Arnest-Chef Aleksej Sagal kann es sich leisten, Fabriken zu kaufen. Er steht auf der Liste der Russen mit den höchsten Einkommen an Dividenden auf Platz 34. Im Jahr 2022 hatte Sagal Einkünfte an Dividenden in Höhe von umgerechnet 86 Millionen Euro. „Durch die geopolitische Situation“ habe sich das Geschäftsfeld der Gruppe Arnest seit 2022 ausgeweitet, schreibt das russische Wirtschaftsportal RBK.

Die Gruppe Arnest habe von der US-amerikanischen Ball Corporation das größte Unternehmen in Russland zur Herstellung von Aluminiumdosen gekauft.

Dem niederländischen Unternehmen Heineken kaufte Arnest alle seine sieben Brauereien in Russland mit 1.800 Beschäftigen ab. Der Kaufpreis lag bei einem Euro. Allerdings übernahm Arnest beim Kauf der Heineken-Brauereien auch die Schulden des Unternehmens in Russland in Höhe von 100 Millionen Euro.

Bundesregierung lieferte falsche Prognosen

Dass sich westliche Kosmetik-Unternehmen aus dem russischen Markt zurückziehen, hat – so der Arnest-Chef Sagal gegenüber dem russischen Business-Portal RBK – zu einer Ausweitung des russischen Markanteils geführt. Der Anteil russischer Firmen, die bei Arnest Produktionsaufträge für russische Kosmetik aufgeben, sei von 30 Prozent (2021) auf 70 Prozent (2023) gestiegen.

Während der Marktanteil russischer Kosmetikmarken in Russland 2022 bei 20 Prozent und der Anteil ausländischer Marken bei 80 Prozent lag, liege der russische Marktanteil heute bei 50 Prozent.

Wie auch in anderen Wirtschaftsbereichen haben die russischen Unternehmer im Bereich der Kosmetik-Produktion trotz Sanktionen einen Ausweg gefunden, setzen die Produktion fort und weiten ihre Geschäftsbereiche sogar noch aus. Von so einer Möglichkeit wollte die Bundesregierung im Frühjahr 2022 nichts wissen. Aber um die Deutschen gegen Russland aufzubringen, waren einfache, furchterregende Schwarz-Weiß-Bilder nötig.

Titelbild: Ulrich Heyden

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Verfassungsgericht: „Der Staat hat grundsätzlich auch scharfe und polemische Kritik auszuhalten“

19. April 2024 - 9:01

Das Bundesverfassungsgericht hat einen Versuch der Bundesregierung zurückgewiesen, sich von polemischen Äußerungen abzuschirmen, die durch Meinungsfreiheit gedeckt seien. Julian Reichelt hatte eine Verfassungsbeschwerde eingelegt. In einer Entscheidung, die über den konkreten Fall hinaus Wirkung entfalten könnte, wurde festgestellt: „Dem Staat kommt kein grundrechtlich fundierter Ehrenschutz zu.“ Auch wenn diese Aussage eigentlich selbstverständlich sein sollte, so war es doch wichtig, diese Feststellung zu erzwingen. Ein Kommentar von Tobias Riegel.

Der Journalist Julian Reichelt hat sich vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) gegen Entwicklungshilfeministerin Svenja Schulze im Streit um Reichelts „Taliban-Tweet“ durchgesetzt, wie etwa das Medienportal Turi2 berichtet. Zitate aus der Begründung des BVerfG folgen weiter unten im Text.

Der frühere „Bild“-Chefredakteur Reichelt ist Chef des Online-Portals Nius und er hatte auf X unter anderem geschrieben, dass Deutschland „in den letzten zwei Jahren 370 Millionen Euro (!!!) Entwicklungshilfe an die Taliban (!!!!!!)“ gezahlt habe. Schulze war vor dem Kammergericht Berlin zunächst erfolgreich gegen den Tweet vorgegangen. Reichelt hatte wiederum dagegen Verfassungsbeschwerde eingelegt. Nach der Entscheidung des BVerfG müsse sich das Kammergericht mit dem Fall nun erneut befassen, so der Bericht.

Auf Antrag der Bundesregierung hatte das Kammergericht Berlin Reichelt die Verbreitung der Kurznachricht auf X untersagt, mit der Begründung: Sie sei eine unwahre Tatsachenbehauptung. Sie stelle auch keine Meinungsäußerung dar, die von der im Grundgesetz geschützten Meinungsfreiheit gedeckt sei, wie die Tagesschau berichtet. Laut BVerfG argumentierte das Ministerium, Reichelts Tweet sei geeignet, „das Vertrauen der Bevölkerung in die Tätigkeit der Bundesregierung zu gefährden“.

Im Rechtsstreit gegen Reichelts Tweet hat das Ministerium von Schulze 20.000 Euro für externe Rechtsberatung ausgegeben, berichtet der Tagesspiegel laut Turi2. Das Ministerium wolle den Rechtsstreit nicht weiter verfolgen.

Guter Schritt für die Debattenkultur

Der Inhalt des Tweets von Reichelt ist in diesem Artikel nicht Gegenstand und soll nicht bewertet werden – hier es geht nur um die prinzipiellen Aussagen des Gerichts zur Meinungsfreiheit. Dass Julian Reichelt seine Beschwerde beim Verfassungsgericht durchgefochten hat, ist wegen der über den Fall hinausreichenden Wirkung ein guter Schritt.

Auch wenn man politisch oft nicht Reichelts Meinung sein mag, möglicherweise auch im Falle des konkreten Tweets nicht: Die Entscheidung des BVerfG kann Regierungskritikern jeder Couleur helfen. Das Bundesverfassungsgericht hat damit einen Versuch der Bundesregierung, sich über Gebühr von Kritik abzuschirmen, prinzipiell zurückgewiesen und den hohen Stellenwert der Meinungsfreiheit endlich mal wieder in der öffentlichen Debatte betont – das könnte auch für andere Fälle Gewicht haben und damit für die Debattenkultur allgemein.

Ihr Schutz darf indessen nicht dazu führen, staatliche Einrichtungen gegen öffentliche Kritik (…) abzuschirmen“

In seiner Pressemitteilung vom 16. April schreibt das Bundesverfassungsgericht:

Die Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet. Die angegriffene Entscheidung verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG. (…)

Dem Staat kommt kein grundrechtlich fundierter Ehrenschutz zu. Der Staat hat grundsätzlich auch scharfe und polemische Kritik auszuhalten. Zwar dürfen grundsätzlich auch staatliche Einrichtungen vor verbalen Angriffen geschützt werden, da sie ohne ein Mindestmaß an gesellschaftlicher Akzeptanz ihre Funktion nicht zu erfüllen vermögen. Ihr Schutz darf indessen nicht dazu führen, staatliche Einrichtungen gegen öffentliche Kritik – unter Umständen auch in scharfer Form – abzuschirmen, die von dem Grundrecht der Meinungsfreiheit in besonderer Weise gewährleistet werden soll, und der zudem das Recht des Staates gegenübersteht, fehlerhafte Sachdarstellungen oder diskriminierende Werturteile klar und unmissverständlich zurückzuweisen.

Das Gewicht des für die freiheitlich-demokratische Ordnung schlechthin konstituierenden Grundrechts der Meinungsfreiheit ist dann besonders hoch zu veranschlagen, da es gerade aus dem besonderen Schutzbedürfnis der Machtkritik erwachsen ist und darin unverändert seine Bedeutung findet. (…)

Die Regierung ist nicht „die Demokratie“

Kritik daran, dass das BVerfG der Beschwerde Reichelts stattgegeben hat, obwohl dieser nach der Niederlage vor dem Kammergericht in Berlin kein Hauptsacheverfahren geführt habe, formuliert die Legal Tribune Online in diesem Artikel.

Meiner Meinung nach ist die Entscheidung des Verfassungsgerichts trotz möglicherweise berechtigter formaler Einwände wichtig: Es steht unter anderem den aktuellen Bestrebungen entgegen, neue Tatbestände wie „Delegitimierung des Staates“ zu schaffen. Indirekt wird auch der Versuch geschwächt, durch extra unscharfe Begriffe die Grenze zwischen legaler Polemik und eindeutig (und zu Recht) verbotenen Handlungen wie persönlicher Beleidigung oder Volksverhetzung zu verwischen.

Das Urteil wendet sich in seiner Wirkung gegen die aktuellen Versuche, die Debattenräume zu verkleinern. In Zeiten, in denen sich Regierungen teils indirekt mit „der Demokratie“ gleichsetzen und Kritik an ihrer mangelhaften Arbeit als eine „Verhöhnung des Staates“ diffamieren wollen, ist es wichtig, dass das Verfassungsgericht auch ganz einfache Dinge noch einmal feststellt, die einst als selbstverständlich galten, wie etwa dieser Satz:

„Dem Staat kommt kein grundrechtlich fundierter Ehrenschutz zu.“

Titelbild: Respiro / Shutterstock

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Mission erfüllt: Bürger haben jetzt Angst, ihre Meinung zu äußern

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Kritische Bürger sind jetzt „Feinde der Demokratie“

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