Christoph Butterwegge – ein Bundespräsidentenkandidat mit Vergangenheit

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Christoph Butterwegge – ein Bundespräsidentenkandidat mit Vergangenheit
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Christoph Butterwegge

– ein Bundespräsidentenkandidat mit Vergangenheit

von Beate Iseltwald

Die Linkspartei hat Christoph Butterwegge als Bundespräsident aufgestellt. Es mag sein, dass er in Bezug auf soziale Armut vernünftige Positionen vertritt. Seine Vergangenheit ist es jedoch mit Sicherheit nicht, die ihn politisch attraktiv macht.

rudolf_bahro_die_alternative_zur_kritik_des_real_existierenden_sozialismus_kritisches_netzwerk_dissident_staatssozialismus_ddr_lohnarbeit_staatsmaschine_sed_sozialismuskritik.jpgZu den kontraproduktivsten linken Organisationen vor 1989 gehörte die DKP. Während andere Linke damit konfrontiert waren, in der Bevölkerung dafür zu argumentieren, dass Sozialismus nicht gleich DDR sei, bestand die Hauptbotschaft der DKP in genau dieser Gleichsetzung. Wenn es die DKP nicht gegeben hätte, die westdeutsche Bourgeoisie hätte einen solch nützlichen Idioten erfinden müssen. Die größten Antikommunisten, so sagte damals Heinrich Böll, saßen in den Regierungen von Moskau und Ost-Berlin. Die DKP und ihre fellow-traveller haben die Verdrehung und Mystifikation kultiviert, die Kritik an der SED als „Antikommunismus“ zu verbellen. Die DKPler begrüßten dann bspw. die Verurteilung von Rudolf Bahro zu acht Jahren Gefängnis. Es handele sich um einen Akt legitimer Verteidigung des „sozialistischen Gemeinwesens“.

Wer in den 1970er und 1980er Jahren schon politisch aktiv war, kann sich daran erinnern, wie Christoph Butterwegge sich als treuer Bündnispartner der DKP betätigte. Anhänger der DKP verfuhren damals zweigleisig. Manche traten offen als Parteianhänger auf, manche als „wahre Sozialdemokraten“, die ihr Leiden daran ausstellten, dass die SPD sie nicht in ihren Reihen haben wollte. Diese „wahren Sozialdemokraten“ waren dadurch definiert, dass sie sich am Bündnis mit der DKP und an der Affirmation der DDR orientierten. Zum Dauerbündnispartner der DKP an den Unis ab der Mitte der 1970er Jahre gehörte der SHB („Sozialistischer Hochschulbund“) .

Mechthild Jansen und Christoph Butterwegge haben die Position des SHB („Sozialistischer Hochschulbund“) und eines Teils der Stamokap-Jusos wie folge ausgedrückt:

"Bedingt durch die Verschiebung der Kräfteverhältnisse zwischen Imperialismus und Sozialismus im Weltmaßstab, aber auch die unübersehbare Stärkung der demokratischen Bewegung unseres Landes im allgemeinen (Gründung der DKP 1968, …) und die Neuformierung der SPD-Linken im besonderen, ist die herrschende Klasse zum gegenwärtigen Zeitpunkt gezwungen, die soziale Entrechtung der Werktätigen durch ideologisches Sperrfeuer (Menschenrechtskampagne) abzusichern.

Innerhalb der SPD übernehmen 'linke' Varianten des Antikommunismus ('Zerschlagung der stalinistischen Bürokratien in Osteuropa') die Aufgabe, ein Vordringen des Marxismus zu verhindern. Auch die neue Juso-Führung ordnet sich bewußt oder unbewußt dieser Funktion unter ('Bahro-Kampagne' gegen den SHB, Gründung einer Bürgerrechtsbewegung unter Ausschluß der Kommunisten, Auftreten der Juso-Delegation bei den XI. Weltjugendfestspielen auf Kuba), worunter jedoch auf längere Sicht ihre Fähigkeit leiden muß, linke Minderheiten, kritische Intelligenz und enttäuschte Jugendliche an die SPD zu binden…. Von daher gehört es zu den Aufgaben der Marxisten innerhalb der SPD, trotz ständiger Bedrohung durch Parteiordnungsverfahren, mit denen die rechtssozialdemokratische Führung jede Zusammenarbeit unterbinden will, für die Aktionseinheit aller fortschrittlichen Kräfte einschließlich der Kommunisten einzutreten und sie in der Praxis zu realisieren…. Schließlich beinhaltet eine wirksame Interessenvertretungspolitik die Auseinandersetzung mit allen Schattierungen des Antikommunismus, der von den kapitalistischen Krisenphänomenen und sozialen Alternativen ablenken, das einheitliche Vorgehen der Hauptströmungen der Arbeiterbewegung, von Sozialdemokraten und Kommunisten, verhindern soll" (Beiträge zum wissenschaftlichen Sozialismus 1/79, S. 84, 86).

Butterwegge (Jg. 1951) war, als er diese grob desorientierenden Sätze verfasste, kein Jugendlicher mehr, sondern hatte bereits ein „Studium“ hinter sich.

Der SHB erklärte 1978:

"Es gibt für uns keinen Grund, bereits im Vorverständnis davon auszugehen, daß die Begründung für die Verurteilung von Rudolf Bahro seitens des Berliner Staatsgerichts der DDR falsch ist. Und daß geheimdienstliche Tätigkeit in unterschiedlichen Formen und mit unterschiedlichen Mitteln ausgeübt werden kann, wird jeder einschlägige 'Fachmann' bestätigen können ….  In einer Zeit, wo von den Rechtskräften alle Mittel für eine Rückkehr zur Politik des kalten Krieges aufgewendet werden, beteiligt sich der SHB nicht am psychologischen Krieg gegen die DDR. Daß die Rechtskräfte solche Vorfälle für ihre antikommunistischen Zwecke aufbauen, ist uns hinreichend bekannt. Doch überraschend ist, wie offen einige sich selbst als 'linke' Sozialdemokraten bezeichnende Politiker wie Peter von Oertzen ihre Ziele darlegen… die eine große Gefahr für die Entspannungspolitik darstellen… Durch von den Rechtskräften gekonnt inszenierte Ablenkungsmanöver läßt sich der SHB nicht irritieren… Die Unzufriedenheit und der Widerstand gegen den gewöhnlichen Kapitalismus in unserem Land sollen mit derartigen Kampagnen gebrochen werden…" (Frankfurter Rundschau, 15.7.78).

Butterwegge im Februar 1980 in der SHB-Zeitschrift „frontal“:

Wer dem sozialistischen Staat, der sich von seinem Vorgänger grundlegend unterscheidet, nicht das Recht zugesteht, im Rahmen der gültigen Gesetze Gewalt anzuwenden, um die Machtstellung der Arbeiterklasse zu verteidigen, verläßt den Boden des wissenschaftlichen Sozialismus.“ Der Sozialismus ist „kein Pluralismus-Paradies, sondern das Gesellschaftssystem, wo die Arbeiterklasse ihre politische Macht errichtet, sie – unter Wahrung der sozialistischen Gesetzlichkeit, wenn es sein muß mit Gewalt – gegen ehemalige Kapitalisten und Konterrevolutionäre verteidigt und zur Umwälzung der herrschenden Eigentumsverhältnisse einsetzt.“ Auch die „Staatsmaschinerie der bürgerlich-parlamentarischen Demokratie“ könne man in den Sozialismus nicht übernehmen, sondern „zerbrechen“.

Die „sozialistische Gesetzlichkeit“, die Butterwegge hochhält, sah in der DDR so aus, dass Bahro, nachdem er seinen auch heute noch lesenswerten Band „Die Alternative“ 1977 im Westen publiziert hatte, wegen „landesverräterischer Sammlung von Nachrichten“ und „Geheimnisverrats“ verurteilt werden konnte.

Eine kritische Aufarbeitung seiner Vergangenheit ist bei Christoph Butterwegge nicht bekannt.

Beate Iseltwald

__________________

Buchcover: "Die Alternative. Zur Kritk des real rxistierenden Sozialismus", erschien im September 1977. Das Buch ist in drei Teile gegliedert: Das Phänomen des nichtkapitalistischen Weges zur Industriegesellschaft – Die Anatomie des real existierenden Sozialismus – Zur Strategie einer kommunistischen Alternative. Die vorangestellte Einleitung beginnt mit dem Postulat, dass die kommunistische Bewegung nicht zu den theoretisch erwarteten Verhältnissen geführt habe, sondern im Grunde den kapitalistischen Weg mit lediglich oberflächlichen Veränderungen fortführe. „Die Entfremdung, die Subalternität der arbeitenden Massen dauert auf neuer Stufe an.“ Das Buch wolle die Gründe für diese Entwicklung analysieren und Lösungen anbieten.

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Verbunden: 10.09.2016 - 11:31
Kritik an Dr. Butterwegge


Kritik der Kritik

Sehr geehrte Frau Iseltwald,

es erschließt sich nicht so Recht, was Sie konkret Herrn Butterwegge vorzuwerfen gedenken. Aber der Reihe nach.

In ihrem zweiten Satz deuten sie mittels „Es mag sein“, einen gewissen Vorbehalt an bzw. stellen Besagtes nur als Möglichkeit dar. Dabei hat Herr Butterwegge durch Wort und Tat - sprich seine zahlreichen Publikationen und Vorträge - doch längst hinlänglich bewiesen, dass es so ist. Wenn sie dennoch Zweifel daran hegen, so belassen sie es doch bitte nicht bei nebulösen Andeutungen, sondern untermauern diese durch entsprechende Belege. Oder aber sie möchten Herrn Butterwegges Engagement hinsichtlich sozialer Armut nicht in Frage stellen, dann wäre es im Sinne einer seriösen Kommentierung angezeigt, auf solche Bemerkungen zu verzichten. So jedenfalls ist das in Gänze substanzlos.

Sie schreiben, seine Vergangenheit würde ihn mit Sicherheit nicht politisch attraktiv machen. Dies, gute Frau, liegt entgegen ihrer absoluten Aussage in Form einer Tatsachenfeststellung immer noch im Auge des Betrachters und ist somit von zutiefst subjektiver Einschätzung abhängig. Dieser Sachverhalt steht einer berechtigten Formulierung als Tatsachenfeststellung, wie Sie sie bemüht haben, diametral entgegen. Juristisch wird so etwas „falsche Tatsachenbehauptung“ genannt.

Wobei ja auch nicht der 29-jährige Butterwegge einer über 35 Jahre zurück liegenden Vergangenheit als Alternativkandidat aufgestellt wird, sondern der 65-Jährige der Gegenwart. Schon ein Minimum an Lebenserfahrung lässt unmittelbar erkennen, dass das nicht das Gleiche sein kann.

Im zweiten Absatz lassen sie sich zur DKP aus. Vor der kann man ja halten - und womöglich auch mit validen Sachargumenten kritisieren - was immer man will, aber nicht die DKP steht zur Wahl eines Bundespräsidenten an, sondern Herr Butterwegge. Sie versuchen nun mittels des Terminus „treuer Bündnispartner“ wahrheitswidrig so zu, als wäre alle wie auch immer berechtigte Kritik an der DKP 1:1 auf Herrn Butterwegge übertragbar. Diese Implikation wird ebenfalls durch ein Minimum an Lebenserfahrung Lügen gestraft: schon in den „etablierten“ Altparteien bedeutet - selbst bei exponierten sog. „Spitzenpolitikern“ - die Parteizugehörigkeit noch lange nicht, dass ein Parteimitglied auch in Gänze die offizielle Parteimeinung mitträgt oder widerspiegelt. Um wie viel weniger mag das dann unter Linken, die erfahrungsgemäß untereinander umso zerstrittener sind, der Fall sein?

Frau Iseltwald, leider entzieht sich Ihr Alter meiner Kenntnis, sodass sich wenigstens eine grobe Abschätzung von mutmaßlicher Lebensweisheit verbietet. Dennoch sollte einem das Leben schon in jungen Jahren gelehrt haben, dass Ansprüche von Perfektionismus an Menschen an der Wirklichkeit des Lebens vorbei gehen - ja geradezu zerschellen. Mit anderen Worten: die Erwartung, dass jemand immer alles richtig gemacht und insbesondere in jungen Jahren niemals Dinge gesagt oder getan hat, die aus heutiger Sicht kritikwürdig wären, ist geradezu hanebüchen weltfremd.

Können Sie sich davon freisprechen, jemals etwas gesagt oder getan zu haben, was aus aktueller Kenntnislage nicht zumindest hinterfragenswert erscheint? Das Anlegen eines harten 100%-Anspruchs (alles oder nichts) führt fast immer dazu, dass am Ende überhaupt nichts erreicht wird. Mit so einem Absolutheitsanspruch wird sich niemals ein Gegenkandidat aufstellen lassen - womit das Feld dann kampflos Solchen überlassen wird, die nicht einmal ansatzweise perfekt sind.

"Wer mit 20 Jahren nicht Sozialist ist, der hat kein Herz, wer es mit 40 Jahren noch ist, hat kein Hirn."  (- Georges Clemenceau)

Sie hegen Vorbehalte gegenüber Herrn Butterwegge. Das ist ihr gutes Recht. Wenn ihnen jedoch nichts Besseres gelingt, als 36 bzw. 38 Jahre alte Aussagen aus der Mottenkiste herauszukramen, dann läuft das unter der Prämisse ihres Ansinnes unmittelbar auf das indirekte und unfreiwillige Eingeständnis hinaus, dass es ihnen nicht möglich war, auch nur halbwegs aktuelle Aussagen gegen Herrn Butterwegge zu positionieren. Mit anderen Worten: wenn es Jemandem, dessen Intention in der Kritik liegt, offensichtlich nicht gelingt, wenigstens ansatzweise zeitgemäße Belege zu liefern, so hätte die indirekte und unfreiwillige Anerkennung kaum deutlicher ausfallen können. Oder noch anders: Wenn nicht einmal die Gegner in ihrer beabsichtigten Kritik etwas Substanzielles vorzubringen in der Lage sind, so ist das mehr mehr wert, als jede Unterstützung von Anhängern.

In sofern und in dieser Hinsicht sei Ihnen mein herzlicher Dank ausgesprochen - auch wenn die Konsequenzen ihrer Einlassungen ihr Ansinnen geradezu konterkarieren.

Der sich angesichts ihrer Vorhalte aus der Steinzeit mithin aufdrängende Entgegenhalt, dass sich Menschen im Laufe ihres Lebens weiter entwickeln und mitunter auch Ansichten ändern, versuchen sie durch die Bemerkung „kein Jugendlicher mehr, sondern hatte bereits ein Studium hinter sich“ zu entkräften. So als ob nach einem Studium bzw mit dem Erreichen des Alters von 30 Jahren weder Entwicklung noch Erkenntnisprozesse mehr stattfinden würden. Auch das ist hanebüchen.

Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern, wenn ichs heute besser weiß.“ (- Konrad Adenauer)

In der Mathematik existiert eine Art der Beweisführung, die „indirekter Beweis“ genannt wird. D.h. eine These wird nicht direkt bewiesen, sondern es ergibt sich ein Widerspruch aus dem Versuch des Beweises der Negation. Ihnen Frau Iseltwald gebührt - wenn auch nicht beabsichtigt - das Verdienst, den indirekten Beweis geführt zu haben, dass Herr Butterwegge ein Kandidat ist, gegen den sich augenscheinlich keine berechtigte aktuelle Kritik platzieren lässt. Das ist weit mehr, als man von vielen Anderen sagen kann.

Nicht nur unseriös, sondern geradezu perfide erscheint ihr Versuch, die in gewisser Weise von ideologischer Verblendung getragen Aussagen mit dem faktischen Unrechtsregime der DDR gleichzusetzen, als ob Herr Butterwegge Letzterem das Wort geredet hätte. Es ist diese von jeglicher Differenzierung befreite Pauschalisierung, die sich durch ihre gesamte Pseudoargumentation zieht. Dass Ihnen nichts Besseres gelingt, als solche Scheinargumente zu bemühen und sich in solche Substanzlosigkeiten zu flüchten, verleiht ihrem indirekten Beweis, welcher Ihr Ansinnen wie eine Seifenblase zerplatzen lässt, besonderen Nachdruck. Auch dafür mein Dank!

In diesem Kontext wäre es allerdings interessant, wie Sie Herrn Steinmeier bewerten.

  • Warum lässt ihr gesamter Kommentar jegliche auch nur ansatzweise Kritik an Besagtem vermissen?
  • Dürften wir Ihrerseits noch eine kritische Aufarbeitung der Gegenwart Steinmeiers erwarten, wo sie nicht gezwungen sind, in eine fast 40 Jahre zurückliegende Vergangenheit abzutauchen?
  • Oder bleibt die Erfüllung besagter Erwartung infolge des Anlegens eines Doppelstandards außen vor?

Wer wäre denn Ihr/e „Idealkandidat / Idealkandidatin“ und vor allem warum?

Selbstverständlich muss Kritik auch an einem Gegenkandidaten erlaubt sein. Allerdings bitte mit sinnvoller Prioritätensetzung: Bevor sich an dessen Marginalien abgearbeitet wird sollten um der Wahrheit Willen zunächst einmal dutzendfach die groben Unzulänglichkeiten des Haupkanditaten aufgearbeitet werden. Erst die vielen Balken und dann der kleine Splitter!

Gestatten Sie mir auf generellerer Ebene den zusätzlichen Fragenkomplex:

  • Halten Sie es für intelligent, wenn Linke, die sich gern als „Intellektuelle“ auffassen, aufeinander rumhacken anstatt die wahren Feinde der Gesellschaft zu attackieren? Ist dieses Gebahren eher Zeichen von Schläue oder doch eher von Borniertheit?
  • Halten Sie es für Ziel-führend (wobei es Selbiges erst einmal zu klären gälte: worin liegt denn Ihr Anliegen? Was ist Ihre Intention - in Bezug auf die Gesellschaft?), sich an splitterartigen Marginalien Derjenigen aufzuhängen, die eine bessere Gesellschaft anstreben, während die gigantischen Balken der Systemgünstlinge unthematisiert bleiben?
  • Spielen die „intellektuellen Linken“ mit so einem Verhalten womöglich den tatsächlichen Gegnern in die Hände und erweisen sich so de facto für Vorgenannte als „nützliche Idioten“?
  • Sofern Sie nun einwenden würden, dass seien rhetorische Fragen, so würde ich erwidern: macht es das nun besser oder noch schlimmer? Wenn diese Antworten sogar auf der Hand liegen, warum agi[ti]eren dann nicht wenige Linke in einer Weise, die diese trivialen Einsichten konterkarieren?

Spalterische Grabenkämpfe sind nicht nur kontraproduktiv, sondern angesichts der desaströsen gesellschaftlichen Lage letztendlich sogar asozial. Wie verheerend müssen die Verhältnisse eigentlich noch werden, damit gewisse Linke Besagtes endlich einmal internalisieren, einsehen, dass wir nur gemeinsam die erforderliche Stärke erreichen können, um die zersetzenden Tendenzen aufzuhalten bzw. umzukehren und entsprechend tätig werden? Oder haben sich gewisse Linke schon vom Bestreben der Verbesserung gesellschaftlicher Zustände verabschiedet und betreiben gemäß den Mottos „wer ist der richtige Linke“ bzw. „wer vertritt die reine Lehre“ nur noch pseudointellektuelle Masturbation?

Bringen Sie doch mal etwas Licht ins Dunkel dieser sich aufdrängenden Fragen!

In gespannter Erwartung dessen, was Sie auf diese Erwiderung entgegnen zu können gedenken

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pin_green.gifLesetipps:

Christoph Butterwegge: Agenda der Solidarität für eine inklusive Gesellschaft - weiter.

Armut in einem reichen Land (CHRISTOPH BUTTERWEGGE) - weiter.

Erbschaftsteuerreform: Armut und Reichtum per Gesetz - weiter.

Armut - Basiswissen Politik, Geschichte, Ökonomie (CHRISTOPH BUTTERWEGGE) - weiter.

 

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Peter Weber
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Verbunden: 23.09.2010 - 20:09
Butterwegge im Visier


Butterwegge im Visier

Die Kritik von Frau Iseltwald hat mich ziemlich irritiert. Zunächst einmal frage ich mich, wer ist Beate Iseltwald, daß sie sich derartig rückwärtsgerichtet mit dem Engagement und den Aussagen eines jungen Christoph Butterwegge auseinandersetzt und versucht, ihn alleine aufgrund von Verhalten und Ansichten aus einer Zeit, die 30 oder 40 Jahre zurück liegt, einseitig zu bewerten oder gar zu diskriminieren? Und außerdem rätsele ich, was Frau Iseltwald mit dieser Art  von Menschenbewertung, die sich nur aus der Vergangenheit her speist, beabsichtigen will. Ich vermute einmal, daß sie selbst aus dieser Zeit geprägt ist und manches noch nicht verarbeitet hat.

Da kann ich oder jeder von uns, der schon ein gewisses Alter vorweisen kann (ich bin z. B. älter als Butterwegge) zurückblicken und seine eigene Entwicklung beobachten. Jeder aufgeschlossene Mensch durchläuft einen Lernprozeß von seiner Jugend bis zum Alter. Jugendsünden und aus heutiger Sicht undurchdachte Ansichten der damaligen Zeit sind kein Manko – sie sind unvermeidlich und notwendig, um sich geistig weiter zu entwickeln. Diejenigen, die sich diesem Prozeß unterworfen haben und ihre Einsichten den sich wandelnden gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Bedingungen angepaßt haben, ohne sich davon abhängig zu machen, verdienen Hochachtung. Nur diejenigen, die stehengeblieben sind und ihre alten Ideologien weiter pflegen, geben sich der Lächerlichkeit preis. Man darf niemanden nach Ansichten aus der Vergangenheit verurteilen. Das einzige, was zählt, das sind die Gesinnungen und Taten der Gegenwart und konstruktive Ideen für die Zukunft, um die Gesellschaft menschlicher und solidarischer zu gestalten. Die Menschen, die Geschichte und die persönliche Biographie zum Anlaß nehmen, Neugestaltungen in Angriff nehmen, verdienen meinen Respekt.

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Solange mir Herr Butterwegge als politischer Mensch bekannt und bewußt ist, der den Mut besitzt, glaubwürdig gegen das politische Establishment anzugehen und für die Unterprivilegierten der Gesellschaft Stellung zu nehmen, habe ich stets Sympathie für ihn empfunden und mir gewünscht, daß es mehr Wissenschaftler gibt, die sich derartig engagieren. Frau Iseltwald, zeigen sie mir bitte einen anderen Kandidaten für das Bundespräsidentenamt oder eine andere verantwortliche politische Position in Deutschland, die sich derartig grundlegend für eine gesellschaftliche Neuordnung zugunsten von Solidarität und Gerechtigkeit ausgesprochen hat. Man könnte Herrn Butterwegge vorwerfen, daß er sich immer noch an der SPD orientiert. Aber wie ich es verstanden habe, meint er damit nicht die aktuelle SPD sondern die Werte der alten sozialdemokratischen Partei.

Wenn man schon einen Mann wie Butterwegge kritisiert, der sich als Quereinsteiger aus der Deckung getraut hat, dann erwarte ich vorher viel mehr eine knallharte Auseinandersetzung mit den übrigen Kandidaten im Politzirkus. Ein Franz-Walter Steinmeier mit seinen weniger weit zurückliegenden unsozialen Machenschaften in nicht lange zurückliegenden und aktuellen Regierungskoalitionen wäre da ein lohnenderes Angriffsziel, denn er ist mitverantwortlich für den Abbau des Sozialstaates sowie für den Einbau Deutschlands in die aggressive Kriegspolitik der NATO. Außerdem ist Steinmeier ein versteinertes Sinnbild für eine Politik des „Weiter so“ einer bereits gescheiterten Politik. Er wird niemals seine eigenen Fehler und die seiner Partei/Klasse einsehen und für eine Kehrtwendung der Politik bzw. des Systems aufrufen und seine Finger in die Wunden legen.

Man sollte froh sein, daß sich noch ein Mann traut, gegen das gleichgerichtete parteipolitische Establishment in Deutschland aufzutreten, der das Zeug, den Charakter und Visionen aufweist, eine Alternative als Bundespräsident werden zu können. Jedenfalls im Vergleich zur noch amtierenden dem System angepaßten Galionsfigur Gauck wäre Butterwegge richtig erfrischend. Vielleicht sollte Frau Iseltwald mal besser die Vergangenheit und Gesinnung des neoliberalen Freiheitsapostels Gauck unter die Lupe nehmen. Unter diesem Aspekt und Vergleich käme uns Butterwegge vielleicht wie ein Erlöser vor. Leider kommen Erlöser nur noch alle paar tausend Jahre vor, so daß er keine Chance hat, das System zu knacken.

Peter A. Weber

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Prof. Dr. Butterwegge

«Mittlerweile ist der Neoliberalismus eine Weltanschauung, ja eine politische Zivilreligion geworden, welche die Hegemonie, das heißt die öffentliche Meinungsführerschaft, erobert hat. Globalisierung fungiert als Schlüsselkategorie und darüber hinaus – neben dem demografischen Wandel und der Digitalisierung – als dritte große Erzählung unserer Zeit, die Neoliberale benutzen, um ihre marktradikale Ideologie zu verbreiten und den Um- bzw. Abbau des Sozialstaates zu legitimieren.» (Prof. Dr. Christoph Butterwegge)

Foto: © Butterwegge. Quelle: www.christophbutterwegge.de/ . >> Originalfoto. Bildbearbeitung d. Wilfried Kahrs nach einer Idee von KN-ADMIN Helmut Schnug.

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