Berlin erklärt sich: Die Welt als Hochsicherheitstrakt

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Wolfgang Blaschka
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Verbunden: 09.11.2010 - 02:16
Berlin erklärt sich: Die Welt als Hochsicherheitstrakt
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Berlin erklärt sich

Die Welt als Hochsicherheitstrakt

terorismus_terrorism_kapitalismus_capitalism_saudi_arabia_qatar_kuwait_waffenexporte_ruestungsindustrie_fluchtursachen_geopolitik_geostrategie_imperialismus_nato_refugees_islamic_state.jpgWährend sich die PEGIDeppen noch um die "Islamisierung des Abendlandes" sorgen und mit der AfD in Flüchtlingsabschiebe-Inseleien ergehen, machen sich Unions-Innenminister um den real existierenden Rechtsstaat Sorgen; der scheint ihnen zu lasch, zu wenig terrorgewappnet.

Das ist der kleine, aber feine Unterschied zwischen den alt-"alternativlosen" Rechten und den neuen Alternativlingen: Letztere fordern das scheinbar heute noch Unmögliche, die andern besorgen derweil die möglichen Konzepte, schaffen schon morgen die Tatsachen und machen Nägel mit Köpfen. Irgendwann finden sich alle im Bunker ihrer geistigen Enge wieder und streiten um das Copyright an den Abschottungsmaßnahmen gegen das Böse, Fremde und Unabendländische.

Zur Verteidigung ihrer "Werte" opfern sie die letzten Optionen auf Vernunft. Eine dieser Optionen könnte sein zu erkennen, dass Waffenexporte den Krieg befeuern, dass Krieg Terror gebiert, dass der Terror also nicht vom Himmel gefallen ist, sondern vom Irakkrieg herrührt und von den Waffenexporten beflügelt wird, nicht zuletzt von deutschen. Dass also, wer Krieg aussendet, möglicherweise Terror ernten wird. Dass also zuerst die Rüstungsausfuhren zu verbieten wären. Aber so denken die Rechten nicht.
 
Die neun Punkte der "Berliner Erklärung" lesen sich wie der Bekennerbrief einer Vereinigung zur Förderung geistigen Notstands. Sie stammen mitnichten aus obskuren Hinterzimmern dubioser Bürgerwehr-Fanatiker, sondern aus offiziellen bundesdeutschen Ministerien. Das macht sie ebenso gefährlich wie lächerlich. Da träumen doch tatsächlich welche von der Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft, als wären Generationen türkischer Migranten so etwas wie Staatsgefährder oder Terroristen, und am Ende vielleicht doch besser integriert, wenn sie die türkische behielten, sobald sie sich für eine von beiden entscheiden müssten.
 
Da erfindet der unglaubliche Thomas bar jeden Zweifels den neuen Straftatbestand der "Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit", um Abschiebungen zu erleichtern, ohne zu bemerken, dass er dann gleich auch noch das rechte "Pack" irgendwohin ausweisen müsste, wo es keinen Schaden an zumindest der deutschen öffentlichen Ordnung anrichten könnte. Stammen doch immer mehr Brandstifter an Asylbewerberunterkünften aus genau jenem Milieu der "Besorgten", nicht nur aus Neonazi-Kreisen.

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Sogar die Aberkennung einer deutschen Staatsbürgerschaft bei "Gefährdern" wird ernsthaft diskutiert, sollten die noch irgendwo eine zweite besitzen. Als würden die angeblich mit dem Flüchtlingstreck illegal eingereisten Terroristen zu allererst mal Deutsche werden wollen, bevor sie mit ihrem Jungfrauenbeschaffungs-Programm loslegen könnten; stattdessen müssten sie in der trüben Realität zusammen mit einer halben Million anderer Bewerber noch unabsehbare Monate lang warten, um überhaupt ihren Asylantrag abgeben zu dürfen. Vorher dürfte ohnehin nicht abgeschoben werden. Reine Augenwischerei also, und grundgesetzwidrig allemal.
 
Völlig einig ist man sich bei der Aufstockung der Polizei; 15.000 zusätzliche Schandis sollten es schon sein. Als wäre das eine Rechenaufgabe: Doppelt so viele Polizisten ergäben doppelte Sicherheit. Nehme ich die Polizei mal drei, dann habe ich einen Sicherheitszuwachs von 300 Prozent. Stelle ich hinter jeden sechsten Laternenmast einen Polizisten, und jeder hat die beiden jeweils benachbarten streng im Auge, dann geht maximal ein Sechstel der Lichter aus, falls sich Dunkelmänner daran zu schaffen machen sollten. Verdopple ich bei Nacht und Nebel die Bewachung auf jede dritte Laterne, hat der Finsterterror keine Chance.
 
Den kleinen Lichtern in der Union ging nach den Amokläufen und Anschlägen in Bayern ein ganzer Kronleuchter auf: "Wir stehen im Kampf, meinetwegen auch im Krieg mit dem IS", erklärte Angela, die Alternativlose, so ganz nebenbei den "Verteidigungsfall", und da muss natürlich alles erlaubt sein, was im "Frieden" gegen Recht und Gesetz verstößt.

Notfalls müssen juristische Fesseln gesprengt, gesetzliche Hürden überwunden, grundgesetzliche Dämme geschleift und menschenrechtliche Bedenkenmauern durchbrochen werden. Selbst die mehrfach von höchsten Gerichten kassierte Vorratsdatenspeicherung wird da wiederbelebt.
 
Wenn er erst einmal erklärt ist, der Krieg, dann dauert er bis zum Sieg, falls er nicht vorzeitig in einer desaströsen Niederlage endet. Doch da sei die Ursel davor! Immerhin fliegen schon wieder die Hälfte ihrer Hubschrauber. So beflügelt plant sie bereits für den Herbst eine Stabsrahmenübung, damit die Bundeswehr endlich auch im Lande zeigen kann, dass sie nicht nur zum Brunnenbohren taugt, sondern durch noch so dicke Bretter auch direkt hineinplumpsen kann, mitten in den jederzeit ausrufbaren Terrorabwehrkrieg.
 
Wozu hat man Froschmänner, die durch die Kanalisation krauchen und überraschend aus dem Kanaldeckel hochschnellen, um nach allen Seiten zu sichern?! Im Notfall alles niedermähen, was sich bewegt. Dann ist da kein Terror mehr, zumindest nur noch der hausgemachte. Wozu gibt es Fallschirmspringer, die eventuell herum strawanzenden Terroristen oder auch nur verdächtigen Touristen wie aus heiterem Himmel ins Genick hüpfen, ihnen den Rucksack entreißen und voll kontrolliert da drauf ballern, um ihn gezielt zur Explosion zu bringen?! Minenwerfer können eben mehr. Alles so Fähigkeiten, von denen die Polizei nur träumt.

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Die soll künftig aber auch mehr dürfen: Zum Beispiel Ärzte ins Gebet nehmen, ob einer ihrer Patienten vielleicht suizidale Gedanken oder gar Mordphantasien geäußert haben könnte. Selbstverständlich streng im Rahmen der Gesetze und im Einvernehmen mit der Ärzteschaft. Man muss halt reden mit den Medizinern. Warum nicht bei dieser Gelegenheit gleich auch noch das Anwaltsgeheimnis oder den Informantenschutz bei Journlisten mal "bereden"? Dann wäre man schon deutlich näher dran an Recep Tayyip Erdoğan. Nur mit dem Beichtgeheimnis hält man sich pietätvoll zurück, da islamisch inspirierte Bösewichte selten in christliche Kirchen gehen, um ihre noch zu begehenden Straftaten zu bereuen. Mit der Religionsfreiheit nimmt man es schon genau bei den Unionsparteien.
 
Daher wird auch das vielfach geforderte Burkaverbot wenig Chancen auf Durchsetzung haben. Selbst wenn der Körperkäfig mehr als kulturell denn religiös bedingt eingeschätzt wird, da er zweifellos eine afghanisch-pakistanische Regional-Sonderheit und eben keine "islamische Tracht" darstellt: Es gab einfach noch zu wenig Burka-Attentate, um das als Terrorabwehr verkaufen zu können, und auch Trägerinnen solcher Verschleierung erscheinen eher selten im Straßenbild. Das ginge selbst dem hartgesottenen Thomas de Maizière zu weit. Der lehnt die Vollverschleierung sowohl als Innenminister als auch für sich persönlich natürlich ab, ist aber für ein generelles Tarnverbot nicht zu haben, weil dann seine sturmhaubenbewehrten Spezialkräfte auch die Kappe abnehmen müssten. Deren martialische Maskerade ist ebenfalls mindestens sicherheitskulturell begründet, wenn nicht terrorreligiös geboten.

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So kann der Bundesinnenminister in einzelnen Punkten "bremsen", und die anderen nicht minder absurden Vorschläge umso wirksamer in die Debatte werfen (lassen). Wenn nur die Hälfte der Phantastereien vom wehrhaften Sicherheitsstaat durchgeht, haben wir bald Zustände à la "hollandaise". Die Rechte könnte vollauf zufrieden sein. Sie hätte damit wesentlich mehr und nachhaltigere Substanz vom Rechtsstaat deformiert als ein noch so grausames Attentat es je vermöchte.

Die größte Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung rührt von derart verfassungswidrigen Vorschlägen zu ihrer angeblichen Aufrechterhaltung her, nicht von so zahlreich wie hilflos beschworenen Bösen, Fremden oder Unabendländischen.

Der Hauptfeind sitzt tatsächlich im eigenen Land!

Wolfgang Blaschka, München

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► Bild- und Grafikquellen:

1. STOP THE MONEY! IT´S ABOUT POWER, NOT RELIGION. END TERRORISM! The best way to stop IS and other terrorists is to cut their money supply which allows them to continue. And, as Charles P. Pierce states in Esquire, let our governments focus on where the money is coming from to fund these terrorists: the Gulf States. Pressure Saudi Arabia, Qatar, and Kuwait to stop the funding of IS. And, yes, American dollars are supporting these governments with arms and other military support. But to what end? Does the West have the "cajones" to do this? We are no longer beholden to them for oil. It's time to stop the flow of cash to terrorists!
Plakat-Foto: outtacontext - Jeff Gates. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 2.0 Generic (CC BY-NC-ND 2.0).

2. Karl Ernst Thomas de Maizière, CDU (* 21. Januar 1954 in Bonn) ist seit Dezember 2013 Bundesminister des Innern. Im April 2014 verkündete de Maizière, dass „die Zusammenarbeit der Nachrichtendienste der USA, Großbritanniens und Deutschlands […] unverzichtbar“ sei. Sie dürfe „nicht beschädigt werden“, auch nicht durch den Untersuchungsausschuss zur NSA-Affäre, welcher die massenhafte Überwachung deutscher Bürger durch die Geheimdienste untersuchen soll. Im Mai 2014 bestätigte er die USA als „unseren wichtigsten Sicherheitspartner“ und bezeichnete Edward Snowden als Straftäter, der an die USA auszuliefern sei.

Auch nach dem Abzug aus Afghanistan bestehen für de Maizière „keine Tabus“ für neue Auslandseinsätze. Stattdessen ist de Maizière der Meinung, „auch wenn unsere unmittelbaren nationalen Sicherheitsinteressen auf den ersten Blick nicht berührt sein mögen“, könne die Bundeswehr in Zukunft im Ausland eingesetzt werden. Außerdem sprach sich de Maizière im August 2012 für den Ankauf und Einsatz bewaffneter Drohnen aus.

Foto: Anna Lutz. Quelle: Flickr-Seite "Christliches Medienmagazin pro" - http://www.pro-medienmagazin.de/. Bei Flickr wurde das Foto mit CC-Lizenz Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.0 Generic (CC BY-SA 2.0) veröffentlicht.

3. "ICH HABE WENIGER ANGST VOR ZUKÜNFTIGEM TERROR ALS VOR ZUKÜNFTIGEN ANTI-TERROR-MASSNAHMEN." Grafik gefunden auf der Facebook-Seite von Digitale Überwachung.

4. Polizeieinsatz bei BLOCKUPY Frankfurt 2012. Foto: Martin Krolikowski. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung 2.0 Generic (CC BY 2.0).

5. Polizeieinsatz anlässlich des G7-Gipfeltreffens, hier zur Gegendemo in Garmisch-Patenkirchen am 06.06.2015. Foto: Metropolico.org . Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.0 Generic (CC BY-SA 2.0).

6. Polizeieinsatz in Berlin, 07.05.2016. Foto: ekvidi. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung-Nicht kommerziell 2.0 Generic (CC BY-NC 2.0).

7. R.I.P. Freiheit. Grafik: Diese Grafik ist ein Netzfund und wurde von Wilfried Kahrs (WiKa) techn. verändert.

8. Texttafel HÄNDLER DES TODES - Rüstungsexporteure und Waffenlieferanten: DIEHL, EADS (EADS heißt seit 2014 Airbus Group und hat eine neue Struktur. Im neuen Teilkonzern Airbus Defence and Space (ADS) sind jetzt die bisherigen EADS-Teilkonzerne Airbus Military, Astrium und Cassidian zusammengefasst.), HECKLER & KOCH, KRAUSS MAFFEI-WEGMANN, MAN, RHEINMETALL, SIEMENS, THYSSEN KRUPP. Grafik: Wolfgang Blaschka (WOB), München.