Die Muslimbruderschaft und deutsche Syrien-Politik
Über Deutschlands jahrelange Zusammenarbeit mit Terrororganisationen.
von Peter Frey / Peds Ansichten
Ende 2011 lud die im Auftrag der deutschen Regierung wirkende »Stiftung Wissenschaft und Politik« (SWP) als Teil einer breitangelegten Initiative der sogenannten »Freunde Syriens«, interessante Gäste nach Berlin ein. Es handelte sich um eine von den westlichen Demokratien unter Führung der USA handverlesene syrische Opposition, die in die deutsche Hauptstadt berufen wurde, um den Generalplan für „den Tag danach“ mit zu entwickeln. Die Hälfte dieses Personals setzte sich allerdings aus Terroristen zusammen – und das war kein Versehen!
► Aber Deutschland ist doch im Kampf gegen den Terrorismus – oder etwa doch nicht?
Syrien bietet sich in vielerlei Hinsicht an, das Theater der Meinungshoheit als solches offenzulegen, ein Dauerschauspiel über den ewigen Kampf vom Guten gegen das Böse, von der Demokratie gegen Terror, von Gerechtigkeit des Wertewestens gegen blutige Tyrannen. Der Generalplan des Westens zur „Transformation“ der syrischen Gesellschaft lief unter diesen einprägsamen Kategorien und die deutsche Regierung spielte – dienernd, wie auch eigene egoistische Interessen vertretend – keinesfalls nur eine bescheidene Rolle.
Für die Auftragsarbeit wie auch die Umsetzung dieser Eigeninteressen nahm und nehmen Deutschlands politische Gestalter erstaunliche Kompromisse in Kauf. Nach dem Motto, dass es der Preis wert ist, arbeiten sie zum Beispiel mittelbar oder unmittelbar mit terroristischen Organisationen zusammen, während sie gleichzeitig nicht müde werden, die westlichen Werte von Freiheit und Demokratie als alternativlos zu predigen, ja sie in anderen Staaten geradezu einfordern. Diese Doppelmoral zeigt sich sehr gut in den Verbindungen zur Muslimbruderschaft.
Die Zusammenarbeit mit der Muslimbruderschaft ist kein unerwünschter Nebeneffekt, wie man es vielleicht noch bei den deutschen Hilfen für die noch immer von Terroristen beherrschte Provinz Idlib (Stand bis zum August 2018) wohlwollend annehmen könnte. Denn, wie gesagt, wurde die syrische Exilregierung damals natürlich sorgfältig ausgewählt. Schließlich sollte es sich ja um die zukünftigen Repräsentanten Syriens und dazu gleichzeitig die zukünftigen Schnittstellen zur „Völkergemeinschaft“ handeln. Wir können hier ein Versehen definitiv ausschließen.
Locker und flockig ordnete der westliche Mainstream die Muslimbrüder einer – auch so schon zweifelhaften – Opposition zu und nur Desinformierte konnten sich mit der Aussage, dass doch diese radikal islamistische Organisation „nicht auf der Scharia bestehen“ würde, wieder entspannt zurücklehnen. Wenn es die Springer-Presse schreibt, dann wird das schon alles stimmen. Böser Assad aber gute Muslimbrüder – keine Verrenkung ist blöd genug, wenn es um die Interessenvertretung des Wertewestens geht [b1]:
Screenshot (Ausschnitt) „The Day After”: Was sich die Muslimbrüder für Syrien wünschen >> WeLT-Artikel
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Sie müssen sich das auf der Zunge zergehen lassen. Man hatte die Muslimbrüder eingeladen, um „an einem Plan zur Demokratie“ mitzuarbeiten. Man kann Daniel-Dylan Böhmer in Schutz nehmen, in dem man ihm einfach jede politische und journalistische Fachkompetenz abspricht, ansonsten muss man ihm bewusste Lügen unterstellen, denn: Die international aufgestellte Muslimbruderschaft lässt sich mit Fug und Recht als absolut undemokratische, sektiererische und extremistische, straff organisierte, terroristische Geheimorganisation klassifizieren.
Allerdings kann sich Böhmer darauf zurückziehen, dass die Muslimbruderschaft in Deutschland nicht verboten ist. Denn da sie für westliche Interessen die Drecksarbeit in Libyen und Syrien verrichtet, wird ihr Status in den westlichen Staaten – sagen wir es mal so – sehr elastisch gehandhabt. Die Muslimbruderschaft (MB) ist in Deutschland, sowie im Prinzip in allen westlichen Staaten nicht verboten. Andererseits zählt der Verfassungsschutzbericht 2017 in seinem Registeranhang die MB zu jenen Organisationen:
„[. .] bei denen die vorliegenden tatsächlichen Anhaltspunkte in ihrer Gesamtschau zu der Bewertung geführt haben, dass die Gruppierung verfassungsfeindliche Ziele verfolgt, es sich mithin um eine extremistische Gruppierung handelt.“ [1]
In diesem Register finden Sie zudem die »Islamische Gemeinschaft in Deutschland« (IGD), die eng mit der MB verwoben ist und in weiteren Abhandlungen noch eine Rolle spielen wird. Übrigens zeigt das Register – unter vielen anderen – noch eine Organisation namens »Hayat Tahrir al-Sham« (HTS) an. Einem al-Qaida Derivat, dass sich sicher an den großzügigen Spenden erfreut, die Deutschland bis zum heutigen Tag (September 2018) in die syrische Provinz Idlib schickt [2]. Das sind vier militante Organisationen, die allesamt miteinander vernetzt sind [3] und die alle in ihrem Ziel eint, Staatsgebilde (Kalifate) nach dem islamischen Recht der Scharia zu errichten – Welten entfernt von demokratischen Rechtssystemen!
Man kann es gar nicht oft genug wiederholen: Wegen al-Qaida gibt es seit nun 17 Jahren einen weltweiten, vom Westen geführten, „Krieg gegen den Terror“. Praktisch umgesetzt als Staatsterrorismus, der hunderttausende Menschen getötet und mindestens ein halbes Dutzend Staaten im Mittleren – und Nahen Osten verwüstet hat. Den Persilschein stellt der Verfassungsschutz (VS) der MB trotzdem aus, in dem er ihnen attestiert:
„Ziel der MB ist die Errichtung eines „bürgerlichen Staates mit islamischen Werten“. Seit den 1970er-Jahren formuliert die MB den Verzicht von Gewalt zur Umsetzung ihrer Ziele. Ausgenommen davon sei jedoch der Widerstand gegen „Besatzer“, worunter die MB vor allem Israel versteht.“ [4]
Wenn wir aufmerksam und reflektierend lesen, können wir aus dieser VS-Betrachtung ganz Bemerkenswertes erfahren. Achten Sie zum Einen darauf, wie der VS sich hier selbst absichert:
„Ziel der MB ist die Errichtung eines „bürgerlichen Staates mit islamischen Werten“.“
Das Ziel selbst hat der VS als Zitat aufgeführt, es ist also nicht seine eigene Einschätzung der Organisation der MB! Was ist denn das für eine Expertise?! Gar keine. Aber es gibt noch mehr (Hervorhebung PA):
„Seit den 1970er-Jahren formuliert die MB den Verzicht von Gewalt zur Umsetzung ihrer Ziele.“
Erneut: Das ist keine Einschätzung seitens des VS, sondern die Berufung auf die suspekte Organisation selbst. Womit man dem VS keine Lüge unterstellen kann, dann allerdings Manipulation. Um Ihnen die Absurdität der VS-Expertise deutlich zu machen, biete ich Ihnen mal den Vergleich mit einem auf frischer Tat überführten Einbrecher an:
Bereits bei der Festnahme formulierte der Einbrecher den vorsätzlichen Verzicht auf jede Aneignung fremden Eigentums und Gewaltanwendung.
Also nehmen wir ihn nicht fest, sondern beobachten ihn nur weiter.
Sie finden das lustig? Genau das aber geschieht mit der MB. Auch das letzte Extrakt aus obigem Zitat ist augenöffnend:
„Ausgenommen davon [von Gewalt] sei jedoch der Widerstand gegen „Besatzer“, worunter die MB vor allem Israel versteht.“
„Sei“ bezieht sich wieder auf eine fremde Quelle – welche? Sie finden die dort nicht, doch ist es erneut eine der MB. So wie die Friedfertigkeit der MB seit den 1970ger Jahren schlicht eine Ente ist, eine propagandistische Leistung der MB selbst, welche der VS und nachfolgend die Politik gern weiterverbreiten. Dabei weiß der VS sehr wohl, welche Gefahr von dieser sektiererischen Organisation ausgeht. Der aus Niedersachsen stellte fest:
„Die mitunter auch als „Mutterorganisation des politischen Islams“ bezeichnete Muslimbruderschaft versucht, die Regierungen ihrer jeweiligen Heimatstaaten abzulösen und einen islamischen Gottesstaat auf der Grundlage der Scharia zu errichten. Dies will die MB durch eine kulturelle Durchdringung der islamischen Staaten erreichen, notfalls auch mit Gewalt. So beteiligten sich der MB zuzurechnende Gruppen in der Vergangenheit bereits an gewaltsamen Erhebungen gegen die jeweilige Staatsmacht (Syrien 1982, Algerien während der 90er Jahre). Mit diesen Zielen und entsprechenden Aktivitäten gefährden die in Deutschland lebenden Anhänger der MB die außenpolitischen Interessen der Bundesrepublik Deutschland.“ [5]
Sein Kollege Markus Schäfert vom bayerischen VS resümierte noch eine Spur deutlicher:
„Letzten Endes läuft die extremistische Ideologie der Muslimbruderschaft hinaus auf die Errichtung islamischer Herrschaftsordnungen auf der Grundlage von Koran und Sunna. Das hieße, keine Trennung mehr von Religion und Staat. Und sowas ist nicht realisierbar auf dem Boden des Grundgesetzes.“ [6]
In einer internen Dissertation des VS wurden die ideologischen Grundsätze führender Vertreter der MB näher untersucht. Einer der Einflussreichsten ist Scheich Yusuf al-Qaradawi, über den der VS-Autor meint [7]:
„Die Tatsache, dass al-Qaradawi im Rahmen einer Fatwa selbst Frauen die Möglichkeit zugesteht, ihre Kopftücher abzulegen, wenn dies einen erfolgreichen Selbstmordanschlag gewährleiste, verdeutlicht das immense Ausmaß seiner Überzeugung zusätzlich.“ [8]
Nur nebenbei: Für die Erarbeitung digitaler Profile im Zuge der Terrorismusbekämpfung stellt sich da eine fast unlösbare Herausforderung. Wenn allerdings dies nur als Vorwand dient und es in Wirklichkeit um das Profiling von Otto Normalverbraucher geht – weil ja jeder grundsätzlich im Verdacht steht, ein Terrorist zu sein – na dann …
Der VS weiß also ganz genau, welche Gefahr von der MB ausgeht, begründet es auch – und trotzdem ist die Organisation in Deutschland nicht verboten, warum? Denn eines ist wohl klar: Wäre dies der Fall, hätte es auch keine Muslimbrüder als „neue syrische Hoffnung“ gegeben, die 2012 als „Oppositionelle“ in den Räumen der SWP weilten. Wir werden uns wohl noch etwas intensiver mit dem „Tag danach“ („The Day After“) beschäftigen müssen, über den unter anderen bei der regierungsnahen SWP beraten wurde.
Die Ideologie und Praktiken der MB stempeln sie jedoch sonnenklar zu einer Terrororganisation, doch im Westen wird sie seit vielen Jahrzehnten legalisiert. Denn sie ist hervorragend ausnutzbar.
Ideologen sind verbohrt. Im Rahmen ihrer Ideologie, vor allem wenn sie extreme Forderungen an die Gesellschaft enthält, sind Ideologen immer bereit, das Bündnis mit dem Teufel einzugehen. Seit fast 90 Jahren sind die Ziele der MB im Prinzip unverändert, ihre Konzepte und Praktiken ebenso. Und in der gleichen Zeit ließ sie sich unzählige Male für fremde Interessen missbrauchen, wurde ausgenutzt und betrogen. Das ist das Dilemma von Ideologen. Da sie verbohrt sind, sind sie auch blind. Sie haben den selbsternannten Eliten der westlichen Wertegemeinschaft seit Jahrzehnten gute Dienste geleistet.
Die bei politischen Themen mit äußerster Vorsicht zu genießende Wikipedia dokumentiert – trotz aller propagandistischen Einfärbung – sehr deutlich, wie sich die „Friedfertigkeit“ der Muslimbruderschaft ab den 1970ger Jahren ausdrückte:
„Seit Mitte der 60er Jahre begannen sie, konspirative Gruppen für gewaltsame Anschläge aufzubauen, die sich „Jugend Mohammeds“, „Soldaten Allahs“, „el-Taliaa el-Moqatila“ (Kämpfende Avantgarde) u. a. nannten. Zunächst wurden mehrere ihrer Führer hingerichtet. 1976 übernahm Scheich Adnan Aqlah die Führung und die Gruppen gingen dazu über, Anschläge auf baathistische und alawitische Ziele auszuführen, was die interkonfessionellen Spannungen verschärfte.“ [9]
Dabei halte ich es für wichtig, auf die verfälschende Begrifflichkeit „Aufstand der Muslimbrüder“ in Hamas im Jahre 1982 [10] hinzuweisen. Ein gewaltsamer Umsturzversuch ist nicht gleichzusetzen mit einem Aufstand von Unterdrückten, einer Befreiung aus Repression. Es handelte sich um einen ideologisch motivierten, blutigen Putschversuch, um die Macht in Syrien an sich zu reißen. In der westlichen Propaganda aber wurden den Muslimbrüdern goldene Brücken gebaut, in dem ihnen der Orden von Freiheitskämpfern gegen ein diktatorisches Regime angeheftet wurde. Dabei praktizierten sie schlicht Terror:
„Am 16. Juni 1979 verübte die Untergrundbewegung [der Muslimbrüder] das „Massaker an der Artillerieschule“ von Aleppo, bei dem 50 alawitische Kadetten getötet wurden. Die Alawiten wurden gezielt getötet, andere Offiziersschüler ließen die Täter gehen.“ [11]
Was die Staatsmacht hier in Deutschland bei einem ähnlich gearteten Vorfall in die Wege leiten würde, möchte ich nicht erleben. Das Fanal von vermeintlichen Helden in Hamas – wo sich damals die Muslimbruderschaft verschanzt hatte – würde wie ein giftiger Stachel in der syrischen Gesellschaft stecken bleiben und dessen Herd sich zum geeigneten Zeitpunkt entzünden. Das sollte dann im Jahr 2011 geschehen [a1].
► Keine deutsche Erfindung: „Der Tag danach“
„Der Tag danach“ („The Day After“ oder kurz TDA) setzte eine Revolution voraus, eine Farbrevolution. Es sei vorangestellt, dass weder „Der Tag danach“ noch das Konzept der Farbrevolutionen eine maßgeblich deutsche Erfindung ist. Vielmehr lässt es sich auf Ideen von anglo-amerikanischen Geostrategen zurückführen, welche in Denkfabriken wie »RAND Corporation«, »Brookings Institution« und »Chatham House« entwickelt wurden, wohlklingende Namen wie „Greater Middle East“ oder „Broader Middle East“ erhielten [12] und zur „Transformation“ einer ganzen Reihe von Staaten führen sollten.
„Der Tag danach“ war die sehr spezielle Lösung für Syrien [13] – und sie ist es bis heute, denn das Programm ist bislang nicht wirklich beendet worden. Gründete sich doch unmittelbar darauf eine Nichtregierungs-Organisation (NRO) gleichen Namens mit interessantem Personal [14]. Der Blick in das Direktorium dieser NRO zeigt ihnen anhand der Mitgliedschaften die außerordentlich enge Vernetzung der Mitglieder mit westlichen Elite-Universitäten, Stiftungen, Denkfabriken, großen Medien und Konzernen [15].
Praktisch in die Umsetzung ging es Ende 2011. Der Tagesspiegel berichtete im Sommer des Folgejahres:
„Etwa 45 Syrer aus dem In- und Ausland haben sich seit Januar 2012 sechs Mal zu mehrtägigen Diskussionen in sechs Arbeitsgruppen in Berlin getroffen, um Vorschläge auszuarbeiten, wie der Übergang nach dem Sturz des Regimes organisiert werden kann.“ [16]
Vorausgesetzt wurde natürlich „der Sturz des Regimes“. Die Frage, wer und warum entschieden hatte, „das Regime“ zu stürzen, stand hier überhaupt nicht zur Debatte; sollte es auch nie. Es war ja völlig klar – so trichterte es uns das Politik- und Medienkartell unablässig ein – dass es sich in Syrien um nichts anderes als einen Volksaufstand handeln konnte.
Der Medienkonsument, der das schluckte, konnte dann natürlich nicht erfassen, dass stattdessen ein von außen gesteuerter gewaltsamer Systemumsturz angezettelt worden war. Er erfuhr auch nichts von den vielen hundert seit Tag eins des „Volksaufstandes“ getöteten Polizisten und Soldaten in Syrien [17,18,19]. Getötet von unbewaffneten Demonstranten? Daher war auch der „Beginn des Volksaufstandes“, die Ereignisse von Daraa, als Erzählung so wichtig und wurde bis heute vom Mainstream durch unendliche Wiederholung zur Wahrheit umgeformt.
In Daraa – im März 2011 – konnten Sie allerdings die gleichen Kräfte wieder finden, die sich danach auch im TDA-Projekt in Berlin vorstellten: eben die Muslimbrüder! Die Leute, die im Frühjahr 2011 den Terror in Syrien entfachten, entsandten ihre Vertreter zur SWP nach Berlin. Finden Sie das nicht erstaunlich?
In jener Zeit drehten die Medien wunderliche Kapriolen, um die Gut-Böse-Sortierung der Muslimbrüder auf die Reihe zu bekommen. In Ägypten waren sie zwischenzeitlich „böse“ geworden [20,21], in Libyen gab es sie einfach nicht mehr, nachdem sie ihre Rolle als „Opposition“ erfolgreich umgesetzt hatten, wurden aber Jahre später wieder als „Gute“ neu entdeckt [22]. In Syrien waren und sind es „Gute“. Das ist nur dann verständlich, wenn man sich im Klaren ist, dass Medienberichterstattung von Interessen geleitet wird.
Was Interessen betrifft, kommt für deren Vertretung den Extremisten der MB eine klar definierte Rolle zu und das ist die eines hoch organisierten, durch Ideologie disziplinierten und skrupellos agierenden Terrornetzwerkes, nicht aber einer Organisation, die in Regierungsverantwortung gebracht werden soll.
Es stand auch nicht zur Debatte, was das für 45 Syrer waren, die da vorgaben, Syrien zu repräsentieren.
„Darunter sind Vertreter des Syrian National Council [SNC], dem Bündnis der Auslandsopposition, aber auch der Lokalen Koordinationskomitees LCC), der Kurden, der Muslimbrüder und unabhängige Vertreter der Opposition. Damit ist die Gruppe relativ repräsentativ für die verschiedenen politischen und gesellschaftlichen Gruppen in Syrien – nur Vertreter des Regimes fehlen.“ [23]
Zum Einen war diese Gruppe eben nicht repräsentativ und zum Anderen war das Fehlen von „Vertretern des Regimes“ das deutliche Symptom für den Völkerrechtsbruch, nämlich die Einmischung in die Souveränität eines Staates. Was nur möglich war, weil man zuvor mit einer Flut von Lügen über den „Krieg gegen das eigene Volk“, die Bevölkerungen der westlichen Staaten, mitnichten rational und schlüssig, dafür umso mehr emotional und aufhetzend „informiert“ hatte.
Die größte Fraktion bei TDA stellte der am 2. Oktober 2011 in Istanbul gegründete »Syrische Nationalrat« (»Syrian National Council«, kurz SNC) [24], der von der Muslimbruderschaft dominiert wurde:
„Auch der Syrische Nationalrat (SNC) wurde zusehends von der Gruppe [der Muslimbrüder] dominiert. [So] sollte diese Allianz von sieben Oppositionsgruppen im Exil einen Plan für Syriens Ordnung nach der Ära Assads konzipieren sowie – am Beispiel des libyschen Übergangsrates – zur legitimen Vertretung des Landes und Andockstelle für die internationale Staatengemeinschaft werden.“ [25]
Libyen als Beispiel zu nutzen, ist schon bitter genug, zumal dort auch die Muslimbrüder für die Brandentfachung vor Ort verantwortlich waren. Aber es geht noch deutlicher:
„Die Muslimbrüder monopolisieren alles“, so Kamal Lebwany, ein politischer Dissident, der bis November 2011 in Syrien inhaftiert war und zum Block der Säkularen im SNC zählte, bis er im Frühjahr 2012 austrat. „Die Muslimbrüder kontrollieren das Geld und die Waffenlieferungen. Der SNC ist in Wahrheit ein trojanisches Pferd, das sie später in Syrien an die Macht bringen soll.“ [26]
Man mag es kaum glauben. Aber bei der SWP wurden die syrischen Muslimbrüder unverdrossen auch ein Jahr später als moderate Opposition zur „Umsetzung demokratischer Konzepte“ geführt:
„Nach wie vor sieht sie [die MB] als führende Kraft im postrevolutionären Syrien. Deutsche und europäische Politik sollte moderate Kräfte jeder politischen Couleur zu Zusammenarbeit ermutigen und sie bei der Umsetzung demokratischer Konzepte unterstützen.“ [27]
Die SWP erfand sogar Begriffe wie „moderate Islamisten“. Was war doch gleich nochmal – in Unterscheidung zum Islam – Islamismus?
„Allen Ausprägungen [des Islamismus] gemeinsam ist das Streben, im Namen Allahs eine allein religiös legitimierte Gesellschafts- und Staatsordnung zu errichten. Sie richten sich gegen die Grundsätze der Trennung von Staat und Religion, gegen die Prinzipien von Individualität, Pluralismus und Volkssouveränität, gegen Menschenrechte und die Gleichstellung der Geschlechter.“ [28]
Wie bitte? Bei der SWP sind die Muslimbrüder also „moderate Islamisten“ und somit geeignet, eine demokratische Gesellschaft aufzubauen? Natürlich nicht und das wissen die Experten der SWP auch. Das Problem ist, dass sie Auftragsarbeit leisten – müssen?
Doch die SWP gab auch eine wichtige Information preis, die den Organisationsgrad der syrischen „Opposition“ beschreibt. Den gab es nämlich nicht – außer bei der MB:
„Dabei ist die Bruderschaft die Kraft, die innerhalb der syrischen Oppositionsbündnisse am besten organisiert ist.“ [29]
Absolut richtig und das hat etwas mit der extremen Ideologie, sowie den seit Jahrzehnten diszipliniert aufrecht erhaltenen Strukturen der MB zu tun [a1]. Außerdem erfahren sie im zitierten Dossier, dass die Rekrutierung für die sogenannten Lokalen Koordinationskomitees (als Vertreter im SNC, siehe weiter oben) in Syrien ebenfalls vorrangig von den Mitgliedern der MB vorgenommen wurden.
Diese Einstellung zu einer terroristischen Organisation war natürlich nicht wirklich von den Spin-Doktoren der SWP entwickelt worden. Die deutsche Denkfabrik hatte im Falle von „The Day After“ einen kongenialen Partner; das »United States Institute for Peace« (USIP). Dessen Gründung geht auf eine Initiative des damaligen US-Präsidenten Ronald Reagan im Jahre 1984 zurück. Zur jener Zeit entstand auf Betreiben der US-Regierung noch eine weitere sogenannte Nichtregierungs-Organisation, das »National Endowment for Democracy« (NED). Beide Organisationen verbindet der Status der Gemeinnützigkeit, die Finanzierung aus dem US-Haushalt, eine enge Verbindung zur US-Regierung und ihr Engagement zur Vertretung US-amerikanischer Interessen im Ausland.
Das USIP ist seinerseits Mitbegründer und Finanzier der »European Stability Initiative« (ESI). Die wiederum wird auch von Soros-Organisationen wie dem »European Council on Foreign Relations« unterstützt [30]. Der Leiter des USIP war zur Zeit von „The Day After“ Richard H. Solomon [31]. Dieser wechselte kurz darauf, nach dem bekannten Drehtüreffekt, zur regierungsnahen Denkfabrik RAND, für die er schon in den 1970ger und 80ger Jahren gearbeitet hatte [32].
Auch das USIP verbreitete von Anfang an das Märchen vom Volksaufstand und redete dabei kräftig den Sturz der Assad-Regierung herbei. Es zitierte 2011 auch einen gewissen US-Staatssekretär namens Jeffrey Feltman (siehe Foto), der sich dort zum Sprachrohr demokratieferner arabischer Despoten machte, die den Rücktritt Assads forderten [33].
Jeffrey Feltman pflegte auch eine innige Verbindung zum Leiter des Projekts „The Day After“ und das ist der Chef der SWP, Volker Perthes. Damit jedoch bekommt das Ganze nochmal eine ganz andere Dimension. Doch fassen wir erst einmal das bisher Betrachtete zusammen.
► Zwischenfazit
Im Jahr 2011 wird in einer für die deutsche Regierung arbeitenden Denkfabrik eine Gruppe von 45 Syrern eingeladen, von denen ein beträchtlicher Teil das eigene Land seit Jahrzehnten nicht gesehen hat. Den größten Anteil stellen Mitglieder einer Terrororganisation, welche zur damaligen Zeit den sogenannten Syrischen Nationalrat dominieren. Diese Terrororganisation wird von der regierungsfinanzierten Stiftung in die „moderate Opposition“ eingeordnet und mit ihr gemeinsam wird an einem Plan für „den Tag danach“ getüftelt, wobei zuvor die legitime Regierung eines UN-Mitgliedsstaates zu stürzen ist.
Parallel dazu und mit Hilfe westlicher Geheimdienste haben diese Terroristen der Muslimbruderschaft gerade den Krieg in Syrien entfacht [34]. Der vom ersten Tag an verübte Terror, vor allem gegen religiöse Minderheiten, ist beängstigend [35]. Aber die deutsche Denkfabrik arbeitet eng zusammen mit dieser „Opposition“, wie auch mit einer gleich gearteten US-Organisation, die ihrerseits eng mit der US-Regierung zusammenarbeitet.
Zwei Denkfabriken aus den USA und Deutschland, jeweils aufs Innigste mit ihren Regierungen verbunden, fördern und stützen eine seit vielen Jahrzehnten immer wieder ihren terroristischen Charakter beweisende Organisation ideologisch verbohrter islamistischer Extremisten, deren unverrückbares, heiliges Ziel die Zerschlagung der verhassten demokratischen Strukturen ist. Mit diesem Terrorwerkzeug streben westliche Staaten den Sturz einer missliebigen Regierung an.
Parallel dazu überziehen sie das angegriffene Land mit einer Flut unbewiesener Behauptungen, dessen Regierung würde das eigene Volk abschlachten. Mit einem diesbezüglich geradezu hörigen Medienapparat starten sie – um es kurz zu fassen – eine groß angelegte Verleumdungs-Kampagne. Das erfüllt ohne jeden Zweifel den Tatbestand einer groß angelegten Verschwörung! Doch hat diese Verschwörung eine noch viel größere Dimension.
► Die Feinde Syriens
Das SWP-Papier „The Day After“ wurde in den Leitmedien gut beworben und mit Zusatzinformationen gestärkt:
„Die Mitglieder der syrischen Opposition im Ausland werden ihre eigenen Kontakte und Diskussionspartner in Syrien nutzen. Gleichzeitig fließen die Ergebnisse ein in die Pläne internationaler Akteure, etwa der „Kontaktgruppe der Freunde Syriens“ der Arabischen Liga.“ [36]
Wer waren doch nochmal die „Freunde Syriens“? Im Dezember 2012 zählten sich dazu 114 Nationen. Doch bröckelte das Bündnis der Feinde des syrischen Volkes rasch auf die Mächte zusammen, die hinter dem verbalen Rumgeschmiere vom Schutz der syrischen Bevölkerung vor dem Diktator in Damaskus in Wirklichkeit handfeste Interessen durchzudrücken suchen. Das sind erst einmal – bis auf Japan – alle Staaten der sogenannten G7-Gruppe, welche die wirtschaftliche – und politische Macht der westlichen Hemisphäre vereinen und sich außerdem selbst als Leuchttürme der Demokratie gerieren:
• Vereinigte Staaten von Amerika
• Großbritannien
• Frankreich
• Deutschland
• Kanada
• Italien
Desweiteren reihen sich in diese „Freunde Syriens“ Staaten ein, die mit Demokratie gewisse Probleme haben, ja ihr zum Teil Hohn sprechen:
• Jordanien
• Vereinigte Arabische Emirate (VAE)
• Türkei
• Katar
• Saudi-Arabien
Saudi-Arabien und Katar unterstützen eine Demokratiebewegung in Syrien, klar doch. Folgerichtig arbeiten wir auch eng mit den beiden Vorzeigestaaten zusammen – im Geiste der Demokratie, der Freiheit und der Menschenrechte und natürlich nur wegen der armen, unterdrückten Menschen in Syrien.
Hä?
Diesen Unsinn einer regierungsnahen Stiftung, einer Denkfabrik (man beachte!), schnupft (nicht nur) der deutsche Medienkonsument allen Ernstes auf. Manchmal kann ich es einfach nicht fassen …
Allein diese Geschichte, dass zwei Unrechtsstaaten, wie es sie kaum ein zweites Mal auf diesem Globus gibt, feudal geführte Gesellschaften, welche Demokratie im eigenen Land brutal im Keime ersticken, vorgeben, in einem anderen Land wegen der Verletzung von Menschenrechten – lassen wir uns das auf der Zunge zergehen – eingreifen zu müssen. Das allein muss doch das ganze Kartenhaus von einem syrischen Volksaufstand mit lauten Getöse in sich zusammenfallen lassen.
Tut es aber nicht.
Denn in den „ethischen Gründen“ steckt auch das Geheimnis, warum die Meinungsführer mit dem Schwachsinn durchkommen. Denn es sind Ihre Emotionen, liebe Leser, die durch erfolgreiche Vereinnahmung so etwas glauben – nicht Ihre Ratio.
Wenn Ihnen aber klar ist, dass sowohl Saudi-Arabien als auch das Emirat Katar ihr Herrschaftssystem auf erzkonservativen, islamistischen Prinzipien, so wie sie im tiefsten Mittelalter gelebt wurden, aufbauen und dass sie zudem noch von dem Sendungsbewusstsein durchströmt sind, diese Ideologien weltweit zu exportieren. Na dann ist es doch völlig schlüssig, dass Katar seine Sendboten, sicher nicht die demokratischen Kräfte Syriens, aber ganz sicher die Terroristen der Muslimbruderschaft mit dem versorgt, was die vor Ort für den Wandel benötigen.
So wie die Saudis „ihre“ salafistischen und wahhabitischen Extremisten in Syrien mit Unmengen von Waffen und Geld überfluten. Aber die SWP flirtet mit diversen Terrororganisationen und klopft sie seit Jahren auf Demokratiefähigkeit ab [37]. Salafistische Milizen mit engen Kontakten zur Muslimbruderschaft, die sich diverser Kriegsverbrechen schuldig gemacht haben, so wie Ahrar al-Sham, waren sogar als Vertreter der „syrischen Opposition“ von der UNO nach Genf eingeladen [38]. Ahrar al-Sham, einer Organisation, die vom Generalbundesanwalt als terroristische Organisation geführt wird [39]. Womit wir – vorgreifend – schon einmal die Brücke von „The Day After“ (TDA) zu den Vereinten Nationen schlagen.
Und nun kann sich der wachgerüttelte Beobachter fragen, was wir dabei für eine Rolle spielen – wir, hier in Deutschland. Wenn eine Ihrer Erkenntnisse nun lauten sollte, dass Deutschland mit Doppelstandards bezüglich weltweiter Demokratie arbeitet, unterliegen Sie – meines Erachtens – dem nächsten Fehlschluss, denn:
Die deutsche Politik arbeitet nicht mit zweierlei Maß, sie tut nur so. Der Doppelstandard ist allein für Sie wichtig. Aber er ist mitnichten die Richtschnur für das politische Handeln der deutschen Regierung, wenn es um die Einmischung in syrische Belange geht. Der wahlfreie wechselnde Standard kommt zur Anwendung, damit die tatsächlichen Motive nicht allzu auffällig werden.
Dafür log man bei der Denkfabrik SWP, dass sich die Balken bogen, so wie zum Beispiel Petra Becker am 28.9.2015 in einem Interview mit dem WDR [40] [a2]:
Becker: „Was, was ääähm versäumt worden ist, ist eben die Oppositionsbewegung stringent zu unterstützen. Ääh es hat die Opposition ähhm im Ausland, die hat sich ja schon äh 2011 formiert und äh nur aus dem Grunde, weil dort die Muslimbruderschaft mit vertreten ähh war, hat man dann gezögert, ääh äh diese ääh diese ääähm Bewegung zu unterstützen, obwohl in dieser Bewegung auch sehr viele Linke und äh äh und äh liberale und und säkulare Kräfte vertreten sind, die äh mit der äh die mit der Muslimbruderschaft äh gemeinsam an an einem, an einer, an einem, ähm politischen Übergang in uh äh Syrien gearbeitet haben…“
Thomas Koch (WDR): „Hätte man die denn militärisch unterstützen müssen aus ihrer Sicht?“
Becker: „Ja, man hätte die militärisch unterstützen müssen. Es ist auch em, äh militärische Hilfe zugesagt worden…“ [41,42]
Vielleicht war ja Beckers Wortfluss auch deshalb so unrund, weil sie wusste, dass sie log?
Die militärische Unterstützung für die Extremisten, einschließlich der Muslimbruderschaft, war ganz außerordentlich hoch und auch nur deshalb konnten sie bis dahin gegen eine der stärksten arabischen Armeen so erfolgreich operieren.
Welche Standards sind es dann, die tatsächlich zählen? Tja, das ist nicht in einem Satz zu beantworten. Es gibt da zum Beispiel einige Abhängigkeiten. Die ersteren sind vor allem politischer Natur. Wenden wir uns diesbezüglich wieder Volker Perthes und Jeffrey Feltman zu.
Im Frühherbst 2015 schien die Zeit reif für TDA. Zehntausende Extremisten waren – mit Unterstützung der „Freunde Syriens“ dabei, Syrien zu erdrosseln. Es ist bezeichnend, dass die Vereinten Nationen den SWP-Chef Volker Perthes, als Leiter eine Arbeitsgruppe rekrutierten, die handfest für die Zeit nach dem endgültigen Sturz der Assad-Regierung projektieren sollte. Perthes war für militärische Belange verantwortlich und dabei direkt Jeffrey Feltman unterstellt [43]. Die endgültige Entmachtung Syriens würde durch eine Truppen-Präsenz der „Freunde Syriens“ realisiert, bei Perthes schwülstig „Peacekeeping-Mission“ genannt:
„Nach seiner [Perthes] Meinung muss ein innersyrischer Waffenstillstand durch eine internationale Peacekeeping-Mission überwacht werden: „Deutschland sollte sich nicht entziehen, wenn die Vereinten Nationen dann Truppensteller suchen.“ [44]
Merken wir an, dass es dazu nicht kam, denn ab dem 30. September 2015 griff Russland in diesen Krieg ein und verhinderte somit eine, in Syrien drohende libysche Katastrophe. Aber wer ist Jeffrey Feltman?
► Jeffrey Feltman und William Roebuck
Der US-Amerikaner Jeffrey Feltman hat sechs Jahre lang das zweithöchste Amt der Vereinten Nationen vertreten:
Feltman war schon lange für seinen Hass gegen den Iran, Syrien und die Hisbollah (im Libanon) bekannt [45]. Seit 2004 war er bereits Sondergesandter zur Umsetzung der UN-Resolution 1559. Einer Resolution, die er selbst mitverfasst hatte und die ausdrücklich auch eine Entwaffnung der Hisbollah und die Schwächung der syrischen Präsenz im Libanon zum Ziel hatte – letzteres mit Erfolg [46].
Zur Erinnerung: Ein Jahr nachdem damals die syrischen Truppen aus dem Libanon abgezogen worden waren, griff Israel den Libanon an [47]. Genau in jener Zeit (2004 – 2008) war Feltman „nebenbei“ auch US-Botschafter im Libanon. Feltman nennt sich gern „Experte“ für den Nahen Osten, beherrscht allerdings keine der dortigen Sprachen [48].
Feltman ist einer der strammen Kriegstreiber aus der in den USA extrem einflussreichen ziokonservativen Lobby-Organisation AIPAC. Der Analyst und Buchautor Mahdi Darius Nazemroaya schrieb dazu bereits im Jahre 2012, dem Jahr, in dem Feltman zur grauen Eminenz der UNO gekürt wurde:
„Feltman [wurde] von der Regierung Obama übernommen, als diese die Regierung Bush ablöste. Er arbeitete als Sonderassistent des einflussreichen Martin Indyk vom American Israel Public Affairs Committee (AIPAC) in Israel und im amerikanischen Generalkonsulat in Jerusalem. Sein ganzes Wissen über den Nahen und Mittleren Osten ist von den einseitigen Ansichten des AIPAC geprägt. Er war Vertreter der Übergangsverwaltung der Koalition im besetzten Irak (CPA) und war vor seiner Ernennung zum Staatssekretär für den Mittleren Osten im amerikanischen Außenministerium als amerikanischer Botschafter im Libanon als eine der treibenden Kräfte daran beteiligt, religiösen Hass im Libanon zu verbreiten und das Land zu spalten.“ [49]
Diesem Jeffrey Feltman war Volker Perthes, wie auch der Sondergesandte für Syrien, Staffan de Mistura [50], direkt unterstellt. Feltman steuerte die UN-Syriengruppe in Genf, so wie er auch in den Sitzungen des UN-Sicherheitsrates vehement Resolutionen durchzudrücken versuchte, die eine schrittweise Entmündigung Syriens zum Ziel hatten. Das Dienstverhältnis drückt aus, welche der Beteiligten im Auftrage und Sinne wessen zu agieren hatten. Was die, Jahre zuvor erstellte, SWP-Akte zum „Tag danach“ (für Syrien) betrifft, gilt natürlich das Gleiche!
Eben zu jener Zeit, als Feltman Botschafter im Libanon war, amtierte William V. Roebuck als Stellvertreter des Leiters der US-Botschaft in der syrischen Hauptstadt Damaskus. Während sich die SWP fünf Jahr später um „den Tag danach“ kümmerte, bemühte sich Roebuck bereits 2006 um die Voraussetzungen für das „danach“. Akribisch analysierte er die Schwachpunkte innerhalb der syrischen Gesellschaft, um sie an diesen Stellen auszuhebeln.
Perfiderweise machte er sich die Probleme zunutze, die Syrien sich mit seinen neoliberalen Wirtschaftsreformen damals gerade einhandelte. Diese waren eine Vorgabe der Europäischen Union und Voraussetzung für den Abschluss eines Assoziierungsabkommens mit der EU, von dem sich Syrien wirtschaftliche Vorteile erhoffte. Aber auch die üblichen Probleme – so wie in vielen anderen Staaten, Deutschland eingeschlossen – die da lauten Korruption und Vetternwirtschaft, nahm Roebuck aufs Korn.
Damit haben wir auch schon den zweiten wahren Grund, warum Deutschland sich – auf ganz eigene Weise – am Krieg gegen Syrien beteiligte. Seit 2004 lag für Syrien ein unterschriftsreifes EU-Asszoziierungsabkommen vor, dessen Unterzeichnung an immer neue Forderungen seitens der EU gebunden [51,52] und mit einer arroganten Haltung der EU-Oberen gegenüber dem nahöstlichen Staat verbunden war [53]. Erst Ende Oktober 2008 war es paraphiert worden [54].
Und so wie Feltman im Libanon so sah Roebuck in Syrien Chancen für einen Regime-Sturz durch Schüren von religiösem Zwist [b2].
Screenshot, 13.12.2006; offen gelegt durch WikiLeaks: 30.11.2016 >> Quelle.
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Eben jener Roebuck wurde im Jahre 2018 einer der maßgeblichen Entscheider innerhalb der sogenannten kleinen Syrien-Gruppe; mit der gleichen Agenda wie 2006. Er wurde von der „Kleinen Syrien-Gruppe“ zum Botschafter der sogenannten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDK) ernannt, in Syrien, aber nicht in Damaskus, sondern in Ostsyrien, um dem dort von US-Truppen und der SDF völkerrechtswidrig besetzten Gebiet einen pseudostaatlichen Anstrich zu verpassen. Unter Missbrauch der Vereinten Nationen soll dieses Gebilde bei den Genfer Verhandlungen diplomatisch legitimiert werden. Der UN-Sondergesandte Mistura wurde dafür angewiesen, die Genfer Verhandlungen zu reaktivieren [a3].
So handeln Verschwörer:
„Weiterhin schlagen die USA [in der kleinen Syrien-Gruppe] vor, bei zukünftigen Verhandlungen in Genf eine Delegation für das Gebiet „Ost-Euphrat“ zu bilden, an der die kurdische Vertretung unter der Fahne der „Syrischen Demokratischen Kräfte“ teilnehmen soll. Mit der Delegation des „Hohen Verhandlungsrates“ könnten sie dann die Regierungsdelegation in die Zange nehmen und blockieren.“ [55]
► Geplanter Regime-Change statt Volksaufstand
Kommen wir wieder zur Muslimbruderschaft (MB) zurück. Als kein Mensch von einer revolutionären Situation in Syrien redete, hatte man die MB bereits als „demokratische Option“ geparkt. Schon die US-Regierung unter George W. Bush war mit den später um die Menschenrechte in Syrien ach so besorgten Saudis ins Vernehmen gekommen, wie man Syrien „transformieren“ und schon damals – im Jahr 2007 – explizit die MB in das Konzept des gewaltsamen Regime-Changes in Syrien einbinden könnte [56]. US-Regierungsberater Vali Nasr sprach von engen Kontakten zu den MB wie auch salafistischen Gruppen und sagte außerdem:
„Wir haben diese Bewegung geschaffen, und wir können sie kontrollieren. Es ist nicht so, dass wir nicht wollen, dass sie Bomben werfen. Entscheidend ist, auf wen sie Bomben werfen, auf Hisbollah, Moqtada al-Sadr, den Iran und auf die Syrer, sollten diese weiter mit der Hisbollah und dem Iran zusammenarbeiten.“ [57]
Dabei kann man al-Qaida, Salafisten und MB letztlich nicht voneinander trennen. Die CDU-nahe Konrad Adenauer Stiftung lässt uns wissen:
„Die ersten Anhänger der Al-Qaida rekrutierten sich einerseits aus der djihadistischen Gruppe Tanzim al-Djihad, die aus der Muslimbruderschaft hervorging und 1981 den ägyptischen Präsidenten Anwar al-Sadat tötete. Ihr Vorsitzender zu dieser Zeit war Aiman al-Zawahiri, der ein enger Weggefährte bin Ladens war und die heutige Symbolfigur Al-Qaidas darstellt. Er gehörte wie Azzam zur Muslimbruderschaft.“ [58]
Der Anführer von al-Qaida, Aiman az-Zawahiri, sieht sich bis heute von den Muslimbrüdern inspiriert und sagt das auch ganz offen [59]. Doch als der „Aufstand“ in Syrien ausbrach, wurden wir, mehr aber noch die Menschen im arabischen Raum – mit Nachrichten vor allem von Al-Jazeera – hervorgegangen aus der BBC-Filiale in Katar – versorgt. Einem Sender, der im Prinzip von der MB gekapert wurde [60]. Das ist ja auch kein Wunder, denn Katar nutzt diese Station quasi als Regierungssender und ist einer der stärksten Sponsoren der MB. Diejenigen, die sich dazu benutzen ließen, Syrien ins Chaos zu stürzen, bekamen also auch noch eine reichweitenstarke Propaganda-Plattform.
An diesem Punkt kommen wir zum dritten Problem für die deutsche Politik. Denn Katar, wie auch Saudi-Arabien investiert nicht nur reichlich in die Terrororganisation der MB sondern auch in die deutsche Wirtschaft. Deutschlands „Sympathie“ für die MB beruht auf sehr profanen Interessen, man braucht halt das Geld. Zu den bislang angelegten 25 Milliarden Euro möchten sich gern 10 weitere Milliarden gesellen. Solche Freunde darf man nicht verprellen. Zumal auch noch Schwergewichte wie Volkswagen, Siemens und Hochtief zu den Anlageobjekten gehören [61].
Da kann man bezüglich der kleinen demokratischen Defizite beim Partner schon mal ein Auge zudrücken. Weil deutsche Politik auch gern ihre Gasimporte – wie sagt man so schön – diversifizieren möchte und offenbar scharf darauf ist, beim ökologischen Irrsinn des Imports von Flüssiggas (LNG) groß einzusteigen. Katar ist der weltgrößte LNG-Exporteur [62].
Wenn nun noch eine Gas-Pipeline aus Katar über Saudi-Arabien, Jordanien und Syrien an die türkische Mittelmeerküste gebaut werden könnte, würde das den LNG-Preis noch deutlich attraktiver machen. Zumindest Deutschland würde dann möglicherweise und sehr spontan wieder demokratisches Potenzial bei der Assad-Regierung sehen. 2009 lehnte diese allerdings das katarische Pipeline-Projekt ab. Schlimmer noch plante sie gemeinsam mit Russland, dem Irak und dem Iran eine alternative Pipeline – die sogenannte Islamische Pipeline aus dem Iran – und begann umgehend mit deren Bau [63]. Robert F. Kennedy, der Neffe des vor Jahrzehnten ermordeten US-Präsidenten John F. Kennedy, kommentierte das mit den Worten:
„In dem Moment, als Assad die Katar-Pipeline ablehnte, unterzeichnete er sein eigenes Todesurteil.“ [64]
Ein reichliches Jahr später gab es dann einen Aufstand für Freiheit und Menschenrechte in Syrien. Zufälle gibt es …
Allen tatsächlichen, handfesten Gründen für das „Engagement“ der „Freunde Syriens“ ist gemeinsam, dass die Interessenlage überhaupt nichts mit den syrischen Menschen zu tun hat. Allesamt sind es egoistische geopolitische, ideologische und wirtschaftliche Eigeninteressen, die das Land zum Kriegsschauplatz machten. Das tragische für die Muslimbrüder ist, dass sie in ihrer ideologischen Eiferei einfach niemals begriffen, dass nicht sie den Westen benutzen, sondern er eben sie. Ihre Geschichte ist voll davon und wird in einem weiteren Text untersucht.
Schließen wir diesen Artikel ab und bringen dabei nochmal einige Akteure zusammen. Der Verfassungsschutz von Baden-Würtemberg zitierte aus den Grundsätzen der – vielleicht ja doch ein bisschen demokratischen – Muslimbrüder [65], die sich im Hause der Demokratielehrer von der SWP, einer Stiftung die von der vorbildlich demokratischen deutschen Regierung bezahlt wird, ganz legal aufhalten durften, um für „den Tag danach“ in Syrien zu planen:
„Der Jihad ist eine notwendige Pflicht, die Gott jedem Muslim auferlegt hat, der man nicht entkommen kann und aus der es keinen Ausweg gibt. Gott hat dem Jihad eine große Bedeutung beigemessen und machte den Lohn für die Mujahidin und die Märtyrer reichlich.“ [66]
Zu guter Letzt: Die palästinensische Hamas ist natürlich – daran kann es in der Europäischen Union keine Zweifel geben – terroristisch und daher verboten [67]. Die Hamas hat ihre Wurzeln voll und ganz im Netzwerk der Muslimbruderschaft.
Bleiben Sie in dem Sinne schön aufmerksam.
Peter Frey / Peds Ansichten
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Anmerkungen:
Fußnoten 1 - 67: Angaben hierzu auf Peds Ansichten unter dem Originalartikel.
[a1] Zur Rolle der Muslimbruderschaft als international aufgestelltes Terrornetzwerk zur Interessendurchsetzung für westliche Mächte wird es weitere Artikel geben.
[a2] Das Interview des WDR mit Petra Becker von der SWP ist nicht mehr beim WDR abrufbar, weder als Skript, noch als Tonaufnahme. Danke an Propagandaschau, welche 2015 das Interview auseinander nahmen.
[a3] Ansonsten fiel Staffan de Mistura als UN-Sondergesandter seit Jahren dadurch auf, dass er, immer wenn eine Operation des syrischen Militärs gegen Extremisten geplant wurde oder auch bereits lief, das Leid der Zivilbevölkerung beklagte und vor einer humanitären Katastrophe warnte. Die humanitären Katastrophen welche in vielen Teilen Syriens schlicht durch die Existenz sektiererischer Gotteskrieger beobachtbar waren, fanden dagegen weniger oder gar nicht dessen Aufmerksamkeit.
Peter Frey, Jahrgang 1960, ist seit 1965 Dresdner, gelernter Autoschlosser, war LKW-Fahrer, Taxifahrer, selbständig in der IT-Beratung. Nach der Insolvenz war er Sozialhilfeempfänger, Hartz-IV-Empfänger, und studierte schließlich ab 2004 Informationstechnik und ist seit Jahren in Dresden in der Friedensbewegung aktiv. Er will Menschen aufwecken und so zu aktivem, selbst bestimmten, dem kleinen wie dem großen Frieden gewidmeten Handeln bewegen. Seit einigen Jahren ist er hauptberuflich als Administrator tätig und betreibt nebenher den Blog Peds Ansichten. >> bitte weiterlesen.
► Quelle: Dieser Artikel wurde am 30. September 2018 veröffentlicht auf peds-ansichten.de/ >> Artikel.
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► Bild- und Grafikquellen:
1. Stiftung Wissenschaft und Politik Berlin (SWP). Urheber: Gerd Fahrenhorst, Hannover >> fahrenhorst.de. Quelle: Wikimedia Commons. Diese Datei ist lizenziert unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung 4.0 international“.
2. Screenshot (Ausschnitt) „The Day After”: Was sich die Muslimbrüder für Syrien wünschen >> WeLT-Artikel.
3. NO SHARIA. Verbreitung: Public Domain
4. Yūsuf ʿAbdallāh al-Qaradāwī, auch Jussuf al-Karadawi, (* 9. Dezember 1926 in Saft Turab, Ägypten) ist ein islamischer Rechtsgelehrter, Multifunktionär, Fernsehprediger und Autor. Qaradawi lebt seit 1961 in Katar und hat die katarische Staatsbürgerschaft erhalten. ahlreiche Kritiker, darunter anerkannte muslimische Intellektuelle, werfen al-Qaradawi vor, seine mediale Präsenz – durch die er gleichsam als „globaler Mufti“ wirke – zu missbrauchen und durch seine Predigten den Islamismus und islamischen Terrorismus zu befördern. Urheber: Ebong abd. Quelle: Wikimedia Commons. Diese Datei ist lizenziert unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international“.
5. Jeffrey David Feltman, Palais des Nations. Friday 14 June 2013. Photo by Violaine Martin / UN Geneva. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 2.0 Generic (CC BY-NC-ND 2.0).
6. Screenshot, 13.12.2006; offen gelegt durch WikiLeaks: 30.11.2016 >> Quelle.
7. Jeffrey David Feltman @ The London Conference on Afghanistan takes place on 4 December 2014, co-hosted by the governments of the UK and Afghanistan. Photo: Patrick Tsui/FCO. DFID - UK Department for International Development. Quelle: Wikimedia Commons. Diese Datei ist unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung 2.0 generisch“ (US-amerikanisch) lizenziert.
8. Anti Muslim Brotherhood "Islam is not the solution". An anti Muslim Brotherhood slogan which is a simple negation of the famous Muslim Brotherhood motto! Grafik: AnonMoos. Quelle: Wikimedia Commons. Der Urheberrechtsinhaber veröffentlichte dieses Werk als gemeinfrei. Dies gilt weltweit.