Hochgezüchtete Rackets. Der DAX-Konzern Wirecard ist also pleite.

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Hochgezüchtete Rackets. Der DAX-Konzern Wirecard ist also pleite.
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Hochgezüchtete Rackets.

Der DAX-Konzern Wirecard ist also pleite.

Die haben doch glatt die Bilanzen gefälscht. Wer hätte sowas gedacht.

von Franz Schandl

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Ein Angeber ist einer, der angibt, was es nicht gibt. Markus Braun und Jan Marsalek waren Angeber der besonderen Sorte. Man will sich gar nicht vorstellen, wie sie in München gelacht haben ob der Finten, die ihnen da in den letzten Jahren so viel Zufluss und Zuspruch bescherten. Und sie lizitierten sich immer höher. Größe wird zu einer Frage des Größenwahns.

Zu Milliarden haben solche Leute ein ganz entspanntes, ja laxes Verhältnis, jene sind entweder erfunden oder verschwunden. Die schönsten Bilanzen sind die frisierten. Dort, wo nichts ist, aber behauptet werden kann, dass dieses Nichts nicht sei, wird das Nichts zu einer übermächtigen Größe. Volatiles wird veritabel.

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Es ist nicht auszuschließen, dass Braun und Marsalek selbst an die fiktiven Unsummen geglaubt haben, nachdem sie erleben durften, was mit ihnen nicht alles anzustellen ist. Wenn man sieht, was so alles reingeht, muss eins wohl irre werden. Es ist anzunehmen, dass sie auch Opfer dieser Dynamik geworden sind. Der „schöpferischen Zerstörung“ (Joseph Schumpeter) folgte freilich die Zerstörung der Schöpfer.

Aktuell konsumieren wir gerade eine Finanzaffäre wirklichen Formats, angeblich den größten Betrugsfall, den das arme Deutschland seit 1945 mitmachen musste. Das hat doch was. Selbst die internationale Presse verbeugt sich vor dieser kriminellen Qualität. Fast könnte man meinen, die großen deutschen Skandale sind fest in österreichischen Händen. Auch dieser Exportschlager reiht sich ein in eine Galerie altbekannter Nachbarschaftshilfe übelster Sorte. Jan Marsalek heißt der inzwischen zu Putin [mutmaßlich! H.S.] entflohene Wunderknabe, der nun das Ranking der berüchtigsten Österreicher einige Monate anführen wird.

► Hinlangen, zugreifen, abcashen.

Markus-Braun-Wirecard-CEO-Bilanzfaelschung-Bilanzskandal-Marktmanipulation-Taeuschungsabsicht-Kritisches-Netzwerk-Geldwaesche-Groessenwahn-DelinquenzMoralische Skrupel sind den Zampanos ganz fremd. Mit Rücksichtnahme wären sie auch nie so weit gekommen. Die kriminelle Energie ist groß und sie wird immer größer. Vom Markenprofil her sind Marsalek und sein Chef Markus Braun [Foto re.] artverwandt der (meist jungen) Garde, die sich hier in Wien um Bundeskanzler Sebastian Kurz tummelt. Die dessen Nähe sucht, wie umgekehrt deren Nähe gesucht wird. Nicht zufällig war Braun, ein wortgewandter Visionär der neuen Ökonomie, Mitglied in des Kanzlers Beraterstab „Think Austria“. Das „Ökosystem der neuen Geldwirtschaft“, so der gern dozierende Braun, produziert wohl diesen Typus in Serie.

Die Gameboys des Kapitals sind wahrlich Universal Players. Da wird marodiert, dass es eine Freude ist. Dieser Spielplatz ist global, und er erwartet nichts sehnsüchtiger als die heimische Heimtücke. Manila, Moskau, München, Dubai, die FPÖ, die CSU, Söldner für Libyen, Geldwäsche, Nervengift, Fake-Chats und Privatjets inklusive. Figuren, Schauplätze, Objekte, sämtliche Komponenten lassen darauf schließen, dass da Ungeheuerliches unter der Tuchent dampft.

Gegen derlei Raffinesse ist jede Fantasie ein fader Hund. Wohin man blickt, lauern Machenschaften und Seilschaften. Da agieren hochgezüchtete Rackets ökonomifizierter Wirtschaftsburlis, und das auf erschreckend hohem Niveau. Sie wissen vielleicht nicht, was sie tun, aber sie wissen, wie sie es anstellen. Und da sie mitkriegen, was geht, geht immer mehr, bis auf einmal nichts mehr geht.

Aber vorher hatte Wirecard, die einstige „deutsche Wirtschaftshoffnung“, so nicht nur Der Spiegel, nicht bloß die Courage auf ihrer Seite, sondern auch Branche und Hofschranzen waren mit ihnen. Man denke insbesondere an die kriegsgeile FAZ, die jetzt Kindesweglegung betreibt: „Die Aktie der Wirecard AG kennt kein Halten mehr – nach oben“, hieß es dort ganz prophetisch noch im Juni 2018. Wirecard war „eine Art Turbo“, so Braun. Tatsächlich gibt es heute keinen Standort mehr, der nicht vom Silicon-Valley-Fieber erfasst ist.

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► Apropos Delinquenz.

Gar manches ist kriminell, zweifellos, aber es ist kein Krimi. Es ist vielmehr die wirtschaftliche Normalität, die sich da gelegentlich kräftig übernimmt. Tendenz steigend. Der Begriff des Verbrechens bagatellisiert immanente Symptome zu externen Phänomenen. Die Situation wird geradezu zur Sensation verklärt. Was in den Black Boxes unternehmerischer Moleküle so steckt, das hat hingegen nicht von Interesse zu sein, so sehr es auch den alltäglichen Gang dieser Welt bestimmt. That’s economy, stupid!

Interessanter als das, was auffliegt, wäre allemal, was nicht auffliegt. Indem man aber ebendiese Zustände als Missstände beschildert, apportiert man lediglich der Verlogenheit des liberalen Mainstreams. Nach der Täuschung folgt die Selbsttäuschung. Und ungeduldig wartet man schon auf die nächste Affäre. Nicht Wissen speist sie, sondern lechzende Gier.

Franz Schandl
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Franz Schandl, geb. 1960 in Eberweis/Niederösterreich. Studium der Geschichte und Politikwissenschaft in Wien. Lebt dortselbst als Historiker und Publizist. Mitglied der Redaktion der Streifzüge. Vater dreier erwachsener Kinder.


► Quelle: Erstveröffentlicht am 31. Juli 2020 in Streifzüge >> Artikel. "Streifzüge - Magazinierte Transformationslust" ist eine Publikation des Vereins für gesellschaftliche Transformationskunde in Wien. Verbreitung: COPYLEFT. „Jede Wiedergabe, Vervielfältigung und Verbreitung der Publikationen in Streifzüge ist im Sinne der Bereicherung des allgemeinen geistigen Lebens erwünscht." (Kritischer Kreis. Verein für gesellschaftliche Transformationskunde, Wien.).

ACHTUNG: Die Bilder und Grafiken im Artikel sind nicht Bestandteil des Originalartikels und wurden von KN-ADMIN Helmut Schnug eingefügt. Für sie gelten ggf. andere Lizenzen, siehe weiter unten. Grünfärbung von Zitaten im Artikel und einige Verlinkungen wurden ebenfalls von H.S. als Anreicherung gesetzt.

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► Bild- und Grafikquellen:

1. Wirecard >> Insert Card. Markus Braun, geschäftsführendes Vorstandsmitglied und Technischer Direktor der Wirecard AG, wurde am 22. Juli 2020 wegen des Verdachts auf bandenmäßigen Betrug und Fälschung der Geschäftsbilanzen seit mindestens 2015 zusammen mit zwei ehemaligen Wirecard-Managern festgenommen. Gegen sie wurde Haftbefehl erlassen.

Karikatur von Kostas Koufogiorgos. Koufogiorgos wurde 1972 in Arta, Griechenland geboren, studierte nach dem Abitur 1989 Wirtschaftswissenschaften an der Universität von Athen und begann zeitgleich als Karikaturist für verschiedene griechische Zeitungen und Magazine zu arbeiten.

Seit dem Umzug 2008 nach Deutschland veröffentlicht er seine Karikaturen in verschiedenen Tages-, Wochen- und Online-Zeitungen, z.B. im Handelsblatt, in den Ruhrnachrichten, im Hamburger Abendblatt, im Weser Kurier, der Fuldaer Zeitung, der Neuen Osnabrücker Zeitung, im Flensburger Tageblatt, den Lübecker Nachrichten, der Passauer Neuen Presse, der Ostsee-Zeitung, der Magdeburger Volksstimme, der Freien Presse, der Mainpost, dem Westfälischen Anzeiger, dem Tageblatt (Luxemburg), der Neuen Rheinischen Zeitung  u.a. Des Weiteren findet man seine Arbeiten in Magazinen (z.B. „Nebelspalter“, „Der Spiegel“), Fachzeitungen (z. B. „vida“), Onlineportalen (z.B. „web.de“, „gmx.de“, "msn.com"), und zahlreichen Bildungsmedien.

2008 wurde sein Buch „Minima Politika“ (mit Wolfgang Bittner) veröffentlicht, 2011 folgte „Frau Schächtele will oben bleiben“ (mit Monika Spang)  sowie 2016 "S(tuttgart) 21 - Karikaturen" und das "Jahr 2017 in bunten Bildern". 2012 erhielt er eine Auszeichnung beim Deutschen Preis für die politische Karikatur „Mit spitzer Feder“. 2016 folgten eine Auszeichnung beim Deutschen Preis für die politische Karikatur und ein 3. Preis des BJV zum Tag der Pressefreiheit. In Griechenland ist er der Karikaturist der Athener Tageszeitung „Eleftherotypia“.

Kostas Koufogiorgos lebt mit seiner Frau, einer Kunst-Restauratorin, in Stuttgart und hat in Haigerloch-Stetten ein Gemäldeatelier als Rückzugsort. >> www.koufogiorgos.de >> Direktlink zur Karikatur. Die Genehmigung zur Veröffentlichung einer Karikatur/Woche im Kritischen Netzwerk wurde von Herr Koufogiorgos via Mail am 15. September 2011 erteilt - vielen Dank dafür. Die Rechte bleiben beim Urheber Kostas Koufogiorgos.

2. Markus Braun (* 5. November 1969 in Wien) ist ein österreichischer Wirtschafts-Manager. Er war von Januar 2002 bis Juni 2020 geschäftsführendes Vorstandsmitglied und Technischer Direktor der Wirecard AG. Foto: Leo Molatore. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.0 Generic (CC BY-SA 2.0).

3. Markus Braun (CEO Wirecard AG) on stage at DLD Munich Conference 2020, Europes big innovation conference, Alte Kongresshalle, Munich, January 18-20, 2020. Quelle: Flickr. Foto: Picture Alliance for DLD / Hubert Burda Media | Verwendung weltweit mit CC-Lizenz Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.0 Generic (CC BY-NC-SA 2.0).