Derzeit leben knapp über 7 Milliarden Menschen auf unserer Welt. Bis 2050 werden es etwa 9 Milliarden Menschen sein. Ressourcen wie Land, Wasser, Saatgut oder Futtermittel zur Herstellung landwirtschaftlicher Produkte werden knapper und teurer. Der Fleischkonsum weltweit steigt.
Wie sieht eine nachhaltige Landwirtschaft aus, die ressourcenschonend organisiert ist und auch in Zukunft alle satt macht – und das zu für alle erschwinglichen Preisen?
Ökologische Landwirtschaft kann und muss die Welt ernähren, sagt Dr. Felix Prinz zu Löwenstein, Betreiber eines ökologisch wirtschaftenden Hofes in Hessen, bis Mai 2021 19 Jahre lang Vorsitzender des Bundes für Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) und Autor des Buches „Food Crash. Wir werden uns ökologisch ernähren oder gar nicht mehr“.
Hier sein Statement:
Kann ökologische Landwirtschaft die Welt ernähren?
Ernährungssouveränität heißt die Herausforderung, nicht „Welternährung“
von Dr. Felix Prinz zu Löwenstein
Die Formulierung dieser Frage lädt zu einem Missverständnis ein, weil sie ein Bild entstehen lässt, das mit der Wirklichkeit nichts zu tun hat: ein Bild, auf dem ein großer Topf zu sehen ist, aus dem die gesamte Welt löffelt und den es nur bis an eine bestimmte Marke zu füllen gilt, um sieben oder schon bald neun Milliarden Menschen zu ernähren.
So falsch sie ist, so sehr kommt diese Vorstellung denjenigen entgegen, die die Mittel zur Verfügung stellen wollen, mit denen sich der Topf schnell und immer wieder füllen lässt. Denen also, deren These ist: es gibt ein Welternährungsproblem, es beruht auf einer zu geringen Produktivität der Fläche und deshalb muss man die Effizienz je Hektar steigern. Dafür braucht man Pestizide, Düngemittel und gentechnisch optimiertes Saatgut.
Das Bild ist deshalb falsch, weil es reale Töpfe gibt, die es zu füllen gilt. Und die stehen in den Häusern und Hütten der Menschen. Je abhängiger sie vom Weltmarkt sind (durch den Verkauf eigener Erzeugnisse) und je größer der Anteil ihres Einkommens ist, den sie für ihre Ernährung aufwenden müssen, desto verwundbarer sind sie. Was sie brauchen, ist Ernährungssouveränität. Dies umso mehr, als zwei Drittel der Hungernden auf dem Land leben. Es sind Menschen, die dort leben, wo Lebensmittel produziert werden. Sie brauchen Zugang zu Land, soziale Gerechtigkeit und wirtschaftliche Unabhängigkeit.
Wer seine Ernte bei den Händlern verpfändet hat, von denen er Kleidung und Maschinen, aber auch die landwirtschaftlichen Betriebsmittel bezieht, besitzt keine Souveränität über seine Ernährung. Er muss in der Ernte billig abgeben, was er erzeugt hat, und anschließend teuer einkaufen, was der Markt ihm anbietet.
Die Ursache der Hungerkrise ist nicht mangelnde Produktivität
Ehe es um die Frage geht, wie die Landwirtschaft aussehen muss, die unter diesen Prämissen geeignet ist, weltweit Ernährungssicherheit und Ernährungssouveränität herzustellen, muss geklärt werden, welche Rolle die Flächenproduktivität dabei spielt. Trifft die im ersten Absatz formulierte These der Agrarindustrie zu, dass es darauf ankommt, auf der vorhandenen Agrarfläche mehr zu erzeugen?
Ein Blick auf die tatsächlichen Ursachen des Skandals, dass jeder siebte Erdenbürger sich jeden Abend hungrig schlafen legt, ohne zu wissen, wie er sich und seine Familie am nächsten Tag ernähren soll, zeigt, dass sie nicht stimmt. Es sind miserable Regierungen, Kriege sowie ungerechte Verteilung von Land und Einkommen, die Menschen in Afrika und anderswo daran hindern, Nahrungsmittel zu erwerben oder Vorräte für Dürrezeiten anzulegen.
Dass die Wetterextreme in Folge des Klimawandels zunehmen, ist ein ebenso von Menschen verursachtes Phänomen wie Erosion oder Versalzung, die jedes Jahr 10 Millionen Hektar fruchtbaren Bodens vernichten – fast so viel wie die gesamte Ackerfläche Deutschlands. Der Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur deutet auf den Zusammenhang mit uns, den Energie fressenden Bewohnern der Nordhalbkugel. Dass ausgerechnet in Äthiopien Millionen Hektar Ackerland an Investoren aus den Industrienationen verkauft oder verpachtet wurden, lässt uns ahnen, dass unser Lebens- und Ernährungsstil mit der düsteren Lage der Welternährung und ihrer Zukunft zu tun hat.
Dr. Felix Prinz zu Löwenstein
Offenbar verbrauchen wir mehr als uns zusteht. Aber auch das liegt nicht an zu geringer Produktivität. Dass die Hälfte unserer Agrarerzeugnisse im Müll landen, zeigt, wo die wirklichen Reserven liegen. Übrigens ist auch in den Ländern des Südens der Anteil der Ernte, der auf dem Teller landet, ähnlich gering. Dort ist aber nicht verschwenderischer Umgang mit dem Essen die Ursache, sondern Defizite in Lagerung, Verarbeitung und Transport – die wiederum in mangelnder Kapitalbildung in der Landwirtschaft ihre Ursache haben und für deren Behebung ebenfalls gutes Regierungshandeln erforderlich wäre.
Ähnlich steht es mit unserem Fleischkonsum. Wer auf die Weltbevölkerung hochrechnet, was für den bei uns üblichen Fleischkonsum von 80 kg/Jahr an Futter benötigt wird, stellt fest, dass dafür mehr als die gesamte Getreideproduktion des Erdballs erforderlich wäre. Kein noch so produktives System agrarischer Erzeugung könnte das leisten, denn schließlich müssten ja auch noch für unser Brot ein paar Körner übrig bleiben.
► Industrielle Landwirtschaft ist kein zukunftsfähiges Modell
So wenig wie mangelnde Produktivität die Hauptursache des Hungers ist, so wenig ist ein System industrieller Landwirtschaft, wie es die Vertreter von BASF und Monsanto im Sinn haben, zukunftsfähig. Es verbraucht mehr Ressourcen, als uns zur Verfügung stehen. Und das kann nicht mehr lange gut gehen.
Spätestens die absehbare Explosion der Energiekosten wird zeigen, dass es zu teuer ist, mit enormen Energiemengen hergestellten Stickstoff zur Grundlage des Pflanzenanbaus zu machen. Dies umso mehr, als der Teil des künstlich gewonnenen Minerals, der versickert oder als Stickoxide in die Luft aufsteigt, Gewässer verunreinigt und den Treibhauseffekt verstärkt. Ähnlich sieht es mit Phosphat aus, das nicht synthetisiert, sondern aus Lagerstätten gewonnen wird, die in wenigen Jahrzehnten erschöpft sein werden.
Aber auch die Vielfalt an Tier- und Pflanzenarten, an Nahrungspflanzen, Nutztier-Rassen und Pflanzensorten sind Ressourcen, deren dramatische Verringerung schlimme Folgen mit sich bringt. Auch hier ist eine Landwirtschaft als Verursacher beteiligt, die mit rationalisierten Produktionsverfahren billig große Nahrungsmengen erzeugt. Am Weitesten über die Grenzen des nachhaltig Möglichen ist die „Tierproduktion“ geraten, die aus Mitgeschöpfen Fabrikgüter für die Massenherstellung macht. Sie verursacht Probleme für Umwelt und Tierschutz.
Sie bedroht unsere Gesundheit nicht nur, weil billiges Fleisch zu übermäßigem Konsum verführt, sondern auch durch den weiterhin exzessiven Einsatz von Antibiotika in den Ställen. Und sie funktioniert nur, weil Millionen von Hektaren einstiger Regenwald besonders in Südamerika mit Sojabohnen bebaut werden, die als Eiweißfuttermittel in europäischen Viehtrögen landen. Urwald für Schnitzel, sozusagen.
► Ökologische Intensivierung als nachhaltiges Gegenmodell
Diese Diagnose führt zu einer unumgänglichen Therapie: Unsere Landwirtschaft muss ökologisch werden und unsere Ernährungsweise dazu. Das Gegenmodell ist die Ökologische Intensivierung. Diesen Begriff verwende ich, um einem Missverständnis vorzubeugen: Wenn in diesem Zusammenhang von Ökolandbau die Rede ist, dann bezeichnet das weder eine Landwirtschaft, die eigentlich konventionell ist, der aber – z.B. mangels Kaufkraft – keine chemisch-synthetischen Pflanzenschutz- und Düngemittel zur Verfügung stehen, noch die Rückkehr zu einer vorindustriellen Form der Landbewirtschaftung.
Auch der zertifiziert ökologische Landbau nach den Richtlinien der entsprechenden Europäischen Verordnung ist nur bedingt gemeint. Er zeigt zwar den Pfad auf, um den es geht, ist aber in erster Linie ein Zertifizierungsstandard für einen konkreten Markt und damit nur beschränkt für alle denkbaren Verhältnisse geeignet.
Was gemeint ist, ist die intelligente Nutzung der Natur und ihrer Regelungsmechanismen bei möglichst geringem Einsatz von außen hinzuzufügender und Kapital bindender Betriebsmittel. Eine Landwirtschaft, deren Grundlage eine Kombination aus modernster wissenschaftlicher Erkenntnis und dem reichen Erfahrungswissen bildet, das insbesondere in traditionellen Gesellschaften noch vorzufinden ist. Sie nutzt, erhält und fördert die ungeheure Vielfalt an Pflanzenarten, Sorten und Tierrassen, soweit sie in der industriellen Landwirtschaft noch nicht untergegangen ist.
Beispiele in Haiti oder auf den Philippinen, in Kenia oder Äthiopien zeigen, was im weltweiten Maßstab darunter zu verstehen ist. Sie zeigen überdies, dass dort, wo heute Menschen Hunger leiden – in den ländlichen Regionen des Südens – Ertragssteigerungen und Einkommenssicherung möglich ist. Und zwar ohne dass die Bauern ihre Einkünfte für den Kauf von Chemikalien aus den Industriestaaten verwenden müssen und ohne dass sie in die Abhängigkeit jener Patente geraten, mit denen die Gentechnikindustrie ihre Saaten versieht.
In den letzten Jahren sind ausreichend Daten erhoben und ausgewertet worden, um die Effizienz dieses Systems zu belegen. So verwundert es nicht, dass immer mehr Organisationen der Entwicklungshilfe oder der Vereinten Nationen darauf drängen, auf eine ökologische Intensivierung der Landwirtschaft zu setzen und nicht auf eine Industrialisierung nach westlichem Vorbild.
Es ist deshalb längst die Zeit gekommen, nicht mehr das „ob“, sondern das „wie“ zu diskutieren. Wie schaffen wir die Transformation hin zu einer ökologischen Landwirtschaft, die auch künftigen Generationen ihre Lebenschancen lässt? Der Schlüssel dafür liegt in dem, was die Ökonomen „Kosteninternalisierung“ nennen. Es muss Schluss damit gemacht werden, dass ein erheblicher Teil der Produktionskosten von der Umwelt gezahlt wird, statt damit den Preis der Produkte zu belasten.
Wenn sich Kosten, wie sie durch die Ausschwemmung von Nährstoffen in Gewässer, durch Klimawandel, Verlust der Artenvielfalt oder den Rückgang von Bienen verursacht werden, im Preis des Schnitzels wiederfinden würden, zöge das eine Reihe von Auswirkungen nach sich: So wäre die Produktion mit den geringsten Allgemeinkosten konkurrenzfähig. Das ist der ökologische Landbau auch dann, wenn man berücksichtigt, dass er auf vielen Feldern noch weiter entwickelt werden muss, um dem Ziel einer vollkommenen Nachhaltigkeit näher zu kommen. Und unser Ernährungsverhalten würde sich ändern – zum Nutzen aller: Denn halb so viel gutes Fleisch zum doppelten Preis erhöht die Lebensmittelausgaben nicht, ist gesünder und bildet einen Beitrag zur Sicherung der Welternährung.
Damit die Politik es wagt, dafür Maßnahmen zu ergreifen, muss der Bewusstseinswandel bei uns Bürgerinnen und Bürgern, Wählerinnen und Wählern voranschreiten. Die Zeit dafür ist günstig!
Quelle: Friedrich Ebert Stiftung (FES) Online Akademie, 53175 Bonn
Ernährungssouveränität und Agrarökologie
© Klaus Stuttmann Karikaturen, Berlin - klick
Genetisch veränderte Pflanzen werden systematisch und unwiderruflich eingeführt, obwohl über Folgeschäden und gesundheitliche Beeinträchtigungen noch keine langfristigen Forschungen vorliegen. Die Abhängigkeit der Bauern von der Beschaffung patentierter transgener Saaten und der damit gekoppelten Pestiziden wird mit Unterstützung der Politik immer weiter vorangetrieben, so daß diese Menschen ruiniert, ausgehungert und von ihren Äckern vertrieben werden. Es handelt sich hier um eine groß angelegte organisierte Unverantwortlichkeit, die mit krimineller Energie voran getrieben wird.
Erste Ergebnisse nach einem Jahr nach der Pflanzung der Jungfichten haben zwar noch keine signifikanten Ergebnisse hinsichtlich des Wachstums der Pflanzen ergeben, aber die analysierten Bodenproben zeigten eindeutig ein Verbesserung der Bodenqualität und einen Anstieg der Mikroorganismen. Es wird damit gerechnet, daß sich in den nächsten Jahren auch ein eindeutiger Wachstumsimpuls bei den Fichten einstellen wird.