Nebeneinkünfte: Das verdienen die Abgeordneten aus dem Bundestag nebenbei

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Nebeneinkünfte: Das verdienen die Abgeordneten aus dem Bundestag nebenbei
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Nebeneinkünfte:

Das verdienen die Abgeordneten aus dem Bundestag nebenbei

von Josephine Andreoli / abgeordnetenwatch.de

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Eine Rede beim „Business-Dinner“, ein gut bezahlter Beraterjob: 25,1 Millionen Euro haben Bundestagsabgeordnete nach Recherchen von abgeordnetenwatch.de und SPIEGEL seit der Wahl mit ihren Nebentätigkeiten erwirtschaftet. Mindestens. Denn die tatsächlichen Einkünfte sind nicht nachvollziehbar. Wie viel erhielt Ihr Abgeordneter?

Beinahe jeder Dritte Bundestagsabgeordnete bezieht neben seinem Mandat Einkünfte aus weiteren Tätigkeiten und Funktionen, und dies teilweise in erheblicher Höhe. Das geht aus einer gemeinsamen Recherche von abgeordnetenwatch.de und dem SPIEGEL hervor. Demnach gaben 215 der insgesamt 709 Parlamentarier (30,3 Prozent) an, neben ihrem Abgeordnetenmandat für mindestens eine Nebentätigkeit bezahlt worden zu sein.

Mindestens 25,1 Millionen Euro haben die Parlamentarier so neben ihrer monatlichen Diät in Höhe von 10.083 Euro zusätzlich eingenommen und seit der Bundestagswahl 2017 an Parlamentspräsident Wolfgang Schäuble gemeldet. Dieser veröffentlicht die Angaben auf der Bundestagswebsite.

Anteil von Abgeordneten mit meldepflichtigen Nebeneinkünften in der laufenden Legislaturperiode (nach Parteizugehörigkeit):

 

Anteil:53%
FDP
 
Anteil:50%
CSU
 
Anteil:36%
CDU
 
Anteil:24%
AfD
 
Anteil:23%
SPD
 
Anteil:19%
Linke
 
Anteil:13%
Grüne

 

Angaben für die 19. Legislaturperiode (Stichtag: 31. Juli 2020) - Quelle: bundestag.de

Besonders hoch ist der Anteil der Nebenjobber in der FDP-Fraktion: Mehr als die Hälfte der Abgeordneten (53 Prozent) gab auf ihrer Bundestagsseite meldepflichtige Nebeneinkünfte an, gefolgt von der CSU (50 Prozent) und der CDU (36 Prozent). Die Grünen sind mit Abstand die Fraktion, in der die wenigsten Abgeordneten zusätzlich zu ihrem Mandat vergütete Nebenjobs ausüben (13 Prozent).

Verboten sind die Nebentätigkeiten nicht, im Gegenteil. Nach dem Abgeordnetengesetz (AbgG) sind sie sogar explizit zulässig – solange das Bundestagsmandat noch „im Mittelpunkt der Tätigkeit“ der Politiker steht.

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Bei einigen Abgeordneten ist allerdings zweifelhaft, ob dem auch so ist. Der frühere Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) etwa führt auf seiner Bundestagsseite Beraterhonorare in einer Gesamthöhe von über einer halben Million Euro auf, außerdem sitzt er in mehreren Unternehmensgremien und ist Präsident der arabisch-deutschen Handelskammer Ghorfa mit einem Monatsgehalt zwischen 3.500 und 7.000 Euro. Insgesamt kommt Ramsauer so auf meldepflichtige Einkünfte von mindestens 896.500 Euro. Einen Interessenkonflikt weist der Ex-Minister "strikt zurück", wie er dem SPIEGEL ausrichtete. Im Übrigen stehe das Bundestagsmandat "eindeutig im Mittelpunkt" seiner beruflichen Tätigkeit.

► Zwischen Politik und Geschäft

Eine weitere Problematik bei den Nebenjobs sind mögliche Interessenkonflikte. Veranschaulichen lässt sich das am Beispiel der CDU-Abgeordneten Karin Maag. Sie ist gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion und Mitglied im Bundestagsausschuss für Gesundheit. Neben ihrem Abgeordnetenmandat sitzt Maag im Beirat der Barmenia Krankenversicherungen und berät die DaVita Medical Group Deutschland, einen US-amerikanischen Anbieter von Dialysedienstleistungen für Patienten mit chronischem und akutem Nierenversagen.

Auf Anfrage von abgeordnetenwatch.de erklärt Maag, dass sie das Unternehmen zum Gesundheitssystem in Deutschland berate. „Insofern gibt es keinen Interessenkonflikt zu meinen Aufgaben als gesundheitspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und Mitglied im Ausschuss für Gesundheit", so Maag. Ein Interessenkonflikt sei auch nicht gegeben bei ihrer Beiratstätigkeit bei der Barmenia Krankenversicherung.

Als Außenstehender ist das schwer zu beurteilen. Denn im Gesundheitsausschuss wird über Themen entschieden, die auch jene Branchen betreffen, für die Maag neben ihrem Abgeordnetenmandat entgeltlich tätig ist.

► Wie Unternehmen sich Zutritt zur Politik erkaufen

Volker-Kauder-CDU-Nebeneinkuenfte-Nebentaetigkeit-Saxony-Minerals-Exploration-AG-Beratertaetigkeit-Kritisches-Netzwerk-Nebenjobber-Bundestag-Beraterhonorare-NebenverdienstDurch die Beschäftigung und Postenvergabe an Politiker können sich finanzstarke Unternehmen einen Zugang zur Politik erkaufen. So sitzt der ehemalige Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Volker Kauder, im Aufsichtsrat des Bergbaukonzerns Saxony Minerals & Exploration AG und ist für diesen auch als Berater tätig. Als solcher verdient er monatlich zwischen 3.500 und 7.000 Euro zusätzlich.

Auch über die ehemalige Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) erhält ein Unternehmen Kontakt in den Bundestag. Schmidt sitzt im Verwaltungsrat des Schweizer Pharmakonzerns Siegfried Holding AG. Seit Beginn der Legislaturperiode vor knapp drei Jahren hat sie für diesen Posten mindestens 165.000 Euro erhalten.

Tatsächlich könnten die Beträge jedoch sehr viel höher sein. Zwar werden die Nebeneinkünfte der Parlamentarier für jeden einsehbar in ihren Profilen auf der Website des Bundestages veröffentlicht. Allerdings nicht als exakte Beträge, sondern in zehn groben Einkommensstufen. Durch dieses Stufensystem werden die tatsächlichen Bezüge aber nicht sichtbar. Denn Einkünfte unterhalb einer Bagatellgrenze von 1.000 Euro müssen nicht gemeldet werden, eine Obergrenze für die Höchststufe 10 (mehr als 250.000 Euro) gibt es ebenfalls nicht. Hinzu kommt: Die Spanne in den einzelnen Stufen ist groß. So meint Stufe 1 Einnahmen in Höhe von 1.000 bis 3.500 Euro, Stufe 8 reicht von 100.000 bis 150.000 Euro.

► Netzwerken bei exklusive Abendveranstaltungen

Gregor-Gysi-PdL-Die-Linke-Linkspartei-Nebentaetigkeit-Dirk-Rossmann-Lars-Eidinger-Honorare-Kritisches-Netzwerk-meldepflichtige-Einkuenfte-Nebenjobber-NebenerwerbÜber üppige Nebeneinkünfte in Höhe von mindestens 424.500 Euro verfügt FDP-Parteichef Christian Lindner. Unter anderem hielt Lindner in dieser Legislaturperiode 66 Vorträge gegen Bezahlung, so zum Beispiel bei der Unternehmensberatung Baker Tilly, der Allianz Global Investors Deutschland GmbH und der BBBank eG.

Der frühere Fraktionsvorsitzende der Linken, Gregor Gysi, spricht ebenfalls regelmäßig vor Publikum. Seit 2017 wurde er für mehr als 100 Veranstaltungen gebucht und hat beispielsweise mit dem Unternehmer Dirk Rossmann oder dem Schauspieler Lars Eidinger gesprochen. Gesamtverdienst in dieser Legislaturperiode: mindestens 470.000 Euro.

Der Unterschied zwischen Lindner und Gysi: Während Lindner zu zahlreichen firmeninternen Netzwerktreffen wie „Business-Dinner“ oder „Kamin-Abenden“ engagiert wurde, sprach Gysi hauptsächlich auf öffentlichen Veranstaltungen.

► Wie viel verdienen die Parlamentarier nebenbei?

Angeführt wird die Liste der Abgeordneten mit den höchsten meldepflichtigen Einkünften traditionell von Freiberuflern. Das hängt damit zusammen, dass diese ihre Bruttoumsätze angeben müssen, nicht den erzielten Gewinn.

Ganz vorn steht erneut der CSU-Abgeordnete Sebastian Brehm. Mindestens 3,13 Millionen Euro gibt er auf der Bundestagsseite für seine Tätigkeit als Steuerberater an. Weil er aber mehrere Steuerberater und rund 25 Mitarbeiter beschäftige, würden die gemeldeten Bruttoeinkünfte nicht von ihm allein erwirtschaftet, so Brehm auf Anfrage von abgeordnetenwatch.de. Hinzu kämen Abzüge durch Steuern, Personal- und Sachkosten. „Die Summe – nach Abzug der genannten Parameter – wäre dann vergleichbar mit den Nebeneinkünften der anderen Abgeordneten“, erklärte Brehm.

[Lesen Sie außerdem zum Thema: Millionenhonorare aus anonymen Quellen - wer sind die unbekannten Geldgeber der Abgeordneten?]

Brehm fordert daher eine vertiefende Kontrolle der Umsätze durch die Bundestagsverwaltung und die interne Offenlegung der tatsächlichen Gewinnausschüttung.

Bei Freiberuflern wie Brehm ergibt sich noch ein ganz anderes Problem: die verschleierte Identität der Geldgeber. Bei mindestens 56 Abgeordneten ist für die Öffentlichkeit nicht ersichtlich, von wem diese ihr Geld erhalten. Da sie die Vertragspartner nur in anonymisierter Form aufführen müssen (z.B. "Mandant 1"), bleibt die Herkunft von 11,2 Millionen Euro unklar.

Hinweis von Helmut Schnug: Hier im Kritischen-Netzwerk sind der Übersicht wegen nur die Abgeordneten mit Nebeneinnahmen von mindestens 15.000 € gelistet, Stand: 31.07.2020 | Die Originaltabelle bei abgeordnetenwatch zeigt auf 48 einzel anklickbaren Tabellenseiten alle derzeitigen Abgeordneten der 19. Wahlperiode, auch jene mit weniger oder keinen Nebeneinnahmen. >> weiter.

Unter “Nebentätigkeiten?” ist vermerkt, ob ein MdB angibt, neben dem Mandat mindestens eine Tätigkeit auszuüben bzw. ausgeübt zu haben. Monatliche Nebeneinkünfte der Abgeordneten wurden mit 33 multipliziert (seit Nov. 2017, sofern im Profil auf der Website des Bundestages im Bereich “Veröffentlichungspflichtige Angaben” kein konkretes Startdatum angegeben wurde), jährliche Nebeneinkünfte wurden mit drei multipliziert.

 

 
 
 
 
 
 
 
 
 
Hinweis von Helmut Schnug: Hier im Kritischen-Netzwerk sind der Übersicht wegen nur die Abgeordneten mit Nebeneinnahmen von mindestens 15.000 € gelistet, Stand: 31.07.2020 | Die Originaltabelle bei abgeordnetenwatch zeigt auf 48 einzel anklickbaren Tabellenseiten alle derzeitigen Abgeordneten der 19. Wahlperiode, auch jene mit weniger oder keinen Nebeneinnahmen. >> weiter
 
Tabelle: abgeordnetenwatch.de - Quelle: Selbstauskünfte der Abgeordneten

Josephine Andreoli, Mitarbeit: Andrea Knabe, Andreas Dobrzewski, Martin Reyher.
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Josephine Andreoli ist Redakteurin von abgeordnetenwatch.de und schreibt über Lobbyismus, Parteispenden und Nebentätigkeiten von Abgeordneten in Deutschland und Europa. Sie hat ihren Bachelor in Journalistik mit Schwerpunkt Kultur in Hamburg und Bangkok erworben und ein Volontariat bei den Lübecker Nachrichten absolviert.

Seit Juli 2020 arbeitet Josephine in der Redaktion von abgeordnetenwatch.de. Sie interessiert sich insbesondere für Themen, die im Zusammenhang mit Klima, Tierschutz, Agrar- und Gesundheitspolitik stehen. Kontakt: Telefon: 040 / 317 6910 - 50.

abgeordnetenwatch.de ist der direkte Draht von Bürger:innen zu den Abgeordneten und Kandidierenden. "Bürger:innen fragen - Politiker:innen antworten" ist der Kern des Portals. Der öffentliche Dialog schafft Transparenz und sorgt für eine Verbindlichkeit in den Aussagen der Politiker:innen. Denn alles ist auch Jahre später noch nachlesbar. Daneben werden auf abgeordnetenwatch.de das Abstimmungsverhalten und die Ausschussmitgliedschaften der Abgeordneten sowie ihre Nebentätigkeiten öffentlich.

Betrieben wird das Portal von der NGO bzw. dem gemeinnützigen Verein „Parlamentwatch e.V.“, welcher sich vor allem durch einmalige und regelmäßige Spenden finanziert.

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► Quelle: Dieser Artikel wurde von Josephine Andreoli am 07. August 2020 erstveröffentlicht auf abgeordnetenwatch.de >> Artikel. Der Text auf dieser Seite steht unter der Creative Commons Lizenz Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International (CC BY-NC-SA 4.0).

► Bild- und Grafikquellen:

1. Peter Ramsauer: Der frühere Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) etwa führt auf seiner Bundestagsseite Beraterhonorare in einer Gesamthöhe von über einer halben Million Euro auf, außerdem sitzt er in mehreren Unternehmensgremien und ist Präsident der arabisch-deutschen Handelskammer Ghorfa. Foto: © Sandro Halank / Wikimedia Commons / CC BY-SA 4.0.

2. Ulla Schmidt: Auch über die ehemalige Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) erhält ein Unternehmen Kontakt in den Bundestag. Schmidt sitzt im Verwaltungsrat des Schweizer Pharmakonzerns Siegfried Holding AG. Seit Beginn der Legislaturperiode vor knapp drei Jahren hat sie für diesen Posten mindestens 165.000 Euro erhalten. Foto: © Moritz Kosinsky / Wikimedia Commons / CC BY-SA 3.0 de .

3. Christian Lindner: Über üppige Nebeneinkünfte in Höhe von mindestens 424.500 Euro verfügt FDP-Parteichef Christian Lindner. Unter anderem hielt Lindner in dieser Legislaturperiode 66 Vorträge gegen Bezahlung, so zum Beispiel bei der Unternehmensberatung Baker Tilly, der Allianz Global Investors Deutschland GmbH und der BBBank eG. Foto: © Michael Lucan / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0 de .

4. Volker Kauder (CDU), im Aufsichtsrat des Bergbaukonzerns Saxony Minerals & Exploration AG und ist für diesen auch als Berater tätig. Foto: © Laurence Chaperon / Wikimedia Commons / CC BY-SA 4.0 .

5. Gregor Gysi (DIE LINKE): Der frühere Fraktionsvorsitzende der Linken, Gregor Gysi, spricht ebenfalls regelmäßig vor Publikum. Seit 2017 wurde er für mehr als 100 Veranstaltungen gebucht und hat beispielsweise mit dem Unternehmer Dirk Rossmann oder dem Schauspieler Lars Eidinger gesprochen. Sein Gesamtverdienst in der laufenden Legislaturperiode durch Vorträge, Buchhonorar und als Rechtsanwalt: mindestens 470.000 Euro. Foto: © Superbass / Wikimedia Commons / CC BY-SA 4.0 .

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