Netzwerke
Ideen bestimmen die Qualität
by Gerhard Mersmann | NEUE DEBATTE
Irgendwann tauchten sie auf. Im öffentlichen Bewusstsein. Das war zu einem Zeitpunkt, als viele meinten, die Substanz ginge verloren. Plötzlich galten Politiker, zu denen sonst wenig zu sagen war, als brillant in diesem Metier. Nicht, dass es sie vorher nicht gegeben hätte. Und wie. Nur sprach da niemand davon. Es war der Reiz, sie zu haben und nicht darüber zu reden. Menschen, die Einfluss hatten, verfügten über sie. Und sie dehnten sie aus. Und sie pflegten sie. Aber es waren Menschen, die etwas zu sagen hatten. Deshalb sprachen sie nicht über sie, sondern über das, was ihnen wichtig war. Gemeint sind die Netzwerke [1]
Sie scheinen das Nonplusultra in einer Welt geworden zu sein, die sich von Visionen und Strategien im Großen und Ganzen verabschiedet hat. Nun, was machen Menschen, die wenig zu sagen haben, aber viel erreichen wollen? Sie knüpfen und pflegen Netzwerke.
Wie gesagt, gegen Netzwerke als solche ist nichts einzuwenden. Sie sind die sozialen Beziehungen, die jemand braucht, um etwas in Bewegung zu setzen. Aber was nützen sie, wenn dieser Jemand, oder besser gesagt Niemand, etwas in Bewegung setzen will, worüber er keine Vorstellung hat? Sie dienen zur Bewahrung und Ausdehnung eines Einflusses, der nichts bewirkt. Der den Stillstand garantiert. Der die Täuschung sichert. Ein brillanter Netzwerker, über den sonst nichts zu berichten ist, das ist entweder jemand, der etwas für jemanden umsetzt, der eine Vision hat, dann ist er ein Handlanger, oder er ist selbst jemand, der bestenfalls als ein talentierter Selbstdarsteller bezeichnet werden muss.
► Netzwerke und soziales Beiwerk
Nehmen wir jede historisch erfolgreiche Bewegung, die uns einfällt. In der Politik, in der Kunst, in der Wissenschaft, im Sport. Die Protagonisten hatten eine Vision, die dem Zeitgeist nicht entsprach, sondern in die Zukunft wies. Sie waren besessen von einer Idee und sie beherrschten ihr Handwerk. Sie suchten nicht nur Gleichgesinnte, sondern sie suchten auch andere, die ebenfalls etwas zu sagen hatten, die gut oder genial waren und von denen sie lernen konnten.
So entstanden Verbindungen und Unterstützungsgeflechte, die dazu beitrugen, die Idee zu realisieren. Darüber sprachen die Protagonisten aber nicht. Es war für sie selbstverständlich. Netzwerke entstanden von selbst, weil sie das notwendige soziale Beiwerk für die Gestaltung einer Idee wurden. Und erst im Nachhinein gelang es der historischen Forschung, das Beziehungsgeflecht derer, die ihre Welt verändert hatten, sukzessive freizulegen. Das Netzwerk war jeweils Mittel zum Zweck.
In einer Welt, die in starkem Maße von der Digitalisierung geprägt ist, verwundert es nicht, dass, ähnlich wie der Begriff der Schnittstellen, einiges aus dieser Technologie als Metapher Eingang in den kollektiven Diskurs findet. Also auch das Netzwerk. Das Problem, das sich damit verbindet, hat allerdings zwei Ebenen. Die eine ist die Beschriebene, nämlich das Geflecht ohne Aussage. Die andere ist der Mythos, der sich bei der Glorifizierung der Digitalisierung selbst herausgebildet hat. Die technischen Möglichkeiten korrespondieren nicht mit der gleichen Fülle von Ideen und deren Trägern, die sich diese zunutze machen könnten.
► Ideen bestimmen die Qualität
Die vernetzte Welt bietet keine neue Qualität, wenn sie keine Ideen produziert, die diese verändern könnten. Wie so oft, ohne den Menschen geht es nicht. Und Menschen, die sich immer mehr vom gestaltenden Subjekt zum verwalteten Objekt entwickeln, werden immer weniger in der Lage sein, in das Metier der Gestaltung vorzudringen. Brillante Netzwerker sind die Magier des Stillstandes. Netzwerke, die etwas bewirken, sind nicht Gegenstand des öffentlichen Diskurses. Es sind die Ideen, die die Qualität bestimmen.
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[1] Eine Form der Aufbauorganisation ist die in der betriebswirtschaftlichen Organisationslehre beschriebene Netzwerkorganisation. Sie dient dazu, Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten innerhalb einer Organisation zu verteilen.
Die Mitglieder der Organisation agieren zu einem erheblichen Anteil autonom. Ihre Zusammenarbeit und Koordination beruht auf gemeinsamen (übergeordneten) Zielen, deren Erreichung langfristig angestrebt wird. Einzelpersonen, Gruppen oder Institutionen können der Netzwerkorganisation angehören.
Gerhard Mersmann
[Kritisches-Netzwerk.de wurde im Dezember 2010 als freier Zusammenschluss selbstdenkender, nicht korrumpierter politik- und gesellschaftskritischer Menschen aus den unterschiedlichsten Bereichen ins Leben gerufen - ohne Anspruch, eine Organisation sein zu wollen, wohl aber übergeordnete Ziele in die Gesellschaft zu tragen, dafür zu werben und so letztlich zu einer Veränderung beizutragen. Und ja: ohne den Menschen und aktives Mit- und Weiterentwickeln geht es nicht. Allerdings ist die Faulheit, Gleichgültigkeit, Überforderung und Destruktivität vieler Menschen frappierend. >> WIR ÜBER UNS. Helmut Schnug].
► Quelle: Dieser Artikel wurde am 6. Dezember 2020 erstveröffentlicht auf der Webseite NEUE DEBATTE - "Journalismus und Wissenschaft von unten" >> Artikel. Alle auf NEUE DEBATTE veröffentlichten Werke (Beiträge, Interviews, Reportagen usw.) sind – sofern nicht anders angegeben oder ohne entsprechenden Hinweis versehen – unter einer Creative Commons Lizenz (Namensnennung – Nicht kommerziell – Keine Bearbeitungen 4.0 International; CC BY-NC-ND 4.0) lizenziert. Unter Einhaltung der Lizenzbedingungen dürfen diese von Dritten verbreitet und vervielfältigt werden.
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Gerhard Mersmann, Dr. phil., (Jahrgang 1956), gebürtiger Westfale, studierte Literaturwissenschaften, Politologie und Philosophie. Beruflich durchlief er die Existenzen als Lehrer, Trainer, Berater und Leiter kleiner und großer Organisationen. So war und ist er Leiter verschiedener Bildungsinstitutionen, arbeitete als Regierungsberater in Indonesien, reformierte die kommunale Steuerung von schulischer Bildung in Deutschland, leitete diverse Change-Projekte und war Personalchef einer deutschen Großstadt. Publizistische Aktivitäten durchziehen seine gesamte Biographie. Mersmanns persönliches Blog >> https://form7.wordpress.com/ .
► Bild- und Grafikquellen:
1. Als Netze oder Netzwerke werden Systeme bezeichnet, deren zugrundeliegende Struktur sich mathematisch als Graph modellieren lässt und die über Mechanismen zu ihrer Organisation verfügen. Der Graph besteht aus einer Menge von Elementen (Knoten), die mittels Verbindungen (Kanten) miteinander verbunden sind. Illustration: geralt / Gerd Altmann, Freiburg. Quelle: Pixabay. Alle Pixabay-Inhalte dürfen kostenlos für kommerzielle und nicht-kommerzielle Anwendungen, genutzt werden - gedruckt und digital. Eine Genehmigung muß weder vom Bildautor noch von Pixabay eingeholt werden. Auch eine Quellenangabe ist nicht erforderlich. Pixabay-Inhalte dürfen verändert werden. Pixabay Lizenz. >> Illustration.
2. Netzwerker suchen nicht nur Gleichgesinnte, sondern sie suchen auch andere Menschen, die ebenfalls etwas zu sagen hatten, die gut oder genial waren und von denen sie lernen können. Die vernetzte Welt bietet aber keine neue Qualität, wenn sie keine Ideen produziert, die diese verändern könnten. Wie so oft, ohne den Menschen geht es nicht. Illustration: geralt / Gerd Altmann, Freiburg. Quelle: Pixabay. Alle Pixabay-Inhalte dürfen kostenlos für kommerzielle und nicht-kommerzielle Anwendungen, genutzt werden - gedruckt und digital. Eine Genehmigung muß weder vom Bildautor noch von Pixabay eingeholt werden. Auch eine Quellenangabe ist nicht erforderlich. Pixabay-Inhalte dürfen verändert werden. Pixabay Lizenz. >> Illustration.
3. Durchbruch zum Erfolg: Qualität und strategische Zusammenarbeit führen meist zum gemeinsamen erfolgreichen Durchbruch und Abhebung von der Masse. Die technischen Möglichkeiten der Digitalisierung korrespondieren nicht mit der gleichen Fülle von Ideen und deren Trägern, die sich diese zunutze machen könnten. Illustration: qimono / Arek Socha, Stockholm/Sweden. Quelle: Pixabay. Alle Pixabay-Inhalte dürfen kostenlos für kommerzielle und nicht-kommerzielle Anwendungen, genutzt werden - gedruckt und digital. Eine Genehmigung muß weder vom Bildautor noch von Pixabay eingeholt werden. Auch eine Quellenangabe ist nicht erforderlich. Pixabay-Inhalte dürfen verändert werden. Pixabay Lizenz. >> Illustration.