Personalabbau im Öffentlichen Dienst
von Laurenz Nurk
Derzeit verhandeln die "Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft" (ver.di), die "Gewerkschaft der Polizei" (GdP), die "Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft" (GEW) sowie "DBB Beamtenbund und Tarifunion" mit den Arbeitgebern von Bund und Kommunen über die Einkommen von 2,3 Millionen Beschäftigten. Sie fordern außerdem den Bund auf, die Regelungen des Tarifvertrags zeit- und wirkungsgleich auf die 344.000 Beamten, Richter und Soldaten sowie 182.000 Versorgungsempfänger zu übertragen.
Die gewerkschaftlichen Kernforderungen sehen eine Entgelterhöhung von 6,0 Prozent, mindestens aber 200 Euro pro Monat bei einer Laufzeit von zwölf Monaten vor. Außerdem sollen die Azubi-Vergütungen und die Praktikantenentgelte um 100 Euro pro Monat steigen. Gleichzeitig soll für sie die Übernahmeregelung wieder in Kraft gesetzt werden.
Massiv wird auch öffentlich gemacht, dass trotz gestiegener Ansprüche an den öffentlichen Dienst in den letzten 20 Jahren erheblich Personal abgebaut wurde. Die Bürger erleben hautnah, dass im Vergleich zum Jahr 2000 rund 256.400 Beschäftigte weniger für sie da sind.
Der öffentliche Sektor umfasst mehr als 6,8 Millionen Menschen, davon arbeiten 4,617 Millionen im klassischen öffentlichen Dienst bei Bund, Länder, Kommunen, Sozialversicherung bzw. Bundesagentur der Arbeit.
Mehr als 2,735 Millionen Menschen sind Tarifkräfte und rund 1,702 Millionen Beschäftigte stehen in einem Beamtenverhältnis. Die tatsächliche Zahl der Beamten liegt deutlich höher, aber die mehr als 150.000 Beamten der Postnachfolgeunternehmen werden vom Statistischen Bundesamt (Destatis) seit einigen Jahren nicht mehr in der Personalstatistik erfasst. Die Zahl der Ruhestandsbeamten hat im Jahr 2013 mit 1,132 Mio. einen neuen Höchststand erreicht. 179.500 sind Berufs- und Zeitsoldaten.
Aufgrund der Sparpolitik sind seit dem Jahrhundertwechsel die Beschäftigtenzahlen im öffentlichen Dienst um mehr als 250.000 zurückgegangen und hat verheerende Auswirkungen auf die dort tätigen Menschen.
Die konkrete Arbeits- und Lebenssituation der Beschäftigten im Öffentlichen Dienst stellt sich folgendermaßen dar:
• Die Sanierung der öffentlichen Haushalte erfolgte vor allem durch den massiven Personalabbau und der Einschränkung der Leistungen für den einzelnen Bürger. Die Lücken sind so groß geworden, dass sie in absehbarer Zeit kaum zu stopfen sind.
• Verglichen mit anderen Sektoren wurden überdurchschnittlich viele Befristungen der Arbeitsverhältnisse im öffentlichen Dienst eingeführt, der Anteil der befristet Beschäftigten im öffentlichen Dienst ist mit elf Prozent weiterhin der höchste.
• Es besteht eine enorme Schieflage in der Altersstruktur der öffentlich Bediensteten, von den 4,65 Millionen Beschäftigten bei Bund, Ländern und Kommunen werden in den nächsten zehn Jahren mehr als eine Million in den Ruhestand gehen. Angesichts dessen war der Zuwachs um 17.300 zusätzlichen Mitarbeitern im Jahr 2014 allenfalls ein Tropfen auf den heißen Stein, denn zieht man davon die zu erwartenden Neueinstellungen ab, bleibe eine Personallücke von mehreren hunderttausend Beschäftigten.
• Seit Jahren fehlen Neueinstellungen, daher steigt der Altersdurchschnitt beim vorhandenen Personal immer weiter und alleine in den nächsten 15 Jahren werden circa 1,5 Millionen Beschäftigte altersbedingt ausscheiden.
• Für den eigenen Nachwuchs wird nur unzureichend ausgebildet. Selbst jene Stellen, die altersbedingt frei werden, können kaum noch besetzt werden. Es wird immer schwieriger für zusätzliche Stellen qualifiziertes Personal und Büroräume zu finden. Vor allem Schulen und Kitas, Polizei, Feuerwehr und Haftanstalten, Bau- und Sozialämter, Gesundheits- und Jugendeinrichtungen suchen dringend Personal.
• Nach der Ausbildung gehen viele Bewerber lieber zu Bundesbehörden, in die großen Städte oder in die private Wirtschaft, weil sie dort in der Regel besser bezahlt werden.
• Die Dauer der Besetzungsverfahren ist meistens viel zu lang, dazu fehlt es schlichtweg an Interessenten und wenn jemand gefunden wird, der vorher in einer anderen Behörde gearbeitet hat, gehen die Kämpfen um diese Person los. Bis der neue Mitarbeiter die alte Stelle verlassen kann, vergehen oft Monate.
• Der hohe Krankenstand lähmt die öffentlichen Einrichtungen und Behörden immer mehr. Die Fehlzeiten durch psychische Erkrankungen sind erheblich angestiegen, wobei der Zusammenhang zwischen der Höhe des Krankenstands und der Sorge um den eigenen Arbeitsplatz sowie der Überlastung immer deutlicher zutage tritt. Der Personalabbau in den vergangenen Jahren hat zu einer Arbeitsverdichtung geführt, die die Beschäftigten anfälliger für Krankheiten macht.
• In Deutschland wurde im Jahr 2017 ein Gesamtvolumen von insgesamt 1,7 Milliarden Überstunden geleistet, davon 782 Millionen bezahlte und 947 Millionen unbezahlte Überstunden. Die meisten unbezahlten Überstunden fallen dagegen im Dienstleistungsbereich an, vor allem im Öffentlichen Dienst, dort vor allem in Krankenhäusern, Pflegeheimen, in Kitas und Schulen. Einige Einrichtungen sind ohne Überstunden nicht mehr in der Lage, ihren gesetzlichen Auftrag zu erfüllen und die Überstunden sind eine reale Arbeitszeitverlängerung.
Ohne über das Ergebnis der Verhandlungen der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di mit den Arbeitgebern von Bund und Kommunen spekulieren zu wollen, kann gesagt werden, dass es nicht reichen wird, um die konkrete Lebens- und Arbeitssituation der Beschäftigten im Öffentlichen Dienst zu verbessern oder das Angebot in den öffentlichen Einrichtungen für die Menschen wieder als attraktive Dienstleistung gestalten zu können.
Laurenz Nurk, Dortmund (Quellen: IAP, ver.di, dbb, wsi, Statistisches Bundesamt)
► Quelle: Erstveröffentlicht am 05. April 2018 auf gewerkschaftsforum-do.de >> Artikel. Die Texte (nicht aber Grafiken und Bilder) auf gewerkschaftsforum-do.de unterliegen der Creative Commons-Lizenz (CC BY-NC-ND 3.0 DE), soweit nicht anders vermerkt. Die Bilder und Grafiken im obigen Artikel sind nicht Bestandteil des Originalartikels und wurden von KN-ADMIN Helmut Schnug eingefügt. Für sie gelten ggf. andere Lizenzen, s.u..
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