Pulverfass Nahost:
Der Endkampf des Petrodollars
Die sich überstürzenden Ereignisse in Saudi-Arabien und die zunehmenden Spannungen im Nahen Osten haben das Potenzial, das globale Finanzsystem in seinen Grundfesten zu erschüttern, möglicherweise sogar zum Einsturz zu bringen. Die wichtigsten Ursachen sind die heikle wirtschaftliche, soziale und politische Lage Saudi-Arabiens, der sich beschleunigende wirtschaftliche Niedergang der Weltmacht USA und das sich abzeichnende Ende der Allmacht des US-Dollars.
► Die Entstehung des Petrodollars
Ein Jahr der Gründung Saudi-Arabiens durch das Haus von Saud im Jahre 1932 sicherte sich "California-Arabian Standard Oil Co." (CASOC), ein Tochterunternehmen des Rockefeller-Konzerns "Standard Oil of California", für sechzig Jahre die Bohrrechte im Osten des Landes. Die Entdeckung riesiger Ölfelder in den Dreißiger und Vierziger Jahren machten Saudi-Arabien zum größten Ölexporteur der Erde. 1944 wurde CASOC in ARAMCO ("Arabian American Oil Company") umbenannt, ab 1948 befand sich das Unternehmen im Besitz von vier US-Erdölkonzernen.
Zwischen 1972 u. 1980 wurde ARAMCO, mittlerweile zur größten Erdölfördergesellschaft der Welt aufgestiegen, von der saudi-arabischen Regierung verstaatlicht. Die USA akzeptierten das nur, weil das saudische Königshaus ihnen zeitgleich in einem zunächst geheim gehaltenen Abkommen zusicherte, innerhalb der OPEC dafür zu sorgen, dass Öl weltweit nur noch in US-Dollar gehandelt wurde.
Da sämtliche Staaten der Welt auf Öl angewiesen und aus diesem Grund gezwungen sind, einen Teil ihrer Devisenreserven in US-Dollar vorzuhalten, erlangte der US-Dollar so als Petrodollar neben seinem Status als globaler Leitwährung auch noch den der weltweit wichtigsten Reservewährung. Darüber hinaus bescherte der Kauf von US-Staatsanleihen und amerikanischen Waffen durch Saudi-Arabien der US-Wirtschaft eine zusätzliche Einkommensquelle.
► Zunehmende Spannungen zwischen Saudi-Arabien und den USA
Um die Jahrtausendwende begann sich das Verhältnis zwischen den beiden Staaten zu verändern. Das lag vor allem daran, dass die USA riesige Summen in das Fracking investiert hatten, sich so nach und nach zum direkten Konkurrenten Saudi-Arabiens auf dem Ölmarkt entwickelten und dem Verbündeten in dessen Augen immer weniger Respekt entgegen brachten.
Tat die US-Regierung nach den Anschlägen vom 11. September 2001 noch alles, um Saudi-Arabien in Schutz zu nehmen (15 der 18 Attentäter hatten saudische Pässe, trotzdem wurde das Land von Washington nie als Angreifer beschuldigt), so änderte sich das Bild fünfzehn Jahre später gründlich: Das US-Repräsentantenhaus stimmte gegen den Willen von Präsident Obama einem Gesetzesentwurf zu, der den Opferfamilien des Anschlags vom 11. September erlaubt, das Königreich Saudi-Arabien auf Schadensersatz zu verklagen. Das Königshaus in Riad reagierte mit der Drohung, seinen gesamten Vorrat an US-Staatsanleihen auf den Markt zu werfen – eine nie zuvor gesehene Brüskierung des Verbündeten.
Außer mit diesem Zerwürfnis hat Saudi-Arabiens Führung inzwischen mit erheblichen weiteren Problemen zu kämpfen: Zum einen hat der niedrige Ölpreis die Devisenreserven Saudi-Arabiens rasant zusammenschmelzen lassen, zum anderen bestehen international große Zweifel an der Größe der verbleibenden Ölvorräte Saudi-Arabiens. Um seine Finanzprobleme zu lösen, wollte das Herrscherhaus einen Teil von ARAMCO an die Börse bringen, doch Investoren zögern – zum einen wegen ihrer bis heute nicht ausgeräumten Zweifel an den angeblich riesigen Ölreserven des Landes und zum anderen wegen der weithin bekannten Korruptheit des Regimes.
► Unlösbare Probleme
Das Königshaus hat sich aus diesem Grunde auf der Suche nach anderen Geldquellen China, Saudi-Arabiens wichtigstem Exportland, und Russland zugewandt. Das wiederum hat US-Präsident Trump veranlasst, Saudi-Arabien im Mai dieses Jahres einen überraschenden Besuch abzustatten, riesige Waffendeals abzuschließen und auf eine neue Annäherung mit der Monarchie zu setzen.
Mit Mohammed Bin Salman (MBS) hat nun ein Sohn von König Salman ibn Abd al-Aziz Al Saud die Macht an sich gerissen, der alles auf eine Karte setzt. Dass US-Präsident Trump ihn seit seinem Coup umgarnt, hat eine einfache Ursache: Die USA haben in den zurückliegenden Jahren im Nahen Osten zunehmend an Einfluss verloren und klammern sich an den einstigen Verbündeten.
Aber wird MBS darauf eingehen? Langfristig sind Zweifel angebracht. Da ein erfolgreicher Börsengang von ARAMCO immer unwahrscheinlicher wird, muss MBS andere Geldgeber finden - und da steht China als Saudi-Arabiens größter Exportpartner bereit. Um einen solchen Deal zwischen Saudi-Arabien und China zu verhindern, hat Donald Trump MBS nun angeboten, den ARAMCO-Börsengang in New York vorzunehmen. Dahinter steckt möglicherweise die Idee, dass im Falle zu geringen Investoren-Interesses das Zentralbank-System Federal Reverse (FED) als Geldgeber einspringen könnte – im Grunde auch nur eine weitere finanzielle Verzweiflungstat der USA im Kampf gegen die schwindende Macht.
► Ausweg: Krieg?
Was passiert, wenn Bin Salman seinen Machtkampf im Königshaus verliert? Das würde die Lage nicht wesentlich verändern, denn sein Nachfolger wäre sofort mit denselben Problemen konfrontiert und die lassen sich auf einen einfachen Nenner bringen: Hier kämpft ein Regime, das bisher zu den reichsten der Welt zählte, wegen seiner schwindenden Ressourcen, seines abnehmenden Reichtums und wachsender Opposition in der eigenen Bevölkerung um seine Existenz.
Was aber bedeutet das Ganze für die USA? Egal, wie sich die Dinge entwickeln – die Zeit des Petrodollars geht ihrem Ende entgegen. Die USA verlieren somit eine der Stützen ihrer Weltherrschaft – die Macht, die ihnen die globale Reservewährung US-Dollar verleiht. Damit verbleibt ihnen neben der schwindenden wirtschaftlichen Bedeutung nur noch ihr Militär, das zurzeit allerdings noch das mit Abstand größte und mächtigste der Erde ist.
Es ist nicht auszuschließen, dass mit Prinz Bin Salman und Donald Trump zwei von der historischen Entwicklung zum Scheitern verurteilte Verbündete im puren Überlebenskampf zum letzten Mittel greifen – der Entfachung eines größeren Krieges im Nahen Osten – entweder durch die Ausweitung des Jemen-Krieges, durch einen Angriff auf den Libanon oder schlimmstenfalls durch einen Angriff auf den Iran.
Ein solcher Krieg würde den Ölpreis mit Sicherheit in die Höhe schnellen lassen und sowohl Saudi-Arabien, als auch den USA auf kurze Sicht finanziell nützen. Langfristig würde er allerdings keines der vorhandenen Probleme beseitigen, dafür aber neben kaum vorstellbarem menschlichem Leid die Gefahr eines nuklearen Infernos heraufbeschwören, das sich schnell zum Dritten Weltkrieg ausweiten könnte.
Ernst Wolff, Berlin
► Bild- und Grafikquellen:
1. Die Zeit des Petrodollars geht ihrem Ende entgegen. Dazu schrieb das OFC bereits im Jan. 2017: "Ron Paul is calling for the end of the petrodollar system. This system is one of the main reasons the U.S. dollar is the world’s premier reserve currency. Essentially, Paul is saying that understanding the petrodollar system and the forces affecting it is the best way to predict when the U.S. dollar will collapse.
This is critically important. When the dollar loses its coveted status as the world’s reserve currency, the window of opportunity for Americans to protect their wealth from the U.S. government will definitively shut. At that point, the U.S. government will implement the same destructive measures other desperate governments have used throughout history: overt capital controls, wealth confiscation, people controls, price and wage controls, pension nationalizations, etc.
The dollar’s demise will wipe out the wealth of a lot of people. But it will also trigger political and social consequences likely to be far more damaging than the financial fallout.Ron Paul is calling for the end of the petrodollar system. This system is one of the main reasons the U.S. dollar is the world’s premier reserve currency.
Essentially, Paul is saying that understanding the petrodollar system and the forces affecting it is the best way to predict when the U.S. dollar will collapse. This is critically important. When the dollar loses its coveted status as the world’s reserve currency, the window of opportunity for Americans to protect their wealth from the U.S. government will definitively shut.
At that point, the U.S. government will implement the same destructive measures other desperate governments have used throughout history: overt capital controls, wealth onfiscation, people controls, price and wage controls, pension nationalizations, etc.
The dollar’s demise will wipe out the wealth of a lot of people. But it will also trigger political and social consequences likely to be far more damaging than the financial fallout." >> Bildquelle: Webseite "Offshore Financial Center (OFC) >> OFC-Artikel.
Ergänzung vom 11. Juni 2022 durch Helmut Schnug:
Petrodollar: Petrodollars sind Einnahmen aus Rohölexporten, die auf US-Dollar lauten. Der Begriff setzte sich Mitte der 1970er Jahre durch, als die steigenden Ölpreise den Erdöl exportierenden Ländern hohe Handels- und Leistungsbilanzüberschüsse bescherten.
Damals wie heute wurden die Ölverkäufe und die daraus resultierenden Leistungsbilanzüberschüsse in Dollar angegeben, da der US-Dollar die bei weitem am meisten verwendete Währung war und ist. Die weltweite Beliebtheit des US-Dollars hängt nicht vom guten Willen der Ölexporteure ab. Sie beruht auf dem Status der USA als größte Volkswirtschaft und größter Warenimporteur der Welt, mit tiefen, liquiden Kapitalmärkten, die durch Rechtsstaatlichkeit und militärische Macht gestützt werden.
Petrodollars sind keine eigene Währung, sondern einfach US-Dollar, die von einem Ölexporteur als Zahlungsmittel akzeptiert werden. Die weltweiten Rohölexporte beliefen sich in den zwei Jahren vor der COVID-19-Pandemie auf durchschnittlich 70 Millionen Barrel pro Tag. Bei einem durchschnittlichen Preis von 100 US-Dollar pro Barrel würde dieses Tempo zu einem jährlichen weltweiten Petrodollar-Angebot von mehr als 2,5 Billionen US-Dollar führen.
Petrodollars sind die Haupteinnahme- und Wohlstandsquelle vieler Mitglieder der Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) sowie von Nicht-OPEC-Öl- und Gasexporteuren wie Russland, Katar und Norwegen. So wie der Petrodollar keine Währung ist, ist er auch kein globales Handelssystem. Die weit verbreitete Verwendung des US-Dollars als Zahlungsmittel für Rohöl spiegelt die traditionellen Präferenzen von Nicht-US-Öllieferanten wider.
Petrodollars, die in Investitionen im Ausland oder in Entwicklungsprogramme im Inland fließen, können positive finanzielle und soziale Erträge bringen. Die Ergebnisse sind deutlich weniger positiv, wenn Petrodollars zur Verstärkung der Unterdrückung im Inland, zum Anheizen eines Wettrüstens oder zum Führen von Kriegen im Ausland ausgegeben werden.
In den letzten Jahren haben Aktionen wie die Ermordung des in den USA lebenden Jamal Khashoggi durch saudische Agenten in der Türkei und der Einmarsch Russlands in die Ukraine die Besorgnis verstärkt, dass mit Petrodollars Krieg und Menschenrechtsverletzungen finanziert werden, während die Täter vor der Rechenschaftspflicht geschützt werden. >> ausf. Artikel vom 24.03.2022 auf INVESTOPEDIA.
2. Der Endkampf des Petrodollars. Die USA verlieren somit eine der Stützen ihrer Weltherrschaft – die Macht, die ihnen die globale Reservewährung US-Dollar verleiht. Damit verbleibt ihnen neben der schwindenden wirtschaftlichen Bedeutung nur noch ihr Militär, das zurzeit allerdings noch das mit Abstand größte und mächtigste der Erde ist. Grafik: Wilfried Kahrs (WiKa).
3. President Donald Trump and King Salman bin Abdulaziz Al Saud of Saudi Arabia sign a Joint Strategic Vision Statement for the United States and the Kingdom of Saudi Arabia, during ceremonies, Saturday, May 20, 2017, at the Royal Court Palace in Riyadh, Saudi Arabia. Photo credit: Official White House / Photo Shealah Craighead. Quelle: Flickr. (Bild nicht mehr verfügbar). Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung 2.0 Generic (CC BY 2.0).
4. President Donald Trump speaks with Mohammed bin Salman bin Abdulaziz Al Saud, Deputy Crown Prince of Saudi Arabia, during their meeting Tuesday, March 14, 2017, in the Oval Office of the White House in Washington, D.C. Photo credit: Official White House / Photo by Shealah Craighead. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Public Domain Mark 1.0. Dieses Werk wurde als frei von bekannten urheberrechtlichen Einschränkungen identifiziert, einschließlich aller verwandten Schutzrechte. Sie dürfen das Werk kopieren, verändern, verbreiten und aufführen, sogar zu kommerziellen Zwecken, ohne irgendwie um Erlaubnis bitten zu müssen.
5. Buchcover: "Finanztsunami - Wie das globale Finanzsystem uns alle bedroht" von Ernst Wolff, erschienen im September 2017. ISBN: 978-3-94131-081-0. Verlag: edition e. wolff; >> zur Buchvorstellung im KN.
„Das Finanzwesen erschließt sich nur Fachleuten und braucht euch Normalbürger nicht zu interessieren, weil es euer Alltagsleben nur am Rande berührt“ – so wurde es uns jahrzehntelang eingebläut. Das Gegenteil ist der Fall: Von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt, hat sich die Finanzindustrie zur mächtigsten Größe auf unserem Planeten entwickelt. Dabei bleibt ihr Führungspersonal im Dunkeln und lenkt die Geschicke der Welt auf eine Weise, die selbst bei genauer Betrachtung nur schwer zu durchschauen ist.
Mit seiner packenden Darstellung der Machenschaften und Akteure der Finanzwirtschaft weist Ernst Wolff ein weiteres Mal auf sein zentrales Anliegen hin: die Herrschaft einer übermächtigen Elite zu beenden, deren Gier unsere Lebensgrundlagen zerstört und unsere Zukunft gefährdet.
6. Buchcover: "WELTMACHT IWF - Chronik eines Raubzugs" von Ernst Wolff >> zur Buchvorstellung .