Neue Runde im globalen Steuerdumping
von Fred Schmid / isw München e.V.
Die Regie war perfekt. Beim Dinner mit 15 europäischen Konzernlenkern beim Weltwirtschaftsgipfel in Davos (23.-26.01.2018) platzierte Trump die größten Lobpreiser seiner Steuerreform zu seiner Linken bzw. Rechten. So begann bei der Vorstellungsrunde im Uhrzeigersinn SIEMENS-Chef Joe Kaeser das Fleißaufgaben-Aufsagen: „Wir investieren viel in den USA“, sagte er zu Trump. „Glückwünsche zu Ihrer Steuerreform. Wir haben deshalb beschlossen, die nächste Generation von Gasturbinen in den USA zu entwickeln“. Der Präsident reagierte entzückt: „Das ist groß. Das ist ein großes Ding. Fantastisch!“
Nicht so „great“ empfinden das die Beschäftigten der SIEMENS-Kraftwerksparte, die wenige Wochen davor aus den Zeitungen erfahren mussten, dass ihr oberster Chef 6900 Arbeitsplätze streichen und das Turbinenwerk Görlitz und andere Standorte schließen will. ( >> Artikel hier, hier und hier). Der euphorischen Stimmung beim Dinner for Trump tat das keinen Abbruch; weitere Danksagungen anderer Konzernfürsten. Bill McDermott, Chef des Dax-Konzerns SAP beendete die Lobpreisungsrunde: „Herr Präsident, danke für die Steuerreform, wir sind sehr erfreut über die Steuerreform. Wir beschäftigen 15000 Menschen in den USA“, „wir planen zwei Milliarden Dollar Investitionen“. Danke, Herr Präsident.
Die deutschen Transnationalen Konzerne, die mit Tochtergesellschaften in den USA engagiert sind, profitieren in Milliardenhöhe von der Trump-Reform. Einmalig, durch die rückwirkende Neubewertung Ihrer Bilanzen in den USA, aber auch im fortlaufenden Geschäft durch die von 36% auf 21% gesenkten Tarife. Daimler z.B. rechnet mit einem zusätzlichen Nachsteuergewinn von 1,7 Milliarden Euro, BMW mit einem Extraprofit von 0,95 bis 1,55 Mrd. Euro. Bei SIEMENS spülte die Reform bereits im ersten Quartal des neuen Geschäftsjahres 437 Millionen Euro zusätzlich in die Kassen. Der Allianz-Konzern rechnet nach einer Wertberichtigung von 200 Millionen, ab 2018 mit einem jährlichen Plus von 400 Millionen US-Dollar; usw.( >> HB, 18.1.2018)
Das laute und überschwengliche Lob der Bosse Transnationaler Konzerne mit Sitz in Deutschland bzw. der EU für die Trump-Reform, sollte auch bis zur GroKo in Berlin und zur EU-Kommission in Brüssel hallen. Das Signal lautet: Zieht mit ähnlich dimensionierten Steuersenkungen, mit Abschreibungsvergünstigungen und steuerlicher Forschungsförderung und anderer Deregulierungen, wie bei der Trump-Reform schleunigst nach, sonst scheucht ihr das scheue Reh namens Kapital noch mehr über den Großen Teich.
Dabei ist zu vermerken, dass in Deutschland durch Steuerreformen in den 1990er und Nuller Jahren des neuen Jahrhunderts Konzerne (AG, GmbH), aber auch Einzelunternehmen und Personengesellschaften (OHG, KG) deutlich entlastet wurden: Durch Senkung des Körperschaftsteuersatzes auf 15% und die Senkung des Spitzensteuersatzes auf 42% (maximal 45%). Selbst wenn man die Gewerbesteuer hinzurechnet, ergibt sich in Deutschland bei Kapitalgesellschaften eine effektive Steuerbelastung von nur 28,2%; in den USA liegt sie, einschließlich lokaler Zusatzsteuern – vergleichbar der deutschen Gewerbesteuer – , jetzt bei 22,7 bis 26% (nach Berechnungen des "Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung", ZEW). ( >> HB, 13.12.2017)
Die jetzige Unterbietung der Unternehmenssteuern durch die Trump-Reform wird einen Steuerwettlauf nach unten auslösen, wie er sich bereits im Koalitionsvertrag, in Stellungnahmen der Kapitalverbände u. Gefälligkeits-Expertisen der Wirtschaftsforschungsinstitute andeuet. Zum diesjährigen Spitzentreffen der Wirtschaftsverbände "Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände" (BDA), "Deutscher Industrie- und Handelskammertag" (DIHK), "Bundesverband der Deutschen Industrie e.V." (BDI) und des Zentralverbands des Deutschen Handwerks mit der Bundeskanzlerin, anlässlich der Internationalen Handwerksmesse, formulierten die Dachverbände in einem Zwei-Seiten-Papier ihre Erwartungen an die neue Bundesregierung. Zur Steuerpolitik wird gefordert:
„Die Deutsche Wirtschaft appelliert an die neue Bundesregierung, Steuerpolitik als Standortpolitik zu nutzen. In der aktuellen Lage reicht ein Verzicht auf Steuererhöhung nicht aus. Deutschland kann sich hier vom internationalen Wettbewerb um die besten Rahmenbedingungen für Betriebe und Unternehmen nicht abkoppeln. Eine strukturelle Modernisierung der Unternehmensbesteuerung muss deshalb auf der Agenda bleiben. Ziel muss es sein, die Steuerbelastung der Unternehmen zu senken, Finanzierungs- Rechtsformneutralität herzustellen und Sonderbelastung – wie die durch den Solidaritätszuschlag – so schnell wie möglich zu beseitigen“. ( >> BDI-Artikel, 09.03.2018)
Und Clemens Fuest, Präsident des ifo-Instituts fordert: „Um den Standort zu sichern, muss die Bundesregierung die Steuerlast der Unternehmen senken“; bei der Körperschaftsteuer von 15 auf 10 Prozent und „durchaus in Abstimmung mit Frankreich“.
In vorauseilendem Gehorsam hat die Bundesregierung im Koalitionsvertrag bereits angedeutet, dass sie diesen Wünschen entgegenkommen will. Den Solidaritätszuschlag will man „schrittweise abschaffen“; dem „ersten Schritt“ 2019, von dem zunächst die Mittelschichten profitieren sollen, wird die endgültige Abschaffung folgen: Bei weiterem politischen Druck der Verbände womöglich gleichzeitig. Es werden dann auch Spitzenverdiener, Bezieher von Gewinneinkommen (Unternehmer) und Körperschaftsteuer zahlende juristische Personen (AG, GmbH) mit weiteren etwa zehn Milliarden Euro entlastet werden. ( >> Koalitionsvertrag)
Dort heißt es dann weiter: „Wir unterstützen in Europa eine gemeinsame Bemessungsgrundlage und Mindestsätze bei den Unternehmenssteuern. Hier wollen wir mit Frankreich Initiativen ergreifen, um auch eine Antwort auf internationale Veränderungen und Herausforderungen, nicht zuletzt in den USA, zu geben“. Das ist ein geschickter Schachzug in Richtung Steuerdumping. Man will verhindern, dass die einzelnen EU-Staaten in einen Steuersenkungswettlauf mit den USA treten. Deshalb werden hier die beiden Kern-Europa-Staaten Deutschland und Frankreich aufgeboten, um eine EU-Steuer-Harmonisierung in Bezug auf das niedrigere US-Niveau zu erreichen.
Mehr noch: Man wird die anderen EU-Staaten nur in ein gemeinsames Steuer-Boot bekommen, wenn man eine europäische Unternehmenssteuer-Harmonisierung auf möglichst niedrigstes Niveau ausrichtet. Der Tax-Race-to-the Bottom, der vernichtende Abwärtswettlauf bei Gewinn-Steuern zu Lasten der Öffentlichen Haushalte, hat erst begonnen. Allein dem US-Fiskus entgehen laut Steuerausschuss des US-Kongresses in den nächsten zehn Jahren mindestens eine Billion Dollar an Steuereinnahmen infolge der Trump-Reform; andere Schätzungen beziffern den Ausfall weit höher. ( >> HB, 20.12.2017)
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Der Artikel ist ein Auszug aus isw-wirtschaftsinfo 53: Bilanz 2017 – Ausblick 2018: Was wir von der GroKo zu erwarten haben. Fakten & Argumente zur wirtschaftlichen Situation. Erscheint im April 2018.
Fred Schmid
► Quelle: Erstveröffentlicht am 20. März 2018 bei isw-München >> Artikel. Die Bilder und Grafiken sind nicht Bestandteil des Originalartikels und wurden von KN-ADMIN Helmut Schnug eingefügt. Für sie gelten ggf. andere Lizenzen, s.u..
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1. Special Address by Donald J. Trump, President of the United States of America at the Annual Meeting 2018 of the World Economic Forum in Davos, January 26, 2018. Copyright by World Economic Forum / Valeriano Di Domenico. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.0 Generic (CC BY-NC-SA 2.0).
2. Clemens Fuest (* 23. August 1968 in Münster) ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Ludwig-Maximilians-Universität München sowie Mitglied des Wissenschaftlichen Beirates beim Bundesministerium der Finanzen. Fuest wurde im Juni 2015 zum Präsidenten des Ifo-Instituts ausgewählt und trat dieses Amt am 1. April 2016 an. Eine Finanztransaktionssteuer lehnt er ab, Studiengebühren befürwortet er. Bildquelle: http://www.cesifo-group.de/ >> Presse-Bildarchiv. Bilder aus dem Bildarchiv können frei verwendet werden, sofern nicht anders angegeben.