Theorien über die Ursachen der menschlichen Destruktivität

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Theorien über die Ursachen der menschlichen Destruktivität
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Theorien über die Ursachen der menschlichen Destruktivität

Erziehung und Aggression

Von irwish.de

James W. Prescott (* 21. Januar 1934) ist ein US-amerikanischer Entwicklungspsychologe, der sich in seinen Forschungen mit den Ursachen von Gewalt befasst hat, insbesondere im Zusammenhang mit einer fehlenden Mutter-Kind-Bindung. Prescott war von 1966 bis 1980 leitender Gesundheitswissenschaftler am 'National Institute of Child Health and Human Development' (NICHD) in Bethesda, Maryland.

Eine Studie von James W. Prescott belegt, daß die größte Bedrohung für den Weltfrieden von jenen Nationen ausgehe, "die ihre Kinder in der reizärmsten Umgebung aufziehen und die sexuelle Zuneigung und weibliche Sexualität am stärksten unterdrücken". Diese Studie von 1975 mit dem Titel "Körperliche Lust und die Ursprünge der Gewalttätigkeit" ist im Internet zu finden >> weiter.

Kriegskinder_Kindheitserlebnisse_Kriegserlebnisse_Kriegstrauma_Aggression_Agressionspolitik_Destruktivitaet_Waffenlieferungen_Ukrostan_Ukronazis_Kritisches-Netzwerk

Doch woher kommt diese Bereitschaft eines Großteils der Menschen, ihre Nachkommen in ihrer natürlichen Entwicklung so stark zu behindern und zu unterdrücken, daß aus ihnen unweigerlich destruktive und gewaltbereite Menschen werden müssen?

Wie in der Einleitung schon angedeutet, liegen die Ursachen der menschlichen Destruktivität nicht in den Genen oder sonstigen biologischen Gegebenheiten begründet. Für die Ergründung der Ursachen muß man ein wenig weiter ausholen, als es für eine einfache Erklärung von Ursache und Wirkung erforderlich wäre.

Erich_Fromm_1_Psychoanalytiker_Sozialpsychologe_Gesellschaftskritiker_Rainer_Funk_Burnout_Gesellschaftscharakter_Sozialcharakter_Kritisches_Netzwerk_Haben_oder_Sein_EntfremdungDer deutsch-US-amerikanische Psychoanalytiker, Philosoph und Sozialpsychologe Erich Fromm (* 23. März 1900 in Frankfurt am Main; † 18. März 1980 in Muralto, Schweiz) hat in seinem Hauptwerk "Anatomie der menschlichen Destruktivität" klar zwischen zwei Bedeutungen des Aggressionsbegriffs unterschieden, der im gewöhnlichen Sprachgebrauch eher nachlässig und diffus verwendet wird:

»Der vieldeutige Gebrauch des Wortes "Aggression" hat in der umfangreichen Literatur zu diesem Thema große Verwirrung hervorgerufen. Man wandte diesen Ausdruck auf das Verhalten eines Menschen an, der sein Leben gegen einen Angriff verteidigt, auf einen Räuber, der sein Opfer tötet, um zu Geld zu kommen, auf einen Sadisten, der einen Gefangenen foltert.

Ja, die Verwirrung geht noch weiter: Man benutzte diesen Begriff für das sexuelle Verhalten des männlichen Geschlechtspartners, für die vorwärtsdrängenden Impulse des Bergsteigers oder Kaufmanns und für den Bauern, der seinen Acker pflügt. Vielleicht ist diese Verwirrung auf den Einfluß des behavioristischen Denkens in der Psychologie und Psychiatrie zurückzuführen.

Wenn man sämtliche "schädigende" Akte als Aggression bezeichnet, das heißt alle Akte, die sich schädigend oder zerstörend auf ein lebloses Objekt, auf eine Pflanze, ein Tier oder einen Menschen auswirken – dann ist natürlich die Art des hinter dem schädigenden Akt stehenden Impulses völlig irrelevant.

Wenn Akte, die auf Zerstörung gerichtet sind, Akte, die beschützen sollen, und Akte, deren Absicht konstruktiv ist, mit ein und demselben Wort bezeichnet werden, kann man freilich alle Hoffnung aufgeben, ihre "Ursache" zu verstehen; sie haben keine gemeinsame Ursache, da es sich um völlig verschiedenartige Phänomene handelt, und man befindet sich in einer theoretisch hoffnungslosen Position, wenn man versucht, hinter die Ursache der "Aggression" zu kommen. [..]

Ich habe in diesem Buch den Begriff "Aggression" für Reaktionen und Abwehr gegen Angriffe benutzt, die ich zusammenfassend als "gutartige Aggression" bezeichne. Die spezifisch menschliche Leidenschaft, zu zerstören und absolute Kontrolle über ein Lebewesen zu haben (die "bösartige Aggression") dagegen bezeichne ich als "Destruktivität" und "Grausamkeit".« (-Erich Fromm)

Erich_Fromm_Anatomie_der_menschlichen_Destruktivitaet_Gewaltbereitschaft_Gewalttaetigkeit_Gewaltursachen_Aggression_Instinktivismus_Behaviorismus_Kritisches-NetzwerkUnd er hat damit absolut Recht, wie ich meine, denn die moderne Neigung der allgegenwärtigen 'political correctnes', jegliche Aggression zu verdammen, moralisiert auch gegen das verbal-aggressive Verteidigen bei Angriffen auf die eigene Person.

Aggression ist also nicht nur das Ausleben von Wut, Hass und Angst, sondern auch eine Reaktion auf Bedrohung, ob nun berechtigt oder nicht. Aggression kann sehr bewußt und kontrolliert eingesetzt werden und muß nicht zwangsläufig blinde und unkontrollierte Aggression sein.

Erich Fromm verurteilt daher die umgangssprachliche Verwendung des Aggressionsbegriffs, weil sie zu fragwürdigen Schlußfolgerungen führt: Weil die biologisch notwendige Aggression angeboren ist und weil Destruktivität und Grausamkeit Aggressionen sind, müssen Destruktivität und Grausamkeit ebenfalls angeboren sein.

Fromm unterscheidet zwei grundsätzliche Formen der menschlichen Aggression:

1. Die Aggressionsart, die der Mensch mit allen Tieren gemeinsam hat, ist die der impulsiven Reaktion auf Bedrohung lebenswichtiger Interessen: Flucht oder Angriff. Es ist eine defensive Aggression, die dem Überleben dient und aufhört, sobald die Bedrohung verschwunden ist.

2. Die bösartige Aggression, die man auch als Destruktivität und Grausamkeit bezeichnet, gibt es mit wenigen Ausnahmen nur beim Menschen. Sie dient keinem erkennbaren Zweck. Am wichtigsten jedoch: diese Aggressionsart wird von den Betroffenen als lustvoll erlebt.

Wenn man einen durchschnittlichen Bewohner einer modernen Zivilgesellschaft darüber befragt, ob er die Zivilisation für eine sinnvolle Einrichtung halte, wird man in der Regel ein ausdrückliches JA hören. Als Gründe für diese Einschätzung werden dann die angeblichen Grausamkeiten früherer barbarischer Horden und/oder die gefürchtete Grausamkeit des Lebens in der Natur, in der man von wilden Tieren gefressen werden kann, angeführt.

Hass-hate-Hassreaktion-Verbitterung-Verbitterungsstoerung-Enttaeuschung-Hassfantasien-Hasstiraden-Hassspirale-Aggression-Hasssymptome-Kritisches-Netzwerk-Wut

Der gewöhnliche Mensch hält die Zivilisation für einen Garant von Frieden und Wohlstand, ohne wirklich einmal darüber nachzudenken, ob das denn auch tatsächlich zuträfe. In Wirklichkeit läßt sich nämlich ein Trend in der Entwicklung aller größeren menschlichen Zivil-Gesellschaften erkennen, der genau das Gegenteil belegt:

Der Grad der Destruktivität wächst mit der fortschreitenden Entwicklung einer Gesellschaft ständig.

Woran mag das wohl liegen?

irwish.de
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Erich FrommAnatomie der menschlichen Destruktivität

Jürgen Lodemann im Gespräch mit Erich Fromm in Baden-Baden. Literaturmagazin des Südwestfunks; Oktober 1974.

Erich FrommÜber die Ursprünge der Aggression

Drei Vorträge für den Süddeutschen Rundfunk Stuttgart; Erstsendungen am 05., 12. und 19.09.1971


»Pervers ist, wenn einer Waffen liefert und
zugleich um Spenden für die Opfer bettelt,
während zuhause immer mehr Kinder verarmen.
Wenn man Armut mit Panzern bekämpfen könnte.
«
Helmut Schnug (* Februar 1958; † «Hope I die before I get old!»)

Kriegskinder_Kriegstrauma_Kinderaengste_Kriegserlebnisse_Kinderleid_Kinderseelen_Destruktivitaet_Aggression_Panzerlieferungen_Ukrostan_Kritisches-Netzwerk

Es gibt 7 soziale Prozesse, die den "rutschigen Abhang zum Bösen" schmieren:

Gedankenlos den ersten kleinen Schritt tun
Entmenschlichung der anderen
Entindividualisierung des Selbst (Anonymität)
Diffusion der persönlichen Verantwortung
Blinder Gehorsam gegenüber Autoritäten
Unkritische Anpassung an Gruppennormen
Passive Duldung des Bösen durch Untätigkeit oder Gleichgültigkeit


► Quelle: Dieser Text wurde ohne Datumsangabe zuerst auf irwish.de veröffentlicht.

ACHTUNG: Die Bilder, Grafiken und Illustrationen sind nicht Bestandteil der Originalveröffentlichung und wurden von KN-ADMIN Helmut Schnug eingefügt. Für sie gelten folgende Kriterien oder Lizenzen, siehe weiter unten. Grünfärbung von Zitaten im Artikel und einige zusätzliche Verlinkungen wurden ebenfalls von H.S. als Anreicherung gesetzt, ebenso die Komposition der Haupt- und Unterüberschrift(en) geändert.

► Bild- und Grafikquellen:

1. Symbolbild: Kleines Mädchen vor Panzern. Illustration: peacemedia_for_future (user_id:34131767). Quelle: Pixabay. Alle Pixabay-Inhalte dürfen kostenlos für kommerzielle und nicht-kommerzielle Anwendungen, genutzt werden - gedruckt und digital. Eine Genehmigung muß weder vom Bildautor noch von Pixabay eingeholt werden. Auch eine Quellenangabe ist nicht erforderlich. Pixabay-Inhalte dürfen verändert werden. Pixabay Lizenz. >> Illustration.

2. Erich Fromm 1974. Photograph: Müller-May. © Deutsche Verlags-Anstalt. Dieses Foto wurde von Dr. Rainer Funk, Fromms Nachlass- und Rechteverwalter, vor einigen Jahren für Fromm-relevante Inhalte auf Kritisches-Netzwerk zur kostenfreien Verwendung zur Verfügung gestellt. Herzlichen Dank dafür.

3. Buchcover: "Anatomie der menschlichen Destruktivität" (original The Anatomy of Human Destructiveness) von Erich Fromm. Übersetzt von Liselotte Mickel, Ernst Mickel. Verlag: Rowohlt Taschenbuch, ISBN: 978-3-499-17052-2. Taschenbuch 576 Seiten. Preis 14,90€. Erscheinungstermin: 01.02.1977, derzeit 28. Auflage. Auch als eBook (ePUB) erhältlich, EAN 978-3-959-12033-3. Preis 6,99€.

Das Buch gliedert sich in drei Hauptteile mit Anhang:

Erster Teil: Instinktivismus, Behaviorismus, Psychoanalyse

Zweiter Teil: Befunde, die gegen die Thesen der Instinkt- und Triebforscher sprechen

Dritter Teil: Die verschiedenen Arten der Aggression und Destruktivität und ihre jeweiligen Voraussetzungen

Epilog: Über die Zwiespältigkeit der Hoffnung

Anhang: Freuds Aggressions- und Destruktionstheorie

Es ist das umfangreichste Werk aller Schriften Fromms und von großem Detailreichtum geprägt. Trotz der Tatsache, dass es sich um eine wissenschaftliche Forschungsarbeit handelt, ist sie wie andere Schriften des Autors allgemeinverständlich geschrieben.

Klappentext: »Krieg, Gewalttätigkeit, Verbrechen haben ein Ausmaß erreicht, das die Aufdeckung ihrer Ursachen zu einer Frage des Überlebens macht. Keine Lösung, allenfalls Entlastung für das schlechte Gewissen, bietet die These, mit der Konrad Lorenz berühmt wurde. Er erklärte die menschliche Aggression zum Naturgesetz, zum angeborenen Trieb, der vielleicht zu kanalisieren, aber nicht zu unterbinden sei. Ihm erteilt Erich Fromm, einer der bedeutendsten Sozialpsychologen unserer Zeit, eine radikale Absage.

Er beschreibt detailliert – am eindringlichsten in den brillanten Studien zu Stalin, Himmler und Hitler –, aus welchen individuellen und sozialen Ursachen die Unfähigkeit, zu lieben und sich rational zu verhalten, erwächst und wie sie notwendig zu der Leidenschaft führt, Leben entweder absolut zu kontrollieren oder zu vernichten.

Die «Anatomie der menschlichen Destruktivität» ist ein epochemachendes Werk von größter empirischer Sorgfalt und höchster theoretischer Originalität. Es ist eine Verteidigung der menschlichen Würde, ein wohlbegründeter Appell an die Menschheit, ihr Leben und dessen gesellschaftspolitische Bedingungen zu verändern.« (-Klappentext).

4. Die Aggressionsart, die der Mensch mit allen Tieren gemeinsam hat, ist die der impulsiven Reaktion auf Bedrohung lebenswichtiger Interessen: Flucht oder Angriff. Es ist eine defensive Aggression, die dem Überleben dient und aufhört, sobald die Bedrohung (z.B. die  unverhältnismäßigen und zumeist rechtswidrigen Coronamaßnahmen) verschwunden ist. Die bösartige Aggression, die man auch als Destruktivität und Grausamkeit bezeichnet, gibt es mit wenigen Ausnahmen nur beim Menschen. Sie dient keinem erkennbaren Zweck. Am wichtigsten jedoch: diese Aggressionsart wird von den Betroffenen als lustvoll erlebt.

Foto: Armin Lotfi. Quelle: Unplash.com. Unsplash is internet’s source of freely usable images. Unsplash gewährt Ihnen eine unwiderrufliche, nicht-exklusive, weltweite Urheberrechtslizenz zum Herunterladen, Kopieren, Ändern, Verbreiten, Aufführen und Verwenden von Fotos von Unsplash kostenlos, auch für kommerzielle Zwecke, ohne Erlaubnis oder Nennung des Fotografen oder von Unsplash (obwohl eine Namensnennung erwünscht ist!). Diese Lizenz beinhaltet nicht das Recht, Fotos von Unsplash zusammenzustellen, um einen ähnlichen oder konkurrierenden Dienst zu replizieren. >> Lizenz >> Foto.

5. Symbolbild: Kleines Mädchen im rosa Kleidchen und Panzer. Illustration: peacemedia_for_future (user_id:34131767). Quelle: Pixabay. Alle Pixabay-Inhalte dürfen kostenlos für kommerzielle und nicht-kommerzielle Anwendungen, genutzt werden - gedruckt und digital. Eine Genehmigung muß weder vom Bildautor noch von Pixabay eingeholt werden. Auch eine Quellenangabe ist nicht erforderlich. Pixabay-Inhalte dürfen verändert werden. Pixabay Lizenz. >> Illustration.