Kuba, Fidel Castro, Sozialismus
Hasta la victoria siempre!
von William Blum
In den meisten Kommentaren, die ich in den Massenmedien in Zusammenhang mit Fidel Castros Tod gelesen habe, steht dass er ein „Diktator” war – das war auch in nahezu jeder Überschrift zu finden. Seit der Revolution im Jahr 1959 haben die amerikanischen Massenmedien routinemäßig über Kuba als Diktatur berichtet. Aber was tut Kuba eigentlich oder was nicht, um eine Diktatur zu sein?
► Keine „freie Presse”?
Abgesehen von der Frage, wie frei die Medien des Westens sind (darüber habe ich in den vorhergehenden Artikeln geschrieben), falls das als Standard gelten soll, was würde passieren, wenn Kuba ankündigt, dass ab sofort jeder im Land jede Art von Medien betreiben könnte? Wie lange würde es dauern, bis CIA-Geld – geheimes und uneingeschränktes CIA-Geld, das alle Arten von Fronten in Kuba finanziert – alle Medien, die es wert wären, besitzen oder betreiben würde?
► Sind es „freie Wahlen”, an denen es Kuba mangelt?
Sie halten dort regelmäßig Wahlen auf kommunaler, regionaler und landesweiter Ebene ab. Sie haben keine direkte Wahl des Präsidenten, aber eine solche haben auch Deutschland oder das Vereinigte Königreich und viele andere Länder nicht. Der kubanische Präsident wird vom Parlament gewählt, der landesweiten Versammlung der Volksmacht. Geld spielt bei Wahlen praktisch keine Rolle, auch politische Parteien spielen keine, die kommunistische Partei eingeschlossen, nachdem alle Kandidaten als Einzelpersonen laufen.
Und wieder, was ist der Standard, nach dem kubanische Wahlen beurteilt werden sollen? Ist es das, dass sie keine privaten Unternehmen haben, die Milliarden Dollars dafür ausgeben? Wenn sie es sich einmal überlegen würden, fänden die meisten Amerikaner es schwierig, sich auch nur vorzustellen, wie eine freie und demokratische Wahl aussehen würde oder wie sie ablaufen würde. Könnte dann Ralph Nader endlich in allen 50 Staaten Stimmen bekommen, an landesweiten TV-Debatten teilnehmen und wäre in der Lage, es mit den beiden Monopolparteien im Bereich Werbung in den Medien aufzunehmen? Wäre das der Fall, dann denke ich, dass er wahrscheinlich gewinnen würde, was wohl der Grund dafür ist, dass das nicht so ist.
Oder vielleicht fehlt Kuba unser großartiges System des „Wahlmännergremiums“, wo der Kandidat mit den meisten Stimmen nicht zwangsläufig der Sieger ist? Brauchten wir das letzte Beispiel dieser Verhöhnung der Demokratie, um uns zu überzeugen, es endlich loszuwerden? Wenn wir wirklich glauben, dass dieses System ein gutes Beispiel für Demokratie ist, warum verwenden wir es nicht genauso für lokale und Wahlen in den Bundesstaaten?
► Ist Kuba eine Diktatur, weil es Dissidenten einsperrt?
Viele Tausende von Antikriegs- und anderen Demonstranten wurden in den USA in den letzten Jahren eingesperrt, nicht anders als in jeder Periode amerikanischer Geschichte. Während der Occupy-Bewegung vor fünf Jahren wurden mehr als 7.000 Menschen eingesperrt, viele von der Polizei geschlagen und in der Haft misshandelt. Und vergessen Sie nicht: die USA sind für die kubanische Regierung das, was Al-Qaida für Washington ist, nur viel mächtiger und viel näher – so gut wie ohne Ausnahme wurden kubanische Dissidenten von den Vereinigten Staaten finanziert und anderweitig unterstützt.
Würde Washington eine Gruppe von Amerikanern ignorieren, die Geld von Al-Qaida bekommt und wiederholt Treffen mit bekannten Mitgliedern dieser Organisation abhält? In den letzten Jahren haben die USA einen Haufen Menschen im Inland wie im Ausland nur aufgrund angeblicher Verbindungen mit Al-Qaida eingesperrt, mit viel weniger Beweisen, als Kuba für die Verbindungen seiner Dissidenten zu den USA hatte. Praktisch bei allen „politischen Gefangenen“ Kubas handelt es sich um derartige Dissidenten.
Während andere Kubas Sicherheitspolitik als Diktatur bezeichnen mögen, bezeichne ich sie als Selbstverteidigung.
William Blum
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William Blum (* 1933) ist ein US-amerikanischer Schriftsteller und Kritiker der Außenpolitik der USA. Er war früher beim State Department beschäftigt, das er 1967 wegen seiner Opposition zum Vietnamkrieg verließ. Blum wurde einer der Begründer der Untergrundzeitung "Washington Free Press", die in den 1960er und 70er Jahren kritisch über den Vietnamkrieg berichtete. Er hat ausführlich zu Geheimoperationen und Morden der CIA geforscht und publiziert.
Blum veröffentlichte zahlreiche Bücher, z.B. sein Hauptwerk, "Rogue State: A Guide to the World's Only Superpower", erschienen zunächst 2000, dann 2002 erneut, fand die Würdigung zahlreicher Kritiker der US-Außenpolitik. Weitere empfehlenswerte Werke: "Killing Hope", dt. Titel: "Zerstörung der Hoffnung: Bewaffnete Interventionen der USA und des CIA seit dem 2. Weltkrieg" und "America's Deadliest Export: Democracy - The Truth About US Foreign Policy and Everything Else".
Blum war mit einer Deutschen verheiratet und hat einen Sohn. Er lebt in Washington D. C.
► Quelle: Erstveröffentlicht am 30. November 2016 auf > William Blums Website > Artikel.
Die Weiterverbreitung dieses Textes ist durchaus erwünscht. In diesem Fall bitte die Angabe der Webadresse www.antikrieg.com nicht zu vergessen! Die deutsche Übersetzung wurde dort freundlicherweise von Klaus Madersbacher / A zur Verfügung gestellt.
► Bild- und Grafikquellen:
1. Fidel Castro bei einer Kundgebung zum 1.Mai 2005. Foto: Vandrad. Quelle: Wikimedia Commons. Diese ursprünglich nur unter der GNU Free Documentation License (GFDL, Version 1.3) lizenzierte Datei ist in Folge der Lizenzumstellung der Wikipedia auch unter den Bedingungen der Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 nutzbar.
2. Fidel Castro 1978 in Havanna (schw./weiß). Foto: Marcelo Montecino. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.0 Generic (CC BY-SA 2.0).
3. Zigarre rauchende Frau auf Kuba. Welche Erwartungen sie wohl hat? Urheber: Tibor Végh, 2360 Gyál, Ungarn. Quelle: Wikimedia Commons. Diese Datei ist unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung 3.0 nicht portiert“ lizenziert.
4. Buchcover "Zerstörung der Hoffnung (Originaltitel: Killing Hope): Bewaffnete Interventionen der USA und des CIA seit dem 2. Weltkrieg" und "America's Deadliest Export: Democracy - The Truth About US Foreign Policy and Everything Else" von William (Bill) Blum. Das Foto zwischen den Covern zeigt William Blum bei der Veranstaltung "Spring Rising: An Antiwar Intervention" in DC 3/20/15. Urheber dieses Bildes: Debra Sweet. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung 2.0 Generic (CC BY 2.0).
Debra Sweet is the Director of World Can’t Wait, initiated in 2005 to “drive out the Bush regime” by repudiating its program, forcing it from office through a mass, independent movement and reversing the direction it had launched. Based in New York City, she leads World Can’t Wait in its continuing efforts to stop the crimes of our government, including the unjust occupations of Iraq and Afghanistan and the torture and detention codes, as well as reversing the fascist direction of U.S. society, from the surveillance state to the criminalization of abortion and immigrants. She has worked with abortion providers for twenty-five years, organizing community support and helping them withstand anti-abortion violence.
5. "Kann eine große Nation, deren Geschichte womöglich mit einem Völkermord begann, uns heute noch mit aller Gewalt einen gerechten Weltfrieden bescheren? Oder bleibt diese Nation doch eher ihrer Tradition treu und bringt auch den Rest der Menschheit noch aus Versehen um? Das alles im Namen von Frieden, Freiheit, Demokratie und Gerechtigkeit?" Grafik: Wilfried Kahrs / QPress.
6. Oldtimer sind auf Kubas Straßen unverzichtbare Fortbewegungsmittel, auf dem Foto ein 55er Buick aus Havanna. Urheber: Tony Hisgett from Birmingham, UK. Quelle: Wikimedia Commons. Diese Datei ist unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung 2.0 generisch“ (US-amerikanisch) lizenziert.
7. Mosiac flag pattern - ceiling mosaic, Casa Foster, Havana, Cuba. Foto: Mary Crandall. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 2.0 Generic (CC BY-NC-ND 2.0).
8. Fidel Alejandro Castro Ruz (* offiziell 13. August 1926 in Birán bei Mayarí, Provinz Oriente), kubanischer Revolutionär und Politiker spanischer Abstammung, starb am 25.11.2016 neunzigjährig. Er war unter anderem Regierungschef, Staatspräsident und Vorsitzender der Kommunistischen Partei Kubas. Foto: Carol Crisosto Cadiz. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.0 Generic (CC BY-SA 2.0).