Der schmutzige Krieg gegen Syrien: Washington, Regime Change und Widerstand. (TIM ANDERSON)

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Der schmutzige Krieg gegen Syrien: Washington, Regime Change und Widerstand. (TIM ANDERSON)
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Der schmutzige Krieg gegen Syrien. Washington, Regime Change und Widerstand.

Autor: Tim Anderson

Verlag: Liepsen-Verlag Marburg. ISBN  978-3-9812703-9-6

Erschienen am 22.6.2016. Kostet 15.00 Euro.

In der deutschen Übersetzung von Jochen Mitschka und Hermann Ploppa. Marburg 2016.

tim_anderson_der_schmutzige_krieg_gegen_syrien_washington_regime_change_widerstand_hermann_ploppa_kritisches_netzwerk_the_dirty_war_on_syria_assad_baschar_hafiz_al-assad.jpgDie Öffentlichkeit ist entsetzt über den Krieg in Syrien, der von beispielloser Brutalität geprägt ist. Die Lage scheint unkontrollierbar geworden zu sein. Kritische Beobachter wie Jürgen Todenhöfer gehen davon aus, dass die Unfähigkeit der USA, die politische Lage im Nahen und Mittleren Osten richtig einzuschätzen, mit verantwortlich sei für die ungeheure humanitäre Katastrophe und die immensen Flüchtlingsbewegungen.

Dieser Auffassung widerspricht der australische Soziologe Tim Anderson energisch. Seine These: das angerichtete Chaos ist das logische Ergebnis der geostrategischen Konzeption eines ‚Neuen Mittleren Ostens‘ durch die USA. Während die USA in diesem Konflikt als Akteur nur am Rande in Erscheinung treten, haben sie durch Stellvertreterarmeen vor Ort systematisch und absichtsvoll die gewachsenen Strukturen des Nationalstaats Syrien zerschlagen. Das Ziel ist ein Regime Change oder sogar die Erschaffung ganz neuer Mini-Staaten vor Ort. Die Methode ist keineswegs neu: im Falle Nicaraguas in den 1980er Jahren wurden die USA sogar vom Internationalen Gerichtshof für diese Vorgehensweise verurteilt.

Tim Anderson stützt seine Thesen vornehmlich auf anerkannte westliche Quellen: Zeitungsberichte, Memoranden von Think-Tanks, oder auch auf wissenschaftliche Expertisen. Anderson beleuchtet logische Widersprüche und Zugeständnisse in diesen Quellen. Es entsteht ein logisches Handlungsmuster:

Die Demonstrationen des ‚Arabischen Frühlings‘ in Syrien wurden schnell beiseite gedrängt durch militante Provokateure. Die Militanz des Widerstands in Syrien ist keine logische Folge einer brutalen Repression durch die Regierung;

Bei den ‚Widerstandskämpfern‘ handelt es sich um im Ausland ausgebildete Söldner, die ein Schock- und Terrorregiment errichten;

Diese Söldner sind gar nicht bestrebt, die Akzeptanz der Bevölkerung zu gewinnen. Vielmehr zerstören sie gezielt die Infrastruktur (Verkehr, Gesundheitswesen, Bildung) des Landes.

Es gibt keinen Unterschied zwischen ‚moderaten‘ und ‚terroristischen‘ Söldnern.

Das Gros der drangsalierten syrischen Bevölkerung ist vor dem Terror in die von der syrischen Regierung kontrollierten Gebiete geflohen. Präsident Assad ist kein Monster. Wie selbst westliche Beobachter offen zugeben, genießt Assad eine sehr hohe Akzeptanz in der syrischen Bevölkerung;

Auch in Syrien arbeiten die Feinde der Regierung mit ‚false-flag‘-Methoden: grausame Massaker werden von den ‚Rebellen‘ ausgeführt, um sie sodann Assad anzulasten.

Die westliche Öffentlichkeit wird durch Verlautbarungen ‚eingebetteter‘ Medien und NGOs systematisch getäuscht über die wirklichen Zusammenhänge dieses schmutzigen Krieges gegen das syrische Volk.

Für Jeden, der qualifiziert und fundiert zu Syrien argumentieren möchte, ist dieses Buch eine wertvolle Quelle. Auf jedes Kapitel, in dem Anderson die Quellenlage erläutert, folgt ein ausführlicher Quellennachweis.



Auszug aus dem Buch

Obwohl jeder Krieg ausgiebig von Lügen und Täuschung Gebrauch macht, basiert der schmutzige Krieg gegen Syrien auf einem Maß an Desinformation, das seit Menschengedenken noch nicht gesehen wurde. Der britisch-australische Journalist Philip Knightley hat deutlich gemacht, dass Kriegspropaganda normalerweise ein ‚deprimierend vorhersagbares Muster‘ der Dämonisierung des feindlichen Führers beinhaltet; dann folgt die Dämonisierung des feindlichen Volks durch Gräuelgeschichten, ob sie nun wahr oder erfunden sind. (Knightley 2001).

Und so wurde aus einem freundlichen Augenarzt mit dem Namen Bashar al-Assad der neue Teufel dieser Welt, und, den übereinstimmenden Berichten westlicher Medien zufolge, tat die syrische Armee nichts anderes, als vier Jahre lang Zivilisten zu töten.(1) Bis heute stellen sich viele Menschen den Syrienkonflikt als ‚Bürgerkrieg‘ vor, als einen ‚Volksaufstand‘, oder als Variante eines internen Glaubenskrieges. Diese Mythen sind, in vielerlei Hinsicht, im Wesentlichen die Leistung der Großmächte, die in den vergangenen 15 Jahren eine Reihe von ‚Regime Change‘-Operationen im Mittleren Osten durchgeführt haben, ausnahmslos unter falschen Vorwänden.

Dieses Buch ist eine sorgfältige wissenschaftliche Arbeit, aber auch ein Plädoyer für das Recht des syrischen Volkes, seine Gesellschaftsform und das politische System selbst zu bestimmen. Diese Position befindet sich in Einklang mit internationalen Gesetzen und den Prinzipien der Menschenrechte, könnte jedoch westliche Empfindlichkeiten stören, sind wir doch an ein vermeintliches Vorrecht gewöhnt, intervenieren zu dürfen. Manchmal muss ich unverblümt werden, um diese Doppelzüngigkeit bloßzustellen. In Syrien haben die Großmächte versucht, ihre Beteiligung zu verbergen, indem sie Stellvertreterarmeen schickten, während sie gleichzeitig die syrische Regierung und ihre Armee dämonisierten, indem sie ihnen fortwährende Gräueltaten vorwarfen. Um dann behaupten zu können, dass sie das syrische Volk vor ihrer eigenen Regierung retten würden. Es opponierten wesentlich weniger Menschen im Westen gegen den Krieg in Syrien als gegen die Invasion des Irak, denn sie waren über seine wahre Natur getäuscht worden.

Im Jahr 2011 hatte ich nur ein bescheidenes Verständnis von Syrien und seiner Geschichte. Jedoch war ich zutiefst misstrauisch, als ich Nachrichten über die Gewalt las, die in der südlichen Grenzstadt Daraa explodierte.

Ich wusste, dass solche Gewalt (Heckenschützen, die auf Polizei und Zivilisten schossen, die Benutzung von halbautomatischen Waffen) nicht spontan aus Straßendemonstrationen heraus entsteht. Und ich war zutiefst misstrauisch gegenüber den Großmächten. Mein ganzes Leben lang wurden mir Lügen als Vorwände für Kriege erzählt. So entschloss ich mich, den syrischen Konflikt zu untersuchen. Ich las Hunderte von Büchern und Artikeln, schaute mir viele Videos an, und sprach mit so vielen Syrern wie es mir möglich war. Ich schrieb unzählige Artikel und besuchte zweimal Syrien während des Konfliktes. Dieses Buch ist das Ergebnis meiner Untersuchung.

Schmutzige Kriege sind nicht neu. Der kubanische Nationalheld José Martí sagte einem Freund voraus, dass Washington versuchen würde, in Kubas Kampf um Unabhängigkeit von den Spaniern einzugreifen. „Sie wollen einen Krieg provozieren“, schrieb er 1889 „um einen Vorwand zur Intervention zu bekommen, und, mit der Autorität eines Vermittlers und Garanten, das Land in Besitz nehmen…. Es gibt nichts Erbärmlicheres in den Annalen der freien Völker, und auch kein kaltblütigeres Übel“ (Marti 1975: 53). Neun Jahre später, während des dritten Unabhängigkeitskrieges, zerstörte eine Explosion im Hafen von Havanna das Schlachtschiff USS Maine, tötete dabei 258 Marinesoldaten, und diente als Vorwand für eine Invasion der USA. Der darauffolgende ‚Spanisch-Amerikanische‘ Krieg entriss den Kubanern den Sieg und erlaubte den USA, die Kontrolle über die verbliebenen spanischen Kolonialterritorien zu übernehmen. Kubanisches Land wurde annektiert, und eine zutiefst kompromittierte Verfassung aufgezwungen. Es gab niemals einen Beweis dafür, dass die Spanier für die Sprengung der USS Maine verantwortlich gewesen sein könnten, und viele Kubaner glauben, dass die Nordamerikaner ihr eigenes Schiff gesprengt hätten. Das Denkmal in Havanna, das an diese Marinesoldaten erinnert, trägt immer noch die Inschrift: „Den Opfern der Maine, die imperialer Unersättlichkeit geopfert wurden im Bestreben, sich der Insel Kuba zu bemächtigen“ (Richter 1998).

Die USA hatten Dutzende von Interventionen im folgenden Jahrhundert in Lateinamerika gestartet. Ein besonders schmutziger Krieg wurde durch jene vom CIA unterstützten ‚Freiheitskämpfer‘, in Wirklichkeit Söldner, die in Honduras ihre Basis hatten, gegen die Regierung der Sandinisten und gegen das Volk von Nicaragua in den 1980er Jahren geführt. Dieser Konflikt unterschied sich in seiner Vorgehensweise wenig vom Krieg in Syrien.

tim_anderson_der_schmutzige_krieg_gegen_syrien_washington_regime_change_widerstand_hermann_ploppa_kritisches_netzwerk_the_dirty_war_on_syria_assad_baschar_hafiz_al-assad.jpgIn Nicaragua wurden mehr als 30.000 Menschen getötet. Der Internationale Gerichtshof (IGH) befand die USA schuldig, terroristische Angriffe gegen den kleinen zentralamerikanischen Staat geführt zu haben, und urteilten, dass die USA Nicaragua Entschädigung zu zahlen hätten (ICJ 1986). Washington ignorierte das Urteil.

Mit dem ‚Arabischen Frühling‘ von 2011 nutzten die Großmächte die aufgeheizte politische Situation, um die Initiative zu übernehmen, und einen ‚Islamistischen Winter‘ zu erzwingen, indem sie die wenigen verbliebenen unabhängigen Staaten der Region angriffen. Sehr bald sahen wir die Zerstörung Libyens, jenes kleinen Landes mit dem höchsten Lebensstandard in Afrika. NATO-Bomben sowie ein Feldzug von Spezialkräften halfen Al-Kaida-Gruppen im Bodengefecht. Grundlage für die Intervention der NATO waren Lügen über aktuelle und bevorstehende Massaker, die angeblich ausgeführt oder geplant wurden durch die Regierung von Präsident Muammar al-Gaddafi. Diese Behauptungen führten schnell zu einer UN-Sicherheitsrats-Resolution, mit der zum Schutz von Zivilisten eine ‚Flugverbotszone‘ verhängt wurde. Wir wissen jetzt, wie Vertrauen hintergangen wurde, und dass die NATO-Mächte das begrenzte UN-Mandat missbrauchten, um die libysche Regierung zu stürzen (Mc Kinney 2012).

Anschließend fand sich kein Beweis, dass Gaddafi jemals Massaker geplant, ausgeführt oder angedroht hätte, so wie es einer breiten Öffentlichkeit dargestellt wurde (Forte 2012). Geneviève Garrigos von Amnesty International Frankreich gab zu, dass es ‚keine Beweise‘ für die zuvor verbreiteten Behauptungen ihrer Organisation gab, Gaddafi habe ‚schwarze Söldner‘ eingesetzt, um Massaker auszuführen (Forte 2012; Edwards 2013). Alan Kuperman, der sich hauptsächlich auf nordamerikanische Quellen bezieht, führt die folgenden Punkte auf:

Erstens war die Zerschlagung der meist islamistischen Aufstände im östlichen Libyen durch Gaddafi ‚weit weniger tödlich‘ als behauptet. Tatsächlich gab es Beweise dafür, dass er ‚sich zurückgehalten hat, wahllos Gewalt‘ anzuwenden. Die Islamisten selber waren von Anfang an bewaffnet. Spätere US-amerikanische Schätzungen gehen davon aus, dass von den nahezu eintausend Opfern der ersten sieben Wochen drei Prozent Frauen und Kinder waren (Kuperman 2015).

Zweitens, als die Regierungskräfte kurz davorstanden, den Osten des Landes zurückzuerobern, intervenierte die NATO, wobei sie behauptete, dass sie ein bevorstehendes Massaker abwenden müsse. Zehntausende von Menschen starben nach der Intervention der NATO, verglichen mit jenen eintausend zuvor. Gaddafi hatte keine Vergeltung in Bengasi geschworen, und ‚kein Beweis oder Motiv‘ wurde gefunden für die Behauptung, er habe Massenmorde geplant (Kuperman 2015).

tim_anderson_the_dirty_war_on_syria_syrie_resistance_der_schmutzige_krieg_gegen_syrien_washington_regime_change_widerstand_kritisches_netzwerk_assad_baschar_al-assad.pngDer Schaden war perfekt. Die NATO übergab das Land zerstrittenen Gruppen von Islamisten und westlich orientierten ‚Liberalen‘. Eine relativ unabhängige Regierung wurde gestürzt, aber Libyen zerstört. Seit vier Jahren gibt es keine funktionierende Regierung, und die Gewalt hält an, während dieser Angriffskrieg gegen Libyen ungestraft blieb.(2)

Zwei Tage bevor die NATO Libyen bombardierte, brach ein weiterer bewaffneter islamistischer Aufstand aus in Daraa, Syriens südlichster Stadt. Da jedoch dieser Aufstand mit Demonstrationen einer politischen Reformbewegung in Zusammenhang gebracht wurde, blieb seine wahre Natur verschleiert. Viele Menschen bemerkten gar nicht, dass dieselben Kräfte, die die Waffen lieferten – nämlich Katar und Saudi-Arabien – gleichzeitig gefälschte Nachrichten-Stories in ihren jeweiligen eigenen Medienkanälen Al Jazeera und Al Arabiya lancierten. Es gab auch noch weitere Gründe für die dauerhaften Mythen dieses Krieges. Viele westliche Beobachter, Liberale und Linke ebenso wie eher Konservative, schienen sich in ihrer eigenen Rolle als Retter eines fremden Volkes wohlzufühlen. Sie äußerten klare Meinungen über ein Land, von dem sie nur sehr wenig verstanden, stiegen dennoch ein in einen, wie es schien, ‚gerechten Kampf‘ gegen diesen neuen ‚Diktator‘. Ausgestattet mit einem Sendungsbewusstsein und einem stolzen Selbstbild vergaß das westliche Publikum nur allzu gerne die Lügen früherer Kriege und ihres eigenen kolonialen Erbes.

Ich würde sogar so weit gehen zu behaupten, dass sich die westliche Kultur im Allgemeinen im schmutzigen Krieg gegen Syrien ihrer besseren Traditionen entledigt hat: nämlich der Vernunft, der Aufrechterhaltung des ethischen Prinzips, und der Suche nach unabhängigen Beweisen in Zeiten von Konflikten. Stattdessen griffen sie auf ihre schlimmsten Traditionen zurück: nämlich auf das ‚imperiale Vorrecht‘ auf Intervention, unterstützt durch ein tief sitzendes rassistisches Vorurteil, sowie durch eine armselige Berücksichtigung der Geschichte ihrer eigenen Kulturen.

Diese Mängel wurden verstärkt durch eine erbitterte Kampagne der Kriegspropaganda. Nachdem die Dämonisierung des syrischen Führers Bashar al-Assad begonnen hatte, wurde eine wahre Informationsblockade aufgebaut gegen alles, was die offizielle Erzählung vom Kriegsverlauf hätte untergraben können, nur sehr wenige differenzierte Ansichten über Syrien erschienen nach 2011, denn kritische Stimmen waren de facto geächtet

Unter diesem Eindruck begann ich mein Buch zu schreiben. Es ist eine Verteidigung Syriens, nicht in erster Linie an jene Kreise gerichtet, die völlig eingetaucht sind in die westlichen Mythen, sondern an jene, die sich mit diesen Mythen auseinandersetzen. Deshalb ist dies ein Quellenbuch und ein Beitrag zur Geschichte des Syrienkonflikts. Die westlichen Geschichten haben sich ins Maßlose gesteigert, und ich glaube, dass es verschwendete Zeit ist, sie nachsichtig zu behandeln. Ich denke das Beste ist, wir sprechen von den aktuellen Ereignissen, wie sie wirklich sind, und kümmern uns um die Verschleierungsmanöver später. Ich ignoriere die westlichen Mythen keineswegs – tatsächlich enthält dieses Buch ja eine ganze Reihe von ihnen. Aber der Leitgedanke ist die Wirklichkeit des Krieges.

Westliche Mythologie gründet auf der Idee des imperialen Vorrechtes. Sie fragt: was müssen ‚wir‘ tun, wenn es um die Probleme eines anderen Volkes geht. Das ist ein Ansatz, der weder auf internationalem Gesetz noch auf den Grundsätzen der Menschenrechte basiert. Die nächsten Schritte beinhalten eine Reihe von Fälschungen über die scheinbaren Gründe, den Charakter sowie die Ereignisse des Krieges. Die erste Behauptung zu Syrien lautete, dass die NATO-Staaten und die Golf-Monarchien eine säkulare und demokratische Revolution unterstützen würden. Als dies unglaubwürdig erschien, wurde die zweite Geschichte erfunden, nämlich dass sie die unterdrückte Mehrheit der ‚sunnitischen Muslime‘ vor dem sektiererischen ‚Alawitischen-Regime‘ retten müssten. Als dann die sektiererischen Verbrechen der regierungsgegnerischen Kräfte einer größeren Öffentlichkeit bekannt wurden, griff man als Vorwand zu der Behauptung, es handele sich hier um einen ‚Schattenkrieg‘: ‚Moderate Rebellen‘ würden angeblich gegen die extremistischen Gruppen kämpfen. Deshalb sei eine westliche Intervention erforderlich, um diese ‚moderaten Rebellen‘ aufzubauen gegen die ‚neue‘ extremistischen Gruppe, die auf so mysteriöse Weise entstanden war, und die eine Bedrohung für die Welt darstellten.

Das war die ‚B‘-Geschichte. Zweifellos wird Hollywood noch viele Jahre Filme produzieren, die auf diesem Drehbuch aufbauen. Aber dieses Buch hält sich an die ‚A‘-Geschichte. Stellvertreterarmeen von Islamisten, bewaffnet durch regionale Verbündete der USA (hauptsächlich Saudi-Arabien, Katar und die Türkei), infiltrieren eine politische Reformbewegung und schießen auf Polizisten und Zivilisten. Sie machen die Regierung dafür verantwortlich und fachen einen Aufstand an; sie versuchen, die syrische Regierung zu stürzen, und damit auch deren säkular-pluralistischen Staat. Dies folgt der offen erklärten Absicht der USA, einen ‚Neuen Mittleren Osten‘ zu erschaffen, in dem jedes Land der Region durch Reform, einseitige Entwaffnung oder direkten Staatsstreich unterworfen wird. Syrien war als nächstes Land an der Reihe, nach Afghanistan, dem Irak und Libyen. In Syrien würden die Stellvertreterarmeen von den vereinigten Kräften der Moslembruderschaft sowie von Saudi-Arabiens wahhabitischen Fanatikern gestellt. Trotz zeitweiliger Machtkämpfe zwischen diesen Gruppen und ihren Sponsoren teilen sie doch alle die gleiche salafistische Ideologie; sie stehen in Opposition zu säkularen oder nationalistischen Regimen und beabsichtigen die Errichtung eines religiösen Staates.

Die Islamisten Washingtons trafen aber auf eine disziplinierte syrische Armee, die sich trotz zahlreicher Provokationen nicht aufgrund von konfessionellen Unterschieden auflöste. Außerdem hatte der syrische Staat starke Verbündete in Russland und dem Iran. Syrien wurde nicht zu einem zweiten Libyen. Die Gewalt ging in diesem langen Krieg aus westlicher Sicht von der syrischen Armee aus, die Zivilisten angreifen und töten würde. Aus syrischer Perspektive sahen die Menschen aber täglich Terroristenangriffe auf Städte und Stadtzentren, Schulen und Krankenhäuser, und Massaker durch NATO- ‚Freiheitskämpfer‘ an einfachen Menschen und erst dann die Gegenangriffe der Armee. Ausländische Terroristen wurden in einer Reihe von Städten durch Saudis und Kataris rekrutiert, um die lokalen Söldner zu unterstützen.

Auch wenn die Terrorgruppen oft ‚Opposition‘, ‚Militante‘ und ‚Sunnitische Gruppen‘ außerhalb von Syrien genannt werden, so hatte die politische Opposition innerhalb des Landes sich bereits zu Beginn des Jahres 2011 von den Islamisten losgesagt. Die Proteste wurden durch die Gewalt von der Straße vertrieben, und der größte Teil der Opposition (ohne die Moslem-Bruderschaft und Exilkreise) schlug sich auf die Seite des Staates und der Armee, wenn nicht sogar auf die Seite der herrschenden Baath-Partei. Die syrische Armee ging brutal gegen Terroristen vor, aber im Gegensatz zur westlichen Propaganda beschützte sie die Zivilbevölkerung. Die Islamisten traten nach allen Seiten brutal auf, und zwar ganz offen. Millionen von Binnenflüchtlingen haben bei der Regierung und der Armee Zuflucht gesucht, während andere außer Landes flohen.

In einem erhofften ‚Endspiel‘ versuchten die Großmächte, den syrischen Staat zu entmachten oder, falls das fehlschlagen sollte, einen funktionsuntüchtigen Staat zu schaffen, oder aber auch seine Zerlegung in eine Anzahl von sektiererischen Ministaaten zu ermöglichen, um auf diese Weise die Achse der unabhängigen regionalen Staaten zu zerschlagen. Diese Achse besteht aus Hisbollah im Süd-Libanon und dem palästinensischen Widerstand, an der Seite von Syrien und dem Iran, den einzigen Staaten der Region ohne US-Militärbasis. Gerade kürzlich hat der Irak begonnen – noch traumatisiert von der westlichen Invasion, den Massakern und der Besetzung – sich der Achse anzuschließen. Und auch Russland hat begonnen, eine wichtige Rolle als Gegengewicht zu spielen. Die jüngste Geschichte und das Verhalten des Landes machen deutlich, dass weder Russland noch der Iran imperiale Ambitionen hegen, die auch nur im Entferntesten denen Washingtons und seiner Alliierten nahekommen. Alliierte, von denen verschiedene Mächte (Großbritannien, Frankreich und die Türkei) ehemalige koloniale Kriegsherren waren. Aus Sicht der ‚Achse des Widerstandes‘ bedeutet ein Sieg im schmutzigen Krieg gegen Syrien, dass die Region sich gegen die Großmächte zusammenschließen kann. Syriens erfolgreicher Widerstand würde den Beginn des Endes für Washingtons ‚Neuen Mittleren Osten‘ einläuten.

Das ist im Wesentlichen die große Perspektive. Dieses Buch versucht die A-Geschichte zu dokumentieren und die B-Geschichte zu entlarven. Es tut dies durch die Rettung der besseren westlichen Traditionen: durch den Einsatz von Vernunft, durch das Einhalten von ethischen Prinzipien, und durch die Suche nach unabhängigen Beweisen im Fall eines Konfliktes. Ich hoffe, es erweist sich als nützliche Quelle.
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Anmerkungen:

(1) Ein bemerkenswerter Aspekt der SOHR „Statistiken“ ist die Tatsache, dass speziell in den Jahren 2014 und 2015 auf der Seite der Regierung weit mehr Opfer zu verzeichnen waren, als auf der Seite der „Rebellen“. Das würde den Schluss zulassen, dass die „Rebellen“ mehr Syrer getötet hatten, was aber von den Medien nie in dieser Art interpretiert wurde.

(2) Anm. d. Übersetzers: Für deutschsprachige Leser: In Deutschland kursierte das Gerücht, dass geflohene libysche Piloten, [die ihre Flugzeuge für eine Belohnung außer Landes gebracht hatten], von drohenden Luftangriffen auf Zivilisten berichtet hätten, an denen sie nicht teilnehmen wollten. (http://www.spiegel.de/politik/ausland/befehle-ignoriert-libysche-piloten-setzen-sich-nach-malta-ab-a-747006.html). Die einzige Partei im Bundestag, die sich vehement gegen die Bombardierung Libyens gestellt hatte, war die Partei „Die Linke“. Diese hatte [Also hier stimmt was nicht. Erkenntnisse kann man nicht fordern] eine kleine Anfrage im Bundestag eingebracht, in der nach dem Krieg Erkenntnissen über Angriffe der Luftwaffe auf Zivilisten gefordert wurden. Der Bundesregierung lagen keine solchen Erkenntnisse vor. Siehe auch hier - weiterlesen.

Kontakt: Hermann Ploppa. liepsenverlag@gmail.com.
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Dr. Tim Anderson ist Dozent für politische Ökonomie an der Universität Sydney. Er forscht und schreibt über Entwicklungen, Rechte und Selbstbestimmung in Lateinamerika, der Asien-Pazifik-Region und des Mittleren Ostens. Er hat zahlreiche Kapitel und Artikel  in wissenschaftlichen Büchern und Zeitschriften veröffentlicht. Sein aktuelles Buch trägt den Titel: ‚Land und Lebensbedingungen in Papua Neu Guinea‘ (2015).

Anderson hat während des Kriegs zweimal Syrien besucht. Dabei führte er auch Gespräche mit Mitgliedern der syrischen Regierung, einschließlich Präsident Assad.

Hermann Ploppa, Jahrgang 1953, ist Politologe und Publizist. Er hat zahlreiche Artikel über die Eliten der USA veröffentlicht, u.a. über den einflussreichen Council on Foreign Relations.

  • "Die Macher hinter den Kulissen. Wie transatlantische Netzwerke heimlich die Demokratie unterwandern.", Nomen Verlag 2015, ISBN 3-939816-22-1 - zur Buchvorstellung im KN.
  • "Hitlers amerikanische Lehrer. Die Eliten der USA als Geburtshelfer des Nationalsozialismus.", Liepsen Verlag 2008, ISBN 3-9812703-0-4


► Bild- und Grafikquellen:

1. Buchcover: "Der schmutzige Krieg gegen Syrien. Washington, Regime Change und Widerstand.", Autor: Tim Anderson. Verlag: Liepsen-Verlag Marburg. ISBN  978-3-9812703-9-6.

2. NO WESTERN INTERVENTION - HANDS OFF SYRIA. Der Urheber dieser Grafik ist nicht eindeutig ermittelbar, sie findet sich auf vielen Seiten.

3. UNCLE SAM (Barack Obama) und THE RUSSIAN BEAR (Wladimir Putin). Karikatur von Carlos Latuff, einem "Politischen Karikaturist", geboren November 1968 in Rio de Janeiro, Brazil. Quelle: Wikimedia Commons. Dieses Werk wurde von seinem Urheber Carlos Latuff als gemeinfrei veröffentlicht. Dies gilt weltweit. Carlos Latuff (eigentlich Carlos Henrique Latuff de Souza) gewährt jedem das bedingungslose Recht, dieses Werk für jedweden Zweck zu nutzen, es sei denn, Bedingungen sind gesetzlich erforderlich. Sein Blog > latuffcartoons.wordpress.com.

4. Barack Obama und Baschar al-Assad . Bildbearbeitung: Wilfired Kahrs / QPress.

5. siehe #1.

6. Dr. Tim Anderson ist Dozent für politische Ökonomie an der Universität Sydney. Er forscht und schreibt über Entwicklungen, Rechte und Selbstbestimmung in Lateinamerika, der Asien-Pazifik-Region und des Mittleren Ostens. Er hat zahlreiche Kapitel und Artikel  in wissenschaftlichen Büchern und Zeitschriften veröffentlicht.

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Der schmutzige Krieg gegen Syrien - Buchbesprechung

Der schmutzige Krieg gegen Syrien (The Dirty War on Syria)

Buchbesprechung von Dr. Ludwig Watzal, Bonn

Regierungspropaganda und die Desinformation von Nichtregierungsorganisationen haben die Medienberichterstattung über den Syrienkonflikt von Beginn an stark beeinflusst. „Der schmutzige Krieg gegen Syrien“ wurde von einer Fülle von Desinformation begleitet, wie sie die Welt bisher noch nie gesehen hat. Diese Faktoren haben Tim Anderson motiviert, dieses Buch zu schreiben.

ludwig_watzal_bonn_between_the_lines_bpb_zionismus_israel_palestine_gaza_strip_occupation_zionism_tim_anderson_syria_syrie_der_schmutzige_krieg_gegen_syrien_kritisches_netzwerk.pngVon Beginn des inszenierten Aufstandes in der Stadt Daraa durch Agenten der USA und befreundeter Geheimdienste haben die internationalen Nachrichtenagenturen und fast alle führenden westlichen Medien dem syrischen Präsidenten Bashar al-Assad die alleine schuld an diesem Konflikt zugewiesen.

Tim Anderson, australischer Politikwissenschaftler hat mit seiner Untersuchung den Schleier der Propaganda über den Krieg in Syrien gelüftet. Hervor kamen die USA, ihre westlichen Alliierten, deren despotische arabische Freunde, Israel und die Türkei, die sich Terrororganisationen wie den  „Islamischen Staat“, al-Kaida“ oder die „al-Nusra-Front“ als nützliche Idioten halten, um einen weiteren Umsturz eines säkularen Regimes im Nahen Osten zu bewerkstelligen. Mit dem Schutz der Menschenrechte hatte diese zynische Politik des Westens nie etwas zu tun. Hätte nicht Präsident Vladimir Putin in diesen Konflikt eingegriffen, und zwar auf Einladung von al-Assad, wäre der Umsturzplan des Westens vermutlich schon längst aufgegangen.

Der Autor bietet nicht nur der Leserschaft, sondern insbesondere den Medienschaffenden einen alternativen Narrative an, da letztere nur die US-amerikanische Propaganda nachgeplappert und somit die westliche Öffentlichkeit manipuliert haben. Seine Untersuchung beruht auf Tatsachen und nicht wie die des Westens auf Fiktionen. Meldungen einer obskuren „Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte“ in London werden von westlichen Journalisten ungeprüft übernommen und als Tatsachen verkauft. Dieser Ein-Mann-Betrieb ist ähnlich fragwürdig wie die damalige „Lybische Liga für Menschrechte“ in Genf.

Beide „Beobachtungsstellen“ erschienen auf der Bildfläche, als der Westen seine Aggressionskriege gegen Libyen und Syrien startete. Erinnert sei an die angeblichen Gräueltaten von Saddam Hussein in Kuwait, als angeblich Neugeborene aus den Brutkästen herausgenommen worden seien. Oder das die Soldaten von Gaddafi angeblich Frauen vergewaltigt haben sollen. Diese Schauermärchen entpuppten sich als eine von den USA inszenierte Propagandashow, um ihre anschließend begangenen kolossalen Kriegsverbrechen in einem „positiven“ Licht erscheinen zu lassen.

Anderson zerreißt den gängigen Mythos von einem „Bürgerkrieg“, „Volksaufstand“ oder einer „Auseinandersetzungen zwischen Religionen“ und weißt auf überzeugende Weise nach, dass es sich um einen mörderischen Amoklauf handelt mit dem Ziel, alle Regime des Nahen und Mittleren Ostens zu stürzen. Die meisten Massaker wurden von den vom Westen geschaffenen und unterstützen Terrormilizen begangen, aber dem Assad Regime in die Schuhe geschoben. Beim Einsatz von Giftgas war es so offensichtlich, dass es selbst Präsident Obama aufgefallen ist und er nicht auf Seiten der Terroristen in den Konflikt eingegriffen hat, was diese ursprünglich erreichen wollten. Bis auf die westlichen Medien war jedem klar, wer die eigentlichen Urheber dieses Verbrechens waren. Aber die westlichen Konzern- und Staatsmedien verbreiten bis heute die Mär vom Einsatz von Giftgas durch Assad. Anderson hebt besonders die verräterische Rolle der NGOs hervor, die die westlichen Propagandalügen eifrig nachplapperten.

tim_anderson_der_schmutzige_krieg_gegen_syrien_washington_regime_change_widerstand_hermann_ploppa_kritisches_netzwerk_the_dirty_war_on_syria_assad_baschar_hafiz_al-assad.jpgEr zeigt sich überrascht von dem enormen Propagandaerfolg des Westens, der immer noch behauptet, dass seit fast sechs Jahren die syrische Armee die eigene Bevölkerung tötet. Würde dies den Tatsachen entsprechen, wäre Assad schon längst von der Bildfläche verschwunden und es hätte nicht der vom Westen bezahlten Killertruppen bedurft, um das Land zu zerstören.

Dem Autor ist es gelungen, die meisten der Propagandalügen der westlichen Medien als solche zu entlarven. Als besonders treue Propagandisten haben sich die BBC, The Guardian, die New York Times und selbst der arabische Sender Al Jazeera betätigt. Der Fernsehsender gehört dem Emir von Katar, einem der Sponsoren der in Syrien aktiven Terrororganisationen. Auch NGOs wie Amnesty International, Human Rights Watch oder die zionistische Organisation AVAAZ haben an diesem Lügengebäude eifrig mit gebaut. Insbesondere die Medien in der BRD haben ihre Berichte regelrecht wie „Offenbarungen“ behandelt. Die Glaubwürdigkeit dieser NGOs ist nicht nur durch diese einseitige Parteinahme schwer beschädigt, werden sie doch auch durch staatliche und private Gelder auf eine systemkonforme Linie gebracht.

Vor fünf Jahren hat Obama lauthals verkündet: „Assad has to go“. Assad ist immer noch im Amt, aber Obama wird in vier Monaten von der politischen Bildfläche verschwunden sein. Sollte er durch die kriegsgeile Hillary Clinton ersetzt werden, wird sie die Welt an den Rand eines nuklearen Konflikts zwischen Russland und den USA führen. Dass sie skrupellos ist, hat ihr rücksichtsloses Vorgehen in Libyen bewiesen. Der Autor zeigt, dass trotz massivem Einsatz von Terror es dem Westen und seinen arabischen Vasallen-Staaten nicht gelungen ist, das politische System Syriens und die syrische Armee zu zerschlagen, was von einer hohen Loyalität gegenüber Assad zeugt.

In 13 Kapiteln gibt Anderson eine nüchterne Bestandaufnahme des Krieges, seiner Verursacher und Hintermänner. Dem Leser fällt es bei der Lektüre wie Schuppen von den Augen, wie er durch die westliche Propaganda von vorne bis hinten belogen worden ist. Wer über den tatsächlichen Krieg in Syrien informiert sein will, sollte das Buch unbedingt lesen. Er wird erschüttert sein und sich vom Westen und dessen verlogenen „westlichen Werten“ indigniert abwenden.

Dr. Ludwig Watzal, Bonn
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Der schmutzige Krieg gegen Syrien – Washington, Regime Change und Widerstand.

Autor: Tim Anderson. Verlag: Liepsen-Verlag Marburg. ISBN  978-3-9812703-9-6. Erschienen am 22.6.2016. Kostet 15.00 Euro.

In der deutschen Übersetzung von Jochen Mitschka und Hermann Ploppa. Marburg 2016.
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► The Dirty War on Syria - Dr. Tim Anderson on GRTV - GlobalResearchTV (Dauer 22:04 Min.)


 

► Quelle: Erstöffentlicht von Dr. Watzal auf seinem Blog Between the Lines – Ludwig Watzal - weiter.

► Bild- und Grafikquellen:

1. Foto © Dr. Ludwig Watzal, Bonn. http://betweenthelines-ludwigwatzal.com/.

2. Buchcover: "Der schmutzige Krieg gegen Syrien. Washington, Regime Change und Widerstand.", Autor: Tim Anderson. Verlag: Liepsen-Verlag Marburg. ISBN  978-3-9812703-9-6.

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