G20 in Osaka: der Sieger heißt Donald Trump

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G20 in Osaka: der Sieger heißt Donald Trump
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G20 in Osaka: der Sieger heißt Donald Trump

von Conrad Schuhler / Leiter der Redaktion des Instituts für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung e.V.

Die G20 schickt ihren Abschlusserklärungen stets ein paar erbauende Sätze voran. Diesmal heißt es im ersten Satz, dass „wir mehrere globale Herausforderungen anzugehen“ hätten, nämlich „das globale wirtschaftliche Wachstum zu fördern, während wir die Macht der technologischen Innovation, im Besonderen die Digitalisierung, nutzen und ihre Anwendung zum Nutzen aller“. In Artikel 2 wird es noch ergreifender: „Wir werden danach streben, einen vortrefflichen Wachstumszyklus zu schaffen, indem wir die Ungleichheiten angehen und eine Gesellschaft schaffen, wo alle Individuen Gebrauch von ihrem vollen Potential machen können“. (> G20 Osaka Leaders’ Declaration)

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Zum Nutzen aller? Die Ungleichheiten angehen? Alle Individuen mit vollem Potential? Und es unterschreiben Frau Merkel und Herr Trump und der Kronprinz von Saudi-Arabien wie Herr Netanjahu. Vertreter von Gesellschaften, wo die Ungleichheiten kräftig zunehmen oder von ihnen selbst auf mörderische Art betrieben werden. Will sagen: Der G20 enges Band ist erstens die Heuchelei. Wie sieht es zweitens aus mit ihrer politischen Wirksamkeit? Wie funktioniert sie als angemaßte Weltregierung?

In der Erklärung wird klar, welches die Schwerpunkte ihrer globalen Politik sein oder vorgeblich sein würden. Die proklamierten Ziele werden, geheuchelt oder nicht, die internationale politische Diskussion prägen. Schon das erste ThemaRobustes globales Wirtschaftswachstum fördern“ meistern die Autoren mit dem Schwung geübter Märchenerzähler. Sie wollen ein „freies, faires, nicht-diskriminierendes, transparentes, vorhersagbares und stabiles Handels- und Investment-Umfeld schaffen.“ Und: „Wir halten die Märkte offen.“ Die Herrschaften, die angeblich die Märkte offenhalten, wagen es mit keinem Wort, das Problem der Protektion, das Trump in fast alle Handelsbeziehungen der USA einbringt, auch nur zu erwähnen. Ein Jahr zuvor in Athen hatten sie das noch gewagt. Die Trump-USA haben sich den G20-Zirkus längst unterworfen.

Womit die Herren und Damen Staatschefs es offenbar als Ziele ernst meinen, sind die Digitalisierung und der freie Datenfluss, der ohne „Vertrauen“ nicht zustande käme, und das Bemühen, die Infrastrukturen auf den qualitativ nötigen Stand zu heben, ohne den Wachstum und Entwicklung nicht stattfinden können. Die Erklärung verliert kein Wort über irgendwelche Maßnahmen, aber für die Linke finden sich bei den Zielen Ansatzpunkte für die nötigen zivilgesellschaftlichen Forderungen, nicht zuletzt für ausreichend öffentliche Mittel für soziale Zwecke – Wohnungsbau, Gesundheit/Pflege, Bildung – und den Schutz der Umwelt.

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Dem „Globalen Finanzsystem“ sind die meisten Artikel der Erklärung gewidmet. In der Regel fangen sie so an: „We reaffirm our commitment“ oder „We reiterate the importance.“ oder auch „We will continue.” Es geht also um die Auflistung früherer Beschlüsse und Verpflichtungen. Die G20 scheint ganz zufrieden mit dem Zustand des globalen Sicherheitsnetzes des Finanzsystems, man muss „es weiter stärken“, vor allem muss die Rückzahlungsfähigkeit der Schuldner geprüft werden, wie ausdrücklich notiert wird. Den Umstand, dass China im IWF nur ein Drittel der Stimmanteile der USA hat, erwähnt die Erklärung nirgendwo.

Weit hinten kommt die Erklärung zu ihrem dramaturgischen Höhepunkt. In Artikel 35 bekräftigen 19 der G20-Mitglieder, dass sie die Unumstößlichkeit des Pariser Abkommens bekräftigen und entschlossen sind, dessen Bestimmungen voll umzusetzen. In Artikel 36 bekräftigen die USA ihre Entscheidung, aus dem Abkommen auszusteigen, „weil es amerikanische Arbeiter und Steuerzahler benachteiligt (…) Die ausbalancierte Annäherung der USA an Energie und Umwelt erlauben den Gebrauch aller Energieformen einschließlich der fossilen Treibstoffe“. Im Übrigen seien die USA „ein Weltführer bei der Reduzierung von Emissionen“.

19:1 beim Kampf gegen Klimawandel und Umweltzerstörung – stehen die USA in dieser Kernfrage des Überlebens der Menschheit einer entschlossenen Weltgemeinschaft gegenüber? Das darf bezweifelt werden. Schon in Osaka war damit gerechnet worden, dass Länder wie Brasilien, Saudi-Arabien und die Türkei sich den USA anschließen. Sie und andere werden dem Druck der USA bald nachgeben. Länder wie die Bundesrepublik Deutschland wählen einen anderen Weg der Sabotage des Pariser Abkommens – sie erfüllen die festgelegten und erforderlichen Zielmarken bei weitem nicht.

Nach dem Dissens zu Paris war dann wieder Platz für weihevolle Propaganda. „Einen vorzüglichen (virtuous im englischen Text, was „tugendhaft“ bedeutet) Zyklus schaffen, indem man die Ungleichheiten anspricht“ – so blumenreich wird das Problem der sozialen Ungleichheiten vorgestellt. Was ist die Aufgabe „für eine gesunde und aktive älter werdende Gesellschaft“? Eine Gesellschaft zu schaffen, „die die Arbeiter befähigt, auch mit höherem Alter noch am Arbeitsmarkt teilzunehmen“. Die Verlängerung der Lebensarbeitszeit, das ist die Stoßrichtung des G20 für die ältere Generation. Dazu soll auch das Angebot der „flexible work arrangements“ verbessert werden, also die Arbeit flexibler gemacht werden. Elemente einer reaktionären Alters- und Arbeitspolitik werden als Ziele einer „tugendhaften“ internationalen Politik ausgegeben.

Frau Merkel und Geistesverwandte freuten sich über die „19 plus 1-Erklärung“ als das Höchste, was derzeit an „Gemeinsamkeit“ zu erreichen sei. In Wahrheit ist es der Abgesang auf ein „Weltregime“, das mit der Vielzahl seiner Kommissionen und Konferenzen für die drückendsten Probleme der Weltpolitik keine Lösungen findet. Ein schlagendes Beispiel dafür ist der letzte Punkt der Erklärung, die Migration. Die USA wollten das Thema ganz verbannen, nun ist es mit der wachsweichen Formulierung aufgeführt, dass man den Dialog über die verschiedenen Dimensionen des Problems fortführen wolle.

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Dass sich neben dem Gipfel eine Vielzahl von bilateralen oder regionalen Treffen ergab, war eigentlich selbstverständlich, wurde aber von der Gipfelpropaganda als Bestätigung der Bedeutung des Treffens verkauft. Tatsächlich überragen sie, auch in ihrer Bescheidenheit, die Qualität der Erklärung.

Das wichtigste Treffen war das von Donald Trump mit Xi Jinping mit dem Ergebnis, die Gespräche über ein amerikanisch-chinesisches Handelsabkommen wieder aufzunehmen. Trump hat seine Drohung zurückgenommen, Strafzölle auf weitere chinesische Importe im Wert von 300 Milliarden Dollar zu erheben. Auch der Plan, dass die Hightech-Firma Huawei nicht mehr von US-Firmen beliefert werden kann, ist „wenigstens vorläufig“ zurückgenommen. China liefert im Gegenzug landwirtschaftliche Produkte. Das „vorläufig“ muss betont werden. Manche Beobachter glauben, dass Trump den Handelskonflikt mit China nach den Gesetzen des US-Präsidentschaftswahlkampfs moderiert. Je nach Wählerstimmung entscheidet er sich für den Kompromiss oder den verschärften Handelskrieg. Die US-Wahlen sind Anfang November 2020. Bis dahin muss wohl jede Absprache mit Trump penibel auf ihr Verfallsdatum geprüft werden.

Die EU, die ja auch Mitglied der G20 ist, wollte während der Gipfeltage mit ihrer multilateralen Politik brillieren und verkündete den Abschluss eines Freihandelsabkommens der EU mit dem Mercosur, wozu Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay gehören. Mit über 770 Millionen Einwohnern sei dies die größte Freihandelszone der Welt, triumphierte EU-Chefkommissar Jean-Claude Juncker. Nicht nur die Bauernverbände in der EU laufen Sturm dagegen, auch die Umweltgruppen, denn mehr Rindfleisch aus Südamerika bedeutet mehr Abholzung des Regenwalds. Mittlerweile hat die Regierung Frankreichs ihr Nein zum Vertrag erklärt, aus dem hoch gerühmten Projekt wird wohl in dieser Form nichts werden.

Die nächste G20-Konferenz findet in Saudi-Arabien statt. Der Rahmen wird Trump gefallen. Die sogenannte Weltgemeinschaft muss das Schlimmste befürchten.

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Wer ist die G20? Das Fiasko der neoliberalen „Weltregierung“

G20, die Gruppe der Zwanzig, umfasst 19 Länder und die EU: Argentinien, Australien, Brasilien, China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Indien, Indonesien, Italien, Japan, Kanada, Mexico, Russland, Saudi-Arabien, Südafrika, Südkorea, Türkei, USA. Die G20 wurde 1999 nach der Asienkrise gegründet. Die Zusammensetzung geht auf eine Idee des damaligen US-Finanzministers Lawrence Summers zurück, der mit seinem deutschen und kanadischen Kollegen die Liste von 19 wirtschaftlich starken und politisch „freundlichen“ oder unvermeidlichen Staaten aufstellte.

Die G20 ist eine durch und durch undemokratische Erscheinung. 174 Länder mit UN-Status sind in der G20 nicht vertreten. Die Gruppe hat sich dennoch in der globalen Finanzkrise 2008 zum „wichtigsten Forum für internationale Zusammenarbeit“ ausgerufen und handelt dementsprechend, was von den UN, dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank anerkannt und unterstützt wird.

Die Regierungs- und Staatschefs kommen mindestens einmal im Jahr im Rahmen der G20 zusammen. Die Finanzminister und die Zentralbankchefs treffen sich im sogenannten G20 Finance Track. Mit den Treffen der Außenminister, Landwirtschaftsminister, Energie- und Arbeitsminister kommen 70 Arbeitstreffen pro Jahr im Rahmen der G20-Anstrengungen dieser „Weltregierung“ zustande. Als solche konnte sie bislang nur beschränkt funktionieren. Zwar mobilisierte sie in der Krise 2008 500 Milliarden Dollar, die sie für die Kreditprojekte des IWF zur Verfügung stellte. Doch wurde dieser „Krisenkeynesianismus“ schnell überwunden und sie verfocht kompromisslos die neoliberale Strategie. [1]

Ihr Ziel sei es, verkündete sie 2013 in der Erklärung von St. Petersburg, „Hindernisse, die der Mobilisierung von Privatkapital im Wege stehen, zu ermitteln und anzugehen“. Für die Zentralbanken wurde das Ziel der Preisstabilität vorgegeben, der Schlüsselbegriff der Neoliberalen für eine Verhinderung Keynesscher Kreditstrategien für das Wirtschaftswachstum. [2] Die groß angekündigte Veränderung der Stimmrechte erwies sich als Farce: China erhielt statt der bisherigen knapp vier Prozent nun 6% der Stimmrechtsanteile. Die USA halten 15,7 %. Bei der Weltbank lauten die Zahlen: USA 15,7%, China 2%.

Als Antwort auf dieses westliche Diktat haben die BRICS-Länder (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) eine eigene Entwicklungsbank gegründet. (New Development Bank = NDB) Ihre angestrebte Autorität als „Weltregierung“ wurde endgültig ruiniert mit dem Auftauchen von Trump-Amerika. Noch 2016 hieß es in der Erklärung von Hangzhou: „Wir werden verstärkt am Aufbau einer offenen Weltwirtschaft arbeiten, Protektionismus eine Absage erteilen.

Ein Jahr später ist in der Erklärung von Hamburg nur noch die Rede von der „entscheidenden Rolle des regelbasierten internationalen Handelssystems“. Zwei Jahre danach findet sich in der Erklärung von Osaka nicht einmal das Wort Protektionismus; die USA haben dafür gesorgt, dass Protektionismus als gegeben hingenommen wird, auch wenn man ihn politisch weiter „bekämpft“.

Die deutsche Regierung hat die Erklärung zurecht die „19 plus 1-Erklärung“ genannt. 19 bekräftigen ihre unumstößliche Entschlossenheit, das Pariser Abkommen zu realisieren, Nr. 20, Mister Trump, lässt in die Erklärung schreiben, dass die USA mit ihrer Ablehnung des Pariser Abkommens die beste Umweltpolitik betreiben.

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Osaka 2019 war der erneute Abgesang auf die G20 als aufgabengerechtes Forum für die internationale Zusammenarbeit. Es wird höchste Zeit für ein demokratisches, an Frieden und sozialer Teilhabe interessiertes Gremium. Der erste Schritt könne die Übertragung der Aufgaben, die sich die G20 angemaßt hat, auf die UN bedeuten. Was sofort zu der Frage führt, wie deren vielfältige Unter-Organisationen aus der Hand der dominierenden Staaten des Westens tatsächlich in die Hände der Weltgemeinschaft überführt werden.

Die UN sind heute noch ein Instrument des Westens – wie lange noch?

Conrad Schuhler / isw München e.V.

[1] Anmerk. H.S.: Was der Artikelautor damit sagen wollte: Es gibt sogar im neoliberalen Wirtschaftsmainstream Kräfte die meinen, Keynesianismus wäre in Krisenzeiten richtig (ansonsten aber Neoliberalismus).

[2] Anmerk. H.S.: John Maynard Keynes sagt, der Staat müsste antizyklisch wirken, dass heißt in Krisenzeiten muss er mehr Geld ausgeben, um die Wirtschaft anzukurbeln (. . während Neoliberale ja sogar noch in die Wirtschaftkrise durch Austeritätspolitik hinein- und kaputtsparen wollen). Dafür muss der Staat in der Regel Kredite aufnehmen.


► Quelle: Erstveröffentlicht am 04. Juli 2019 bei isw-München >> Artikel. Die Bilder und Grafiken sind nicht Bestandteil des Originalartikels und wurden von KN-ADMIN Helmut Schnug eingefügt. Für sie gelten ggf. andere Lizenzen, s.u..

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    ► Bild- und Grafikquellen:

    1. Gruppenfoto beim G20 Summit im japanischen Osaka, 28. Juni 2019. Foto: Alan Santos/PR. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung 2.0 Generic (CC BY 2.0).

    2. The 2019 G20 Summit Osaka, Japan. Foto: GCIS / GovernmentZA. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung-Keine Bearbeitung 2.0 Generic (CC BY-ND 2.0).

    3. The 2019 G20 Summit: President Cyril Ramaphosa leads the South African delegation to the annual G20 Leaders’ Summit in Osaka, Japan. Foto: GCIS / GovernmentZA. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung-Keine Bearbeitung 2.0 Generic (CC BY-ND 2.0).

    4. Eine stille Widerstandsbewegung innerhalb der Trump-Regierung soll laut einem annonymen Hinweis eines hohen Mitarbeiters bemüht sein, Trumps erratische Unberechenbarkeit im Interesse des „beständigen Staates“, gemeint sind selbstverständlich „die Amerikaner“, die USA, zu korrigieren. Dieser ziemlich übel riechende Wind weht dem Präsidenten immer schärfer um die Nase, aber er wird das wie üblich kleinreden und als "hoax" (Schwindel oder Scherz) einstufen. Foto: subherwal / London, UK Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung 2.0 Generic (CC BY 2.0).