Jakob Augstein & Nikolaus Blome bei Phoenix
Trump, Trump, Trump...!
Als ob es kein anderes Thema in den letzten Tagen und Wochen geben würde. Mit einer beispiellosen und noch nie da gewesener Penetranz haben sich die deutschen Medien gefühlt auf nur dieses eine Thema eingeschossen. Andere Themen sind nur noch als Rahmenprogramm vorgesehen. Sie gehen schier im Blitzlichtgewitter unter, wenn alles auf Uncle Sam in persona Donald Trump schaut, Da zappe ich virtuell im Internet durch die Mediatheken diverser Sender und bleibe bei der 15-minütigen Diskussionsrunde von Augstein & Blome auf Phoenix hängen. Und natürlich, wie könnte es anders sein, ebenso wie bei Sandra Maischberger, Maybrit Illner, Anne Will und Konsorten dreht sich alles um die immens wichtigen Entscheidungen aus Washington und dem gewählten Multimilliardär. Der Titel der schnellen Rederunde ist in Anlehnung an einen alten Klassiker von Stanley Kubrik gehalten und lautet "Dr. Trump - oder lernen wir die Bombe zu lieben". Was bei Kubrik noch als Satire durchging, wird von den beiden Protagonisten verzweifelt aber dafür mit Inbrunst versucht, dieses Niveau zu halten. Dabei ist dieses Thema alles andere als lustig, sondern bitterer Ernst.
In bester britischer Kolonialherrschaftsmanier zu Zeiten der indischen Besatzung, wo das Vorankommen und verwalten mit Zuckerbrot und Peitsche formuliert wurde, gab Trump seinem Stellvertreter James N. Mattis (auch als MAD DOG bekannt), seines Zeichens US-Verteidigungsminister, bei seinem Besuch in Brüssel mit auf den Weg, das die NATO zwar immens wichtig für die Außenpolitik der USA sei, die Europäer jedoch bitte mehr dazu beitragen sollten, da sich sonst die amerikanischen Streitkräfte nicht mehr wie gewohnt in diesem Bündnis einsetzen werden. Und in der Tat: betrachtet man es von der rein wirtschaftlichen Seite, haben die USA sogar Recht, denn der Löwenanteil wird durch das Pentagon getragen. Primäre Zusicherung um die hoch geschlagenen Wellen bei den Europäern zu glätten, zur sekundären Rechtfertigung mit dem gehobenen Zeigefinger. Das Frau von der Leyen natürlich direkt mit auf den Zug aufspringt und die Aufrüstung der europäischen NATO, insbesondere der deutschen Bundeswehr befürwortet, war so sicher wie das Amen in der Kirche.
Zu Beginn rattert Jakob Augstein einen Auszug aus einem militärischen NATO-Planspiel herunter, die Nikolaus Blome wie selbstverständlich sofort erkennt. Kein Wunder, ist Blome doch ständiges Mitglied in der Atlantik-Brücke, einem Thinktank der USA und Deutschlands, der an solchen Planspielen mitarbeitet, was er ganz nebenbei auch noch erwähnt. „Ich war bei der NATO. Anders als sie hab ich an solchen Sachen geschrieben“. Blome weiß nicht nur wie die Amerikaner ticken und was sie gerne haben wollen, sondern sogar, wie man das für die deutschen Leitmedien phrasiert und so verpackt, das Otto-Normal nur noch abnickt und sagt: der hat ja irgendwie Recht. Blome setzt aber noch einen drauf und sinniert fröhlich weiter in dem er dem Zuschauer offenbart, das die US-Regierung nicht mehr klar denken könne. Ein bekanntes Konzept, was sich gegen Putin schon bewährte, kann gegen das Feindbild Trump nicht weniger erfolgreich sein. Ängste schüren und dabei nicht außer Acht lassen, das Präsident Trump gefährlich ist. Blome: „Mein Weltbild ist auch so ein bisschen ins Wanken geraten, weil die Amerikaner momentan unter einer Führung stehen, die offenkundig Drogen nimmt und von einem bösen Baum geraucht hat.“ Fragt sich nur, wer hier vernebelt ist.
Und allen Ernstes debattieren diese zwei über die Un- und Sinnhaftigkeit von Atombomben auf europäischem Boden - speziell in Deutschland. Soll es eine Atombombe für Deutschland geben um Aggressoren abzuschrecken, oder soll es eine europäische Atombombe geben? Während Augsteins Kritik darauf basiert, das Atomwaffen in Europa nichts bringen würden, denn bei einem Krieg, ob nun konventionell oder atomar geführt, würde eh nichts mehr von Europa stehen bleiben, was man dann noch verteidigen könnte, so fußt Blomes Punkt auf die Abschreckungswirkung. Die hat ja in der Zeit des Kalten Krieges zwischen den USA und der Sowjetunion doch wunderbar funktioniert.
Man sollte sich die Frage stellen, ob es eine atomare Abschreckung für Europa geben sollte. Hat der Mann vergessen das - neben den USA und Russland - mit Frankreich und Großbritannien zwei zentraleuropäische Vertreter zu den Atommächten zählen? Und je mehr sich die beiden Herren in ihre fantastischen Worte und Spitzfindigkeiten verlieren und dieses Thema immer weiter fleischlos in die Länge treiben, um hoffentlich für heiteres Gelächter beim Zuschauer zu sorgen, wird ein sehr wichtiger Aspekt vollkommen ausgelassen und nicht angeführt: Atomwaffen sind auf deutschem Boden laut dem Zwei-plus-Vier-Vertrag verboten!
Zugegeben, das ein Nikolaus Blome nicht auf diesen Einwand kommt, war klar, sonst wäre ja sein ganzes Befürworten von Atomwaffen ad absurdum gestellt. Aber das Jakob Augstein nicht mal diesen Punkt mit in die Waagschale wirft, ist für mich doch ziemlich befremdlich. Stattdessen faselt Augstein über Planspiele aus den 1960er Jahren, wo amerikanische Großstädte evakuiert werden, um die Kollateralschäden unter der amerikanischen Bevölkerung so gering wie möglich zu halten, wenn die Russen einen atomaren Schlag ausüben würden. Was bitte hat das mit der aktuellen Situation und erst recht mit der eigentlichen Diskussion zu tun?
Als der 1. Absatz im 3. Artikel des Vertrages über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland am 15. März 1991 in Kraft trat, war das ohne Frage nicht nur besonders weitsichtig gedacht und richtig, sondern auch ein Resultat früherer Diskurse innerhalb der Bundesregierung als auch diversen Protestaktionen und Klagen gegen die Stationierung von atomaren Sprengkörpern auf deutschem Boden. Endlich, so sollte man meinen, war ein Verzicht Deutschlands auf Herstellung, Besitz und Verfügungsgewalt sogenannter ABC-Waffen schriftlich festgehalten und von allen Vertragspartner der 2-plus-4-Verträge ratifiziert worden. Ein Zeitpunkt der wichtiger und besser hätte nicht fallen können, nachdem sich die Sowjetunion und der daraus entstandene Warschauer Pakt kurz vor der Auflösung standen. Ein weiteres Festhalten an atomarer, biologischer und chemischer Bewaffnung wäre einfach undenkbar gewesen. Ganz nebenbei bemerkt wäre es aber auch zu diesem Zeitpunkt undenkbar gewesen, das ein ehemaliger Chefredakteur der BILD jemals auch nur den Job eines Pförtners beim SPIEGEL bekommen hätte.
Dadurch erklärt sich allerdings auch der Schlingerkurs der heutigen Bundesregierung, wenn von Atomwaffen die Rede ist. Verleugnen kann man sie ja nicht, weil sie nachweislich immer noch in letzter Instanz auf dem Fliegerhorst im rheinland-pfälzischen Büchel stationiert sind. Mit Hinweis auf die NATO-Truppenstatuten von 1951, rechtfertigt sich das Kanzleramt regelmäßig mit der Lagerung der 20 Sprengköpfe vom Typ B61, wobei ein Sprengkopf die 10-fach höhere Sprengkraft besitzt, als beide abgeworfene Atombomben von Hiroshima und Nagasaki zusammen. Immer wieder erfolgt der Verweis auf dieses Statut und kann bestenfalls als rhetorisches Schlupfloch betitelt werden, da es sich hierbei um Kampfmittel und nicht um Truppen handelt.
Das die zukünftige Aufrüstung der NATO auch noch andere Gefahren bereit hält, scheint die beiden ebenfalls nicht zu interessieren. Wenn die NATO-Truppen weiterhin wichtig für die USA sind, diese sich aber nicht weiter wie bisher an den ursprünglichen Kosten beteiligen wollen, dann hat dies doch nicht nur zu Folge, das auf die europäischen Länder mehr Kosten zukommen. Das bedeutet doch ebenfalls, dass in zukünftigen Missionen und militärischen Eingriffen mehr deutsches Material und mehr deutsche Soldaten in Krisengebiete geschickt werden, wo sie vom Grundgesetz her, der NATO-Doktrin und erst recht der UN-Charta jetzt schon nichts verloren haben. Hier wird auf allen Ebenen Recht gebrochen und wir schauen einfach nur zu.
Vielleicht sollten sich die Herren Augstein und Blome noch einmal mit den eigentlichen Tatsachen beschäftigen und Ihrer Tätigkeit als Journalist mit einem Kursbesuch zur Auffrischung journalistischer Arbeit nachkommen, anstatt sich medial reißerisch wie Kasper und Krokodil vor der Kamera zum Affen zu machen. Hier duellieren sich zwei Erwachsene auf einem Möchtegern-Satire-Niveau, dass es einem die Nackenhaare zu Berge stehen lässt. So sehr sich die Zeiten geändert haben, die Lager sich unscheinbar vermischen, eine Nebelkerze die Nächste jagt und sich Feindbilder mir nichts dir nichts einfach austauschen lassen, so bleibt doch eigentlich genau bei dieser Sache keine Frage offen und benötigt keiner weiteren Diskussion. Kriege unter deutscher Beteiligung ohne UN-Mandat oder Bündnisfall sind ebenso wie Atomwaffen auf deutschem Boden verboten. Punkt, Punkt, Punkt!!!
Christian Jakob
► Bild- und Grafikquellen:
1. "Dr. Trump - oder lernen wir die Bombe zu lieben". Bild/Grafik: MIH83 - Maret Hosemann • Wietmarschen / Deutschland. Quelle: Pixabay. Alle bereitgestellten Bilder und Videos auf Pixabay sind gemeinfrei (Public Domain) entsprechend der Verzichtserklärung Creative Commons CC0. Das Bild unterliegt damit keinem Kopierrecht und kann - verändert oder unverändert - kostenlos für kommerzielle und nicht kommerzielle Anwendungen in digitaler oder gedruckter Form ohne Bildnachweis oder Quellenangabe verwendet werden.
2. MAD DOG - VERRÜCKTER HUND. Foto: David Merrigan, London. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung-Nicht kommerziell 2.0 Generic (CC BY-NC 2.0).
3. James N. Mattis (* 8. September 1950 in Pullman, Washington) ist ein ehemaliger General des US Marine Corps (USMC) und war von August 2010 bis März 2013 Kommandeur des US Central Command. Zuvor war er von 2007 bis 2010 Kommandeur des US Joint Forces Command, außerdem von 2007 bis 2009 zugleich Supreme Allied Commander Transformation der NATO. Diesen Posten gab er nach der Rückkehr Frankreichs in die integrierte NATO-Kommandostruktur an einen französischen General ab. Der 45. US-Präsident Donald Trump gab am 2. Dezember 2016 die Nominierung von Mattis bekannt.
Foto: D. Myles Cullen. Quelle: Wikimedia Commons. Diese Datei ist ein Werk eines Mitarbeiters der US-Streitkräfte oder des Verteidigungsministeriums der Vereinigten Staaten, aufgenommen oder hergestellt während seiner offiziellen Anstellung. Als amtliches Werk der Bundesregierung der Vereinigten Staaten ist dieses Bild gemeinfrei.
4. Thomas Jakob Augstein (* 28. Juli 1967 in Hamburg) ist ein deutscher Journalist und Verleger, der dem linken bis linksliberalen Spektrum zugerechnet wird. Seit 2013 ist er Chefredakteur der von ihm 2008 gekauften und verlegten Wochenzeitung der Freitag. Foto: Stefan Müller Konzertphotos > Webseite. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 2.0 Generic (CC BY-NC-ND 2.0).
5. Dmitry A. Medvedev - Prime Minister, Russian Federation - 13. Februar 2016, 11:04. Foto: © Munich Security Conference 2016 (MSC) / Mueller. Quelle: Webseite der Stiftung Münchner Sicherheitskonferenz (gemeinnützige) GmbH. Verbreitung: Fotos der Konferenz, die zum Download angeboten werden, können entsprechend den Angaben im Impressum honorarfrei genutzt werden, soweit der Name des Fotografen genannt wird. Die Fotos sind unter der Creative Commons Attribution 3.0 Germany License lizensiert.
6. Karte: Truppenstärke der NATO-Mitgliedsstaaten in Europa und der Staaten des Warschauer Paktes Anfang 1973. Truppenstärke der NATO-Staaten inkl. Kontingente aus den USA und Kanada. Miteingerechnet wurden auch die 9.000 in Spanien (Nicht-NATO-Mitglied) stationierten US-Soldaten. Karte basiert auf Bild:Cold war europe military alliances map.png von San Jose. Karte überarbeitet und Datenmaterial der NATO aus Fischer Weltalmanach und nach Angaben der Zeitung „Le Monde“ vom 30. Januar 1973 eingefügt. Urheber: wikifreund, Germany. Quelle: Wikimedia Commons. Diese Datei ist unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 nicht portiert“ lizenziert.
7. NATO raus - raus aus der NATO. Grafik: Wilfried Kahrs (WiKa) / QPress.
8. "These Guys Suck" - das ganze von Jakob Augstein und Nikolaus Blome inszinierte Palawer rund um Donald Trump, Aufrüstung und atomare Abschreckung ginge sicher auch den beiden Puppendarstellern "Waldorf und Statler" von der Muppet Show gewaltig auf den Zeiger. Dank ihrer sarkastischen Sprüche – vor allem ihrer Schlussworte nach dem Abspann – wurden sie zu den heimlichen Stars der Show.
Das Bild zeigt ein "Waldorf & Statler Wall Painting", Ottawa, Ontario, Kanada. Foto: Mike Gifford. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.0 Generic (CC BY-NC-SA 2.0).